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Enthält die Berufungsbegründung bei einem Anerkenntnisurteil keine Auseinandersetzung damit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, so ist die Berufung unzulässig. Ein nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgebrachter Restitutionsgrund vermag zwar grundsätzlich die nachträgliche Zulässigkeit der Berufung zu bewirken, dies setzt aber voraus, dass der Grund innerhalb der Frist für die Erhebung der Restitutionsklage vorgebracht wurde.
Die Berufung der Beklagten gegen das Anerkenntnis-Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 25.06.2009 – 3 Ca 421/09 – wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
2I
3Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers in Höhe von 924,62 €.
4Mit seiner am 11.02.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 924,62 € brutto nebst Zinsen verlangt und dies im Kammertermin am 25.06.2009 in der mündlichen Verhandlung beantragt. Auf Anregung der Kammer hat die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben, das zu Protokoll genommen und vorgespielt und genehmigt worden ist. Der Kläger hat daraufhin den Erlass eines Anerkenntnis-Urteils beantragt, das vom Arbeitsgericht mit folgendem Tenor verkündet worden ist:
5"1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 924,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 30.11.2008 zu zahlen.
62. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
73. Der Streitwert wird auf 924,62 € festgesetzt."
8Gegen dieses ihr am 02.07.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.07.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02.10.2009 am 28.09.2009 begründet.
9Die Beklagte greift das Anerkenntnis-Urteil mit Ausführungen zum Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Entgeltfortzahlung an. Nachdem das Gericht mit Schreiben vom 06.10.2009 darauf hingewiesen hat, dass die Berufung auf den Erlass eines Anerkenntnis-Urteils nach erklärtem Anerkenntnis der Beklagten nicht eingegangen sei und insoweit Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen könnten, hat die Beklagte mit einem am 23.10.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz darauf hingewiesen, dass Anerkenntnis-Urteile mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen werden könnten, da regelmäßig eine materielle Beschwer bestehe. Mit Schriftsatz vom 17.11.2009 hat sie das erklärte Anerkenntnis ausdrücklich widerrufen, da sie über eine neue beweiserhebliche Urkunde verfüge.
10Die Beklagte hat angekündigt zu beantragen,
11das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 25.06.2009 –
123 Ca 421/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
13Der Kläger hat um die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gebeten und in seiner Stellungnahme zur Berufungsbegründung darauf verwiesen, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, warum trotz des Anerkenntnisses kein Anerkenntnis-Urteil habe ergehen können.
14II
15Die Berufung der Beklagten ist unzulässig.
16Sie ist zwar in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 2 ZPO). Ihre innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichte Berufungsbegründung genügt jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Schriftsätze der Beklagten vermögen hieran nichts mehr zu ändern, selbst wenn sie inhaltlich als ausreichende Berufungsbegründung anzusehen wären.
17Die Berufung der Beklagten ist allerdings nicht schon deshalb unzulässig, weil sie den streitigen Anspruch in der mündlichen Verhandlung am 25.06.2009 anerkannt hat. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sie trotz Anerkenntnisses materiell durch das erlassene Anerkenntnis-Urteil beschwert ist und deshalb die Möglichkeit besteht, im nächsten Rechtszug eine abweichende Entscheidung zu erreichen.
18Nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO muss die Berufungsbegründung darlegen, aus welchen Umständen sich eine Rechtsverletzung durch die angefochtene Entscheidung ergibt oder ob Zweifel an der Tatsachenfeststellung bestehen oder ob neue Tatsachen vorgebracht werden. Das Arbeitsgericht hat gemäß § 307 Abs. 1 ZPO ein Anerkenntnis-Urteil erlassen. Dies ergeht dann, wenn eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch bei der mündlichen Verhandlung ganz oder zum Teil anerkennt. Liegt ein Anerkenntnis vor, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen.
19Das prozessuale Anerkenntnis ist nach Rechtsprechung und herrschender Meinung ausschließlich Prozesshandlung. Es bezieht sich nur auf den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Anspruch, dem sich der Anerkennende unterwirft. Eine materiell-rechtliche Komponente enthält das prozessrechtliche Anerkenntnis als solches nicht. Es hat vielmehr regelmäßig zur Folge, dass die anerkennende Partei dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen ist, ohne dass es noch auf die materiell-rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs ankommt. Allerdings ist es möglich, dass mit dem prozessualen Anerkenntnis auch eine materiell-rechtliche bedeutsame Erklärung verbunden wird. Das Wesen des prozessualen Anerkenntnisses wird davon jedoch nicht berührt. Dessen verfahrensrechtliche Wirkung und die materiell-rechtliche Wirkung der etwa mit dem Anerkenntnis verbundenen sachlich-rechtlichen Willenserklärung sind gegebenenfalls getrennt zu verurteilen (vgl. BGH vom 27.05.1981, IV B ZR 589/80, NJW 1981, 2193 m.w.N.; Zöller, ZPO, vor §§ 306, 307 RdNr. 6 sowie § 307, RdNr. 4; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 307 RdNr. 17).
20Die Beklagte hat sich in ihrer Berufungsbegründung ausschließlich mit dem vom Kläger verfolgten Anspruch auf Entgeltfortzahlung auseinandergesetzt. Wie den oben stehenden Ausführungen zu entnehmen ist, kann sie damit dem arbeitsgerichtlichen Anerkenntnis-Urteil nicht die Grundlage entziehen. Das Arbeitsgericht selbst war nach dem Anerkenntnis der Beklagten an der Prüfung gehindert, ob die Klage schlüssig und begründet ist. Ist dies aber der Fall, so kann nur eine Begründung, die darauf abzielt, die Wirksamkeit des Anerkenntnisses in Frage zu stellen, überhaupt erfolgreich sein.
21Ein Anerkenntnis als Prozesshandlung muss verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen. Unter diesem Gesichtspunkt läge eine zulässige Berufung beispielsweise vor, mit der gerügt würde, dass die abgegebene Erklärung gar kein Anerkenntnis enthielte oder ein Anerkenntnis unter einer Bedingung abgegeben worden wäre. Im Übrigen kann ein Anerkenntnis nur nach den Regeln des Verfahrensrechts widerrufen werden. Zu den Gründen, mit denen die Unwirksamkeit einer Prozesshandlung geltend gemacht werden kann, gehören die Restitutionsgründe im Sinne des § 580 ZPO. Mit Schriftsatz vom 17.11.2009 hat sich die Beklagte darauf berufen, dass der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 b ZPO vorliege. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist erneut eine Frage der Begründetheit der Berufung, nicht ihrer Zulässigkeit. Dennoch bewirkt der Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 17.11.2009 nicht die Zulässigkeit der Berufung. Diese Berufungsgründe sind außerhalb der bis zum 02.10.2009 bemessenen Berufungsbegründungsfrist vorgetragen worden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt worden.
22Allerdings handelt es sich bei den Gründen, für die die Restitutionsklage zugelassen wird, um Fälle, bei denen die Urteilsgrundlagen in einer Weise erschüttert worden sind, dass es nicht gerechtfertigt werden kann, die betroffene Partei an dem Urteil festzuhalten. In diesen Fällen tritt sowohl die durch die Rechtskraft geschützte Rechtssicherheit als auch das Vertrauen der begünstigten Partei in den Bestand eines Urteils hinter der Gerechtigkeit und der Billigkeit zurück (vgl. BGH vom 21.01.1988, III ZR 252/86, NJW 1988, 1914; Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 580 RdNr. 1 m.w.N.). Damit wäre es grundsätzlich gerechtfertigt, in einem anhängigen Berufungsverfahren auch außerhalb der Berufungsbegründungsfrist ein Vorbringen zuzulassen, das eine Restitutionsklage rechtfertigen würde. Hierfür spricht auch § 582 ZPO, demzufolge die Zulässigkeit der Restitutionsklage unter anderem davon abhängig ist, dass eine Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund durch Berufung geltend zu machen. Die Geltendmachung in einem noch anhängigen Verfahren erscheint einfacher und zweckmäßiger als der Verweis auf die selbstständige Restitutionsklage, da ein sachlicher Zusammenhang weiterhin besteht (vgl. BGH vom 22.01.1963, VI ZR 102/62, NJW 1963, 587). Auch wenn dies grundsätzlich für die Zulassung eines außerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgetragenen Restitutionsgrundes spricht, so trägt dieser Gesichtspunkt jedoch nicht unbegrenzt. Auch die Restitutionsklage selbst ist an Fristen gebunden. Nach § 586 Abs. 1 ZPO ist sie vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat. Auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen bedeutet dies, dass zum Sachvortrag der Beklagten die Angabe gehört hätte, wann sie die Urkunde, auf die sie sich als Restitutionsgrund beruft, aufgefunden hat bzw. wann sie in den Stand gesetzt worden ist, diese Urkunde zu benutzen. Hierzu fehlt es im Schriftsatz vom 17.11.2009 an jeglichem Sachvortrag. Ein solcher Sachvortrag betrifft nicht die Begründetheit der Berufung. § 586 ZPO betrifft die Zulässigkeit der Restitutionsklage. In einem Berufungsverfahren, das zum Zeitpunkt des Vorbringens des Restitutionsgrundes deshalb unzulässig ist, weil die Berufung unzureichend begründet worden ist, ist es gerechtfertigt, die Frist des § 586 ZPO heranzuziehen, wenn die Zulässigkeit der Berufung im Nachhinein bewirkt werden soll. Auch das Recht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sieht Fristen für die Geltendmachung der Wiedereinsetzungsgründe vor.
23Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.
24Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 77 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG und §§ 574 ff. ZPO.