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Landesarbeitsgericht Hamm, 9 Sa 966/08

Datum:
21.10.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 966/08
ECLI:
ECLI:DE:LAGHAM:2008:1021.9SA966.08.00
 
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 2 Ca 32/08
Schlagworte:
Kündigung, Sozialauswahl ohne Punktetabelle, Indizwirkung anerkannter Punktetabelle, Dominotheorie, Wertungsspielraum
Normen:
§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG
Leitsätze:

1. Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber nach dem Gesetzeswort-laut (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) die sozialen Gesichtspunkte "ausreichend" zu

berücksichtigen. Dem Arbeitgeber steht bei der Gewichtung der Sozialkriterien deshalb ein Wertungsspielraum zu (BAG 05.12.2002 - 2 AZR 549/01 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59).

2. Hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl ohne eine Punktetabelle durchgeführt, führt deren Überprüfung anhand von anderweitig anerkannten Punktetabellen nicht zu einer unzulässig nachträglichen, fiktiven Sozialauswahl. Eine solche Kontrollüberlegung kann vielmehr ein taugliches Indiz dafür sein, ob die tatsächlich vorgenommene Auswahl noch ausreichend ist, es ist für sich allein freilich noch nicht hinreichend. Hinzukommen muss die Bewertung der Sozialdaten der konkret konkurrierenden Arbeitnehmer.

3. a) Bei der Frage, ob die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nicht mehr

ausreichend ist, kommt es im Rahmen der Anwendung eines Punktesystems nicht auf einen absoluten Punktabstand oder eine prozentuale Abweichung allein, gemessen an dem im Auswahlkreis insgesamt vergebenen, höchsten Punktwert an. Denn der

absolute Punktwert der Differenz wie auch der entsprechende Prozentwert ist nicht

hinreichend aussagekräftig.

b) Bei Anwendung einer Punktetabelle ist der klagende Arbeitnehmer jeweils mit den von ihm als sozial weniger schutzwürdig genannten, in der konkreten Auswahlsituation konkurrierenden Mitarbeitern in ein Verhältnis zu setzen. Nur um die Differenz dieser Arbeitnehmer bei den Sozialkriterien geht es. Soll die Punktedifferenz prozentual ausgedrückt werden, ist dabei der die Fehlerhaftigkeit der Auswahl rügende

Arbeitnehmer mit seinem Punktwert gleich 100 zu setzen und die absolute Differenz zu dem jeweiligen Konkurrenten als prozentualer Anteil zu berechnen.

c) Jedenfalls bei einer ohne eine Punktetabelle durchgeführten Sozialauswahl bedarf es bei einer als nachträgliche Kontrolle hinzugezogenen Punktetabelle einer an-schließenden Bewertung der konkreten Sozialdaten. Im Streitfall war eine Differenz zu Lasten des Klägers von etwa 10 % in Verbindung mit der Betrachtung der konkreten Sozialdaten für die Annahme hinreichend, die Auswahl sei nicht mehr ausreichend.

4. Es liegt nahe, dass der Arbeitgeber sich auch in Fällen der "Massenkündigung", in denen er die Sozialauswahl ohne Anwendung einer Punktetabelle durchgeführt hat, darauf berufen darf, bei ausreichender Sozialauswahl wäre dem klagenden

Arbeitnehmer ebenfalls gekündigt worden.

 
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.04.2008, Az. 2 Ca 32/08 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 
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