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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 10.02.2011 - 1 Ca 1707/10 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
3Die Beklagte ist ein Unternehmen der S2-Card-Industrie. Sie entwickelt, produziert und vertreibt Chipkarten in den Bereichen Telekommunikation, Gesundheit, Identifikation und Banking. Sie ist ein Teil der französischen S7-Gruppe und unterhält in Deutschland zwei Betriebe in F1 bei K1 und in P1. Für beide Standorte ist ein Betriebsrat gewählt.
4Am Standort in F1 sind ca. 350 Mitarbeiter tätig, die hauptsächlich in der Produktion eingesetzt sind. Im Betrieb in P1, in dem ca. 190 Mitarbeiter tätig sind, liegt der Schwerpunkt in der Produktentwicklung, im Bereich "Research und Development", in dem die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Beklagten zusammengefasst wurden. Daneben befindet sich in P1 ein Bereich "Sales und Administration", dessen Zweck darin besteht, die von der Beklagten entwickelten Produkte zu vertreiben (Sales) und zentrale, das Unternehmen verwaltende Funktionen, insbesondere das Controlling, das Facility-Management, eine Rechtsabteilung und den Bereich Corporate Communication zu betreiben. An ihrem Betriebssitz in P1 hatte die Beklagte eine vollständige Büroetage im 5. Obergeschoss des Firmengebäudes sowie Teile des 4. Obergeschosses angemietet. Auf den Raumplan des 5. Obergeschosses, in dem unter anderem im Wesentlichen die Mitarbeiter des Bereichs Sales und Administration ihrer Tätigkeit nachgingen (Bl. 188 d.A.), wird Bezug genommen.
5Der am 10.07.1957 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik. Er ist geschieden und hat drei Kinder im Alter zwischen 12 und 20 Jahren. Seit dem 01.04.1994 steht er in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin im Betrieb in P1 und war dort in verschiedenen Bereichen, unter anderem als Produktmanager für Chipkartensysteme in den Bereichen Telco, Banking als auch ID, tätig. Von 2002 bis 2007 übte er die Funktion eines Produktmanagers Telco-Smartcards Tools und 2G Sim-Produkte aus. In den Jahre 2008 und 2009 fungierte er als Sales Coordinator Telco, bis er nach einem Kündigungsschutzverfahren ab 2009 in seiner jetzigen Funktion als Tender Manager Banking Central Europe seine Arbeitsleistung erbrachte. Diese Tätigkeit fasste die Beklagte in dem Bereich "Sales BHID" zusammen. Tender sind Ausschreibungen, mit denen potenzielle Kunden der Beklagten bestimmte Daten derselben aus allen Bereichen des Unternehmensgeschehens abfragen.
6Der Verdienst des Klägers lag zuletzt bei 6.250,00 € brutto. Seine Arbeitsleistung erbrachte er im Rahmen einer 39-Stunden-Woche. Direkter Vorgesetzter des Klägers ist der Direktor Sales G1 (vgl. Organigramm Bl. 189 f. d.A.).
7Am 23.04.2010 nahm der Kläger als Ersatzmitglied für das wegen einer Geschäftsreise verhinderte ordentliche Betriebsratsmitglied S8 an einer Betriebsratssitzung teil (Bl. 18, 19 d.A.).
8Zu Beginn des Jahres 2010 beschloss die Beklagte, Teile ihres Unternehmens von P1 nach F1 zu verlagern. Hiervon waren folgende Bereiche betroffen:
9Ob es sich bei diesen Bereichen um eine oder mehrere Abteilungen im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG handelt, ist zwischen den Parteien streitig.
11Insgesamt waren von der Verlagerung nach F1 ca. 40 Mitarbeiter betroffen. Nachdem Verhandlungen zwischen der Beklagten und dem in P1 gebildeten Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplan gescheitert waren (Schriftverkehr Bl. 29, 108 ff. d.A.), wurde eine Einigungsstelle eingerichtet, die am 23.08.2010 und am 25.08.2010 tagte. Auf die Protokolle der Sitzungen der Einigungsstelle vom 23.08.2010 (Bl. 31 ff. d.A.) und vom 25.08.2010 (Bl. 37 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Nachdem in der Sitzung der Einigungsstelle vom 25.08.2010 die Verhandlungen über die Herbeiführung eines Interessenausgleichs für gescheitert erklärt worden waren, wurde anschließend ein Sozialplan verabschiedet, auf dessen Bestimmungen Bezug genommen wird (Bl. 44 ff. d.A.).
12Mit Geschäftsleitungsbeschluss vom 26.08.2010 (Bl. 56 d.A.) entschied die Beklagte die Umsetzung der zuvor beabsichtigten Maßnahmen und beauftragte die Personalleitung in P1 mit der weiteren Abwicklung.
13Mit Schreiben vom 17.09.2010 (Bl. 58 ff. d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung des Klägers zum 31.03.2011 an. Auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 17.09.2010 (Bl. 58 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
14Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Änderungskündigung mit Schreiben vom 24.09.2010 (Bl. 8, 135 d.A.).
15Mit Schreiben vom 27.09.2010 (Bl. 4 ff. d.A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 und bot dem Kläger gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 01.04.2011 bei im Übrigen gleichbleibenden Vertragskonditionen - allerdings bei einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden ohne Entgeltreduzierung - am Standort F1 fortzusetzen.
16Mit Schreiben vom 04.10.2010 (Bl. 10 d.A.) erklärte der Kläger die Annahme dieser Änderungskündigung unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG.
17Mit der am 05.10.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Änderungskündigung vom 27.09.2010.
18Bereits am 14.09.2010 hatte die Beklagte eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit P1 - im Hinblick auf 42 zu entlassende Arbeitnehmer gestellt (Bl. 93 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 24.09.2010 (Bl. 101 d.A.) stimmte die Agentur für Arbeit den geplanten Entlassungen zu.
19Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ihm ausgesprochene Änderungskündigung vom 27.09.2010 sei unwirksam.
20Der Betriebsrat sei schon nicht ordnungsgemäß zur beabsichtigten Änderungskündigung angehört worden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat nämlich nicht mitgeteilt, dass die Voraussetzungen einer Abteilungsstilllegung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG vorliegen könnten.
21Darüber hinaus sei die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt. Seine Versetzung nach F1 sei nämlich nicht erforderlich. Es sei nicht notwendig, dass er seine Arbeitsleistung in F1 erbringen müsse, ebenso gut könne er von Zuhause aus seiner Arbeit nachgehen. Die Kontaktpersonen, mit denen er zusammenarbeite, seien in M2, Budapest oder anderenorts tätig. Es mache keinen Unterschied, ob er von einem Home-Office aus oder von einem Arbeitsplatz im P1 Betrieb oder in F1 für die Beklagte arbeite. Die gesamte Kommunikation geschehe nämlich elektronisch. Die Mitarbeiterin, mit der er in F1 zusammenarbeiten solle, arbeite gar nicht im Bereich des Tender Managements, sondern sei dem Produktmarketing zugeordnet. Auch sein direkter Vorgesetzter, Herr G1, behalte seinen Arbeitsplatz in P1. Das gleiche gelte für die Mitarbeiter M1, S4, L1, T2 und W1. Auch diese Mitarbeiter arbeiteten weiterhin in P1.
22Der Kläger könne auch im Bereich des Produktmanagements oder des Produktmarketings eingesetzt werden, so beispielsweise im Bereich Produktmanagement Telco. Er sei mit den bereits genannten Mitarbeitern M1, S4, L1 und W1 vergleichbar. Diese Mitarbeiter verrichteten dieselben Tätigkeiten, die er bis zum Jahr 2008 über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren ausgeübt habe. Auch wenn er in den letzten Jahren als Tender-Manager tätig gewesen sei, könne er sich aufgrund seiner akademisch-fachlichen Kenntnisse und seiner in früheren Zeiten gewonnenen Erfahrungen problemlos im Bereich des Produktmanagement wieder einarbeiten.
23Auch für die Herabsetzung seiner Arbeitszeit von 39 Stunden auf 35 Stunden wöchentlich bestehe keine soziale Rechtfertigung.
24Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG zu, weil er am 23.04.2010 an einer Betriebsratssitzung teilgenommen habe.
25Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG stillgelegt werde. Bei dem Bereich Sales BHID handele es sich nicht um eine eigenständige Abteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG. Er, der Kläger, habe seinen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro gehabt und sei keiner eigenständigen Abteilung zugeordnet gewesen.
26Schließlich habe die Beklagte das Verfahren nach den §§ 17 ff. KSchG auch nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Eine entsprechende Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sei unterblieben.
27Der Kläger hat beantragt,
28festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27.09.2010 unwirksam sind.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hat die Auffassung vertreten, die Änderungskündigung vom 27.09.2010 sei wirksam.
32Durch die komplette Verlagerung und Konzentration der administrativen Tätigkeiten am Standort F1 sei der Arbeitsplatz des Klägers in P1 ersatzlos weggefallen. Der gesamte Bereich des Vertriebs (Sales) werde sich in F1 orientieren. Auch der Kläger gehöre als Tender Manager zu diesem Bereich. Dies sei wegen der direkten Nähe zum strategischen Management der Unternehmensgruppe notwendig. In P1 verbleibe lediglich ein reines Entwicklungszentrum. Am Standort F1 sei bereits eine andere Mitarbeiterin im Bereich des Tender-Managements tätig. Mit dieser Mitarbeiterin solle der Kläger zukünftig zusammenarbeiten. Auf die Möglichkeit der Einrichtung eines Home-Offices müsse die Beklagte sich nicht verweisen lassen. Bei der Entscheidung der Beklagten, den Bereich Sales und Administration nach F1 zu verlegen, handele es sich um eine unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall der entsprechenden Arbeitsplätze in P1 führe. Sie wirke sich unmittelbar auf die Beschäftigung des Klägers in P1 aus. Diese Entscheidung sei auch nicht willkürlich.
33Eine Weiterbeschäftigung des Klägers an einem anderen Arbeitsplatz in P1 komme im Hinblick auf seine Qualifikation und seine Leistungsbereitschaft nicht in Betracht. Insbesondere könne der Kläger nicht im Bereich des Produktmanagements oder des Produktmarketings eingesetzt werden. Diesen Aufgabenfeldern werde er qualitativ nicht gerecht. Anders als im Tender-Management erforderten die Tätigkeiten im Produktmanagement und Produktmarketing umfangreiche Reisetätigkeiten, der Kontakt mit dem Kunden sei unabdingbar. Von daher sei mit dieser Tätigkeit eine Reihe von mehrtägigen Reisen auch in das nicht europäische Ausland verbunden. Gegenüber der Personalleiterin der Beklagten habe der Kläger mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass solche umfangreichen und kurzfristigen Reisen zu Kunden nicht mit seinem Privatleben und der Betreuung seiner Kinder zu vereinbaren seien. Auch aus diesem Grund sei er seinerzeit auf seine jetzige Position eingesetzt worden. Ferner seien für die Tätigkeiten im Produktmanagement sehr gute Englischkenntnisse erforderlich, über die der Kläger nicht in ausreichender Weise verfüge. Insoweit könne der Kläger auch nicht auf seine früheren Tätigkeiten als Produktmanager verweisen. Inzwischen seien nämlich die Anforderungen an die Mitarbeiter im Produktmanagement deutlich gestiegen. Die zu betreuenden Produkte hätten sich in den letzten Jahren teilweise grundlegend verändert, der Kläger beherrsche die neuen Technologien nicht. Mit dem aktuellen Stand der neuen Technologien sei er nicht vertraut.
34Die Unwirksamkeit der Änderungskündigung ergebe sich auch nicht aus einer wöchentlichen Arbeitszeitreduzierung auf 35 Stunden. Eine Zeitangabe gebe es im Arbeitsvertrag des Klägers nicht. Am Standort F1 betrage die wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitmitarbeiters 35 Stunden. Insoweit werde der Arbeitsvertrag des Klägers nicht geändert. Vielmehr erhalte der Kläger mit der Verkürzung seiner wöchentlichen Arbeitszeit ohne Entgeltreduzierung sogar eine Verbesserung seiner Rechtstellung.
35Der Kläger könne sich auch nicht auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 KSchG berufen. Insoweit hat die Beklagte bestritten, dass die Betriebsratssitzung vom 23.04.2010 ordnungsgemäß einberufen worden sei.
36Bei den von P1 nach F1 zu verlagernden Arbeitsplätzen handele es sich jeweils um eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG. Der Kläger sei am Standort P1 in das Team "Sales" integriert, welches wiederum dem Bereich Vertrieb unterfalle. Auch der Bereich Sales BHID gehöre zum Vertrieb. Der gesamte Vertriebsbereich sei in einem Großraumbüro untergebracht. Das zu diesem Bereich gehörende Produktionsmanagement habe sich dagegen eine Etage tiefer befunden.
37Der Betriebsrat sei zu der beabsichtigten Änderungskündigung mit Schreiben vom 17.09.2010 ordnungsgemäß angehört worden. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG habe die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitteilen müssen. Dass der Kläger an einer Betriebsratssitzung am 23.04.2010 teilgenommen habe, habe der Betriebsrat gewusst.
38Schließlich habe die Beklagte auch vor Ausspruch der Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit ordnungsgemäß eingereicht. Der Betriebsrat sei durch die vorangegangenen Verhandlungen vor und in der Einigungsstelle ordnungsgemäß und umfassend über die unternehmerischen Maßnahmen und die Arbeitsplatzverlagerungen nach F1 informiert worden.
39Durch Urteil vom 10.02.2011 hat das Arbeitsgericht der Feststellungsklage des Klägers stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger genieße Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG, weil er am 23.04.2010 als Ersatzmitglied an einer Betriebsratssitzung teilgenommen habe. Aufgrund seiner Teilnahme an dieser Sitzung wirke der Sonderkündigungsschutz bis zum 23.04.2011 nach. Ob die Betriebsratssitzung ordnungsgemäß einberufen worden sei, sei unerheblich, da für den Erwerb des Sonderkündigungsschutzes allein entscheidend sei, dass der Kläger tatsächlich die Aufgaben eines Betriebsratsmitglieds wahrgenommen habe.
40Der Sonderkündigungsschutz entfalle auch nicht nach § 15 Abs. 5 KSchG. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich nicht, dass die Beklagte eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG stillgelegt habe. Der administrative Bereich des P1 Betriebes der Beklagten bilde keine eigenständige Abteilung, weil er kein organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebes sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Kläger in einem Großraumbüro gearbeitet habe, in dem Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Bereichen miteinander gearbeitet hätten.
41Gegen das der Beklagten am 01.03.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 31.03.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.06.2011 mit dem am 01.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
42Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ist die Beklagte weiter der Auffassung, die ausgesprochene Änderungskündigung vom 27.09.2010 sei wirksam. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Beklagte eine Betriebsabteilung des Betriebes in P1, nämlich die Abteilung Sales und Administration stillgelegt. Der Bereich Sales, dem der Kläger zuzuordnen sei, sei einschließlich des Bereichs Administration nach F1 verlegt worden. In P1 verbleibe lediglich der Bereich Research und Development, in dem die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten der Beklagten zusammengefasst seien. Die gesamte Abteilung Sales und Administration sei im 5. Obergeschoss des Firmengebäudes in P1 untergebracht gewesen, der Bereich Research und Development dagegen im 4. Obergeschoss.
43Diese Maßnahmen seien inzwischen auch umgesetzt worden. Die Beklagte habe die Räumlichkeiten in der 4. Büroetage des Firmengebäudes geräumt. Die dort bis Ende März 2011 tätigen Mitarbeiter arbeiteten seitdem auf den freigewordenen Büroflächen in der 5. Etage. Dies gelte insbesondere für die im Bereich Produktmanagement und Produktmarketing tätigen Mitarbeiter M1, W1, L1, S5 und T2. Auch der Kläger übe inzwischen seine Tätigkeit von F1 aus aus.
44Dass der Kläger seine Tätigkeit in P1 in einem Großraumbüro ausgeübt habe, sei unerheblich. Der Bereich Sales, der von Herrn G1 verantwortet werde, stelle eine Abteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG dar. Auf die räumliche Zusammenfassung komme es ohnehin für den Begriff der Abteilung nicht mehr entscheidend an. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund der modernen Kommunikationswege über elektronische Medien. Mindestens funktional sei der Bereich Sales, mindestens aber der Bereich Sales und Administration, eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG. Dieser Bereich sei klar abgrenzbar von dem Bereich Forschung und Entwicklung.
45Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Mitarbeiter K2 und der Mitarbeiter P2 ihrer Tätigkeit von P1 aus nachgingen. Hierzu behauptet die Beklagte, der Mitarbeiter P2 sei nicht bei der Beklagten, sondern bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten in Großbritannien beschäftigt, er habe auch dort seinen tatsächlichen Arbeitsort. Der Mitarbeiter, Herr K2, habe die Änderungskündigung vorbehaltlos angenommen; aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung sei er temporär reiseunfähig, lediglich aus diesem Grunde gehe er seiner Tätigkeit derzeit von P1 aus nach.
46Auf eine anderweitige Beschäftigung in P1 könne der Kläger sich nicht berufen. Insbesondere sei er nicht als Produktmanager im Bereich Research und Development einsetzbar. Die Produktmanager müssten umfangreiche Reisetätigkeiten verrichten, dem Kläger fehle jedoch nach seinem eigenen Bekunden die entsprechende Bereitschaft zu einer solchen dauerhaften Reisetätigkeit. Er sei auch nicht zu der im internationalen Bereich notwendigen, in englischer Sprache geführten Kommunikation in der Lage. Die dazu notwendigen verhandlungssicheren Englischkenntnisse bringe er nicht mit. Darüber hinaus fehle es dem Kläger am notwendigen technischen Know-how. Zwar er in der Vergangenheit als Produktmanager tätig gewesen, bei dem zu bearbeitenden Geschäftsfeld handele es sich allerdings um einen Bereich, in dem sich die technologische Entwicklung so schnell vollziehe, wie in kaum einem anderen Bereich sonst.
47Die Beklagte beantragt,
48das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 10.02.2011 - 1 Ca 1707/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
49Der Kläger beantragt,
50die Berufung zurückzuweisen.
51Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrags verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil und ist weiter der Auffassung, die Beklagte habe keine Betriebsabteilung stillgelegt, sondern lediglich bestimmte Funktionen von P1 nach F1 teilverlagert. Hierin liege keine Stilllegung einer Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG. Auch das Bundesarbeitsgericht halte an einer räumlichen Komponente bei dem Begriff der Betriebsabteilung fest.
52Im Übrigen würden weiter Mitarbeiter aus dem Bereich Sales und Administration in P1 beschäftigt. Ausgehend von dem von der Beklagten selbst vorgelegten Organisation Chart (Bl. 190 d.A.) arbeiteten neben dem Kläger in P1 ursprünglich noch der Vorgesetzte des Klägers, Herr G1, sowie Herr K2, Herr V1 und Frau B1. Nach der Verlagerung der Abteilung nach F1 sei ausschließlich der Kläger seit dem 01.04.2011 in F1 tätig. Herr G1 habe weiter sein Büro in P1, in F1 sei er seit dem 01.04.2011 an maximal zwei bis drei Tagen gewesen. Auch Herr K2 werde ebenfalls weiterhin am Standort P1 beschäftigt. Auch Herr V1 und Frau B1 seien nicht am Standort F1 tätig. Allein der Kläger müsse seine Tätigkeit von F1 aus verrichten. Die Stilllegung einer Betriebsabteilung könne hierin nicht gesehen werden. Darüber hinaus werde auch der Tender Manager, Herr P2, am Standort P1 beschäftigt. Dessen Büro habe sich bis zur Umsetzung nach F1 in der 4. Etage des Bürogebäudes in P1 befunden.
53Schließlich seien aus dem Bereich Sales auch noch Frau B2 und Frau S6 am Standort in P1 tätig. Auch insoweit könne von einer Betriebsstilllegung einer vermeintlichen Betriebsabteilung keine Rede sein.
54Auch eine räumlich klare Abgrenzung zwischen den Bereichen Sales und Administration sowie Research und Development habe in P1 nicht bestanden. Der Kläger habe bis zum 31.03.2011 seinen Arbeitsplatz im 5. Obergeschoss der Büroräume der Beklagten direkt gegenüber von Herrn T2 gehabt. Herr T2 sei aber weder im Bereich Sales noch im Bereich Administration tätig gewesen, er sei vielmehr dem Bereich Research und Development zuzuordnen. Demgegenüber habe der Mitarbeiter P2, der den Bereich Sales und Administration zuzuordnen sei, seinen Arbeitsplatz früher im 4. Obergeschoss gehabt.
55Der Kläger ist ferner der Auffassung, seine Tätigkeit sei nicht ausschließlich dem Bereich Sales und Administration zuzuordnen. Seine Tätigkeit weise Berührungs- und Schnittpunkte mit unterschiedlichen Bereichen und insbesondere dem Produktmarketing und -management auf. Die Mitarbeiter dieser Abteilung hätten früher im 4. Obergeschoss des Betriebsgebäudes in P1 gearbeitet.
56Für die Annahme einer Betriebsabteilung beim Bereich Sales und Administration fehle es auch an einer personellen Einheit. Die personelle Einheit "Sales" erledige keinen eigenständigen Betriebsteilzweck. Der Kläger arbeite bei seiner Tätigkeit als Tender Manager weitestgehend mit den Mitarbeiten aus dem Produktmarketing und dem Produktmanagement zusammen.
57Selbst wenn der Bereich Sales und Administration als eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG angesehen werden müsste, lägen die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 KSchG nicht vor. Die Beklagte hätte nämlich den Kläger in eine andere Abteilung im Betrieb übernehmen und versuchen müssen, einen dieser Arbeitsplätze durch Umsetzung und notfalls auch durch Kündigung freizumachen. Unstreitig sei der Kläger bis zum Beginn des Jahres 2008 als im Bereich Produktmarketing und Produktmanagement tätig gewesen. Entgegen der Annahme der Beklagten verfüge der Kläger auch über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen als Produktmanager. Für die Unmöglichkeit der Übernahme in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen sei die Beklagte in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Diesen Anforderungen werde der Vortrag der Beklagten nicht gerecht. Der Kläger verfüge über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse eines Produktmanagers. Diese Tätigkeiten habe er bis in das Jahr 2008 ausgeübt. Dabei habe er sich auch regelmäßig weitergebildet. Eine lediglich zwei bis drei Jahre andauernde Tätigkeit in einem anderen Bereich desselben Unternehmens mit einer Vielzahl von Berührungs- und Schnittpunkten könne aber nicht ausreichen, um eine über Jahre hinweg ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben zu können. Er, der Kläger, verfüge auch über die notwendigen verhandlungssicheren Englischkenntnisse. Im Rahmen seines bisherigen beruflichen Werdegangs sei er immer wieder im Ausland tätig gewesen und habe dort auch Präsentationen in englischer Sprache gehalten.
58Unzutreffend sei es auch, wenn die Beklagte behaupte, dass der Kläger zu einer dauerhaften Reisetätigkeit nicht bereit gewesen sei. Die Annahme der Beklagten gründe sich auf eine Aussage des Klägers vor mehreren Jahren, als seine Kinder noch jünger gewesen seien. Er, der Kläger, sei durchaus als Produktmanager auch zu einer umfassenderen Reisetätigkeit bereit. Dies habe er der Beklagten auch mehrfach mitgeteilt.
59Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
60Entscheidungsgründe
61Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
62Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Feststellungsklage des Klägers stattgegeben.
63I. Die Unwirksamkeit der Änderungskündigung vom 27.09.2010 ergibt sich, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, aus § 15 Abs. 5 KSchG.
641. Nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG kommt die Kündigung eines Mitarbeiters, der Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG genießt, bei Stilllegung des Betriebes oder einer Betriebsabteilung nur dann in Betracht, wenn die Übernahme in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist.
65a) Dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruches der Änderungskündigung vom 27.09.2010 als Ersatzmitglied über den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG verfügte, hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr ausdrücklich in Abrede gestellt.
66Zwar ist der Kläger kein ordentliches Betriebsratsmitglied, das den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 15 Abs. 1 KSchG, 103 BetrVG für sich in Anspruch nehmen kann. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG erstreckt sich aber auch auf Ersatzmitglieder, die wegen einer zeitweiligen Verhinderung eines regulären Betriebsratsmitglieds gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG tätig waren. Das Zustimmungserfordernis im Sinne des § 103 BetrVG besteht indes nur, wenn das Ersatzmitglied entweder endgültig für ein ausgeschiedenes Mitglied in den Betriebsrat eingerückt ist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) oder wenn und solange es ein zeitweilig verhindertes Mitglied vertritt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Ersatzmitglieder, die nach Beendigung der Vertretungszeit wieder aus dem Betriebsrat ausgeschieden sind, haben nur noch den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG (BAG 18.05.2006 - 6 ARZ 627/05 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2, Rn. 25; BAG 05.11.2009 - 2 AZR 487/08 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65, Rn. 26; KR/Etzel, 9. Aufl., § 15 KSchG Rn. 65 m.w.N.).
67Über diesen nachwirkenden Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG verfügte der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruches der Änderungskündigung vom 27.09.2010. Unstreitig hat der Kläger am 23.04.2010 als Ersatzmitglied für das verhinderte ordentliche Betriebsratsmitglied S9, das sich auf einer Geschäftsreise befunden hat, an einer Betriebsratssitzung teilgenommen. Danach lief die Jahresfrist des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG bis zum 23.04.2011. Mindestens bis zu diesem Zeitpunkt war das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nur noch unter den Voraussetzungen des § 15 KSchG kündbar.
68Ob die Betriebsratssitzung vom 23.04.2010 ordnungsgemäß einberufen worden ist, ist für den Erwerb des Sonderkündigungsschutzes unerheblich. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt. Durch seine Teilnahme an der Betriebsratssitzung vom 23.04.2010 hat der Kläger in jedem Fall Betriebsratstätigkeit ausgeübt. Selbst die Vorbereitung auf eine Betriebsratssitzung stellt schon Betriebsratstätigkeit dar (KR/Etzel, aaO, § 15 KSchG Rn. 65 a). Der Sonderkündigungsschutz entfällt auch dann nicht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Vertretungsfall in Wahrheit gar nicht vorgelegen hat (ErfK/Kiel, 11. Aufl., § 15 KSchG Rn. 13 m.w.N.).
69b) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien konnte ordentlich danach lediglich unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG gekündigt werden.
70Eine Stilllegung des gesamten Betriebes der Beklagten in P1 nach § 15 Abs. 4 KSchG liegt ersichtlich nicht vor.
71Aber auch die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Klägers nach § 15 Abs. 5 KSchG liegen nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt.
72aa) Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung des Klägers ist zunächst die Stilllegung einer Betriebsabteilung.
73Eine Betriebsabteilung ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil eines Betriebes, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt, die Teil eines arbeitstechnischen Zwecks des Gesamtbetriebs sind oder in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs bestehen können (BAG 30.05.1958 - 1 AZR 478/57 - AP KSchG § 13 Nr. 13; BAG 20.01.1984 - 7 AZR 443/82 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 16; BAG 17.11.2005 - 6 AZR 118/05 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60; Rn. 28; BAG 21.11.2007 - 10 AZR 782/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 297, Rn. 30; BAG 23.02.2010 - 2 AZR 656/08 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 66, Rn. 29 m.w.N.).
74Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann auf die räumliche Abgrenzung eines Teiles eines Betriebes nicht verzichtet werden. Auch das Bundesarbeitsgericht hält an der räumlichen Komponente bei der Begriffsbestimmung der Betriebsabteilung ausdrücklich fest (BAG 23.02.2010 - 2 AZR 656/08 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 66, Rn. 29). Soweit diese räumliche Komponente im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.2009 (- 2 AR 47/08 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 63, Rn. 21) nicht ausdrücklich erwähnt ist, hat dies ersichtlich seinen Grund darin, dass es in dieser Entscheidung auf die räumliche Komponente schlichtweg nicht ankam. Davon, dass der Begriff der Betriebsabteilung auch eine räumliche Komponente enthält, geht ersichtlich auch die arbeitsrechtliche Literatur aus (KR/Etzel, aaO, § 15 KSchG Rn. 121; Henss-ler/Willemsen/Kalb/Quecke, Arbeitsrechtskommentar, 3. Aufl., § 15 KSchG Rn. 61).
75bb) Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bereich Sales oder der Bereich Sales und Administration eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG darstellen. Es fehlt insoweit an einer räumlichen und einer organisatorischen Abgrenzung dieser Bereiche gegenüber dem Bereich Research und Development. Dies ergibt sich schon daraus, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, Herr G1, seinen Arbeitsplatz in P1 auch nach Verlegung der Bereiche Sales und Administration nach F1 beibehalten hat. Andererseits hatte der Mitarbeiter T2 als Produktionsmanager, der nach dem Vorbringen der Beklagten dem Bereich Research und Development zuzuordnen war, früher seinen Arbeitsplatz direkt gegenüber dem Kläger, der dem Bereich Sales und Administration zuzuordnen sein soll. Auch der Mitarbeiter P2 war als Tender Manager - unabhängig von der Frage, wer sein Arbeitgeber ist - räumlich im Bereich Research und Development untergebracht und nicht im 5. Obergeschoss des Betriebes der Beklagten in P1 wie früher der Kläger.
76Dass selbst die Beklagte ursprünglich nicht von einer oder mehreren Betriebsabteilungen im Sinne des § 15 KSchG ausgegangen ist, sondern sie seinerzeit beabsichtigt hat, einzelne bestimmte Arbeitsbereiche nach F1 zu verlagern, ergibt auch aus dem vorprozessualen Schriftverkehr. Im Schreiben der Geschäftsführung vom 19.01.2010 (Bl. 29 d.A.) ist von der "Verlagerung von Funktionen der Bereiche Coporate, Vertrieb und anderer Bereiche, die nicht mit Forschung und Entwicklung verbunden sind," die Rede. Im Protokoll der Einigungsstelle von 23.08.2010 hat der Einigungsstellenvorsitzende festgehalten, dass im Zuge der geplanten Verlegung des Firmensitzes von P1 nach F1 die Arbeitgeber "bestimmte Headquarterfunktionen" von P1 nach F1 verlagern will. In dem von der Einigungsstelle verabschiedeten Sozialplan sind unter Ziffer 1. die Bereiche ausdrücklich einzeln genannt, die die Beklagte auch in der Klageerwiderung vom 22.11.2010 ausdrücklich einzeln aufgeführt hat. Das Gleiche gilt für das Schreiben der Geschäftsführung vom 26.08.2010 (Bl. 56 d.A.). Schließlich kommt auch im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 17.09.2010 (Bl. 59 f. d.A.) ausdrücklich zum Ausdruck, dass lediglich einzeln aufgeführte Arbeitsbereiche nach F1 verlagert werden sollen.
77Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers der Tätigkeitsbereich eines Tender-Managers auch Überschneidungen mit dem Produktmanagement und dem –marketing ausweist, diese Bereiche jedoch nach dem Vorbringen der Beklagten den Bereich Research und Development zuzuordnen sind. Auch hieraus ergibt sich, dass der Bereich des Tender-Managements auch organisatorisch nicht klar und eindeutig vom Bereich Research und Development abzugrenzen ist.
78c) Selbst wenn mit der Beklagten angenommen werden müsste, dass der Bereich Sales und Administration bzw. der Bereich Sales allein eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG bildet, kann nicht festgestellt werden, dass diese Betriebsabteilung - sei es der Bereich Sales, sei es der Bereich Sales und Administration - in P1 vollständig stillgelegt und nach F1 verlagert worden ist.
79aa) Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG 21.06.2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50; BAG 29.09.2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139; BAG 06.04.2006 - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613 a Nr. 299; BAG 22.10.2009 - 8 AZR 766/08 - AP SGB X § 115 Nr. 16, Rn. 32; ErfK/Kiel, aaO, § 15 KSchG Rn. 35; HWK/Quecke, aaO, § 15 KSchG Rn. 56; KR/Etzel, aaO, § 15 KSchG Rn. 124, 79 m.w.N.).
80bb) Dass die Abteilung Sales und Administration in P1 vollständig stillgelegt worden wäre, kann aufgrund des Vorbringens der Parteien nicht festgestellt werden. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Vorgesetzte des Klägers, Herr G1, nach wie vor seinen Arbeitsplatz in P1 hat. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers sind aus dem Bereich Sales auch Frau R2 und Frau S6 nach wie vor am Standort P1 tätig. Unstreitig ist darüber hinaus, dass die Mitarbeiter Herr V1 und Frau B1, die als Sales Account Manager und Sales Assistent ebenfalls dem Bereich Sales angehören und dem Director Sales G1 unterstehen, nicht in F1 arbeiten. Bereits hieraus ergibt sich, dass die Abteilung Sales nicht vollständig nach F1 verlegt worden ist. Ob der Mitarbeiter P5, ebenfalls als Tender Manager wie der Kläger tätig, allerdings nach wie vor in P1, gar nicht Mitarbeiter der Beklagten, sondern Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft der Beklagten ist und ob der Mitarbeiter K2, der als Project Manager IKK Tender ebenfalls dem Sales-Bereich zuzuordnen ist, lediglich aus gesundheitlichen Gründen derzeit seiner Tätigkeit von P1 aus nachgeht, war danach schon nicht mehr entscheidungserheblich.
81Da nach alledem auch die Voraussetzungen für die Stilllegung einer Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG nicht festgestellt werden konnten, kam es auf die Frage, ob die Übernahme des Klägers in eine andere Betriebsabteilung, etwa die Weiterbeschäftigung als Produktmanager in der Abteilung Research und Development, aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, nicht mehr an.
82II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
83Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.
84Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.