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Auf die Berufung des Klägers – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten – wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17.03.2011 – 1 Ca 1731/10 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.510,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
2Die Parteien streiten darum, ob der Kläger für zwei Monate restliche Vergütung wegen Verrichtung erforderlicher Betriebsratstätigkeit verlangen kann.
3Der Kläger ist seit dem 14.10.1991 für die Beklagte, einem Unternehmen der Metallindustrie, tätig. Er arbeitete zuletzt – zusammen mit dem Arbeitnehmer H2 – in der sogenannten Abteilung "Antriebe".
4Ab dem Jahr 2008 übernahm der Kläger als damaliges Ersatzmitglied des im Betrieb bestehenden Betriebsrates durchgehend die Amtsaufgaben des erkrankten Betriebsratsmitgliedes C1. Als Arbeitnehmer im Angestelltenbereich hatte er entsprechend der betrieblichen Praxis nach der Verrichtung von Amtstätigkeiten die dafür aufgewandten Stunden pro Tag seinem Vorgesetzten mitzuteilen; aufgrund dessen erfolgte dann die Vergütung.
5Bei der Neuwahl im Frühjahr 2010, zu der 498 Arbeitnehmer wahlberechtigt waren, wurde der Kläger in den Betriebsrat gewählt. Zu Beginn der Amtszeit des neuen Betriebsrates am 23.04.2010 fand dessen konstituierende Sitzung statt. In ihr wurde der Arbeitnehmer J1 zum Vorsitzenden und der Kläger zum stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrates gewählt.
6Anschließend kam es dann zu Diskussionen über die nach § 38 BetrVG vorzunehmende Freistellung, namentlich ob sie im Verhältnis 50 : 50 zwischen J1 und dem Kläger aufgeteilt werden sollte.
7In der Betriebsratssitzung am 28.04.2010 wurde dann der Beschluss gefasst, den Kläger mit Wirkung ab 01.06.2010 in vollem Umfang freizustellen. Weiterhin traf man u.a. die Entscheidung, das Betriebsratsmitglied H3 "zu Einarbeitungszwecken" weiterhin freizustellen. Dieser hatte zuvor ca. 20 Jahre als Betriebsratsvorsitzender fungiert und war davon ca. die letzten 12 Jahre freigestellt.
8Völlig überraschend trat dann der Arbeitnehmer J1 am Folgetag, dem 29.04.2010, von seinem Amt als Betriebsratsvorsitzender zurück. Anschließend unterrichtete dann der Betriebsrat die Beklagte über die getroffenen Freistellungsentscheidungen und führte in dem Schreiben vom 29.04.2010 u.a. aus:
9"Zur Einarbeitung des neuen Vorsitzenden und des freigestellten T1 R1 bitten wir die bisherige Freistellung des Betriebsratsmitgliedes K1 H3 weiter beizubehalten.*"
10Am 05.05.2010 wurde dann der Kläger zum Betriebsratsvorsitzenden und das Betriebsratsmitglied J2 zu seinem Stellvertreter gewählt.
11Im Juni 2010 hat die Beklagte die Vergütung des Klägers wegen "Fehlzeiten durch Betriebsratsarbeit" im Zeitraum ab 26.04. bis 27.05.2010 um einen Bruttobetrag in Höhe von 1.510,82 € für insgesamt 56,67 Stunden gekürzt. Hinsichtlich der Einzelheiten der unter dem 02.06.2010 gefertigten Aufstellung wird verwiesen auf die Anlage 1 zum Beklagtenschriftsatz vom 11.11.2010 (Bl. 25 d. A.).
12Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
13Er hat die Auffassung vertreten, ab dem 26.04. bis zum 07.05.2010 in den insgesamt streitigen 39,42 Stunden ebenso erforderliche Betriebsratstätigkeiten verrichtet zu haben wie in den 17,25 Stunden nach der Rückkehr in den Betrieb ab dem 25. bis zum 27.05.2010. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass er als Betriebsratsmitglied und erst recht als stellvertretender und später Betriebsratsvorsitzender ohne einschlägige Schulungskenntnisse völlig unerfahren gewesen sei. Deshalb habe u.a. die Notwendigkeit bestanden, die 2. Bevollmächtigte der IG Metall B2, H4, wiederholt um Rat zu ersuchen. In der turbulenten Anfangszeit mit Diskussionen um die Freistellung und dem kurzfristigen Wechsel im Betriebsratsvorsitz habe auch die Notwendigkeit für zahlreiche Gespräche mit Betriebsratskollegen bestanden. Auch hätten Betriebsratssitzungen vor- und nachbereitet werden müssen. Des Weiteren sei es zu notwendigen Schriftwechseln und Gesprächen mit der Geschäftsleitung gekommen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die im klägerischen Schriftsatz vom 15.12.2010 (S. 2 f., Bl. 27 f. d. A.) wiedergegebene Übersicht.
15Der Kläger hat beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.510,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2010 zu zahlen.
17Die Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hat die Meinung vertreten, es sei nicht nachvollziehbar, warum es erforderlich gewesen sei, dass der Kläger die streitigen Stunden für Betriebsratstätigkeiten aufgewandt habe. So sei entsprechend der Mitteilung des Betriebsrates das Betriebsratsmitglied H3 bis zum 31.05.2010 weiter in vollem Umfang von der Arbeit freigestellt gewesen. Vor dem Hintergrund leuchte es nicht ein, warum der Kläger daneben in dem streitigen Umfang Betriebsratstätigkeiten zu versehen gehabt habe.
20Im Einzelnen seien die bloß stichwortartigen Beschreibungen bzw. Begründungen für die Amtstätigkeit nicht nachvollziehbar. Im Wesentlichen handele es sich um normale Organisations- und Büroarbeiten, die vom freigestellten Betriebsratsmitglied H3 hätten abgearbeitet werden können.
21Davon abgesehen habe der Kläger betriebliche Belange nicht gebührend berücksichtigt. In der Abteilung "Antriebe" sei der dort neben dem Kläger nur noch tätige Arbeitnehmer H2 im besagten Zeitraum teilweise abwesend gewesen. Da der Kläger auch nicht durchgehend zur Verfügung gestanden habe, seien Liefertermine gefährdet gewesen.
22Mit Urteil vom 17.03.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage für den 29.04.2010 im Umfang von vier Stunden und für den Zeitraum danach in vollem Umfang stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, in einem quasi summarischen Verfahren könne man feststellen, dass die nach dem Rücktritt des zunächst gewählten Betriebsratsvorsitzenden J1 und erst recht während der Zeit als Betriebsratsvorsitzender vom Kläger aufgewandten und stichwortartig dokumentierten Zeiten als erforderlich anzusehen seien. Demgegenüber seien die für den 26. bis 28.04.2010 und zur Hälfte für den 29.04.2010 angegebenen Stunden wegen der erhöhten Anforderungen an die Darlegungslast nicht als erforderlich anzuerkennen – zumal das Betriebsratsmitglied H3 auch noch freigestellt gewesen sei.
23Gegen diese Entscheidung haben sich beide Parteien mit der Berufung gewandt.
24Die Beklagte meint, es müsse im Einzelnen geprüft werden, ob die einzelnen Angaben des Klägers zur Erforderlichkeit seiner Betriebsratstätigkeit im streitbefangenen Zeitraum, die von ihr nach bestem Gewissen und unter Heranziehung einer Reihe von Argumenten angegriffen werde, dem gesetzlichen Maßstab des § 37 Abs. 2 BetrVG gerecht werde. So müsse z.B. die Frage gestellt werden, ob die vom Kläger für die letzte Mai-Woche 2010 noch in erheblichem Umfang geltend gemachte Betriebsratstätigkeit nicht auf die kurz danach begonnene Zeit der Freistellung ab dem 01.06.2010 hätte verschoben werden können. Auch besage allein die Funktion als (stellvertretender) Vorsitzender des Betriebsrates nichts über die gesetzliche Kompetenz zur Führung der laufenden Geschäfte. Davon abgesehen sei es nicht nachvollziehbar, wie ein Betriebsrat beschließen könne, ein Mitglied, nämlich den Arbeitnehmer H3, von der Arbeit freizustellen, dann aber von einem anderen Mitglied die täglichen Amtsaufgaben verrichten zu lassen. Es sei nicht vorgetragen worden, warum dies erforderlich gewesen sei.
25Die Beklagte beantragt,
26das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17.03.2011 – 1 Ca 1731/10 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28Er ist der Auffassung, er habe auch für den Zeitraum vom 26. bis 29.04.2010 hinreichend substantiiert dargelegt, dass er in vollem Umfang erforderliche Betriebsratstätigkeiten verrichtet habe. So sei es am 26.04.2010 in einem Gespräch mit Frau H4 sowie am 27.04.2010 schwerpunktmäßig um die Frage der künftigen Freistellung gegangen, namentlich ob sie zu jeweils 50 % auf ihn und J1 aufgeteilt werden sollte. Nach seiner am 28.04.2010 beschlossenen vollständigen Freistellung und dem Rücktritt von J1 am 29.04.2010 habe sich eine Vielzahl neuer Fragen gestellt, weshalb u.a. Rat bei Frau H4 hätte eingeholt werden müssen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie führt aus, dass weiterhin in Abrede gestellt werden müsse, dass der Kläger im Zeitraum bis zum 29.04.2010 tatsächlich erforderliche Betriebsratsaufgaben erledigt habe.
33Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe
35Die Berufung des Klägers ist begründet, während die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen war.
36I. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG für den Zeitraum ab 26.04. bis 27.05.2010 einen vollen Restvergütungsanspruch in Höhe von 1.510,82 € brutto für insgesamt weitere 56,67 Stunden geleistete Betriebsratstätigkeit.
371. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitgliedes nicht gemindert werden, wenn und soweit die aufgewandte Zeit nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist. Kommt es – wie hier – darüber zum Streit, trifft nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen den Anspruchsteller, hier also den Kläger, grundsätzlich die Darlegungs- und gegebenenfalls auch die Beweislast.
38Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (15.03.1995 – 7 AZR 643/94 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 105) ist in Fällen des § 37 Abs. 2 BetrVG wegen der in § 138 Abs. 2 ZPO verankerten prozessualen Mitwirkungspflicht beider Parteien grundsätzlich von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen. Danach hat zunächst das betroffene Betriebsratsmitglied stichwortartig zur Art und zur Dauer der von ihm durchgeführten Amtstätigkeit vorzutragen. Sodann ist es Aufgabe des Arbeitgebers, darzulegen, weshalb unter Berücksichtigung der erhaltenen stichwortartigen Angaben begründete Zweifel an der Erforderlichkeit bestehen. Erst dann ist es Aufgabe des Betriebsratsmitgliedes, substantiiert auszuführen, aufgrund welcher Umstände es die Betriebsratstätigkeit für erforderlich halten durfte.
392. Allerdings liegen im konkreten Fall Gesichtspunkte vor, die im Gleichlauf mit den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen zur Beweisvereitelung (vgl. z.B. BGH, 23.10.2008 – VII ZR 64/07 – NJW 2009, 360; 22.05.2003 – VII ZR 143/02 – NJW 2003, 2678; zust. Zöller/Greger, 29. Aufl. § 286 Rn. 14 a) im Rahmen des
40§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zu einer über die vom Bundesarbeitsgericht für den Regelfall entwickelten Grundsätze hinausgehenden Verlagerung der Darlegungslast auf die Beklagte führt.
41In erster Linie fußt dies darauf, dass die Beklagte in der Vergangenheit namentlich auch gegenüber dem Kläger die Vorschrift des § 37 Abs. 2 BetrVG dergestalt gehandhabt hat, dass sie sich mit einer Angabe der Zahl der täglich für Betriebsratsarbeit aufgewandten Zeit begnügt hat, ohne zu irgendeinem Zeitpunkt eine auch nur stichwortartige Erläuterung verlangt zu haben. Wenn sie diese zum Inhalt einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gewordene Handhabung ganz oder teilweise beenden wollte, wäre es im Rahmen des § 2 Abs. 1 BetrVG ihre Pflicht gewesen, darauf die betroffenen Betriebsratsmitglieder rechtzeitig hinzuweisen. So wäre die Beklagte im konkreten Fall gehalten gewesen, den Kläger möglichst schon im Vorfeld des hier streitigen Zeitraums ab 26.04.2010, in jedem Fall aber bei Aufkommen des Konflikts um die Notwendigkeit vom Kläger zu leistender Betriebsratstätigkeit, darauf aufmerksam zu machen, dass man nunmehr eine (nähere) Darlegung seiner Amtstätigkeit verlange.
42Obwohl die Beklagte dann bereits unter dem 02.06.2010 eine detaillierte Liste zu "Fehlzeiten durch Betriebsratsarbeit" erstellt hatte, wurde dem Kläger diese Aufstellung mit Schreiben vom 08.06.2010 nicht zur Verfügung gestellt; vielmehr verwies man darin "lediglich" auf 56,67 zu kürzende Stunden mit dem viel zu allgemein gehaltenen Hinweis auf die Kalenderwochen 17, 18 und 21. So wurden dem Kläger die weitergehenden Angaben zu den einzelnen Tagen und Stunden erst mit Schriftsatz vom 11.11.2010 zugänglich gemacht, also mehrere Monate nach Ablauf des streitigen Zeitraums. Durch diese Verhaltensweise der Beklagten ist es dem Kläger erheblich erschwert bzw. unmöglich gemacht worden, substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Umstände er die Betriebsratstätigkeit im Gesamtumfang von 56,67 Stunden, verteilt auf 13 Tage in einem Zeitraum von insgesamt drei Wochen in den Monaten April und Mai 2010, für erforderlich halten durfte.
43Deshalb ist der Beklagten ausnahmsweise entsprechend dem in § 162 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, wonach niemand aus einem treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen darf (vgl. Palandt/Heinrichs, 71. Aufl., § 162 Rn. 1), im Rahmen des § 138 Abs. 2 ZPO eine erweiterte Erklärungslast aufzuerlegen und von ihr zu verlangen, Umstände darzulegen, die die Erforderlichkeit der vom Kläger angegebenen Tätigkeiten ausschließen. Diesen Anforderungen ist sie – mit der Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 ZPO – nicht gerecht geworden.
443. Im Gegenteil sprechen alle konkreten Einzelfallumstände dafür, dass der Kläger auch die streitigen Stunden dafür aufgewandt hat, erforderliche Betriebsratstätigkeiten zu erledigen.
45a) Soweit die Beklagte in dem Zusammenhang allgemein darauf verweist, das Betriebsratsmitglied H3 sei weiter freigestellt gewesen, so dass nicht die Notwendigkeit für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben durch den Kläger bestanden habe, greift dieser Einwand nicht durch. Denn mit Beginn der Amtszeit des neu gewählten Betriebsrates am 23.04.2010 endete automatisch die Freistellung des vormaligen Betriebsratsvorsitzenden H3. Daraus ergibt sich, dass jedenfalls im Zeitraum ab 26. bis 28.04.2010 im neu konstituierten Betriebsrat von Rechts wegen gar keine Freistellung bestand.
46In der Sitzung am 28.04.2010 hat dann zwar der Betriebsrat über eine Freistellung seines Mitgliedes H3 entschieden, aber ausdrücklich nur "zu Einarbeitungszwecken". Entsprechend präzise hat er dies dann auch der Beklagten mit Schreiben vom 29.04.2010 mitgeteilt. Darin "bittet" er diese, die Freistellung "zur Einarbeitung des neuen Vorsitzenden und Freigestellten T1 R1 beizubehalten". Aus dieser Verfahrensweise wird unmissverständlich deutlich, dass gerade keine Freistellung im Rahmen des § 38 BetrVG beschlossen worden war, zumal auch das in § 38 Abs. 2 BetrVG vorgegebene Verfahren nicht ordnungsgemäß eingehalten worden war; vielmehr sollte das Betriebsratsmitglied H3 den ab 01.06.2010 freigestellten Kläger "nur" mit den von diesem fortan zu verrichtenden Amtsaufgaben vertraut machen.
47Aus alledem ergibt sich, dass in dem hier streitigen Zeitraum ab 26.04. bis zum 27.05.2010 im Betrieb der Beklagten im Rahmen des § 38 BetrVG gar keine Freistellung erfolgt war, sie vielmehr erst mit Wirkung ab 01.06.2010 in der Person des Klägers in Kraft trat.
48b) Angesichts der Beschäftigtenzahl von zum Wahlzeitpunkt 498 Arbeitnehmern mit der sich aus § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergebenden Freistellung von "mindestens" einem Betriebsratsmitglied bestand aber die gesetzgeberische Vermutung, dass im Betrieb der Beklagten regelmäßig erforderliche Betriebsratstätigkeit zumindest in einem die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beanspruchenden Umfang anfiel. Deshalb ist in einer solchen Konstellation nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. 26.06.1996 – 7 ABR 48/95 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 17; 31.05.1989 – 7 AZR 277/88 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 9) grundsätzlich auch nicht näher zu prüfen, ob die Erforderlichkeit vorliegt. Ausnahmsweise hat nur dann eine nähere Prüfung stattzufinden, wenn die Freistellung zweckwidrig missbraucht oder eine Tätigkeit verrichtet wurde, die offensichtlich mit der Wahrnehmung von Amtsaufgaben nichts zu tun hat (BAG, 31.05.1989 – 7 AZR 277/88 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 9).
49Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger - zunächst zusammen mit seinem Kollegen J1 als Betriebsratsvorsitzenden - in der Zeit ab 26. bis 29.04.2010 im geltend gemachten Umfang erforderliche Tätigkeiten wahrgenommen hat. Denn es ist beklagtenseits nichts dafür vorgebracht worden, dass beide zusammen den durch § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgegebenen zeitlichen Rahmen auch nur annähernd ausgeschöpft haben, zumal bei der Betriebsgröße von knapp unter 501 Arbeitnehmern eher von der Notwendigkeit der Tätigkeit zweier Vollzeitkräfte auszugehen ist. Vor dem Hintergrund hätte die Beklagte im Einzelnen substantiiert darlegen müssen, warum die vom Kläger stichwortartig angegebenen und größtenteils auch näher erläuterten Tätigkeiten mit einer sachlichen Amtsführung nicht vereinbar gewesen sind.
50Was den Zeitraum nach dem Rücktritt des Betriebsratsmitgliedes J1 vom Vorsitz ab 29.04.2010 angeht, ergab sich nunmehr für den Kläger als gewähltem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden die Pflicht, bis zur Konstituierung eines Betriebsausschusses alle in einem 11-köpfigen Betriebsrat anfallenden laufenden Geschäfte einschließlich der Aufgaben nach § 26 Abs. 2 BetrVG vollumfänglich wahrzunehmen, obwohl für ihn eine insoweit einschlägige Schulung in der Betriebsratssitzung am 28.04.2010 erst für den Zeitraum ab 14.06.2010 beschlossen worden war. Wenn er vor diesem Hintergrund zahlreiche Gespräche, namentlich auch mit der 2. Bevollmächtigten der IG Metall B2, H4, führte, ist dies ohne Weiteres nachvollziehbar. Die Beklagte ist jedenfalls den diesbezüglichen Darlegungen des Klägers unter Berücksichtigung von § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und § 138 Abs. 2 ZPO nicht ausreichend entgegengetreten.
51Entsprechendes gilt auch für den Zeitraum ab 25. bis 27.05.2010, nachdem der zwischenzeitlich am 05.05.2010 zum Betriebsratsvorsitzenden gewählte Kläger nach einer zweiwöchigen Urlaubs- und schulungsbedingten Abwesenheit in den Betrieb zurückkehrte. Soweit die Beklagte insoweit darauf verweist, der Kläger hätte die Tätigkeit auf eine Zeit nach Beginn seiner Freistellung verschieben können, verkennt sie dabei, dass die in § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Vermutung sich auf den Verlauf der gesamten Amtsperiode erstreckt (vgl. BAG, 26.06.1996 – 7 ABR 48/95 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 17), die Notwendigkeit zur Vornahme erforderlicher Betriebsratstätigkeit also nicht für Tage entfällt, insbesondere nach einer zweiwöchigen Abwesenheit.
52II. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 i.V.m. § 286 BGB.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
54Gründe für die Zulassung der Revision sind angesichts der spezifischen Einzelfallerwägungen nicht gegeben
55Landesarbeitsgericht Hamm
56Beschluss
57In Sachen
58hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm ohne mündliche Verhandlung am 13.06.2012 beschlossen:
59Der Tatbestand des Urteils vom 10.02.2012 wird wie folgt berichtigt:
60*Auf Seite 3 wird nach der eingerückten Passage, beginnend mit ?Zur Einarbeitung ??, folgender Satz eingefügt: ?In der Zeit vom 28.04. bis zum 31.05.2010 arbeitete der Arbeitnehmer H3 nicht und wurde von der Beklagten tatsächlich als von der Arbeit freigestelltes Betriebsratsmitglied behandelt?.
61Gründe:
62Der fristgerecht am 30.03.2012 eingegangene Antrag der Beklagten auf Ergänzung des Tatbestandes des Urteils vom 10.02.2012 ist begründet.
63Gemäß § 320 Abs. 1 ZPO war der Tatbestand auf Seite 3 um die sich aus dem Te-nor ergebende Passage zu ergänzen.
64Rechtsmittelbelehrung:
65Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO).