Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Bestimmung eines Sanierungstarifvertrages, dass während seiner Laufzeit nur bei einem Ausscheiden durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer sein Sanierungsbeitrag (unbezahlte Mehrarbeit, Lohnverzicht) erstattet wird, enthält hinsichtlich der Arbeitnehmer, die auf Veranlassung des Arbeitgebers zur Vermeidung einer ansonsten notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag abschließen, in der Regel keine unbewusste Regelungslücke. Sie kann zudem im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein.
2. Einfache Differenzierungsklauseln in einem Tarifsozialplan, die zusätzliche Leis-tungen nur für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen, sind grundsätzlich zulässig. Sie können aber aufgrund des wirtschaftlichen Umfangs der gewährten Vorteile eine unzulässige Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit darstellen. In diesem Fall ist die Leistung nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern schon aufgrund des Inhalts des Tarifvertrages durch eine Anpassung "nach oben" zu gewähren.
3. Einfache Differenzierungsklauseln in einem Tarifsozialplan, welche für Gewerk-schaftsmitglieder in Ergänzung zu einem betrieblichen Sozialplan sowohl höhere als auch zusätzliche Abfindungsansprüche vorsehen, sind unzulässig, wenn sie einem Gewerkschaftsmitglied gegenüber einem nicht oder anders organisierten, aber ansonsten vergleichbaren Arbeitnehmer Mehrleistungen gewähren, welche
- in der Summe die im betrieblichen Sozialplan geregelte Abfindung um fast drei Bruttomonatsentgelte erhöhen,
- bezogen auf die Beschäftigungszeit in der Summe die im betrieblichen Sozialplan geregelte Abfindung um fast ein Drittel Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr erhöhen,
- in der Summe dem Gewerkschaftsmitglied zusätzliche Abfindungen ge-währen, die höher sind als die nach dem betrieblichen Sozialplan vorgesehene Abfindung,
- allein die im betrieblichen Sozialplan geregelte Abfindung aufgrund des geänderten Bemessungsfaktors für Gewerkschaftsmitglieder um 78,5 % erhöhen.
4. Keine Bedenken bestehen gegen eine einfache Differenzierungsklausel, welche bei einem Wechsel in eine Transfergesellschaft eine um 500,00 Euro höhere Ein-stiegsprämie vorsehen.
Auf die Berufung des Klägers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen sowie unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 22. März 2011 (2 Ca 435/10) teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.713,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2. Januar 2010 sowie weitere 286,38 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 95,46 Euro seit 10. Mai 2010, 10.Juni 2010 und 10. Juli 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 37 %, die Beklagte zu 63 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche. Zum einen geht es um die Zulässigkeit der Beschränkung der Pflicht des Arbeitgebers, finanzielle Einbußen von Arbeitnehmern aufgrund eines Sanierungstarifvertrages im Falle der betriebsbedingten Kündigung zu erstatten. Zum anderen geht es um die Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln in einem Tarifsozialplan.
3Der Kläger war vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Er absolvierte zunächst seine Ausbildung zum Industriemechaniker, ab dem 31. Januar 2005 wurde er als solcher unbefristet eingestellt. Grundlage war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 31. Januar 2005. Danach galten die jeweiligen Kündigungsfristen des Tarifvertrages, der Jahresurlaubsanspruch richtete sich nach den tariflichen Bestimmungen. Des Weiteren heißt es in dem Arbeitsvertrag:
4"(7) Im Übrigen sind die einschlägigen Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen sowie der Arbeitszeitordnung Inhalt dieses Arbeitsvertrages. Dasselbe gilt für die künftigen Änderungen hinsichtlich der Betriebsvereinbarungen und der Arbeitszeitordnung."
5Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem Arbeitsvertrag wird auf dessen Kopie (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28. September 2010, Blatt 79 f. d. A.) Bezug genommen.
6In der Vergangenheit wurden die mit der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens einheitlich auf alle Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten angewandt. Unter dem 30. Januar 2009 schloss die Beklagte mit der IG Metall - Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen - einen Anerkennungstarifvertrag, wonach die Tarifverträge für Arbeiter/innen, Angestellte und Auszubildende der Metallindustrie des Tarifgebietes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweiligen Fassung für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich aufgeführten Beschäftigten der Beklagten Anwendungen finden (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. die Kopie des Anerkennungstarifvertrages, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28. September 2010, Blatt 81 ff. d. A.). Des Weiteren wurde unter dem 30. Januar 2009 ein Firmentarifvertrag zur Beschäftigungssicherung geschlossen, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
7"§ 1
8Geltungsbereich
9Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle Beschäftigten der Firma I1 M1 GmbH & Co. KG Anlagenbau am Standort P1 W1.
10Dieser Tarifvertrag gilt persönlich für alle Beschäftigten, die Mitglied der IG Metall sind sowie die Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen fallen. …
11§ 2
12Beschäftigungs- und Standortsicherung
13Bis zum 31.12.2010 sind nach Unterschreiten einer Mindestzahl von 60 Beschäftigten (ohne Auszubildende) am Standort P1 W1 betriebsbedingte Kündigungen nur mit Zustimmung der Tarifvertragspartei möglich. Scheidet während der Laufzeit dieses Tarifvertrages ein Beschäftigter durch eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers aus dem Unternehmen aus, so ist er rückwirkend so zu stellen, dass dieser Tarifvertrag auf ihn keine Anwendung findet …
14Darüber hinaus wird eine Standortsicherung für das Werk P1 W1 bis zum 31.12.2010 unter der Voraussetzung einer gleichbleibenden Umsatzentwicklung zugesagt. Die Vertragsparteien vereinbaren, im Vorfeld einer Standortverlagerung der Firma I1 M1 GmbH % Co. KG Anlagenbau, Gespräche zum Nachteilsausgleich zu führen.
15Sollten gravierende Verschlechterungen der wirtschaftlichen Ausgangssituation, die zum Zeitpunkt der Vertragsschließung nicht absehbar waren, eintreten, treten die vertragsschließenden Parteien unverzüglich in Verhandlungen, um geeignete Maßnahmen zu vereinbaren, die den Fortbestand der Firma und den Erhalt der Arbeitsplätze absichern. …"
16Der Tarifvertrag (im Folgenden: Sanierungs-TV) sah auf der Basis der Vergütung einer tarifvertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden für die Jahre 2009 und 2010 ein zusätzliches Arbeitszeitvolumen von jeweils 130 Stunden vor. Des Weiteren wurden die zusätzliche Urlaubsvergütung und die Höhe des Teiles eines 13. Monatseinkommen für das Jahr 2009 jeweils um 25 % reduziert. Die Grundvergütung einschließlich der davon abhängigen Entgeltbestandteile wurde für die Jahre 2009 und 2010 um 1,5 % gekürzt. Die beiden linearen Entgelterhöhungen von jeweils 2,1 % für das Jahr 2009 wurden um jeweils vier Monate verschoben. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sanierungs-TV wird auf dessen Ablichtung (Anlagenkonvolut K1 zur Klageschrift, Bl. 5 ff. d. A.) Bezug genommen.
17Aufgrund weiterhin bestehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten sah sich die Beklagte veranlasst, am Standort P1-W1 die Zahl der Beschäftigten auf 29 zu reduzieren und dabei bis zu 32 Arbeitsplätze abzubauen. Unter dem 27. November 2009 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat hierüber einen Interessenausgleich. In § 3 Interessenausgleich ist für die Durchführung der Betriebsänderung neben dem Auslauf befristeter Arbeitsverhältnisse, dem Abschluss von Aufhebungsverträgen, der Versetzungen am Standort und an andere Standorte, der Ausschluss von Leiharbeit und die Reduktion des Einsatzes externer Unternehmen sowie die Fortführung von Kurzarbeit, auch die Gründung einer Transfergesellschaft vorgesehen. § 3.7 regelt hierzu unter anderem Folgendes:
18"Zweck der Einrichtung soll es sein, möglichst vielen betroffenen Arbeitnehmern eine angepasste berufliche Qualifizierung zu ermöglichen und die Aufnahme in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern.
19Aus diesem Grunde erhalten alle Arbeitnehmer, die in der zukünftigen Aufbauorganisation nicht vorgesehen sind und deren Arbeitsverhältnis trotz der vorrangig beschriebenen Maßnahmen von Kündigung bedroht ist, die Möglichkeit zum 01.01.2010 auf der Basis des als Anlage 4 beigefügten dreiseitigen Vertrages, der im Wege einer zusammengesetzten Urkunde integraler Bestandteil dieser Vereinbarung ist, in eine Transfergesellschaft zu wechseln.
20Die individuelle Verweildauer in der Transfergesellschaft beträgt für die betroffenen Arbeitnehmer das Doppelte der individuellen Kündigungsfrist per 31.12.2009, mindestens 3 Monate und höchstens 12 Monate.
21Das Unternehmen verpflichtet sich, diese Angebote (dreiseitigen Verträge) für die betroffenen Mitarbeiter vorzubereiten und mit den jeweiligen individuellen Daten des einzelnen Arbeitnehmers zu versehen sowie diese Angebote an alle Arbeitnehmer auszuhändigen, die nicht in der zukünftigen Aufbauorganisation vorgesehen sind. Die Aushändigung erfolgt am 27.11.2009.
22Die betroffenen Arbeitnehmer haben dann längstens bis zum 10.12.2009 die Möglichkeit, das Angebot durch Unterschrift unter den dreiseitigen Vertrag anzunehmen und diesen bei der Personalabteilung abzugeben."
23§ 3.8 Interessenausgleich regelt, dass die Beklagte für den Fall, dass durch die vorher beschriebenen Maßnahmen der Abbau von 32 Arbeitsplätzen nicht erreicht wird, 32 betriebsbedingte Kündigungen, jedoch nicht vor dem 11. Dezember 2009, aussprechen wird. In § 4 Interessenausgleich sind die Sozialauswahlkriterien geregelt. Nach § 4.6 Interessenausgleich ist eine Namensliste im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG vorgesehen. Der Kläger stand auf dieser Liste. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Interessenausgleich wird auf dessen Kopie (Anlagenkonvolut 1 der Klageschrift, Bl. 8 ff. d. A.) Bezug genommen.
24Darüber hinaus vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat am 27. November 2009 einen Sozialplan. In § 2 Sozialplan sind folgende Leistungen für die Arbeitnehmer, welche in einer Transfergesellschaft wechseln, vorgesehen:
25"8. Für die Dauer des Vertrages zur Transfergesellschaft erhält der Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen.
26Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer für die Dauer des Vertragsverhältnisses zur Transfergesellschaft einen Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeitergeld, der aus den Kosten der Maßnahme geleistet wird, nach folgender Maßgabe:
2713. Arbeitnehmer, die in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten die volle Abfindung, wie sie sich nach den Regeln des § 3 dieses Sozialplans errechnet.
3014. Arbeitnehmer, die in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten eine Einstiegsprämie in Höhe von 500,- EUR. …"
31Darüber hinaus sah § 3 Sozialplan eine Abfindungsregelung vor, die u. a. folgenden Inhalt hat:
32"1. Die Arbeitnehmer, die infolge der unternehmerischen Maßnahme gemäß der Präambel aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, erhalten für den Verlust ihres Arbeitsplatzes und zum Ausgleich bzw. zur Milderung der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile eine Abfindung.
332. Grundsätze
34Die Abfindung setzt sich zusammen aus
35- einem variablen Betrag gemäß Ziffer 3
36- einem Zuschlag für vorhandene Unterhaltspflichten gemäß Ziffer 4
37- einem Zuschlag für altersbedingte Schlechterstellung am Arbeitsmarkt gemäß Ziffer 5
38- einem Zuschlag für Alleinerziehende gemäß Ziffer 6
39- einem Zuschlag für gekündigte Paare gemäß Ziffer 7
40- einem Zuschlag für Schwerbehinderung gemäß Ziffer 8
41- einem Zuschlag für Dienstjubiläen gemäß Ziffer 9
423. Variabler Betrag
43Beschäftigungsjahre x Bruttomonatsvergütung x 0,28
44Grundlage für die Berechnung ist die Bruttomonatsvergütung gemäß § 2 Ziffer 8.
45Bei der Berechnung der Beschäftigungsjahre bei Ausscheiden wird in Jahren und vollen Monaten gerechnet (angefangene Monate werden aufgerundet) und auf zwei Dezimalstellen kaufmännisch gerundet (Beispiel: Tatsächliche Betriebszugehörigkeit bei Ausscheiden gleich 8 Jahre, 10 Monate, 19 Tage entspricht einer Betriebszugehörigkeit von 8 Jahren und 11 Monaten, also dezimal 8,92).
46Maßgeblich für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. …
4710. Die Mitarbeiter, die sich gegen einen Übertritt in die Transfergesellschaft entscheiden, erhalten die Abfindung erst mit rechtskräftiger Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bei dem Unternehmen, also im Zweifel mit dem Auslaufen der individuellen Kündigungsfrist.
4811. Die Abfindung der Mitarbeiter, die in die Transfergesellschaft wechseln wird mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitgeberin fällig. …"
49Wegen der weiteren Einzelheiten zu dem Sozialplan wird auf dessen Ablichtung (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. Mai 2012, Bl. 196 ff. d. A.) verwiesen.
50Schließlich vereinbarte die Beklagte mit der IG Metall - Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen - einen Sozialtarifvertrag vom 14. Dezember 2009 (im Folgenden: SozialTV). Dieser hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
51"Präambel
52Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation hat die Geschäftsleitung der I1 M1 GmbH & Co. KG Anlagenbau die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Produktion am Standort P1 W1 einzustellen. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien am 27.11.2009 einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen. Dieser Interessenausgleich und Sozialplan setzt eine Anpassung der tariflichen Situation, insbesondere des Tarifvertrages vom 30.01.2009 voraus. Dieses ist Ziel des vorliegenden Sozialtarifvertrages. Ansprüche, die Beschäftigte aus diesem Tarifvertrag entstehen, sind - soweit nicht Anderweitiges geregelt - zusätzlich zu den Sozialplanansprüchen fällig.
53§ 1
54Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle Beschäftigten der I1 M1 GmbH & Co. KG Anlagenbau am Standort P1 W1.
55§ 2
56§ 3
58Beschäftigte, die Mitglied der IG Metall sind, erhalten für den Verlust ihres Arbeitsplatzes infolge der unternehmerischen Maßnahmen, die Gegenstand des Interessenausgleiches und Sozialplanes vom 27.11.2009 sind, sofern kein Arbeitsverhältnis mit der I1 K1 GmbH & Co. KG zustande kommt, eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG, 24 EStG, die sich wie folgt berechnet:
59Für Beschäftigte, die bis zum 31.12.2009 ausscheiden bzw. die Kündigung erhalten:
60(feste Entgeltbestandteile + 1,5 % / Sollarbeitsstunden des Monats des Ausscheidens) x 130) + 25 % Urlaubsvergütung entsprechend § 14 EMTV + 25 % des 13. ME für das Jahr 2009 entsprechend § 2 ETV 13. ME = besondere Abfindung.
61Für Beschäftigte, die nach dem 31.12.2009 ausscheiden bzw. die Kündigung erhalten, erhöht sich die Abfindung zusätzlich um einen nach folgender Formel zu berechnenden Betrag:
62(feste Entgeltbestandteile + 1,5 % / Sollarbeitsstunden des Monats des Ausscheidens) x (130² abzüglich 10,83 pro Monat des Ausscheidens vor dem 31.12.2010) + 25 % Urlaubsvergütung entsprechend § 14 EMTV + 25 % des 13. ME für das Jahr 2009 entsprechend § 2 ETV 13. ME, wobei als Auszahlungstag der letzte Tag des Arbeitsverhältnis gilt = besondere Abfindung.
63Der Anspruch besteht neben den Ansprüchen aus dem Sozialplan vom 27.11.2009 oder eines nachfolgenden Sozialplans und ist mit diesen oder nachfolgend geregelten Ansprüchen nicht zu verrechnen. Die Fälligkeit richtet sich nach dem vorgenannten Sozialplan bzw. eines evtl. Nachfolgesozialplans.
64§ 4
65Bei der Berechnung der Abfindungsbeträge nach § 3 Ziff. 3 (variabler Betrag) des Sozialplanes vom 27.11.2009 wird die Formel
67Beschäftigungsjahre x Bruttomonatsvergütung x 0,5
68(statt 0,28) zu Grunde gelegt.
69Bei der Berechnung der Beschäftigungsjahre sind auch Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres zu berücksichtigen.
70Soweit die Regelungen des Sozialplanes vom 27.11.2009 durch die Abs. 1 bis 3 nicht abgeändert werden, wird der Sozialplan, der den Tarifvertragsparteien vorliegt, konstitutiv in Bezug genommen. Die Ansprüche aus § 4 bestehen neben denen aus dem Sozialplan, sind aber mit diesen zu verrechnen. …
74§ 6
75Für die verbleibenden Beschäftigten der Firma I1 M1 GmbH & Co. KG Anlagenbau gilt der Tarifvertrag vom 30.01.2009 uneingeschränkt weiter.
76Der vorliegende Tarifvertrag tritt rückwirkend am 04.12.2009 in Kraft und endet ohne Nachwirkung ebenfalls am 31.12.2010. …"
77Dem Kläger wurde der Abschluss der dreiseitigen Vereinbarung unter Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten und Wechsel zur Transfergesellschaft angeboten. Zugleich wurde ihm von der Beklagten für den Fall der Ablehnung erklärt, dass er mit Sicherheit die betriebsbedingte Kündigung erhalten werde. Zudem war ihm der Inhalt der Namensliste bekannt. Der Kläger schloss daraufhin die dreiseitige Vereinbarung, schied zum 31. Dezember 2009 bei der Beklagten aus und wechselte ab dem 1. Januar 2010 zur Transfergesellschaft, aus der er zum 30. Juni 2010 wieder ausschied.
78Nachdem die Verhandlungen über den Sozialtarifvertrag durchgesickert waren, stellten insgesamt 16 Arbeitnehmer der Beklagten Aufnahmeanträge bei der IG Metall, so auch der Kläger unter dem 11. Dezember 2009. Satzungsgemäß wurde er mit Wirkung zum 1. Januar 2010 als Mitglied der IG Metall Minden aufgenommen. Leistungs- und unterstützungsberechtigt sind Mitglieder der IG Metall nach der Satzung erst nach einer Mitgliedschaft von drei Monaten.
79Der Kläger erhielt mit seinem Ausscheiden bei der Beklagten die im Sozialplan vorgesehenen Leistungen gemäß § 2 Nr. 8 und 14 sowie § 3 Sozialplan. Dagegen wurden ihm weder die Leistungen nach § 2 Abs. 1 Sanierungs-TV noch nach § 3 und § 4 Sozial-TV von der Beklagten gewährt. Ihre Geltendmachung durch den Kläger unter dem 5. Februar 2010 blieb erfolglos. Lediglich drei Arbeitnehmer einschließlich des Klägers haben die nur Gewerkschaftsmitgliedern gewährten Ansprüche aus dem Sozial-TV geltend gemacht. Die finanziellen Ansprüche der Gewerkschaftsmitglieder wurden von der Beklagten abgewickelt.
80Mit seiner am 1. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seine Ansprüche weiter verfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, dass § 2 Abs. 1 Sanierungs-TV eine unbewusste Regelungslücke enthalte, weil er diejenigen Arbeitnehmer nicht einbeziehe, die aufgrund eines Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung ausschieden. Deshalb stünden ihm - rechnerisch unstreitig - 3.709,95 Euro brutto zu, da er so zu stellen sei, als hätte der Sanierungs-TV im Jahr 2009 keine Anwendung auf ihn gefunden. Im Übrigen habe die Anwendung der Tarifverträge für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens auf einer betrieblichen Übung beruht, bei der alle Arbeitnehmer so gestellt worden seien, als seien sie Mitglieder der IG Metall. Daher stünden auch ihm die sich aus dem Sozial-TV ergebenden Sonderansprüche zu. Zudem ergäben sich seine Ansprüche aus seiner tatsächlich bestehenden Mitgliedschaft in der IG Metall. Eine Differenzierungsklausel dahingehend, dass nur Mitglieder der IG Metall mit mehr als dreimonatiger Zugehörigkeit zur Gewerkschaft von dem Sozial-TV erfasst würden, stelle eine unzulässige Stichtagsregelung dar. Die unwirksame Regelung führe dazu, dass diese auf alle Mitarbeiter der Beklagten anwendbar seien. Dementsprechend stünde ihm die besondere Abfindung gemäß § 3 Sozial-TV in Höhe von 2.870,79 Euro, die erhöhte Abfindung gemäß § 4 Nr. 1 Sozial-TV in Höhe von 4.843,12 Euro, die zusätzliche Einstiegsprämie gemäß § 4 Nr. 3 Sozial-TV in Höhe von 450,00 Euro sowie für die Monate April bis Juni 2010 je 95,46 Euro netto zusätzlicher Aufstockungsbetrag gemäß § 4 Nr. 2 Sozial-TV zu; die Höhe der Ansprüche ist rechnerisch unstreitig. Die tarifliche Verfallfrist des § 19 EMTV Metallindustrie NRW stünde den Ansprüchen nicht entgegen.
81im Kammertermin vom 15. September 2010 hat der Kläger den ursprünglich unbezifferten Antrag zu 1) nicht gestellt und nur mit den Anträgen zu 2) bis 4) verhandelt, wobei er den Antrag zu 4) mit der Maßgabe gestellt hatte, dass 950,00 Euro brutto abzüglich bereits erhaltener 500,00 Euro brutto "Einstiegsprämie" zu zahlen seien, sowie als Anträge zu 5) und 6) die höheren Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld. Im Kammertermin hat er den Antrag zu 4) ohne die Einschränkung aus dem vorherigen Kammertermin gestellt.
82Der Kläger hat zuletzt beantragt,
83die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.709,95 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.Oktober 2010 zu zahlen,
84die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.870,79 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 2.Januar 2010 zu zahlen,
85die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.843,12 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 2. Januar 2010 zu zahlen,
86die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 950,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 2. Januar 2010 zu zahlen,
87die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 190,92 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 95,46 Euro seit dem 10. Mai 2010 und aus einem Betrag in Höhe von 95,46 EUR seit dem 10. Juni 2010 zu zahlen,
88die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 95,46 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10. Juli 2010 zu zahlen.
89Die Beklagte hat beantragt,
90die Klage abzuweisen.
91Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, in § 2 Sanierungs-TV bestehe eine bewusste Regelungslücke, weil den Tarifvertragsparteien bewusst gewesen sei, dass die Möglichkeit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage bestand und ein weitergehender Personalabbau dann durch Interessenausgleich und Sozialplan umgesetzt werden würde, was in der Praxis regelmäßig mit der Einrichtung einer Transfergesellschaft verbunden sei. Der Kläger könne sich daher nicht auf Vorteile berufen, die ausschließlich für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung vereinbart worden seien. Eine Tarifgebundenheit des Klägers bezüglich des Sozial-TV bestehe nicht, da er jedenfalls zum Abschlusszeitpunkt nicht Gewerkschaftsmitglied gewesen sei. Eine betriebliche Übung hinsichtlich einer dynamischen Anwendung auch zukünftiger Tarifverträge sei nicht gegeben. Jedenfalls erfülle der Kläger nicht die für die von ihm aus dem Sozial-TV geltend gemachten Ansprüche erforderliche Voraussetzung des Vorliegens einer Gewerkschaftszugehörigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages, welcher eindeutig regele, dass die Ansprüche nur Personen zu gewähren seien, die Beschäftigte "sind" und gleichzeitig Gewerkschaftsmitglieder. Eine solche Differenzierungsklausel sei zulässig. Im Übrigen seien die Ansprüche verfallen.
92Mit seinem hier angefochtenen Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage lediglich hinsichtlich der für die Monate April bis Juni 2010 geltend gemachten zusätzlichen Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld gemäß Sozial-TV stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Sanierungs-TV enthalte keine Regelungslücke. § 2 Sanierungs-TV sei eindeutig. Es sei davon auszugehen, dass erfahrenen Tarifparteien bei Abschluss einer solchen Vereinbarung bewusst gewesen sein dürfte, dass angesichts einer wirtschaftlich unsicheren betrieblichen Situation Eigenkündigungen von Arbeitnehmern oder Aufhebungsvereinbarungen möglich seien. Wenn diese Fälle gleichwohl nicht geregelt würden, seien die davon betroffenen Personen von einem Ausgleich der erbrachten Sonderopfer ausgeschlossen. Auch im Sozial-TV hätten die Tarifvertragsparteien zwischen einer betriebsbedingten Kündigung und - als milderem Mittel - einem Wechsel in die Transfergesellschaft unterschieden und trotzdem keine abweichende Regelung hinsichtlich der Nachentrichtung der entgangenen Lohnanteile getroffen. Das sei sinnvoll, weil betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer eine Abfindung und den Ausgleich der Lohnopfer erhielten und die in eine Transfergesellschaft wechselnden Arbeitnehmer dieselbe Abfindung sowie weitergehende Leistungen durch das Transferkurzarbeitergeld, die Aufstockungsbeträge und die Möglichkeit einer Weiterqualifizierung. Hinsichtlich des Sozialtarifvertrages bestehe ein Anspruch gemäß § 4 Nr. 2 Sozial-TV, da der Kläger ab dem 1. Januar 2010 Mitglied der IG Metall gewesen sei. Es handele sich um einen Daueranspruch, der sich aus dem Zusammenwirken von Sozialplan und Tarifvertrag ergebe, monatlich neu erwachse und dessen Fälligkeit nicht am Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages oder des Sozialplanes anknüpfe. Weitergehende Ansprüche aus dem Sozial-TV stünden dem Kläger nicht zu. Zum anspruchsbegründenden Zeitpunkt der Fälligkeit habe keine Tarifgebundenheit vorgelegen. Eine Gesamtschau der Regelung ergebe, dass Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall eine zusätzlich zu der nach dem Sozialplan an alle Arbeitnehmer zu zahlende Abfindung hätten erhalten sollen. Die Fälligkeit der Abfindung ergebe sich für Arbeitnehmer, welche wie der Kläger in eine Transfergesellschaft wechseln, aus § 4 Nr. 11 Sozialplan mit dem Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies sei im Falle des Klägers der 31. Dezember 2009 gewesen. Die Abfindung sei damit vor Beginn seiner Tarifgebundenheit ab 1. Januar 2010 fällig geworden, weshalb sich ein originärer Anspruch des Klägers aus dem Tarifvertrag nicht ergebe. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung bestehe nicht, weil keine besonderen Anhaltspunkte vorlägen, aus denen sich ergebe, dass eine vollständige Gleichstellung der nichttarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern als betriebliche Übung vereinbart gewesen sei. § 3 und § 4 Sozial-TV enthielten schließlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässige einfache Differenzierungsklauseln. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Seite 11 bis 22 des Urteils, Bl. 119 ff. d. A.) Bezug genommen.
93Das Urteil wurde dem Kläger am 10. August 2011 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 18. August 2011 eingelegte und mit dem am 30. September 2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.
94Der Kläger ist der Ansicht, dass der in der Präambel erwähnte Hintergrund der Vereinbarung des Sanierungs-TV, die Erhaltung der Beklagten und die Sicherung der Arbeitsplätze, nicht gegen, sondern für die Annahme einer Regelungslücke spreche. Mit diesem Tarifvertrag sei allen Arbeitnehmern ein Sonderopfer abverlangt worden. Die Gegenleistung habe in der Zusage einer Beschäftigungs- und Standortsicherung bestanden. Den Tarifvertragsparteien sei es darum gegangen, die Arbeitnehmer vor einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen. Anderenfalls sollten die Arbeitnehmer das (unfreiwillig) erbrachte Sonderopfer zurückerhalten. Die Betriebsbedingtheit der Beendigung sei der entscheidende Unterschied der vorliegenden Konstellation zu Fällen der Beendigung aus anderen Gründen durch Abschluss von Aufhebungsverträgen oder Eigenkündigung. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass er sich gegen die als sicher in Aussicht gestellte betriebsbedingte Kündigung nicht würde wehren können, und deshalb gezwungen, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, wenn er zumindest die (überschaubaren) Vorteile aus der Auffanggesellschaft erhalten wollen. Die Sicherungsklausel des § 2 Sanierungs-TV sei nach ihrem Sinngehalt dann gerade einschlägig. Hätten die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit erkannt, dass eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern mit Namensliste dazu gezwungen werden würde, in eine Auffanggesellschaft zu wechseln, so hätten sie diesen Beendigungstatbestand mit in den Geltungsbereich der Sicherungsklausel des § 2 Sanierungs-TV einbezogen. Jedenfalls in Anwendung des Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB müsse der Eintritt der rechtsbegründenden Bedingung fingiert werden. Die tatsächliche Handhabung spreche dagegen, dass der Wechsel in die Transfergesellschaft gegenüber der Beendigungskündigung von den Tarifvertragsparteien als milderes Mittel angesehen worden sei. Die IG Metall habe zwar ihre Zustimmung zu den Kündigungen von dem Angebot eines Wechsels in eine Transfergesellschaft abhängig gemacht. Zugleich habe sie dafür gesorgt, dass ihre eigenen Mitglieder dabei wirtschaftlich in den Genuss der Rückabwicklung ihres Sanierungsbeitrages gekommen seien. Die zusätzliche Abfindung in § 3 Sozial-TV entspreche der Höhe nach im Wesentlichen dem Sonderopfer aus dem Sanierungs-TV. Die Tarifparteien hätten die Notwendigkeit, den Sanierungsbeitrag rückabzuwickeln, gesehen, seien aber der Ansicht gewesen, dass diese Vergünstigung nur Mitgliedern der IG Metall zukommen solle.
95Dem Kläger stünden auch die Ansprüche auf die weiteren Leistungen des Sozial-TV zu. Dieser finde uneingeschränkt Anwendung. Sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten seien aufgrund betrieblicher Übung stets so behandelt worden, als seien sie Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall. Der Sanierungs-TV sei im persönlichen Anwendungsbereich auf Mitglieder IG Metall beschränkt gewesen, aber unstreitig unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit auf sämtliche Mitarbeiter der Beklagten angewandt worden. Es sei nicht ersichtlich, dass bei exakt gleichem Regelungsgehalt im persönlichen Anwendungsbereich der Sozial-TV nun keine Anwendung finden solle. Im Übrigen sei an keiner Stelle des Sozial-TV geregelt, dass die Voraussetzungen "IG Metall-Mitglied" und "Beschäftigte der Beklagten" gleichzeitig vorliegen müssen. Die weitere Differenzierung des persönlichen Anwendungsbereichs in § 4 Nr. 1 des Sozial-TV wäre sonst nicht zu erklären. Die dort genannte Leistungsvoraussetzung der Leistungs- und Unterstützungsberechtigung könne nur den Sinn haben, Arbeitnehmer auszuschließen, die im Dezember 2009 den Antrag auf Aufnahme in die IG Metall gestellt hätten. Zusätzliche Leistungen aus § 3 und § 4 Nr. 2 und 3 Sozial-TV stünden deshalb allen Mitarbeitern unabhängig von ihrer Mitgliedschaft zu. Schließlich enthielten § 3 und § 4 Sozial-TV unwirksame qualifizierte Differenzierungsklauseln. Es handele sich um unzulässige Stichtagsregelungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
96Die Parteien haben im Termin vom 24. April 2012 den zuletzt gestellten Antrag zu 4) des Klägers in Höhe von 500,00 Euro übereinstimmend für erledigt erklärt.
97Der Kläger beantragt,
98Die Beklagte beantragt,
106die Berufung zurückzuweisen.
107Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie die angefochtene arbeitsgerichtliche Entscheidung als zutreffend. Es sei freier Wille des Klägers gewesen, sich für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden, damit er neben der gewährten Abfindung für den Verlust des Arbeitsverhältnisses auch die Vorteile einer Transfergesellschaft beanspruchen kann. Der Kläger könne sich nicht zusätzlich auf Ansprüche berufen, die ausschließlich im Fall einer betriebsbedingten Kündigung entstehen sollen. Das Arbeitsgericht stelle zutreffend klar, dass davon ausgegangen werden könne, dass sich erfahrene Tarifvertragsparteien bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung durchaus darüber bewusst gewesen sein dürften, dass angesichts einer wirtschaftlich unsicheren betrieblichen Situation durchaus Eigenkündigungen von Arbeitnehmern und Aufhebungsvereinbarungen möglich seien.
108Auch die in § 3 und § 4 Nr. 1 und 3 Sozial-TV geregelten Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Der Sozial-TV knüpfe sie an drei gleichzeitig zu erfüllende Voraussetzungen: ein bestehendes wirksames Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, den Verlust des Arbeitsplatzes und die Mitgliedschaft bei der IG Metall. Der Kläger sei zwar Beschäftigter der Beklagten, jedoch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnis kein Mitglied der IG Metall gewesen. Eine betriebliche Übung, nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern vollständig gleichzustellen, habe nicht bestanden. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass es sich um zulässige einfache Differenzierungsklauseln handele.
109Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 4. Oktober 2011 zugestellt. Die Anschlussberufung der Beklagten einschließlich ihrer Begründung ist nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 5. Dezember 2011 an diesem Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
110Die Beklagte ist der Auffassung, dass auch ein Anspruch auf Aufstockung des Transferkurzarbeitergelds nach § 4 Nr. 2 Sozial-TV nicht bestehe. Selbst dann, wenn der Fälligkeitszeitpunkt nach dem Beginn der Mitgliedschaft des Klägers bei der IG Metall liege, sei ein Anspruch nur dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt des Beschäftigungsverhältnisses eine Mitgliedschaft in der IG Metall bestanden habe.
111Die Beklagte beantragt,
112die Klage auf die Anschlussberufung im vollem Umfang abzuweisen.
113Der Kläger beantragt,
114die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
115Nach Ansicht des Klägers findet die Auffassung, dass nur die Arbeitnehmer den höheren Aufstockungsbetrag für das Transferkurzarbeitergeld verlangen könnten, die bereits am 31. Dezember 2009 Mitglieder der IG Metall gewesen seien, im Sozial-TV keine Stütze.
116Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts vom 2. Juni 2010, 15. September 2010 und 22. März 2011 sowie des Landesarbeitsgerichts vom 24. April 2012 verwiesen.
117Entscheidungsgründe
118Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, soweit er die Erstattung seines Sanierungsbeitrages aufgrund der Regelungen des Sanierungs-TV verlangt (I.). Dagegen besitzt der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Abfindung nach § 3 Sozial-TV und der erhöhten Sozialplanabfindung nach § 4 Nr. 1 Sozial-TV (II.). Unbegründet bleibt die Berufung, soweit der Kläger mit ihr die Zahlung der erhöhten Prämie für den Wechsel in die Transfergesellschaft gemäß § 4 Nr. 3 Sozial-TV geltend macht (III.). Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet, weil dem Kläger der erhöhte Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeitergeld gemäß § 4 Nr. 2 Sozial-TV zusteht (IV.).
119I. Der Kläger besitzt keinen Anspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV, rückwirkend so gestellt zu werden, dass dieser Tarifvertrag auf ihn keine Anwendung findet. Er erfüllt nicht die erforderliche Voraussetzung, durch eine betriebsbedingte Kündigung der Beklagten aus dem Unternehmen während der Laufzeit dieses Tarifvertrages ausgeschieden zu sein. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde unstreitig durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Die Begrenzung des tariflichen Anspruchs gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV auf den Fall einer betriebsbedingten Kündigung stellt weder eine vom Gericht zu schließende unbewusste Regelungslücke dar noch verstößt sie gegen den Gleichheitssatz.
1201. Die Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV führt weder zu einer Erfassung von Aufhebungsverträgen, die anstelle einer sonst auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung geschlossen werden, noch ergibt sich eine schließungsbedürftige Regelungslücke.
121a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, 15. Dezember 2005, 6 AZR 227/05, NZA-RR 2007, 107 <108>; 20. Januar 2009, 9 AZR 677/07, NZA 2010, 295 <298>; 23. September 2009, 4 AZR 382/08, NZA 2010, 588 <589>; 11. November 2010, 8 AZR 892/09, NZA 2011, 763 <765>).
122b) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall sind Aufhebungsverträge, die auf Veranlassung des Arbeitgebers zur Vermeidung einer ansonsten notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung abgeschlossen werden (im Folgenden: "Betriebsbedingte" Aufhebungsverträge), nicht von § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV erfasst. Der Wortlaut dieser tariflichen Bestimmung ist eindeutig. Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer, der aus seinem Arbeitsverhältnis während der Laufzeit des Tarifvertrages ausscheidet, seinen Sanierungsbeitrag zurückerhält, ist, dass er aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten sein Arbeitsverhältnis beenden muss. Die Erstattung der Einkommenskürzung nach § 3 Sanierungs-TV ist demnach an den Verlust des Arbeitsplatzes durch eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers geknüpft.
123Eine solche Auslegung entspricht auch dem Sinn der Regelung unter Berücksichtigung eines tariflichen Gesamtzusammenhangs. Der Sanierungs-TV diente der Sicherung von mindestens 60 Arbeitsplätzen am Standort P1 W1. Hierzu waren die Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmer, wie sie in § 3 Sanierungs-TV festgelegt worden sind, aus Sicht der Tarifparteien notwendig. Im Hinblick auf eine eindeutige, rechtssichere Handhabung, wann im Falle des Ausscheidens eines Arbeitnehmers ihm sein Sanierungsbeitrag zu erstatten ist, war eine klare Begrenzung auf betriebsbedingte Kündigungen eine vernünftige, sachgerechte, zweckorientierte und praktisch brauchbare Regelung. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die Vermeidung von Streitigkeiten, ob es sich um einen "betriebsbedingten" oder einen aus anderen Gründen abgeschlossenen Aufhebungsvertrag handelt.
124c) Eine unbewusste Regelungslücke ist danach ausgeschlossen. Sie liegt schon deswegen nicht vor, weil die Möglichkeit, dass ein Arbeitgeber durch in Aussichtstellung einer betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag veranlasst, allgemein und damit auch den Tarifvertragsparteien bekannt war und ist. Wenn die Tarifvertragsparteien im vorliegenden Fall trotzdem nur betriebsbedingte Kündigungen als Grund für eine Verpflichtung der Beklagten, den Sanierungsbeitrag des Arbeitnehmers nach § 3 Sanierungs-TV zurückzuzahlen, vorsehen, ist von einer bewussten Begrenzung der Anspruchsberechtigung auszugehen.
125Zudem geht es um Sanierungsbeiträge zum Erhalt des Unternehmens. Der Verbleib dieser Beiträge im Falle eines Ausscheidens des Arbeitnehmers liegt im gemeinsam verfolgten Sanierungsinteresse der Tarifvertragsparteien, um die vorgegebene Anzahl von Arbeitsplätzen zu erhalten. Dies legt es nahe, dass die Tarifvertragsparteien mit ihrer in § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV getroffenen Vereinbarung bewusst den Kreis der Anspruchsberechtigten begrenzen wollten, der im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens in den Genuss der Erstattung seiner Einkommenseinbußen kommen sollte, um einen möglichst hohen Betrag zur wirtschaftlichen Gesundung der Beklagten im Unternehmen zu belassen. Eine unbewusste Regelungslücke hinsichtlich des Falles eines "betriebsbedingten" Aufhebungsvertrages liegt nach alledem nicht vor.
1262. Der Ausschluss eines Anspruchs auf Erstattung des Sanierungsbeitrages im Falle eines Ausscheidens durch einen "betriebsbedingten" Aufhebungsvertrag verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
127a) Ob die Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unmittelbar (so: BAG, 4. April 2000, 3 AZR 729/98, NZA 2002, 917 <918>) oder nur mittelbar gebunden sind (so: BAG, 8 Dezember 2011, 6 AZR 319/09, NZA 2012, 275 <278>), kann offen bleiben, weil für den Prüfungsmaßstab die dogmatische Herleitung ohne Bedeutung ist (vgl. BAG, 22. Dezember 2009, 3 AZR 895/07, NZA 2010, 521 <525>; 21. September 2010, 9 AZR 442/09, AP GG Art. 3 Nr. 323; hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes ebenso: BAG, 27. Mai 2004, 6 AZR 129/03, NZA 2004, 1399 <1402>). Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz setzt danach voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der Aufstellung tariflicher Vorschriften tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung berücksichtigt werden müssen (vgl. BAG, 22. Dezember 2009, a. a. O.; 21. September 2010, a. a. O.; 8. Dezember 2011, a. a. O.).
128b) Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien zwischen der Gruppe der betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer und denjenigen der Arbeitnehmer, die auf Veranlassung des Arbeitgebers durch in Aussichtstellung einer ansonsten notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag abschließen, unterschieden. Diese beiden Arbeitnehmergruppen sind grundsätzlich gleich zu behandeln, z. B. bei Sozialplanansprüchen. Hier gilt eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen aus einem Sozialplan zwischen Arbeitnehmern, die aufgrund einer Betriebsänderung gekündigt werden, und denjenigen, die aufgrund Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag ausscheiden, unterscheiden können (vgl. BAG, 19. Juli 1995, 10 AZR 885/94, NZA 1996, 271).
129aa) Bezogen auf einen wie hier vorliegenden Sanierungstarifvertrag scheint dies auf den ersten Blick auch zu gelten. Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV soll den Arbeitnehmer, der trotz seines Sanierungsbeitrages aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung seinen Arbeitsplatz verliert, vor dem endgültigen finanziellen Verlust seines Beitrags angesichts des Fehlschlags bewahren. Dieser Zweck trifft aber auch auf den Arbeitnehmer zu, der auf Initiative des Arbeitgebers einen Aufhebungsvertrag abschließt, weil er ansonsten eine betriebsbedingte Kündigung erhält. Allein der Umstand, dass er sich auf eine einvernehmliche Beendigung einlässt, weil er z. B. die Berechtigung der vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe einsieht, rechtfertigt nicht ohne Weiteres den Wegfall dieser tariflichen Vergünstigung. Auch dieser Arbeitnehmer hat vergeblich seinen Sanierungsbeitrag geleistet, die Hoffnung auf den Erhalt des Arbeitsplatzes hat sich nicht erfüllt.
130bb) Allerdings ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass es sich um einen Sanierungstarifvertrag handelt. Ziel der Tarifvertragsparteien war gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Sanierungs-TV der Erhalt des Standortes P1 W1 mit mindestens 60 Arbeitsplätzen. Da die Zahl der Arbeitnehmer an diesem Standort die Anzahl dieser Arbeitsplätze nicht wesentlich überschritt (laut Interessenausgleich aus November 2009 waren 63 Arbeitnehmer von der Betriebsänderung betroffen), konnten die Parteien davon ausgehen, dass es zu "betriebsbedingten" Aufhebungsverträgen jedenfalls nicht kommen wird, solange nicht aufgrund einer gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Ausgangssituation im Sinne des § 2 Abs. 3 Sanierungs-TV die Zustimmung der Gewerkschaft zu weiteren Kündigungen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sanierungs-TV erforderlich wird. Darüber hinaus konnten sie weiter einbeziehen, dass bei der dann voraussichtlich vorliegenden Betriebsänderung bereits die Betriebsparteien eine Regelung der "betriebsbedingten" Aufhebungsverträge bei den dann zwingend zu führenden Sozialplanverhandlungen finden werden. Unter diesen Umständen ist es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes aufgrund der den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zustehende Einschätzungsprärogative hinzunehmen, dass sie auch solche Aufhebungsverträge von der Erstattung des Sanierungsbeitrages ausgenommen haben, welche auf Veranlassung des Arbeitgebers unter Inaussichtstellung einer betriebsbedingten Kündigung abgeschlossen wurden. Angesichts des Einzelfallcharakters stand es in ihrem Gestaltungsspielraum, den von solchen Arbeitnehmern geleisteten Sanierungsbeitrag im Betrieb der Beklagten zur Fortsetzung und Erreichung des Sanierungszieles zu belassen, weil angesichts des Einzelfallcharakters sie davon ausgehen konnten, dass ein Arbeitnehmer auch einem solchen "betriebsbedingten" Aufhebungsvertrag nicht zustimmen würde, wenn dieser gegenüber der Kündigung nicht irgendeinen ggf. persönlichen Vorteil bot.
131cc) Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass die Tarifvertragsparteien die Betriebsänderung im Dezember 2009 bei der Beklagten nicht zum Anlass genommen haben, die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV dahin zu ergänzen, dass im Falle eines Ausscheidens durch "betriebsbedingten" Aufhebungsvertrag, insbesondere bei einem Wechsel in die Transfergesellschaft, der Sanierungsbeitrag erstattet werden sollte, und zwar auch nicht im Sozial-TV. Ausweislich dessen Präambel ist dieser zur Anpassung der tariflichen Situation, insbesondere des Sanierungs-TV an die infolge der Betriebsänderungen getroffenen betrieblichen Vereinbarungen (Interessenausgleich und Sozialplan) abgeschlossen worden. Gemäß § 6 Sozial-TV gilt der Sanierungs-TV uneingeschränkt weiter, soweit die Beschäftigten bei der Beklagten nach Durchführung der Betriebsänderung verbleiben. Im Übrigen ist durch die Regelung in § 3 Sozial-TV, worauf der Kläger zutreffend hinweist, der Sache nach eine Erstattung des Sanierungsbeitrags in Form einer Abfindung vorgesehen. Unabhängig davon, ob die in dieser Bestimmung vorgesehene Einschränkung der Anspruchsberechtigung auf Gewerkschaftsmitglieder zulässig ist, ergibt sich daraus, dass die Tarifvertragsparteien im Zusammenhang mit der Betriebsänderung die Problematik des § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV durch § 3 Sozial-TV ergänzend zum Ausgleich der durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Nachteile geregelt haben.
132Vor diesem Hintergrund ist durch den ergänzenden Abschluss des Sozial-TV eine möglicherweise gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung in § 2 Abs. 1 Satz 2 Sanierungs-TV beseitigt. Denn es liegt sowohl in der Einschätzungsprärogative als auch im Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien, den Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes durch Aufhebungsvertrag statt betriebsbedingter Kündigung in der durch den Sozial-TV vorgesehenen Form zu regeln und dabei zu berücksichtigen, dass es darüber hinaus aufgrund des Sozialplans eine betriebliche Regelung auf Seiten der Beklagten als einer der Tarifvertragsparteien gibt, die Leistungen in diesem Fall vorsieht. Es ist dabei sachgerecht, die Möglichkeit des Wechsels in eine Transfergesellschaft als Vorteil anzusehen, der den Verlust des Sanierungsbeitrags bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich aufwiegt. Der Kläger erhält für den Vorteil eines nach dem Sozialplan aufgestockten Transferkurzarbeitergeldes außerdem eine Verlängerung des Bezugszeitraumes für das Arbeitslosengeld. Es kommt dabei nicht auf die konkrete finanzielle Höhe der Vor- und Nachteile an. Ein möglicher finanzieller Vorteil für die Beklagte ist angesichts der von ihr zu finanzierenden Transfergesellschaft einerseits, der einer drastischen Personalreduzierung um rund die Hälfte der bisherigen Belegschaft am Standort zugrundeliegenden wirtschaftlichen Situation andererseits gerechtfertigt.
133c) Ob die nach § 3 Sozial-TV nur an Gewerkschaftsmitglieder zu leistende Abfindung gerechtfertigt ist, ist allein eine Frage der Zulässigkeit einer solchen Differenzierungsklausel, nicht aber der Gleichbehandlung von gekündigten und durch Aufhebungsvertrag ausgeschiedenen Arbeitnehmern.
134II. Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Zahlung der in § 3 und § 4 Nr. 1 Sozial-TV vorgesehenen Abfindungen. Zwar erfüllt der Kläger nicht die für diese Ansprüche erforderliche Voraussetzung, dass er ein Beschäftigter ist, der Mitglied in der IG Metall und - im Falle des § 4 Nr. 1 Sozial-TV - leistungs- und unterstützungsberechtigt ist. Die darin liegende einfache Differenzierungsklausel ist jedoch im vorliegenden Fall unzulässig. Folge ist ein Anspruch des Klägers auf die nach diesen Regelungen nur Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltene Leistung.
1351. Der Sozial-TV findet grundsätzlich kraft Tarifbindung bzw. betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
136a) Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist (§ 3 Abs. 1 TVG). Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die Beklagte ist als Arbeitgeber Tarifvertragspartei des Sozial-TV. Gemäß § 1 Sozial-TV gilt dieser räumlich für alle Beschäftigten der Beklagten am Standort P1 W1. Zu diesen Beschäftigten gehört der Kläger. Eine weitergehende generelle Eingrenzung des Geltungsbereichs auf Beschäftigte, die bereits zum 31. Dezember 2009 Mitglied der IG Metall waren, liegt nicht vor. Soweit es hierauf für die Anspruchsberechtigung einzelner im Tarifvertrag vorgesehener Ansprüche ankommt, führt dies nicht zu einer generellen Beschränkung des Geltungsbereiches und damit der Tarifbindung. Dies ergibt sich auch aus § 6 Sozial-TV, der für die verbleibenden Beschäftigten der Beklagten die Fortgeltung des Sanierungs-TV vom 30. Januar 2009 vorsieht. Außerdem bestimmt die Präambel, dass es sich beim Sozial-TV um eine Ergänzung des Sanierungs-TV handelt, der ebenfalls keine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Beschäftigte, die bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt Arbeitnehmer der Beklagten sind, vorsieht.
137b) Darüber hinaus ist unstreitig, dass die Tarifverträge für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens von der Beklagten üblicherweise bei allen Arbeitnehmern angewandt wurden. Dies begründet eine entsprechende betriebliche Übung, wonach die Tarifnormen der Tarifverträge für die Metallindustrie im Arbeitsverhältnis Anwendung finden, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer selbst Mitglied der Gewerkschaft ist oder nicht. Insoweit bestand entgegen der Ansicht der Beklagten eine dynamische Bezugnahme auf künftige Tarifverträge (vgl. BAG, 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, NZA 2007, 1439 <1440>; 24. September 2008, 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154 <157>). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht die Tarifverträge in der Metallindustrie NRW, wie sie auch in der Anlage des Anerkennungstarifvertrages vom 30. Januar 2009 aufgeführt sind, stets in der geltenden Fassung auf alle Beschäftigten in der Vergangenheit angewandt hat. Zudem hat sie den Sanierungs-TV auf alle Beschäftigungsverhältnisse unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft angewendet, der ausweislich der Präambel des Sozial-TV durch diesen ergänzt wird.
1382. Der Kläger erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzungen in § 3 und § 4 Nr. 1 Sozial-TV, dass es sich bei ihm um einen Beschäftigten handelt, der Mitglied der IG Metall ist. Denn dafür wäre es erforderlich gewesen, dass er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gewerkschaftsmitglied geworden wäre. Dies ergibt sich aus einer Auslegung dieser Bestimmungen unter Berücksichtigung ihres Sinn und Zwecks sowie des tariflichen Gesamtzusammenhangs.
139a) § 3 Sozial-TV sieht für Beschäftigte, die Mitglied der IG Metall sind, zwei unterschiedlich zu berechnende zusätzliche Abfindungsansprüche vor. Er differenziert gemäß § 3 Abs. 2 und 4 Sozial-TV zwischen Abfindungsleistungen für Beschäftigte, die bis zum 31. Dezember 2009 ausscheiden bzw. die Kündigung erhalten, und solchen, bei denen das nach dem 31.Dezember 2009 der Fall ist. Arbeitnehmer der Beklagten, die bis zum 31. Dezember 2009 ausschieden, konnten diese Abfindung demnach nur dann beanspruchen, wenn sie bis zum Ausscheiden satzungsgemäß Mitglied der IG Metall waren. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut, der nicht einfach darauf abstellt, dass Beschäftigte ausscheiden, sondern dass es sich um solche Beschäftigte handelt, die Mitglied der IG Metall sind. Zum anderem ergibt sich dies aus dem geregelten Sachverhalt und dem damit verbundenen Sinn und Zweck der Regelung. Mitglieder der IG Metall sollten im Gegensatz zu Nichtmitgliedern ihren bis zum Ausscheiden geleisteten Sanierungsbeitrag nach § 3 Sanierungs-TV als Nachteilsausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes weitestgehend in Form einer Abfindung erstattet erhalten.
140Der Kläger ist bis zum 31. Dezember 2009 ausgeschieden. Er war zwar bis zu diesem Zeitpunkt Beschäftigter bei der Beklagten, jedoch nicht Mitglied bei der IG Metall. Seine Mitgliedschaft begann erst am 1. Januar 2010. Damit erfüllt er nicht die sich aus § 3 Sozial-TV ergebende Anspruchsvoraussetzung, bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses spätestens Mitglied der IG Metall geworden zu sein. Die ab 1. Januar 2010 bestehende Tarifbindung begründet keinen Anspruch auf eine Anwendung tariflicher Normen auf vor dieser Bindung in der Vergangenheit liegende Sachverhalte (vgl. BAG, 27. April 1988, 7 AZR 593/87, NZA 1988, 771 <772>; 20. Dezember 1988, 1 ABR 57/87, NZA 1989, 564 <565>; 26. September 1990, 5 AZR 218/90, NZA 1991, 246 <246 f.>; 22. November 2000, 4 AZR 688/99, NZA 2001, 980 <981 f.>). Die Tarifgebundenheit muss für den jeweiligen Zeitraum vorliegen (Schaub/Treber, Arbeitsrechts-Handbuch, 14. Auflage, 2011, § 205 Rn. 27).
141b) Gemäß § 4 Nr. 1 Sozial-TV ist für einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Sozialplanabfindung Voraussetzung, dass der Beschäftigte Mitglied der IG Metall ist und zugleich leistungs- und unterstützungsberechtigt ist. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 Sozial-TV nicht unmittelbar, dass die Mitgliedschaft und Leistungs- und Unterstützungsberechtigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Beklagten vorgelegen haben muss. Insoweit fehlt es an einer Differenzierung, wie sie z. B. in § 3 Abs. 2 und 4 Sozial-TV enthalten ist. Jedoch geht es auch hier um Abfindungsleistungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis der Beklagten, so dass bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Mitgliedschaft in der IG Metall, und zwar mehr als drei Monate bestehen musste.
142Dies war beim Kläger zum Zeitpunkt des Ausscheidens am 31. Dezember 2009 nicht der Fall. Er war weder Mitglied der IG Metall noch lag die erforderliche Leistungs- und Unterstützungsberechtigung vor, die bei ihm erst seit dem 1. April 2010 besteht.
143c) Der Sozial-TV enthält in den zentralen Bestimmungen der §§ 3 und 4 die Regelung von Zusatzleistungen an Beschäftigte, die Mitglied der IG Metall sind, soweit sie im Zusammenhang mit der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Dies setzt voraus, dass bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits die Mitgliedschaft in der IG Metall bzw. im Fall des § 4 Nr. 1 Sozial-TV diese mehr als drei Monate bestand, da erst danach die Leistungs- und Unterstützungsberechtigung eintritt. Weitere Anhaltspunkte hierfür sind, dass nach § 5 Sozial-TV die Ansprüche bereits mit der Unterzeichnung (hier: 14. Dezember 2009) entstehen und mit der Auszahlung der Leistungen nach dem Sozialplan vom 27. November 2009 fällig werden. Gemäß § 4 Nr. 11 Sozialplan wird die Abfindung bei einem Wechsel in die Transfergesellschaft mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Auch hieraus wird insgesamt deutlich, dass die Tarifvertragsparteien beabsichtigten, ausschließlich IG-Metall-Mitgliedern, die bereits zur Zeit ihrer Beschäftigung bei der Beklagten satzungsgemäß Mitglied geworden waren, die zusätzlichen Leistungen nach dem Sozial-TV zu kommen zu lassen.
1443. Die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens fehlende Mitgliedschaft des Klägers in der IG Metall wird nicht durch die betriebliche Übung bei der Beklagten ersetzt, die Tarifverträge für die Metallindustrie auf die Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, sei es durch eine Bezugnahmeklausel, sei es kraft betrieblicher Übung, wird nur dessen Geltung als Teil des Arbeitsvertrages begründet. Dem Arbeitnehmer wird aber vertraglich nicht der Status als Gewerkschaftsmitglied verliehen mit der Folge, dass die auf das Vorliegen einer gewerkschaftlichen Mitgliedschaft abstellenden Regelungen eines Tarifvertrages für zusätzliche Leistungen auch ohne diese erfüllt wären.
145Das Fehlen der Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers schließt nur die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags aufgrund einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Bezugnahme oder einer betrieblichen Übung nicht aus, wenn in den tariflichen Regelungen über den Geltungsbereich entsprechend § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG - deklaratorisch - bestimmt ist, dass die Regelungen nur für Mitglieder der zuständigen Gewerkschaft gelten. Wird dagegen wie in § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 Abs. 1 Sozial-TV normiert, dass eine bestimmte zusätzliche Leistung nur dem begrenzten Personenkreis von Gewerkschaftsmitgliedern zustehen soll, handelt es sich hierbei nicht um eine deklaratorische Wiedergabe des Tarifvertragsrechts. Insbesondere bezweckt eine arbeitsvertragliche Verweisung auf einen Tarifvertrag nicht, dem Arbeitnehmer in Bezug auf den Tarifvertrag den Status eines Mitglieds der tarifschließenden Gewerkschaft einzuräumen (vgl. BAG, 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, NZA 2007, 1439, <1440 f.>; 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028, 1031 f.). Die Arbeitsvertragsparteien haben mit der Bezugnahmeklausel geregelt, was sie regeln wollten: Die Anwendung der Tarifnormen - mit all ihren Voraussetzungen - im Arbeitsverhältnis (Kamanabrou, Anm. zu BAG AP TVG § 3 Nr. 41). Die Bezugnahme ersetzt nicht die Erfüllung dieser Voraussetzungen. Ein weitergehender Regelungswille lässt sich auch nicht im Wege einer "interessengerechten Vertragsauslegung" entnehmen (so aber Lobinger/Hartmann, RdA 2009, 235 <237 f.>), wenn es dazu an einer entsprechenden Vereinbarung oder betrieblichen Übung fehlt. Die Interessen der Parteien sind nicht alleiniger Maßstab der Auslegung. Die übliche allgemeine Bezugnahmeklausel begründet nur die arbeitsvertragliche Anwendung eines Tarifvertrags, nicht aber die umfassende Behandlung als Gewerkschaftsmitglied (Kocher, NZA 2009, 119 <122 f.>)
1464. Die danach vorliegende Differenzierungsklausel in § 3 Abs. 1 sowie 4 Nr. 1 Abs. 1 Sozial-TV, durch die die Mitgliedschaft in der IG Metall zum Tatbestandsmerkmal der in diesen Normen geregelten tariflichen Ansprüche gemacht wird, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht schon deswegen unzulässig, weil es sich um eine unzulässige Stichtagsregelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt. Danach ist eine Differenzierungsklausel unwirksam, die unter anderem entgegen § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in Tarifverträgen vereinbarte Leistungen von der Gewerkschaftszugehörigkeit zu einem - in der Vergangenheit liegenden Stichtag abhängig macht. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten spätestens Mitglied einer Gewerkschaft sein muss, stellt eine solche Stichtagsregelung nicht dar.
147a) Die Geltung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages ist hinsichtlich der Tarifgebundenheit allein von dem Beginn der Mitgliedschaft abhängig. Mit dem Beitritt zur Gewerkschaft wird grundsätzlich gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitgeber ein Anspruch auf die tariflichen Leistungen begründet. Eine Stichtagsregelung, wonach einem Arbeitnehmer, der nach diesem Stichtag erst der zuständigen Gewerkschaft beitritt, ein Anspruch nicht zuteilwird, führt zu einem allein aus organisationspolitischen Gründen erfolgenden und damit unzulässigen Eingriff in die Rechtslage, denn ihm wird der wesentliche Ertrag eines Gewerkschaftsbeitritts, die Teilhabe an den von seiner Gewerkschaft für die bei ihr organisierten Arbeitnehmer erreichten Verhandlungsergebnisse verwehrt, worin eine Beeinträchtigung der positiven Koalitionsfreiheit gesehen werden kann (vgl. BAG, 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, NZA 2007, 1439 <1441>). Durch eine solche Stichtagsregelung werden teilweise die denkbaren Rechtfertigungsgründe verfehlt, in dem der Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt genommen wird, weil nur ein in der Vergangenheit liegender Gewerkschaftsbeitritt belohnt wird (vgl. BAG, a. a. O.).
148b) Ob im Hinblick auf das Erfordernis in § 4 Nr. 1 Abs. 1 Sozial-TV, dass nicht nur eine Gewerkschaftsmitgliedschaft des Beschäftigten der Beklagten vorliegen muss, sondern diese mehr als drei Monate bestanden haben muss, weil nur dann Leistungs- und Unterstützungsberechtigung nach der Satzung der IG Metall vorliegt, kann hier offen bleiben. Denn der Kläger erfüllt schon nicht die Grundvoraussetzung, dass er bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Mitglied der IG Metall gewesen ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Stichtag, sondern einen aus der Natur der Regelungsmaterie folgenden Umstand, nämlich die Normierung tariflicher Ansprüche im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung durch einen Tarifsozialplan. Geregelt wird ein bezogen auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers in der Vergangenheit liegender Sachverhalt, für den durch den nachträglichen Beitritt keine tariflichen Leistungsansprüche entstehen können (siehe oben II. 2. a) der Gründe). Es verbleibt nur bei der in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG für den Beginn einer Tarifbindung maßgeblichen Voraussetzung, dass diese für den Arbeitnehmer erst ab dem Beitritt zur Gewerkschaft eintritt, was wiederum sich nach den satzungsmäßigen Bestimmungen richtet.
149Dementsprechend ist die Aufnahmeerklärung des Klägers vom 11. Dezember 2009 allein nicht ausreichend, vielmehr beginnt die Mitgliedschaft erst mit dem Ersten des auf die Eintrittserklärung folgenden Monats. Wäre der Kläger demnach erst nach dem 31. Dezember 2009 oder nach dem 31. März 2010 ausgeschieden, stünde sein später Beitritt zum 1. Januar 2010 grundsätzlich einer Anspruchsberechtigung nicht entgegen. Dass er aufgrund seines Ausscheidens zum 31. Dezember 2009 keine tariflichen Ansprüche für den Zeitraum seiner Beschäftigung erwirbt, ist Folge davon, dass es sich um einen bezogen auf den satzungsgemäßen Beginn seiner Gewerkschaftsmitgliedschaft abgeschlossenen Lebenssachverhalt handelt. Das stellt aber keine Stichtagsregelung dar.
1505. Bei § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 Abs. 1 Sozial-TV handelt es sich zwar um einfache Differenzierungsklauseln, die grundsätzlich zulässig sind. In ihrer konkreten Ausgestaltung stellen sie jedoch eine unzulässige Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit anders oder nicht organisierter Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten dar, was zur Unwirksamkeit dieser Differenzierung führt.
151a) Eine einfache Differenzierungsklausel ist dadurch charakterisiert, dass sie in einer einzelnen Tarifregelung die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft ausdrücklich zu einer anspruchsbegründenden Voraussetzung für eine tarifliche Leistung macht. Es bleibt dem Arbeitgeber jedoch unbenommen, auf vertraglichem Wege nicht nur die Anwendung des Tarifvertrages oder Tarifwerks zu vereinbaren. Der Arbeitgeber kann die vollständige Gleichstellung mit den Mitgliedern der am Tarifabschluss beteiligten Gewerkschaft dadurch herbeiführen, dass er mit seinen Arbeitnehmern arbeitsvertraglich vereinbart, dass diese im Hinblick auf einen nicht normativ geltenden Tarifvertrag behandelt werden wie die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft. Bei einer solchen Vereinbarung sind Leistungen eingeschlossen, die nach einer einfachen Differenzierungsklausel nur Gewerkschaftsmitgliedern vorbehalten sind, wobei an der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung keine Zweifel bestehen (vgl. BAG, 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028 <1031, 1034 f.>; 23. März 2011, 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920 <926>).
152b) Eine einfache Differenzierungsklausel begegnet zwar keinen grundsätzlichen Bedenken, weil sie keinen unmittelbaren rechtlichen Druck auf Außenseiter ausüben kann. Infolge ihrer rechtlichen Wirkungsweise erfasst sie weder das Arbeitsverhältnis des Außenseiters mit dem tarifgebundenen Arbeitgeber noch schränkt sie die Handlungs- und insbesondere die Vertragsfreiheit tarifgebundener Arbeitgeber ein. Sie beschränkt sich darauf, Rechte und Pflichten von Mitgliedern der Tarifvertragsparteien zu regeln, und beinhaltet keine Regelung, die unmittelbar für nicht Tarifgebundene normativ gilt. Sie entfaltet keine Drittwirkung in dem Sinne, dass das Vertragsverhalten einer tarifgebundenen Arbeitsvertragspartei gegenüber Dritten im Tarifvertrag unmittelbar oder mittelbar geregelt werden soll (vgl. BAG, 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028 <1034>).
153c) Der fehlende unmittelbare rechtliche Druck einer einfachen Differenzierungsklausel auf das Recht des Arbeitnehmers, einer Koalition fernzubleiben, schließt jedoch eine unzulässige Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit nicht "strukturell" aus. Darin liegt eine der Sache nach ungerechtfertigte Verkürzung des Grundrechtsschutzes auf rechtlich wirkende Beeinträchtigungen.
154aa) Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst als individuelles Freiheitsrecht auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben. Das Grundrecht schützt davor, dass ein Zwang oder Druck auf die nicht oder anders Organisierten ausgeübt wird, einer bestimmten Koalition beizutreten. Ein von einer Regelung oder Maßnahme ausgehender bloßer Anreiz zum Beitritt erfüllt diese Voraussetzung nicht (vgl. BVerfG, 3. Juli 2000, 1 BvR 945/00, NZA 2000, 947 <947 f.>; 11. Juli 2006, 1 BvL 4/00, NZA 2007, 42 <44>).
155Dass der von der Regelung ausgehende Druck oder Zwang ein unmittelbar rechtlicher sein muss, ergibt sich hieraus nicht. Vielmehr prüft das Bundesverfassungsgericht, wenn auch im Ergebnis ohne Erfolg für den jeweiligen Verfassungsbeschwerdeführer, ob der von einer Norm ausgehende mittelbare Druck einen gegebenenfalls unzulässigen Zwang zum Beitritt zu einer Koalition enthält (vgl. BVerfG, 18. Juli 2000, 1 BVR 948/00, NZA 2000, 948, >948 f.>; 29. Dezember 2004, 1 BvR 2383/03 u. a., NZA 2005, 153 <155>;.). Ein gewisser mittelbarer Druck ist gerechtfertigt, solange er nicht so erheblich wird, dass er einen faktischen Zwang zum Beitritt begründet (vgl. BVerfG, 11. Juli 2006, BvL 4/00, NZA 2007, 42 <44>; Kocher, NZA 2009, 119 <122>).
156bb) Ein solcher mittelbarer Druck besteht aber für einen nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer, wenn von der tariflichen Regelung ein erheblicher wirtschaftlicher Zwang ausgeht, sich der Gewerkschaft anzuschließen, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Wie auch bei anderen Grundrechten (vgl. zur Art. 5 Abs. 1 GG: BVerfG, 26. Februar 1969, 1 BvR 619/63, NJW 1969, 1161 <1161 f.>) reicht ein wirtschaftlicher Druck für eine unzulässige Grundrechtsbeeinträchtigung. Dafür ist auch eine einfache Differenzierungsklausel "strukturell" geeignet.
157cc) Unabhängig davon, ob ein Tarifvertrag möglicherweise grundsätzlich geeignet sein muss, alle Arbeitsverhältnisse in seinem Geltungsbereich zu regeln (vgl. dazu: BAG, 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028 <1035 f.>), ist demnach stets zu prüfen, ob eine einfache Differenzierungsklausel im Verhältnis zu einem von Rechts wegen schützenswert verfolgten Ziel einen unverhältnismäßigen, zwangähnlichen Druck ausübt, das Recht darauf, einer Koalition fernzubleiben, aufzugeben (vgl. BAG, a. a. O., 1035). Dabei beginnt der faktische Zwang nicht erst dort, wo den Außenseitern sonst ein sittenwidriger Wucherlohn droht (so: Leydecker, AuR 2006, 13 <16>; Däubler/Hensche, TVG, 2. Auflage, 2006, § 1 Rn. 879). Die Grenze liegt vielmehr dort, wo die Nachteile so groß werden, dass eine Nichtmitgliedschaft auch bei Berücksichtigung politischer Bedenken keine vernünftige Entscheidung mehr wäre. Der faktische Zwang beginnt für einen ökonomisch denkenden Menschen schon vor der Existenzbedrohung. Zugleich ergibt sich daraus, dass eine solche Grenze nur im Einzelfall gezogen werden kann (vgl. Kocher, NZA 2009, 119 <122>, Ulber/Strauss, DB 2008, 1970 <1974>).
158Insoweit kann zulässigerweise, ohne das Grundrecht auf negative Koalitionsfreiheit zu verletzen, von einer Tarifnorm ein Anreiz für den Arbeitnehmer ausgehen, der Gewerkschaft beizutreten. Dies ist jeder begünstigenden Tarifnorm eigen. Da andererseits der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, Tarifnormen auf Außenseiter anzuwenden, und von vornherein die Anwendung eines Tarifwerks auf Mitglieder der an diesem Tarifvertrag beteiligten Gewerkschaft beschränken kann, kann sich der Außenseiterarbeitnehmer nicht darauf berufen, hiervon gehe ein unzulässiger Druck aus, der Gewerkschaft beizutreten. Die konkrete einzelvertragliche Durchführung eines nicht normativ an einen Tarifvertrag gebundenen Arbeitsverhältnisses entscheidet nicht darüber, ob eine Tarifnorm verfassungswidrig ist oder nicht (vgl. BAG, 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028, <1035>).
159d) Differenzierungsklauseln in Tarifsozialplänen in der Form der §§ 3 und 4 Nr. 1 Sozial-TV üben einen unzulässigen wirtschaftlichen Druck aus, das Recht aufzugeben, einer bestimmten Gewerkschaft fernzubleiben. Die Zulassung solcher einfachen Differenzierungsklauseln in einem Tarifsozialplan führt generell dazu, dass für jeden ökonomisch überlegenden Arbeitnehmer eine Nichtmitgliedschaft in einer Gewerkschaft trotz Berücksichtigung politischer Bedenken keine vernünftige Entscheidung wäre, weil er sich nur dadurch gegen die Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust anlässlich einer Betriebsänderung zusätzlich versichern kann.
160aa) Im vorliegenden Fall beträgt die Abfindung nach § 3 Sozial-TV 2.870,79 Euro, die zusätzliche Abfindung nach § 4 Nr. 1 Sozial-TV 4.843,12 Euro. Das Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug laut Abrechnung für die Monate April und Mai 2010 (vgl. Anlage K2 zum Schriftsatz des Klägers vom 16. Juni 2010, Bl. 36 f. d. A.) 2.617,62 Euro. Die Gesamtsumme aus beiden Abfindungsbeträgen (7.713,91 Euro) entspricht fast drei Bruttomonatsentgelten, die der Kläger aus Anlass der Betriebsänderung und der durch den Arbeitsplatzverlust verbundenen Nachteile weniger zum Ausgleich erhält. Bezogen auf die Beschäftigungszeit des Klägers (knapp 8 ½ Jahre) entspricht dies einem Drittel Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr. Die zusätzlichen Abfindungen für den Fall, dass der Kläger Gewerkschaftsmitglied wäre, sind höher als die nach dem Sozialplan gewährte Abfindung in Höhe von 6.163,97 Euro. Deren Erhöhung durch die Berechnungsformel in § 4 Nr. 1 Sozial-TV um 4.843,12 Euro beträgt rund 78,5 %.
161Es bedarf aus Sicht des Gerichts keiner weiteren Darlegung, dass hier ein erheblicher wirtschaftlicher Druck für die nicht organisierten Arbeitnehmer aufgebaut wird, wenn es Gewerkschaften möglich wäre, gerade im Fall einer Betriebsänderung über den Abschluss eines Tarifsozialplans in derart erheblichem Umfang Mitgliedern gegenüber anderen Arbeitnehmern Vorteile zu verschaffen. Sowohl in Relation zu dem eigenen Verdienst als auch zu den Leistungen nach dem betrieblichen Sozialplan erhalten Gewerkschaftsmitglieder einen erheblich besseren Ausgleich der durch den Arbeitsplatzverlust eintretenden Nachteile. Wird ein solches Vorgehen in einem Tarifsozialplan zugelassen, ist das für einen wirtschaftlich denkenden Arbeitnehmer nicht nur ein Anreiz, sondern ein faktischer Zwang, bei langfristiger Betrachtungsweise als "Quasi-Versicherung" gegen den Arbeitsplatzverlust unabhängig von der eigenen Überzeugung in die Gewerkschaft einzutreten. Die Möglichkeit, Nachteile in einem Tarifsozialplan weiter abzumildern, darf allenfalls ein Anreiz, jedoch keinen erheblichen Zwang auf den Außenseiter ausüben, der Koalition beizutreten. Dies ist jedoch bei Regelungen eines Tarifsozialplans wie dem vorliegenden Sozial-TV gegeben.
162bb) Dies gilt umso mehr, weil es unausweichlich ist, dass die für einen Tarifsozialplan zur Verfügung stehenden Mittel die für den betrieblichen Sozialplan zur Verfügung stehenden Mittel reduzieren. Das wird verschärft durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Arbeitgebers in einem Fall wie dem der Beklagten, wo zuvor ein teilweise fehlgeschlagener - Sanierungstarifvertrag geschlossen wurde, der schon zu deutlichen Einkommensverlusten bei allen Arbeitnehmern geführt hat.
163Es geht aber in diesem Zusammenhang nicht nur um eine Betrachtung im Einzelfall, sondern gerade um die Funktion, die Gewerkschaften im Falle einer ökonomischen Krisenbewältigung sowohl für die gesamte Wirtschaft als auch für einzelne Unternehmen insbesondere beim Abschluss von Sanierungstarifverträgen zukommt. Durch solche Tarifverträge werden mit Einverständnis der Gewerkschaft bestehende tarifliche Ansprüche auf Zeit abgesenkt und der Arbeitgeber damit entlastet. Dies bleibt nicht beschränkt auf die Mitglieder der jeweiligen Gewerkschaft. Dies ist zwar rein rechtlich betrachtet zunächst richtig. Sanierungstarifverträge funktionieren jedoch wie auch im vorliegenden Fall gerade deswegen für den gesamten Betrieb, weil in der Regel entweder eine einzelvertragliche Bezugnahme oder eine betriebliche Übung vorliegt, die dazu führt, dass tarifliche Regelungen auch dann, wenn sie verschlechternd wirken, auf die Arbeitsverhältnisse der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung finden, es sei denn, dass im Einzelfall günstigere Abreden (§ 4 Abs. 3 TVG) vorliegen (vgl. näher zu den rechtlichen Wirkungsgrenzen einer Bezugnahmeklausel in diesem Fall: Bayreuther, NZA 2010, 378 <378 f.>).
164Dann erscheint es zweifelhaft, dass im Falle des Fehlschlagens der Sanierung die durch den Arbeitsplatzverlust eintretenden Nachteile in einem derartigen Umfang verbessert für Gewerkschaftsmitglieder ausgeglichen werden. Dies gilt umso mehr, als die nicht organisierten Arbeitnehmer sich diese Leistungen durch einen Gewerkschaftsbeitritt nicht sichern können, so dass hier eine wesentliche Funktion, die zur Rechtfertigung von Differenzierung, nämlich der Anreiz für den Gewerkschaftsbeitritt, ohnehin entfällt.
165cc) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in solchen Fällen im Hinblick auf die für den Nachteilsausgleich durch Sozialplan und Tarifsozialplan zur Verfügung stehende wirtschaftliche Gesamtmasse sich aus den vorherigen Beiträgen der nichtorganisierten Arbeitnehmer finanziert, wie die Beklagte selbst vorträgt. In solchen Fällen erscheint es zweifelhaft, dass dann in einem solch erheblichen Umfang Sanierungsbeiträge der Nichtorganisierten für deutliche finanzielle Vorteile der Organisierten herangezogen werden können und für Nichtorganisierte nur durch einen in der Vergangenheit liegenden Beitritt diese Situation hätte abgewendet werden können. Dies verstärkt den Druck, der Gewerkschaft beizutreten, um sich im schlimmsten Fall des Arbeitsplatzverlustes einen zusätzlichen Ausgleich zu sichern, für den sonst keine weiteren finanziellen Mittel beim Arbeitgeber vorhanden sind.
1666. Die Unzulässigkeit der Differenzierung nach Gewerkschaftsmitgliedschaft führt nicht dazu, dass damit die tarifliche Regelung der §§ 3 und 4 Nr. 1 Sozial-TV insgesamt unwirksam wird. Vielmehr stehen dem Kläger aufgrund der im Übrigen wirksamen Bestimmungen die dort geregelten Abfindungsansprüche zu.
167a) Überwiegend wird angenommen, dass bei Unwirksamkeit einzelner Tarifbestimmungen wegen Verstoßes gegen Gesetze oder die Verfassung nur diese Klauseln unwirksam sind. Die Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung führt in der Regel entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB nicht zur Unwirksamkeit der übrigen tariflichen Vorschriften. Es kommt lediglich darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt (vgl. BAG, 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, NZA 2007, 1439 <1441 f.>; 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028 <1041>).
168Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um die Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung insgesamt innerhalb eines aus mehreren Tarifbestimmungen bestehenden Tarifvertrages, sondern darum, dass eine Voraussetzung innerhalb einer Tarifbestimmung rechtsunwirksam ist. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, dass in dem Fall, dass lediglich die Aufstellung einer Anspruchsvoraussetzung rechtsunwirksam ist, die tarifliche Bestimmung insgesamt unwirksam werden soll, wenn auch ohne diese Anspruchsvoraussetzung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung verbleibt. Dies ist hier ohne Weiteres der Fall. Es kann nicht darauf ankommen, ob wie in einem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall (vgl. BAG, 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, NZA 2007, 1439) die unzulässige Differenzierung in einem Satz der aus mehreren Sätzen bestehenden tariflichen Bestimmung enthalten ist oder ob diese wie hier nur in einem Satzteil einer tariflichen Bestimmung enthalten ist.
169b) In der unzulässigen Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern liegt zugleich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Differenzierung als solche ist, unabhängig davon, ob dieser Prüfungsmaßstab auf einer unmittelbaren oder mittelbaren Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG beruht, bereits gleichheitswidrig. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft vermag die Differenzierung nicht (mehr) zu rechtfertigen. Es fehlt an einem sachlichen Grund. Diese ungleiche Behandlung kann im vorliegenden Fall nur durch eine Anpassung "nach oben" beseitigt werden.
170aa) Bei gleichheitswidrigen Tarifverträgen haben die Gerichte für Arbeitssachen zwar die Verwerfungskompetenz, jedoch stellt sich die Frage, ob die Entscheidung, auf welche Art und Weise die Benachteiligung beseitigt wird, aufgrund der Gewährleistung der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG den Tarifvertragsparteien obliegt oder ob die Gerichte für Arbeitssachen eine Anpassung nach oben vornehmen dürfen, indem sie die für Bessergestellten geltenden Tarifbestimmungen auf die Benachteiligten erstrecken. Eine Anpassung "nach oben" für die Vergangenheit ist bisher grundsätzlich nur bei Nichtigkeit einer Ausnahmeregelung erfolgt, wenn nach dem Regelungstatbestand unter Berücksichtigung der Zusatzbelastung des Arbeitgebers anzunehmen war, dass die Tarifvertragsparteien die Regelung auch mit erweitertem Anwendungsbereich getroffen hätten, oder die Benachteiligung für die Vergangenheit nur durch eine Anpassung "nach oben" beseitigt werden konnte. Im Übrigen wird angenommen, dass die benachteiligten Arbeitnehmer für zurückliegende Zeiten einen Anspruch auf den ihn vorenthaltenen Zuschuss haben, wenn der Arbeitgeber nicht sichergestellt hat, dass seine Rückforderungsansprüche gegen diejenigen Arbeitnehmer, denen er den Zuschuss gewährt hat, nicht verfallen und wenn ihm bewusst war, dass die Zuschussregelung möglicherweise insgesamt unwirksam ist (vgl. BAG, Urt. v. 10. November 2011, 6 AZR 148/09, NZA 2012, 161 <163> m. w. N.).
171bb) Problematisch ist die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien, hätten sie die Unwirksamkeit der Ausschlussregelung erkannt, die Abfindungsregelung ohne die Differenzierungsklausel vereinbart hätten. Hier ist zu konstatieren, dass in einer wirtschaftlichen Situation wie derjenigen, in der sich die Beklagte befand und nur begrenzte wirtschaftliche Mittel für den Tarifsozialplan vorhanden waren, die Abfindungsregelungen voraussichtlich nicht in derselben Höhe hätten vereinbart werden können.
172cc) Im vorliegenden Fall kommt eine Anpassung "nach oben" schon aufgrund des Inhalts des Tarifvertrages allein in Betracht.
173(1) Es geht im vorliegenden Fall um den Ausgleich von Nachteilen durch den Arbeitsplatzverlust im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung bei der Beklagten. In einem solchen Fall besteht für den Arbeitnehmer, der zu Unrecht benachteiligt wurde bei der Gewährung von Abfindungsleistungen, nicht die Möglichkeit, gegebenenfalls wie im Falle einer Sonderzahlung durch einen Beitritt zur Gewerkschaft sich für die Zukunft tarifliche Leistungen zu sichern (so im Fall BAG, 18. März 2009, 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028). Die unzulässige Differenzierung kann im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nur durch die Anpassung "nach oben" in einem solchen Fall erfolgen, weil nur in dieser Weise der entstandene Nachteil durch die Ungleichbehandlung ausgeglichen werden kann.
174(2) Letzteres gilt gerade auch in Bezug auf die gleichheitswidrig bevorzugten Arbeitnehmer. Diesen kann auch bei einer Streichung der Voraussetzung "Gewerkschaftsmitglied" der Anspruch auf die Leistungen nach dem Sozial-TV nicht nachträglich entzogen werden. Denn sie erfüllen als Beschäftigte unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft die übrigen Voraussetzungen in §§ 3 und 4 Sozial-TV.
175Zudem haben die bevorzugten Arbeitnehmer einen Vertrauensschutz. Die Normunterworfenen eines Tarifvertrages dürfen grundsätzlich auf den Fortbestand der tariflichen Ordnung vertrauen. Nur so kann der Tarifvertrag seiner Aufgabe gerecht werden und den Individualparteien beiderseits Planungssicherheit (vgl. BAG, 10. November 2011, 6 AZR 148/09, NZA 2012, 161 <163>). Angesichts der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur grundsätzlichen Zulässigkeit einfacher Differenzierungsklauseln (vgl. BAG, 18, März 2009, NZA 2009, 1028) konnten die vom Sozial-TV bevorzugten Gewerkschaftsmitglieder von der Gültigkeit dieses Tarifvertrags ausgehen und mussten nicht mit einer rückwirkenden Erstattungspflicht rechnen. Das gilt erst recht im Hinblick auf den Charakter dieser Leistungen als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Es ist davon auszugehen, dass diese auch tatsächlich in einem solchen Fall benötigt und verbraucht werden, um Einkommensverluste jedenfalls teilweise auszugleichen. Dann bleibt aber für die zu Unrecht von den Leistungen nach §§ 3 und 4 Nr. 1 SozialTV ausgeschlossenen Arbeitnehmer nur der Weg, dass diese auch die Abfindungsleistungen erhalten.
176(3) Die Ansprüche der Gewerkschaftsmitglieder sind ausweislich der Erklärung der Beklagten im Termin zur Berufungsverhandlung vollständig abgewickelt. Schon aufgrund der geltenden tariflichen Ausschlussfrist des § 19 EMTV ist sie gehindert, bereits verfallene Rückforderungsansprüche geltend zu machen. Sie hat nicht sicher gestellt, etwaige Rückforderungsansprüche durchzusetzen.
177(4) Finanzielle Belange der Beklagten hindern eine Anpassung "nach oben" nicht. Zwar kann eine uneingeschränkte Anwendung dieses Grundsatzes bei Verstößen gegen ein Benachteiligungsverbot zur erheblichen finanziellen Belastungen eines Arbeitgebers führen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Ausweislich der Erklärung der Beklagten im Termin der Berufungsverhandlung sind die finanziellen Ansprüche der Gewerkschaftsmitglieder abgewickelt. Die Betriebsänderung ist durchgeführt. Lediglich drei Arbeitnehmer einschließlich des Klägers haben die Ansprüche aus dem Sozial-TV geltend gemacht. Ansprüche anderer oder anders organisierter Arbeitnehmer sind im Hinblick auf die Ausschlussfrist des § 19 EMTV ausgeschlossen. Eine erhebliche finanzielle Belastung droht der Beklagten daher nicht mehr.
1787. Der Kläger hat seine Ansprüche auch rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Verfallfrist des § 19 Nr. 2 b) EMTV Metall NRW geltend gemacht. Die Abfindungsansprüche nach § 3 und § 4 Nr. 1 Sozial-TV wurden mit Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 2009 fällig. Er hat sie mit seinem Schreiben vom 5. Februar 2010 geltend gemacht, den rechtzeitigen Zugang hat die Beklagte nicht mehr bestritten.
179III. Dem Kläger steht dagegen kein Anspruch auf Zahlung einer höheren Einstiegsprämie gemäß § 4 Nr. 3 Sozial-TV zu. Die hier vorliegende Differenzierungsklausel, die einen Anspruch des Klägers wegen der fehlenden Gewerkschaftsmitgliedschaft zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnisses und dem Wechsel in die Transfergesellschaft ausschließt, ist als einfache Differenzierungsklausel für zulässig zu erachten. Bei Anwendung der vorgenannten Kriterien (vgl. II. 5. der Gründe) handelt es sich nicht um eine Klausel, die infolge des Umfangs der finanziellen Begünstigung dazu führt, dass sie einen Zwang zum Beitritt in die den Tarifvertrag schließende Gewerkschaft hervorruft. Auch eine ökonomisch überlegt handelnde Partei würde wegen eines Vorteils von 500,00 Euro sich nicht dazu entschließen, lange Jahre im Voraus und gegebenenfalls entgegen der eigenen politischen Überzeugung sich einer Gewerkschaft anzuschließen, um sich diesen Vorteil zu sichern. Es handelt sich hierbei lediglich um einen zulässigen Anreiz.
180Es ist unerheblich, dass der Sozial-TV weitere Leistungen zum Nachteilsausgleich vorsieht. Diese sind nicht alle zusammen in ihrem finanziellen Umfang zu betrachten, sondern nur dann zusammenzurechnen, wenn es sich wie im Fall von § 3 und § 4 Nr. 1 Sozial-TV um gleichartige Leistungen (hier: Abfindung) handelt. Die Einstiegsprämie für den Übertritt in die Transfergesellschaft ist damit nicht vergleichbar.
181IV. Die Anschlussberufung der Beklagten war zurückzuweisen. Dem Kläger steht für die Monate April bis Juni 2010 das erhöhte Transferkurzarbeitergeld nach § 4 Nr. 2 Sozial-TV zu. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft. Diesen auf § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG beruhenden Anspruch konnten die Tarifvertragsparteien nicht durch eine Differenzierungsklausel ausschließen.
182Das Arbeitsgericht verweist zutreffend darauf, dass es sich um einen Daueranspruch handelt, der sich aus dem Zusammenwirken von Sozialplan und Tarifvertrag ergibt, somit monatlich neu erwächst und dessen Fälligkeit nicht am Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages oder des Sozialplanes anknüpft, sondern - nicht anders als im Fall von Entgelttarifverträgen - ab dem Zeitpunkt tarifliche Entgeltansprüche begründet, ab dem Tarifgebundenheit vorliegt. Da die Fälligkeitszeitpunkte für die Aufstockungsbeträge sämtlich nach dem Beginn der Mitgliedschaft des Klägers liegen, stehen ihm diese Ansprüche zu.
183Es handelt sich bei § 4 Nr. 2 Sozial-TV auch nicht um einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt, für den durch einen nachträglichen Gewerkschaftsbeitritt und eine erst dann beginnende Tarifbindung kein Anspruch entstehen kann. Vielmehr wird durch die Absicht der Tarifvertragsparteien, auch diesen in die Zukunft gerichteten Anspruch nur den Beschäftigten, die bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Gewerkschaftsmitglied sind, vorzubehalten, wie bei einer Stichtagsregelung in unzulässiger Weise dem Arbeitnehmer der wesentliche Ertrag seines Gewerkschaftsbeitritts verwehrt (vgl. BAG, 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, NZA 2007, 1439 <1441>).
184V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
185Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und teilweiser Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit einfacher Differenzierungsklauseln zuzulassen.