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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 03.05.2011 – 1 Ca 1971/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung sowie um Entgeltansprüche des Klägers.
2Der 44-jährige, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten, die in S1 mit etwa 1000 Mitarbeitern ein Großhandelsunternehmen für Produkte der Informations- und Unterhaltselektronik betreibt, seit März 1992 beschäftigt, zuletzt als Produktmanager zu einem monatlichen Bruttoentgelt von rund 4.600,00 EUR.
3Für den Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.
4Gegen ihm gegenüber erklärten Kündigungen – fristlos am 14.07.2010 zugegangen und fristgemäß am 21.07.2010 zugegangen – setzte sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr, in deren Verlauf die Parteien am 24.08.2010 vor dem Arbeitsgericht Hamm (1 Ca 1291/10) einen gerichtlichen Vergleich des - auszugsweise wiedergegebenen – nachstehenden Inhalts schlossen:
5"1. Die Parteien sind sich dahin einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund fristgemäßer, arbeitgeberseitiger, betriebsbedingter Kündigung vom 19.07.2010 mit Ablauf des 31.03.2011 aufgelöst werden wird.
62. Die Beklagte stellt den Kläger ab sofort unwiderruflich von der Arbeitsleistung frei unter Fortzahlung der geschuldeten Vergütung und unter Anrechnung sämtlicher bestehender bzw. noch zu erwerbender Urlaubs- und sonstiger Freistellungsan-sprüche.
73. Die Beklagte zahlt dem Kläger eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 10.000 Euro brutto, fällig am 31.03.2011. Der Abfindungsanspruch ist bereits heute entstanden und vererblich.
8[…]
95. Der Kläger verpflichtet sich, noch in seinem Besitz befindliches Firmeneigentum (Dockingstation, Navigationssystem etc sowie schriftliche Unterlagen) bis zum 15.09.2010 der Beklagten herauszugeben."
10Zum 01.10.2010 trat der Kläger in ein Arbeitsverhältnis zur I1 M1 D2 GmbH, D5 (bei M2), einem der größten Konkurrenzunternehmen der Beklagten, als – wie in einem Xing-Profil angegeben (Bl. 36 d.A.) – "Produktmanager Marketing F1/N1 und S4 (Vollzeit…)." Unter dem 07.10.2010 sendete der Kläger an den Mitarbeiter O1 R1 der Beklagten eine E-Mail, in der es u.a. heißt: "Viele Grüße aus M2 vom Mitbewerber …". Die Signatur dieser E-Mail lautet: "M4 A2, P1 M5 M6, F1 T1 S3, I1 M1 D2 GmbH". Auf der Homepage der I1 M1 D2 GmbH wird der Kläger unter Nennung von Telefonnummer und E-Mail-Anschrift als Ansprechpartner für den Bereich Produktmanagement N1 genannt (Bl. 41 d.A.).
11Am 20.10.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, entweder eine Eigenkündigung auszusprechen oder sich der Konkurrenztätigkeit bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist zu enthalten. Der Kläger erwiderte hierauf durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.10.2010 (Bl. 39/40 d.A.), ein anderweitig erzielter Verdienst sei mangels entsprechender Vereinbarung nicht anzurechnen; er könne über seine Arbeitskraft nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Vergleichs frei verfügen.
12Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 27.10.2010 den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Tatkündigung an. Für die Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 42-44 d.A. verwiesen. Mit Schreiben vom 02.11.2010 äußerte der Betriebsrat Bedenken. Am 03.11.2010 erhielt der Kläger das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 02.11.2010, durch welches die außerordentliche fristlose Kündigung erklärt wurde. Bis einschließlich Ende Oktober 2010 leistete die Beklagte Entgelt an den Kläger.
13Mit seiner am 12.11.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 02.11.2010 zur Wehr gesetzt.
14Er hat gemeint, die bloße Eingehung eines Arbeitsverhältnisses bei einem Wettbewerbsunternehmen bedeute nicht automatisch die Ausführung von Konkurrenztätigkeit. In den ersten sechs Probemonaten sei er an verschiedenen Stellen des Betriebs eingesetzt worden und habe daher nur schwerlich Konkurrenztätigkeiten verrichten können. Im Übrigen sei er wegen der unwiderruflichen Freistellungsphase zur Konkurrenztätigkeit berechtigt gewesen.
15Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, da ihm die Beklagte den Zeitpunkt ihrer Kenntniserlangung nicht benannt und zudem ihm nicht mitgeteilt habe, welche Tätigkeiten er konkret bei dem Wettbewerbsunternehmen verrichtet habe.
16Erstmals im Kammertermin vom 03.05.2011 hat der Kläger behauptet, er sei in den letzten beiden Jahren bei der Beklagten Produktmanager für den PC-Hersteller L2 gewesen, zuvor sei er als Produktmanager für F1/N1 tätig gewesen, jedoch ohne Zuständigkeit für den Vertrieb. Produktmanager für den Vertrieb sei er auch bei seinem neuen Arbeitgeber I1 nicht.
17Der Kläger hat beantragt,
181. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.11.2010, zugegangen am 03.11.2010, beendet worden ist,
192. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.800 Euro brutto nebst 5% Zinsen über dem Basisdiskontsatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe mit seiner Konkurrenztätigkeit in der Freistellungsphase einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes gesetzt. Ein solcher sei bereits dadurch gegeben, dass der Kläger eine Betätigung eingegangen sei, die ihr schade; denn der Wettbewerber werbe mit dem Kläger als kompetentem Ansprechpartner.
23Mit Urteil vom 03.05.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hinsichtlich eines Entgeltanspruchs in Höhe von 470,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen, die Klage im Übrigen jedoch abgewiesen.
24Zur Begründung seiner Entscheidung hat das erstinstanzliche Gericht wesentlich ausgeführt:
25Der Kläger könne vertragsgemäßes Entgelt für den Zeitraum 01.01. – 03.11.2010 beanspruchen. Zahlungsansprüche darüber hinaus beständen nicht, da die dem Kläger am 03.11.2010 zugegangene Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos aufgelöst habe.
26Das Arbeitsgericht hat in der Tätigkeit des Klägers als Produktmanager F1/N1 für den Mitbewerber der Beklagten ab dem 01.10.2010 einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gesehen. Denn einem Arbeitnehmer sei während des rechtlichen Bestandes eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Dies beinhalte auch, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Nicht entscheidend sei in diesem Zusammenhang, ob der Arbeitnehmer beim Konkurrenzunternehmen genau die Position einnehme, die er bei seinem vorigen Arbeitnehmer zuletzt innegehabt habe. Der Kläger sei jedenfalls in beiden Unternehmen als Produktmanager im gleichen Bereich tätig (gewesen). Es sei im Übrigen lebensfremd, wenn der Kläger vortrage, er sei während seiner Probezeit in mehreren Bereichen des Betriebs der I1 eingesetzt worden und habe daher schwerlich Konkurrenztätigkeiten verrichten können.
27Die Interessenabwägung falle zu Lasten des Klägers aus; es gebe keine Umstände, die die fristlose Kündigung als unverhältnismäßig erscheinen ließen. Einer Abmahnung habe es zuvor nicht bedurft, da schon das anwaltliche Schreiben vom 21.10.2010 eine Verhaltensänderung zukünftig nicht habe erwarten lassen. Die Kündigungserklärungsfrist sei schließlich gewahrt, da ein Dauerstörtatbestand vorgelegen habe.
28Der Kläger hat gegen das ihm am 24.05.2011 zugestellte Urteil mit am 20.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.08.2011 – mit am 10.08.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet.
29Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit seinen Anträgen nicht entsprochen wurde.
30Er rügt, dass das Vordergericht nicht einen einzigen Fall einer konkreten Pflichtverletzung im Hinblick auf Konkurrenztätigkeiten festgestellt habe. Die festgestellten Indizien reichten nicht für die ordnungsgemäße Darlegung einer tatsächlich ausgeübten Konkurrenztätigkeit. Der Arbeitgeber sei aber darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände des wichtigen Kündigungsgrundes. Er – der Kläger – habe nach dem 01.10.2010 keinerlei vertriebliche Tätigkeit ausgeführt oder Kundenkontakte benutzt, um Vorteile für seinen neuen Arbeitgeber I1 zu schaffen. Zudem habe die Beklagte in dem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich eine unwiderrufliche Freistellung erklärt und somit auf seine Arbeitsleistung verzichtet. Eine vorherige Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen. Der Mitteilung der Beklagten vom 20.10.2010 habe er keineswegs entnehmen können, die Beklagte werde bei fortgesetzter Wettbewerbstätigkeit eine fristlose Kündigung aussprechen. Schließlich sei die Präklusionsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ebenso wenig eingehalten wie die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß.
31Der Kläger beantragt,
32unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamm vom 03.05.2011 – 1 Ca 1971/10 – entsprechend den Anträgen des Klägers 1. Instanz zu erkennen.
33Die Beklagte beantragt,
34die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 03.05.2011 – 1 Ca 1971/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
35Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertieft ihre Auffassung zum Vorliegen eines wichtigen Grundes, wonach ein Wettbewerbsverstoß schon dann vorliege, wenn ein Wettbewerbsunternehmen durch den fraglichen Arbeitnehmer unterstützt werde. Der Arbeitnehmer dürfe seine Dienste und Leistungen konkurrierenden Dritten bereits gar nicht anbieten. Unerheblich sei der Vortrag des Klägers, er sei nicht vertriebsorientiert tätig; denn nach seinem eigenen Vorbringen sei er auch bei ihr nicht als reiner Vertriebler für die Firma F1 tätig gewesen. Weiter meint die Beklagte, sie müsse dem Kläger nicht nachweisen, dass dieser tatsächlich Geschäfte für die I1 mit dem Hersteller F1 getätigt habe, ein Nachweis direkter Geschäfte sei nicht erforderlich. Auch die Argumentation des Klägers lasse einen Konkurrenzverstoß seit dem 01.10.2010 annehmen, wenn dieser vortrage, er sei gehalten gewesen, auch während der Zeit des Kündigungsschutzprozesses Wettbewerbstätigkeiten zu entfalten, um das erworbene Know-how lebendig zu halten. Spätestens seit ihrer Mitteilung vom 20.10.2010 habe der Kläger erkennen können, noch einem Wettbewerbsverbot zu unterliegen. Ihr Beendigungsinteresse habe das Interesse des Klägers an einer Fortbeschäftigung überwogen. Der Kläger habe sich insbesondere in keiner Zwangslage befunden, denn es sei davon auszugehen, dass er zum einen bei der I1 ein Entgelt bezogen hätte und zum anderen bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die im Vergleich festgelegte Abfindung hätte verhandeln können. Eine vorherige Abmahnung des Klägers sei schon unter Berücksichtigung ihrer Mitteilung vom 20.10.2010 entbehrlich gewesen. Sie habe erst mit Erhalt des Schreibens vom 21.10.2010 Kenntnis von der Weigerung des Klägers erlangt, die Konkurrenztätigkeit aufzugeben; die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei somit eingehalten. Auch der Betriebsrat sei im Rahmen seiner Anhörung nicht falsch informiert worden, ihm sei der Sachverhalt zudem vollständig mitgeteilt worden.
36Wegen des Weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf die Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung.
37Entscheidungsgründe
38A
39Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 03.05.2011 ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 Buchst. c, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1, §§ 519, 520 ZPO an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden; sie ist somit zulässig.
40B
41In der Sache bleibt der Berufung der Erfolg versagt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten mit Zugang des Kündigungsschreibens bei dem Kläger am 03.11.2010 aufgelöst. Über dieses Datum hinaus steht dem Kläger kein Entgelt gegen die Beklagte zu. Der Kläger hat infolge keinen Zahlungsanspruch in Höhe von 13.340,00 EUR brutto.
42I.
431. Die außerordentliche Kündigung vom 02.11.2010 ist rechtswirksam, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB erfüllt sind.
44a) Ein Arbeitsverhältnis kann gem. § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Sodann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist (BAG in st. Rspr., s. etwa BAG vom 07.07.2011 – 2 AZR 355/10 m.w.N., juris).
45b) Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die Tätigkeit des Klägers als Produktmanager F1/N1 für das Wettbewerbsunternehmen der Beklagten ab dem 01.10.2010 als wichtiger Grund "an sich" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.
46aa) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt (BAG vom 28.01.2010 – 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010,461).
47Während des rechtlichen Bestehens seines Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG in st. Rspr., vgl. nur BAG vom 28.01.2010, a.a.0.; BAG vom 21.11.1996 – 2 AZR 852/95 EzA § 626 n.F. BGH Nr. 162). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag hierüber keine Regelungen enthält. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten (BAG vom 28.01.2010, a.a.0.). Es soll dadurch für den Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet sein, den Marktbereich voll und ohne die Gefahr einer nachhaltigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer bearbeiten zu können (vgl. BAG vom 16.06.1976 – 3 AZR 73/75, AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht). Aufgrund des Wettbewerbsverbots ist dem Arbeitnehmer für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses jede Tätigkeit verboten, die für seinen Arbeitgeber Konkurrenz bedeutet (BAG vom 26.01.1995 – 2 AZR 355/94, RzK I.6 a Nr. 116). Ihm ist nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt, sondern es ist ihm ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG vom 28.01.2010, a.a.0.; BAG vom 21.11.1996, a.a.0.; BAG vom 16.01.1975 – 3 AZR 72/74, AP Nr. 8 zu § 60 HGB). Die Verletzung eines für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbots kann an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (BAG vom 21.11.1996, a.a.0. m.w.N.).
48bb) Der Kläger hat vorliegend erheblich gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Die Berufungskammer schließt sich insoweit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Gerichts (S. 9 – 11 des Urteils vom 03.05.2011, Bl. 91 – 93 d.A.) an, § 69 Abs. 2 ArbGG.
49Die Berufung des Klägers gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:
50Entgegen der Rechtsansicht des Klägers kommt es für das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes nicht darauf an, dass der Arbeitgeber Fälle konkreter Pflichtverletzung im Sinne etwa eines Nachweises direkter Geschäftsabschlüsse dokumentieren kann. Dem Arbeitnehmer ist für die rechtliche Dauer seines Arbeitsverhältnisses nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits jede Tätigkeit untersagt, die für den Arbeitgeber Konkurrenz bedeutet. Er darf seine Dienste Dritten im Marktbereich seines Arbeitgebers noch nicht einmal anbieten. Insofern ist es unerheblich, ob der Kläger in der Zeit ab dem 01.10.2010 eine vertriebliche Tätigkeit verrichtet oder nicht, ob er Kundenkontakte hatte oder nicht. Allein die Tatsache, dass er auf der Homepage der neuen Arbeitgeberin als "Ansprechpartner Produktmanagement und S5 D6" für den Bereich N1 genannt wird und im Übrigen in der Berufungsbegründung (Bl. 121 d.A.) selbst einräumt, zum 01.10.2010 die Position des Produktmanagers Marketing für den Hersteller F1 T3 S6 bei der Wettbewerberin übernommen zu haben, reicht aus, eine Unterstützung eines Wettbewerbers – hier eines der beiden größten Konkurrenzunternehmen der Beklagten – anzunehmen. Darüber hinaus hat der Kläger seine Konkurrenztätigkeit auch dadurch eingestanden, dass er in der Berufungsbegründung (S. 10, Bl. 126 d.A.) ausgeführt hat, er sei – bezogen auf die Tätigkeit bei der I1 ab 01.10.2010 – gehalten gewesen, das (bei der Beklagten) erworbene Know-How lebendig zu erhalten.
51Welche Tätigkeiten der Kläger zuletzt bei der Beklagten erbracht hat, ob er als Produktmanager für L2 oder als Produktmanager für F1 S7 C1 tätig war, kann dahinstehen. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob der Kläger bei der Beklagten im Bereich N1 die Aufgabe hatte, Projektartikel anzulegen. Ausreichend für den Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes ist es, dass der Kläger im Marktbereich der Beklagten für ein Wettbewerbsunternehmen tatsächlich tätig geworden ist, einen Wettbewerber seines Arbeitgebers also unterstützt hat.
52Die klägerische Behauptung, er sei während seiner sechsmonatigen Probezeit ab dem 01.10.2010 an verschiedenen Stellen des Betriebs der I1 M1 D2 GmbH eingesetzt worden – quasi wie ein Auszubildender – und habe deshalb nur schwerlich Wettbewerb entfalten können, verfängt nicht. Sie ist unter Berücksichtigung der schließlich allen Kunden offenen Homepage der Wettbewerberin, des eigenen Xing-Auftritts und seiner E-Mail vom 07.10.2010 lebensfremd. Die I1 hätte den Kläger nicht auf ihrer Homepage als "Ansprechpartner Produktmanagement und S5 D6" für den Bereich N1 genannt, wenn der Kläger diese Position nicht tatsächlich bekleidet hätte. Auf Nachfrage der Kammer in der Berufungsverhandlung hat der Kläger erklärt, er habe bei der I1 seit Beginn seines Anstellungsverhältnisses dort ein monatliches Bruttoentgelt von rund 4.500,00 EUR, also ähnlich dem zuvor bei der Beklagten bezogenen Gehalt, erzielt. Auch hieraus ist zu entnehmen, dass es lebensfremd erscheint, von einem – im Übrigen völlig unsub-stantiiert gebliebenen – Einsatz innerhalb der Probezeit in verschiedenen Bereichen ohne vertriebliche Tätigkeit bzw. Kundenkontakte auszugehen. Der Vortrag vermochte die Berufungskammer nicht zu überzeugen.
53Schließlich verfängt nicht der Hinweis des Klägers auf die im gerichtlichen Vergleich vom 24.08.2010 unter Ziffer 2 vereinbarte einseitige sofortige unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung. Zwar hat die Beklagte mit dieser Regelung der Parteien auf die Arbeitsleistung des Klägers verzichtet. Auch enthält der gerichtliche Vergleich keinen Hinweis zur Zulässigkeit der Aufnahme einer anderen Tätigkeit während der Freistellungsphase. Einen solchen bedurfte es indes auch nicht, weil dem Arbeitnehmer während des gesamten rechtlichen Bestehens seines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich jegliche Konkurrenztätigkeit untersagt ist.
54c) Die fristlose Kündigung ist auch bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falles und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.
55Unter Berücksichtigung einer Gesamtwürdigung überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an dessen Fortbestand bis zum im gerichtlichen Vergleich vom 24.08.2010 vereinbarten Beendigungstermin 31.03.2011.
56aa) Bei den zu bewertenden Umständen sind regelmäßig zu berücksichtigen das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - insbesondere im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG vom 07.07.2011, a.a.0. unter Hinweis auf EUGH, Slg. 2010 I – 365, NZA 2010, 85 im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreien Verlauf).
57Eine außerordentliche Kündigung kommt zudem dann in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 m.w.N.). Als mildere Reaktion ist insbesondere auch eine Abmahnung anzusehen.
58bb) Der Kläger war spätestens ab dem 20.10.2010 in die Lage versetzt, die rechtlich unzulässige Konkurrenztätigkeit zu erkennen. Dennoch setzte er sein vertragswidriges Verhalten bewusst fort und blieb für eines der größten Konkurrenzunternehmen der Beklagten tätig. Der sich aus diesem Verhalten ergebende Vertrauensverlust der Beklagten ist offensichtlich, der Grad des Verschuldens des Klägers erheblich. Es bestand nicht nur eine Wiederholungsgefahr bezogen auf das vertragliche Wettbewerbsverbot, sondern der erhebliche Pflichtverstoß wiederholte sich tagtäglich bis zur Kündigungserklärung. Deshalb war der Beklagten auch die Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung gegen den Kläger als mildere Maßnahme nicht zuzumuten. Bis zu einem möglichen Erlass und für die Zeit bis zur Rechtskrafterlangung konnte die Beklagte verlässlich nicht davon ausgehen, dass sich der Kläger jeglichen Wettbewerbs enthielt. Die dargestellten Pflichtverletzungen des Klägers lassen das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der fast 19 jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers. Der Beklagten kann nicht zugemutet werden, dem bei der Wettbewerberin zu ähnlichem Entgelt wie zuletzt bei ihr beschäftigten Kläger quasi zu doppelten Bezügen zu verhelfen. Eine Zwangslage, wie sie der Kläger beschreibt, ist für seine Person nicht zu erkennen. Darauf weist schon das erstinstanzliche Gericht zutreffend hin. Auch ist dem Vortrag der Beklagten beizupflichten, wenn diese darauf hinweist, dass eine eventuelle Zwangslage des Klägers jedenfalls nach dem mit ihr am 20.10.2010 geführten Telefonat nicht mehr bestand und dem Kläger die Möglichkeit offengestanden hätte, das Arbeitsverhältnis zu ihr sofort zu beenden, um in ein Arbeitsverhältnis zur I1 einzutreten. Möglicherweise hätte er sogar die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung für sich erhalten können.
59Einer vorherigen Abmahnung des Klägers bedurfte es nicht. Zum einen bedarf die Verletzung eines Wettbewerbverbots während des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses regelmäßig keiner Abmahnung vor Kündigungserklärung (BAG vom 21.11.1996, a.a.0.; BAG vom 25.04.1991 – 2 AZR 624/90, AP Nr. 104 zu § 626 BGB). Zum anderen war dem Kläger mit dem Telefonat vom 20.10.2010 ohne weiteres ersichtlich, dass die Beklagte einen weiter fortgesetzten Wettbewerbsverstoß nicht dulden würde und er folglich mit einer Kündigung zu rechnen hätte.
602. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten.
61Es kann dahinstehen, ob das Verhalten des Klägers ab dem 01.10.2010 einen Dauerstörtatbestand (vgl. hierzu etwa BAG vom 26.11.2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628) darstellt. Jedenfalls wäre die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt, da die Beklagte sich erst mit Erhalt des die Aufgabe der Konkurrenztätigkeit verweigernden anwaltlichen Schreibens des Klägers vom 21.10.2010, in welchem dieser mitteilt, er sei in seiner Tätigkeit vollkommen frei und erwarte Vergütungszahlung bis zum 31.03.2011, zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst sah.
623. Für die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung folgt die Berufungskammer den zutreffenden Erwägungen der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, § 69 Abs. 2 ArbGG.
63II.
64Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 03.11.2010 – wie ausgeführt – aufgelöst wurde, besteht ein Anspruch auf Entgeltzahlung ab diesem Zeitpunkt in mit der Berufung noch verfolgter Höhe von 13.340,00 EUR brutto nicht.
65C
66Die Kostenentscheidung zu Lasten des mit der Berufung unterlegenen Klägers beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
67Gründe, die Revision zuzulassen, lagen gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.