Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Gemeinsame Betriebsstätte gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII auch dann, wenn im Unfallzeitpunkt selbst keine konkrete Zusammenarbeit von Versicherten mehrerer Unternehmen vorliegt.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.10.2006 - 1 Ca 555/06 - insgesamt abgeändert.
Die Klage wird gegenüber beiden Beklagten abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND :
3Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall.
4Im November 2002 wurde auf dem Gelände einer britischen Kaserne in P2 (B7 Barracks) ein neues Kantinengebäude errichtet. Die Zimmermannsarbeiten für den Bau wurden von der Beklagten zu 2) ausgeführt, deren Verantwortlicher vor Ort der Beklagte zu 1) als Zimmermannsmeister war. Weiterhin waren für die Beklagte zu 2) der Arbeitnehmer M6 M8 und der Arbeitnehmernehmer H5 U1 tätig. Der Kläger sowie der Arbeitnehmer P3 W3 waren als Mitarbeiter der Firma D4 H3 GmbH & Co. KG aus N2 tätig. Am 21. November 2002 gegen 15.25 Uhr verlegte der Kläger zusammen mit dem Arbeitnehmer W3 auf dem Dach des Neubaus 14 Meter lange Leimbinderplatten auf Sparren. Das Dach befand sich über einem größeren ummauerten Raum, welcher später den Toilettentrakt bilden sollte. Die Platten lagen zunächst quer über drei Bindern, die im rechten Winkel zur Traufe verliefen. Das Verlegen erfolgte dergestalt, dass die Platten auf den Bindern parallel und bündig zum Traufelement gezogen wurden. Das Traufelement ging über den ummauerten Trakt hinaus, sodass sich innerhalb des ummauerten Bereichs aufgrund einer Zwischendecke nur eine maximale Absturzhöhe von zwei Metern ergab. Außerhalb der Mauer betrug dagegen die Absturzhöhe 5,50 Meter. Bei der Ausführung dieser Verlegearbeiten stand der Kläger auf der Mauer. Beim Heranziehen einer Platte rutschte er aus und stürzte von der Mauer auf den darunter liegenden Betonfußboden außerhalb des ummauerten Raums. Zum Zeitpunkt dieses Unfalls befand sich der Beklagte zu 1) ca. 10 bis 15 Meter entfernt von der Unfallstelle, wo er mit Schweißarbeiten beschäftigt war.
5Der Kläger zog sich bei dem Sturz schwerste Verletzungen zu. Er wurde auf die Intensivstation des St. V4-Krankenhauses in P2 verbracht. Wegen der besonderen Schwere der Verletzungen wurde er noch am Abend des Unfalltages in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik D5-B5 verlegt, wo er bis zum 5. Juni 2003 ununterbrochen stationär behandelt wurde. In dem Zeitraum vom 31. Juli bis zum 23. Oktober 2003 befand er sich zur Rehabilitationsbehandlung in der Klinik H4. In der Zeit vom 15. April bis zum 24. Mai 2005 erfolgte nochmals eine stationäre Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik D5. In der Zeit vom 30. Mai bis zum 6. September 2005 erfolgte eine weitere Rehabilitationsbehandlung in der Klinik H4.
6Nach dem Unfall wurden beim Kläger neben einem Schädelhirntrauma dritten Grades, eine Felsenbeinfraktur, Hirn- und Lungenkontusionen, Frakturen der Brustwirbelkörper acht bis zwölf sowie der Lendenwirbelkörper eins/zwei, eine Rippenserienfraktur links sowie eine Rippenfraktur 10/11 rechts diagnostiziert. Der Kläger ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt und auf die Benutzung eines Aktivrollstuhls angewiesen. Er leidet zudem an einer vollständigen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, einem aufgehobenen Geruchs- und Geschmackssinn sowie einem hirnorganischen Psychosyndrom mit schweren Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistungen. Seinen erlernten Beruf als Zimmermann wird er nie wieder ausüben können. Eine Umschulung zum technischen Zeichner musste der Kläger abbrechen, da er aufgrund der unfallbedingten Störung seiner Gedächtnisleistung die von der Berufsschule gestellten Anforderungen nicht erfüllen kann.
7Zum Zeitpunkt des Unfalls am 21. November 2002 war die Unfallstelle nicht abgesichert. Am Unfalltag hatte der Beklagte zu 1) mit dem Bauleiter des Bau- und Liegenschaftsbetriebes Herrn J2 V2 sowie dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator des Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW P2 Herrn K1 C1, welche sich in der Zeit von ca. 13.00 Uhr bis ca. 15.00 Uhr auf der Baustelle aufgehalten hatten, die Sicherungsvorkehrungen besprochen. In einem Bautagebuch hatte Herr K1 C1 nach dem Unfall dieses Gespräch protokolliert und in diesem Rahmen hinsichtlich der Beanstandungen im Bereich der Zimmermannsarbeiten vermerkt, dass weitere Schutznetze sowie an den Randseiten der Arbeitsabschnitte Schutzgeländer angebracht werden müssten. Der Aufstieg solle über Rollgerüste erfolgen. Bereits angebrachte Netze seien nicht ausreichend befestigt worden. In dem Protokoll wurde ausdrücklich die Beklagte zu 2) als Verantwortliche für die Sicherungsmaßnahmen und als Termin „sofort" vermerkt.
8Der Beklagte zu 1) wurde am 12. November 2004 vom Amtsgericht Paderborn wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt (Amtsgericht Paderborn 23 Ds 322 Js 212/03).
9Mit seiner an das Landgericht Paderborn gerichteten Klageschrift vom 17. November 2005 hat der Kläger Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend gemacht. Mit Beschluss vom 11. April 2006 (Bl. 95 - 98 d. A.) hat das Landgericht Paderborn den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Paderborn verwiesen.
10Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, er sei gemeinsam mit P3 W3 beauftragt worden, die Leimbinderplatten zu verlegen. Kurze Zeit vor dem Unfall sei durch die Herren K1 C1 und J2 V2 die fehlende Absturzsicherung im Bereich der späteren Absturzstelle bemängelt worden. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) seien daraufhin von der Baustelle geholt worden. Der Beklagte zu 1) habe zugesagt, die verlangten Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen, insbesondere ein fahrbares Gerüst aufzustellen und die gesamte Fläche, über der gearbeitet werden sollte, mit Fangnetzen abzusichern. Tatsächlich seien aber keine dieser Maßnahmen in dem Bereich, in dem er gearbeitet habe, umgesetzt worden.
11Er habe zusammen mit Herrn W3 das Werkzeug in den Firmenwagen geschafft, um zurück zur Firma D4 bzw. nach Hause zu fahren. Die Wochenarbeitszeit sei bereits erfüllt gewesen. Daraufhin seien sie durch den Beklagten zu 1) aufgefordert worden, die Arbeit
12fortzusetzen. Für den Fall der Weigerung habe der Beklagte zu 1) angekündigt, sich bei der Firma D4 über ihr Verhalten beschweren zu wollen. Aufgrund dessen habe er sich zur Fortsetzung der Arbeiten gezwungen gesehen und habe deshalb allein mit dem Herrn W3 die Arbeiten auf dem Dach wieder aufgenommen.
13Auf der Baustelle seien weder ausreichend Fangnetze noch sonstige Absturzsicherungen vorgehalten worden, zumindest seien diese nicht in ausreichendem Maße eingesetzt worden. Ein Rollgerüst könne nicht als Absturzsicherung, sondern nur als Aufstiegshilfe dienen. Üblich seien zur Absicherung derartige Baustellen Fangnetze oder Arbeitsbühnen. Er sei zwar durch die Firma D4 mit Sicherheitsgurten ausgestattet worden, deren Einsatz sei aber nicht sinnvoll gewesen, da es keine Möglichkeit zur Befestigung gegeben habe.
14Die mangelnde Sicherung der Baustelle durch den Beklagten zu 1) stelle einen Verstoß gegen § 3 der Arbeitsstättenverordnung in Verbindung mit § 12 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift BGV C22 und damit die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht dar. Der Beklagte zu 1) hafte daher aus unerlaubter Handlung. Die Beklagte zu 2) müsse für den Beklagten zu 1) als ihren Verrichtungsgehilfen einstehen und hafte darüber hinaus auch aus eigenem Organisationsverschulden. Diese Haftung sei auch nicht durch die Regelungen in den §§ 105 ff. SGB VII ausgeschlossen. Er habe zur Zeit des Unfalls allein mit seinem Kollegen W3 von der Firma D4 an der Unfallstelle gearbeitet, sodass die Mitarbeiter der Firma D4 und die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen seien. Zudem habe der Beklagte zu 1) zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, da er in Kenntnis der fehlenden Absturzsicherungen ihn - den Kläger - und den Herrn W3 veranlasst habe, die Arbeiten fortzusetzen. Er habe damit den Unfall zumindest billigend in Kauf genommen.
15Unter Berücksichtigung der Verletzung, der Verletzungsfolgen sowie des Verschuldens der Beklagten sei ein Schmerzensgeld von mindestens 250.000,00 € angemessen.
16Zudem sei die Beklagte verpflichtet, die für die außergerichtlichen Zahlungsaufforderungen entstandenen Anwaltsgebühren zu erstatten.
17Weiterhin seien die Beklagten auch verpflichtet, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21. November 2002 zu ersetzen.
18Der Kläger hat beantragt,
191. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 21. November 2002 bis zum 31. Oktober 2005 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen,
202. hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine Schmerzensgeldrente in angemessener Höhe zu zahlen,
213. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn an außergerichtlichen Gebühren 1.547,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2005 zu zahlen,
224. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere soweit sie nach dem 31. Oktober 2005 entstehen, aus dem Unfall vom 21. November 2002 zu bezahlen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind bzw. übergehen werden.
23Die Beklagten haben beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagten haben folgendes vorgetragen:
26Der Kläger habe am Unfalltag zunächst gemeinsam mit dem Herrn W3 und dem bei der Beklagten 2) beschäftigten Herrn M8 Folie in einem anderen Dachbereich verlegt. Der Beklagte zu 1) habe mit dem Bauleiter Herrn J2 V2 und dem Sicherheitskoordinator Herrn K1 C1 besprochen, dass für die anstehenden Arbeiten über dem Toilettentrakt Fangnetze nicht erforderlich seien, da sich dort aufgrund der Zwischendecke eine maximale
27Absturzhöhe von zwei Metern ergeben habe. Fangnetze seien dann funktionslos. Auch sonst seien für das Verlegen der Leimbinderplatten keine weiteren Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen, wenn die Arbeiten auf den Bindern sitzend ausgeführt worden wären.
28Der Beklagte zu 1) habe nicht angeordnet, dass der Kläger und der Herr W3 die Verlegearbeiten allein ausführen sollten. Vielmehr seien diese Arbeiten in den Tagen zuvor immer zu Dritt ausgeführt worden. Nachdem der Sicherheitskoordinator und der Bauleiter nach der Besprechung die Baustelle verlassen hätten, habe der Beklagte zu 1) die besprochenen Vorgaben an den Kläger und Herrn W3 weitergegeben und darauf hingewiesen, dass am Rand ein fahrbares Rollgerüst aufgestellt werden sollte.
29Der Beklagte zu 1) sei dabei nicht davon ausgegangen, dass der Kläger und Herr W3 sofort mit dem Verlegen der Platten beginnen würden. Sie seien nämlich zu diesem Zeitpunkt noch damit beschäftigt gewesen, Folie zu verlegen. Vielmehr seien der Kläger und Herr W3 ohne Wissen des Beklagten zu 1) zu der späteren Absturzstelle gegangen, um die Platten zu verlegen, wobei sich der Kläger entgegen der Anordnung auf dem äußeren Mauerwerk oder einem noch weiter entfernten Binder aufgehalten habe. Zur Zeit des Absturzes des Klägers sei der Beklagte zu 1) an einer anderen Stelle mit Schweißarbeiten beschäftigt gewesen, sodass er aufgrund seiner Arbeitshaltung die Unfallstelle nicht habe einsehen können.
30Der Unfall sei nur deshalb möglich gewesen, weil der Kläger sich nicht entsprechend den Vorgaben verhalten habe. Anlass, die Einhaltung der Vorgaben zu überprüfen, habe es nicht gegeben, vor allem weil der Beklagte zu 1) nicht gewusst habe, dass der Kläger und Herr W3 die Arbeiten sofort aufnehmen würden. Eine Diskussion um den Feierabend habe zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) nicht stattgefunden. Insbesondere habe der Beklagte zu 1) nicht den Kläger und den Herrn W3 von ihrem Firmenfahrzeug zurückgeholt.
31Zum Unfallzeitpunkt sei zwar ein Rollgerüst durch den Beklagten zu 1) benutzt worden, jedoch seien zu dieser Zeit noch zwei Rollgerüste in unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle vorhanden gewesen. Zudem seien auch mehrere Fangnetze zur Absturzsicherung vorhanden gewesen.
32Eine Haftung der Beklagten sei nicht gegeben. Mit seinen Anordnungen und der Weitergabe der Sicherheitsvorgaben habe der Beklagte zu 1) seine Verpflichtungen, insbesondere seine Verkehrssicherungspflicht, erfüllt. In keinem Falle habe er vorsätzlich gehandelt. Er habe den Verletzungserfolg nicht vorausgesehen und schon gar nicht billigend in Kauf genommen. Die Beklagte zu 2) hafte nicht aus einem Organisationsverschulden, da sie zur Überwachung der Sicherheitseinrichtungen den Beklagten zu 1) beauftragt und geschult sowie für die Baustelle ausreichend Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt habe. Sie müsse auch nicht für den Beklagten zu 1) als ihren Verrichtungsgehilfen einstehen, da sie diesen ordnungsgemäß ausgewählt habe. Der Beklagte zu 1) sei zum Unfallzeitpunkt bereits seit 5 ½ Jahren in ihrem Betrieb als Zimmermannsmeister beschäftigt gewesen, wobei es unter seiner Aufsicht bis zu dem streitgegenständlichen Vorfall nie zu einem Unfall gekommen sei. Die Beklagte zu 2) habe den Beklagten zu 1) auch nicht zur sorgfältig ausgewählt, sondern auch laufend bei seinen Tätigkeiten auf den Baustellen überwacht. Wegen der Einzelheiten im Vortrag der Beklagten wird insoweit Bezug genommen auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 25. September 2006 (Bl. 137 - 142 d. A.).
33Eine Haftung der Beklagten sei zudem nach den Regelungen der §§ 104 bis 106 SGB VII ausgeschlossen. Die Mitarbeiter der Firma D4 und die der Beklagten zu 2) seien auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen. Dagegen spreche auch nicht, dass die Beklagte zu 2) die Firma D4 als Subunternehmer eingeschaltet habe. Maßgeblich sei, dass die Mitarbeiter der Firma D4 mit den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) „Hand in Hand" zusammengearbeitet hätten. So seien viele Arbeiten nicht durch die Mitarbeiter der Firma D4 allein, sondern mit Unterstützung eines weiteren Mitarbeiters der Beklagten zu 2) ausgeführt worden. Die Mitarbeiter der einzelnen Unternehmen seien nicht nur in räumlicher Nähe, sondern auch gemeinsam tätig gewesen. Bei der Beurteilung, ob eine gemeinsame Betriebsstätte unterhalten worden sei, komme es nicht darauf an, ob in dem Moment des Unfalls die Mitarbeiter der Firma D4 unter sich gewesen seien. Vielmehr seien die allgemeinen Geschehensabläufe auf der Baustelle maßgeblich. Mangels vorsätzlichen Verhaltens des Beklagten zu 1) sei dessen Haftung daher nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Eine Haftung der Beklagten zu 2) sei nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Zumindest läge aber für den Fall, dass die Haftung des Beklagten zu 1) ausgeschlossen sei und die der Beklagten zu 2) nicht, eine gestörte Gesamtschuld vor, sodass dann die Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger nur so haften müsse, wie bei der Beklagten zu 2) nach dem Gesamtschuldnerausgleich noch ein Haftungsanteil verbleiben würde. Da aber allenfalls eine Haftung der Beklagten zu 2) für ihren Verrichtungsgehilfen in Betracht kommen könne, hafte nach § 840 Abs. 2 BGB die Beklagte zu 2) im Innenverhältnis zu dem Beklagten zu 1) überhaupt nicht, sodass auch im Außenverhältnis zum Kläger eine Haftung ausscheiden müsse.
34Schließlich sei auch ein erhebliches Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen. Der Kläger habe sich nach den Sicherheitsvorgaben, die ihm auch weitergegeben worden seien, nicht auf der Mauer aufhalten dürfen. Der Kläger hätte vielmehr die Platten auf den Bindern sitzend verlegen sollen.
35Sie erheben die Einrede der Verjährung und rügen die Höhe der geltend gemachten Schmerzensgeldforderung als überzogen.
36Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen M8, W3, U1, V2 und C1. Wegen der Ergebnisse dieser Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2006 (Bl. 149 - 155 d. A.). Die Strafakte 23 Ds 322 Js 212/03 (442/04) des Amtsgerichts Paderborn ist vom Gericht beigezogen worden.
37Mit Urteil vom 26.10.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs stattgegeben; ebenfalls hat es dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Ersatzpflicht beider Beklagter für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21. November 2002 stattgegeben, die Klage auf Ersatz außergerichtlicher Kosten aber abgewiesen.
38Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte zu 1) hafte aufgrund des Unterlassens der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle. Aus § 12 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift BGV C22 folge, dass auf Dächern ab einer Absturzhöhe von 3 Metern Einrichtungen oder Maßnahmen zur Absturzsicherung bzw. Auffangvorrichtungen vorhanden sein müssten. Auch wenn die Unfallverhütungsvorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellten, konkretisierten sie jedenfalls die Verkehrspflichten für die jeweiligen Berufsgruppen. Da es sich bei der Absturzsicherung auch um eine kollektive Schutzmaßnahme sowohl zugunsten der Arbeitnehmer der Beklagten zu 2) als auch derjenigen der Firma D4 gehandelt habe, sei auch die Beklagte zu 2) für die Sicherungsmaßnahmen in diesem Bereich zuständig gewesen und damit für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften. Diese Verantwortlichkeit habe sie wiederum auf den Beklagten zu 1) als Bauleiter übertragen. Eine nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte Anweisung, die Verlegearbeiten auf einem Binder sitzend vorzunehmen, sei nicht ausreichend gewesen. An der späteren Absturzstelle jedenfalls wäre angesichts der Absturzhöhe von 5,50 m eine Sicherung durch ein Fangnetz notwendig und auch möglich gewesen. Ob die Anweisung, im Sitzen zu arbeiten, tatsächlich erteilt worden sei, könne dahinstehen.
39Unabhängig davon, ob der Beklagte zu 1) dem Kläger und Herrn W3 tatsächlich den Auftrag gegeben habe, den Umbau eines Rollgerüstes zu einem Schutzgerüst mit Schutzgeländer vorzunehmen, sei ihm vorzuwerfen, dass er die Durchführung dieser Maßnahme nicht kontrolliert habe. Auch ergebe sich aus der Eintragung im Bautagebuch, dass zusätzlich die Abringung von Sicherheitsnetzen erforderlich gewesen sei. Diese Maßnahmen seien nach dem Bautagebuch auch „sofort" durchzuführen gewesen, weshalb sich der Beklagte zu 1) nicht damit entlasten könne, dass er nicht davon ausgegangen sei, dass die beiden Mitarbeiter bereits zu diesem Zeitpunkt mit Tätigkeiten an der späteren Unfallstelle beginnen würden.
40Das Handeln des Beklagten zu 1) sei auch rechtswidrig und schuldhaft gewesen. Zwar liege Vorsatz nicht vor, da hierfür erforderlich wäre, dass der Beklagte zu 1) eine Verletzung von Arbeitnehmern auf der Baustelle aufgrund der fehlenden Sicherheitsvorkehrungen für möglich gehalten und dies billigend in Kauf genommen hätte oder einen Verletzungserfolg zwar für möglich gehalten, auf den Nichteintritt aber vertraut hätte, was aber nicht angenommen werden könne. Die Fahrlässigkeit ergebe sich dagegen bereits aus der Verletzung von § 12 Unfallverhütungsvorschrift.
41Eine Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII scheide aus, da der Kläger Arbeitnehmer der Firma D4 sei. Ein Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII scheide aus, da die Arbeitnehmer der Beklagten zu 2) und der Firma D4 zum Unfallzeitpunkt nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen seien. Nach der Rechtsprechung von BAG und BGH solle das „bewusste Miteinander" gerade bei dem konkreten Unfallvorgang bestehen, da bei Tätigkeiten mehrerer Firmen auf einem Betriebsgelände die Begründung für einen gesetzlichen Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII weder in dem Finanzierungsargument - also in der Erbringung von Beiträgen zur Unfallversicherung- gesehen werden könne, noch in dem Interesse an der Wahrung des Betriebsfriedens. Vielmehr lasse sich der Haftungsausschluss lediglich nach dem Grundsatz der Gefahrengemeinschaft begründen, da bei Verknüpfung der betrieblichen Aktivitäten jeder potentieller Schädiger und Geschädigter sein könne. Da die Unternehmen zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls nicht in einem bewussten Miteinander gearbeitet hätten sondern beziehungslos nebeneinander hergearbeitet hätten, hätten auch nur der Kläger und dessen Kollege W3 eine Gefahrengemeinschaft gebildet, weshalb ein Haftungsausschluss in Bezug auf die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) entfiele, da es an einer gemeinsamen Betriebsstätte zum Unfallzeitpunkt mangele.
42Das somit gem. §§ 823, 847 BGB zu zahlende Schmerzensgeld sei mit 250.000,00 € angesichts der Schwere der Verletzungen, der Dauer der Behandlungen und insbesondere aufgrund der Jugend des Klägers und der auf Dauer bestehenden Beeinträchtigungen hinsichtlich der beruflichen und privaten Lebensführung angemessen. Ein Mitverschulden des Klägers scheide angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme, die eine Anweisung des Beklagten zu 1), die Tätigkeiten nur im Sitzen auszuüben, nicht ergeben habe, aus.
43Die Haftung der Beklagten zu 2) ergebe sich gem. § 831 BGB aufgrund der schuldhaften Handlung ihres Verrichtungsgehilfen. Den erforderlichen Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB habe sie nicht führen können, da ihr Vortrag hinsichtlich der Überprüfung des sorgfältigen und sicherheitsbewussten Vorgehens des Beklagten zu 1) nicht ausreichend sei.
44Auch ergebe sich die Haftung aus eigenem Organisationsverschulden, da zwar auf der Baustelle Rollgerüste und Netze vorhanden gewesen seien, nicht aber an der konkreten Absturzstelle.
45Verjährung sei hinsichtlich keines der beiden Beklagten gegeben, da die Klage vom 17.11.2005 am 18.11.2005 (bei der Datumsangabe 08.11.2005 im Urteil handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler) eingegangen sei.
46Die Klage sei lediglich hinsichtlich der Kosten der Inanspruchnahme eines Prozessbevollmächtigten gem. § 12 a ArbGG zurückzuweisen.
47Wegen der weiteren Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichtes Paderborn vom 26.10.2006 (Bl. 156 - 182 d. A.) Bezug genommen.
48Gegen das ihnen am 20.11.2006 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit am 04.12.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.02.2007 mit am 20.02.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
49Sie sind der Ansicht, eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch den Beklagten zu 1) sei nicht gegeben, da die Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich bei dem Bauherren, somit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW gelegen habe. Eine Delegation auf die Beklagte zu 2) und in Folge auf den Beklagten zu 1) habe nicht stattgefunden, sei auch
50substantiiert nicht dargelegt. Auch ergebe sich aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, wonach er und sein Kollege von Firma D4 unabhängig von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 2) gearbeitet hätten, dass der Kläger und sein Kollege somit selbst sicherungspflichtig für ihren Arbeitsbereich gewesen seien. Da die Vorgaben der Herren V2 und C1 durch den Beklagten zu 1) auch an den Kläger weitergegeben worden seien, sei diesem die Gefahrenlage auch bekannt gewesen. Da das Rollgerüst, wäre es denn aufgebaut worden, nach jeder montierten Plätte hätte weitergerückt werden müssen, hätten es auch nur der Kläger und sein Kollege W3 vermocht, die Sicherungsarbeiten durchzuführen. Auch würde es die Anforderungen an die einzuhaltende Verkehrssicherungspflicht überdehnen, wenn gefordert würde, auch gegenüber einer ohne weiteres erkennbaren Gefahr Sicherungsmaßnahmen ergreifen zu müssen.
51Auch hätten der Kläger und sein Kollege das Rollgerüst zur Sicherung einsetzen sollen, wodurch der schwere Unfall hätte vermieden werden können.
52Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichtes liege eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII vor, die geforderte Gefahrengemeinschaft habe vorgelegen. Ein rein faktisches Nebeneinander scheide aus, da die Mitarbeiter der Firma D4 und die der Beklagten zu 2) die Zimmererarbeiten in dem Baustellenbereich „Saal" gemeinsam erledigt hätten. Die Mitarbeiter beider Firmen seien mit demselben Gewerk „Zimmerarbeiten" beschäftigt gewesen; es sei eben gerade nicht so gewesen, dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) zunächst ihr Gewerk hätten beenden müssen, ehe diejenigen der Firma D4 mit ihrem beginnen konnten.
53Eine Haftung der Beklagten zu 2) scheitere bereits am fehlenden Auswahlverschulden und Aufsichtspflichtverletzungen. Die Beklagten nehmen insoweit Bezug auf das Vorbringen erster Instanz. Auch scheitere eine Haftung selbst bei Bejahung einer solchen Verletzung bereits daran, dass sich die Beklagte zu 2) auf die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld und damit auf das Haftungsprivileg gem. § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII berufen könne.
54Weiterhin liege auch ein haftungsausschließendes Eigenverschulden des Klägers vor, da sich dieser sehenden Auges bewusst einer großen ihm bewussten Gefahr ausgesetzt habe, obwohl es sowohl dem Kläger als auch dem Kollegen W3 ein leichtes gewesen wäre, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen oder die Tätigkeiten ohne Sicherungsmaßnahmen zu unterlassen, was ihnen niemand hätte vorwerfen können. Das konkrete Eigenverschulden wiege so schwer, dass dahinter jeglicher Verursachungsbeitrag der Beklagten zurückstehen müsse.
55Auch sei die Forderung angesichts einer Zustellung der Klage am 12.12. und 13.12.2005 verjährt.
56Die Beklagten beantragen,
57das Urteil des Arbeitsgerichtes Paderborn vom 26.10.2006 - 1 Ca 555/06 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
58Der Kläger beantragt,
59die Berufung zurückzuweisen.
60Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Er verweist darauf, dass der Beklagte zu 1) die Abstellung der Mängel zugesagt und diese nicht beseitigt habe, weshalb er hafte, wenn dies zu dem Unfall geführt habe. Auch habe er von dem Kläger und Herrn W5 die Fortsetzung der Arbeiten verlangt, ohne etwas bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen zu veranlassen.
61Eine gemeinsame Betriebsstätte liege nicht vor; der Mitarbeiter M8 der Beklagten zu 2) sei auch nicht an den Verlegearbeiten beteiligt gewesen.
62Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
63Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E1, M8 und W3. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2007 (Bl. 376 - 380 d. A.) Bezug genommen.
64ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
I.
66Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und nach Verlängerung durch das Gericht innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1, 66 Abs. 1 S. 5 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.
67II.
68Die Berufung ist auch begründet.
69Der Beklagte zu 1) haftet dem Kläger für den ihm entstandenen Personenschaden nicht, da der Kläger und der Beklagte zu 1) zum Schadenszeitpunkt auf einer gemeinsamen Betriebsstätte als Arbeitnehmer tätig waren und damit für den Beklagten zu 1) der Haftungsausschluss gem. §§ 106 Abs. 3, 3. Alt., 104, 105 SGB VII streitet. Danach wäre eine Haftung nur bei vorsätzlichem Handeln gegeben. Dieses liegt nicht vor.
70II.1.
71Der Kläger und der Beklagte zu 1) waren zum Unfallzeitpunkt auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII tätig, dieses hat jedenfalls die Beweisaufnahme in zweiter Instanz ergeben.
72Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte umfasst über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen sein. Ein lediglich einseitiger Bezug reicht nicht aus. (BGH, Urt. V. 17.10.2000 - VI ZR 67/00, NZA 2001, 103 f; BAG Urt. v. 12.12.2002, 8 AZR 94/02, NZA 2003, 968 f; nochmals bestätigend unter Berufung auf diese Rechtsprechung BGH Urt. v. 16.12.2003, NZA 2004, 983 f; BGH Urt. v. 14.09.2004, VI ZR 32/04, NZA 2005, 643 f; BGH Urt. v. 14.06.2005, VI ZR 25/04, MDR 2006, 26 f)
73Bei der Auslegung gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt SGB VII ist dabei dem Grund für den Haftungsausschluss Rechnung zu tragen, welcher auf dem Gedanken der sogenannten Gefährdungsgemeinschaft beruht. Andere Gesichtspunkte, die in den Fällen der §§ 104, 105 SGB VII eine Rolle spielen, wie etwa die Wahrung des Betriebsfriedens, Haftungsersetzung durch die an Stelle des Schadensersatzes tretenden Leistungen der Unfallversicherung, die vom Unternehmer finanziert wird, kommen nicht zum Tragen. Eine Gefahrengemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der in enger Berührung miteinander Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden kann. Nur demjenigen, der als Schädiger von der Haftungsbeschränkung profitiert, kann es als Geschädigtem zugemutet werden, dass er selbst bei einer Verletzung keine Schadensersatzansprüche wegen seiner Personenschäden geltend machen kann. (so die Rechtsprechung nochmals zusammenfassend BGH Urt. v. 16.12.2003, a. a. O.)
74Danach bestand zwischen den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) und den Mitarbeitern der Firma D4, also dem Kläger und seinem Kollegen W3, zum Zeitpunkt des Unfalles eine entsprechende Gefahrengemeinschaft.
75Der Zeuge E1, bei dem es sich um den Geschäftsführer der Firma D4 und damit den direkten Arbeitgeber des Klägers handelt, hat bekundet, dass entgegen der im Verfahren immer wieder missverständlich verwendeten Bezeichnung der Firma D4 als „Subunternehmer", diese eben keinen eigenen Auftrag für die Erstellung eines bestimmten Gewerkes hatte, sondern ursprünglich nur Material an die Beklagte zu 2) liefern sollte und sodann, aufgrund von Personalengpässen der Beklagte zu 2), zwei ihrer Arbeitnehmer, den Kläger und
76Herrn W3, an die Beklagte zu 2) überlassen hat. Der Zeuge hat insofern ausgeführt, dass der Auftrag darin bestanden hat, der Firma K2 bei der Montage zu helfen. Dies korrespondiert auch mit den Erklärungen des Beklagten zu 1) im Termin, wonach die Erstellung der Dachkonstruktion, die Verlegung der Binder und der Dachplatten, zum Gewerk der Beklagten zu 2) gehörten. Auch die Bekundungen des Zeugen, wonach den Mitarbeitern gesagt worden sei, dass Herr M2 auf der Baustelle sozusagen ihr Polier sei, der die Arbeitsvorgaben erteilt, spricht für eine jedenfalls vorübergehende Eingliederung in den Arbeitsablauf und den Arbeitszweck der Beklagten zu 2). Weiterhin steht dies im Einklang mit den Bekundungen des Zeugen W3, wonach ihm und dem Kläger vom Zeugen E1 als Auftrag für die Baustelle mitgegeben worden sei, sich nach dem Vorarbeiter der Firma K2 zu richten. Auch aus der Bekundung des Zeugen W3, wonach dann, wenn sie für die Firma D4 auf Montage waren, jeweils ein Vorarbeiter der Firma D4 mit dabei gewesen sei, ergibt sich, dass der Beklagte zu 1) im übereinstimmenden Verständnis aller Beteiligter den Arbeitseinsatz des Klägers und des Zeugen W3 leiten sollte, wobei ein abgrenzbarer Auftrag, der gerade von der Firma D4 zu erbringen war, nicht bestand, sondern der Einsatz zur Erfüllung des Auftrages/Gewerkes der Beklagte zu 2) erfolgen sollte.
77Daraus ergibt sich, dass die Mitarbeiter der beiden Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung gemeinsam ein Gewerk erbringen sollten. Bei einem Miteinander der Arbeit zur Erbringung einer einheitlichen Leistung ergibt sich die typische Gefahrenlage aller Mitarbeiter eines Betriebes, bei der die betriebliche Tätigkeit des Einen Gefährdungen und Verletzungen des Anderen ergeben können, da die Tätigkeiten ineinandergreifen, sich gegenseitig bedingen und somit Fehler bei der Ausübung Verletzungen von Kollegen hervorrufen können.
78Dass diese aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit auch tatsächlich durchgeführt wurde, ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen der Zeugen W3 und M8. Der Zeuge W3 hat bekundet, dass vor dem Verlegen der Dachplatten die Binder gemeinsam durch den Beklagten zu 1), den Zeugen M8, den Kläger und ihn selbst gestellt worden sind. Auch hinsichtlich des Verlegens der Dachplatten hat der Zeuge W3 bestätigt, dass dieses vor dem Unfall gemeinsam mit dem Zeugen M8 erfolgt ist, indem zwei Mitarbeiter gelegt haben und einer die Platten befestigt hat. Dieses hat der Zeuge auch ausdrücklich für den Arbeitsbereich „Plattenverlegen über dem Toilettenbereich" bestätigt. Diese Bekundungen decken sich mit denen des Zeugen M8.
79Das Gericht hatte keine Veranlassung, an den Bekundungen der Zeugen zu zweifeln. Zum einen stimmen diese in den wesentlichen Punkten - der Entsendung der Mitarbeiter der Firma D4 zur Mithilfe, der Art der Einbindung in die Tätigkeit der Beklagten zu 2) und der Art der Durchführung der Arbeiten - überein, ohne dass hier ein Wille zu einer Absprache erkennbar wäre. Zum anderen ist zu beachten, dass gerade der Zeuge W3 als direkter Kollege des Klägers keinerlei Veranlassung hat, eine für den Kläger nachteilige Aussage zu machen und er insbesondere auch in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu einem der beiden Beklagten steht. Der Zeuge E1 mag zwar ein Interesse an einer weiteren geschäftlichen Zusammenarbeit mit der Beklagten 2) haben, er hat seine Bekundungen allerdings in sich widerspruchsfrei gemacht und auch im übrigen nicht den Eindruck erweckt, eine nicht der Wahrheit entsprechende Aussage machen zu wollen.
80Damit ergibt sich für die Kammer, dass die Mitarbeiter der Firma D4 und der Beklagten zu 2) auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig waren, indem sie eine allein der Erfüllung der werkvertragliche Pflichten der Beklagten zu 2) dienende aufeinander abgestimmte Arbeitsleistung miteinander zur Erstellung eines einheitlichen Gewerkes erbracht haben.
81II.1.a
82Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger und der Zeuge W3 jedenfalls zum konkreten Unfallzeitpunkt allein mit dem Verlegen von Dachplatten über dem Toilettentrakt beschäftigt waren. Eine solche Abgrenzung würde angesichts der Gestaltung der Arbeitsabläufe im Übrigen dem Sachverhalt nicht gerecht.
83Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist zwar erforderlich, dass das bewusste Miteinander der Mitarbeiter verschiedener Firmen bei dem konkreten Unfallvorgang bestehen muss, dies bedeutet nach Auffassung der Kammer aber im Umkehrschluss nicht, dass sie im Unfallzeitpunkt konkret miteinander arbeiten müssen. Soweit das BAG (Urt. v. 12.12.2002, a. a. O.) in einer grundsätzlichen Entscheidung das Eingreifen eines Haftungsausschlusses verneint hatte, beruhte dies auf anderen Gründen. So hatte es in Frage gestellt, ob aufeinanderfolgen Tätigkeiten überhaupt das bewusste Miteinander bilden könnten und dies jedenfalls bezogen auf den konkreten Fall verneint, in dem der Mitarbeiter einer Firma, die eine Maschinenanlieferung auf einem einer anderen Firma gehörenden Grundstück erwartete, dort die Anlieferung überwachen sollte, auf dem Betriebsgelände der anderen Firma von einem Mitarbeiter dieser Firma mit einem Gabelstapler angefahren wurde, ehe es zu dem Überwachungsvorgang kam. Begründet wurde dies damit, dass der
84Haftungsausschluss an sich aufgrund der Gefahrengemeinschaft besteht und nur auf die miteinander verknüpften bzw. zusammenarbeitenden Unternehmen erweitert werden solle, da hier typischerweise jeder zum Schädiger und Geschädigten werden könne. Dies sei im zu entscheidenden Fall nicht gegeben, da sich Gefahrenquellen nur zufällig berührten und es an einer Verknüpfung fehlte. Zu berücksichtigten war in diesem entschiedenen Fall, dass der Kläger seine eigentliche Arbeit zum Zeitpunkt des Schadensereignisses noch gar nicht begonnen hatte und diese auch nur kurzfristig aufgenommen hätte, um dann das Betriebsgelände des fremden Arbeitgebers wieder zu verlassen. Eine aufeinander abgestimmte Tätigkeit wäre somit von vornherein nur für einen kurzen Zeitraum und erst nach der Verletzungshandlung entstanden.
85Ähnlich verhielt es sich bei dem Sachverhalt, der Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.09.2004 war (VI ZR 32/04, a. a. O.). Die Klägerin war mit einem Pferd im Auftrag ihres Arbeitgebers bei einer Hengstkörung auf dem Gelände eines Reitvereins und wurde dort von dem vorbeigehenden Pferd eines anderen Teilnehmers am Kopf verletzt. Hier hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass wechselseitig aufeinander bezogene Tätigkeiten nicht erkennbar seien, da eine Einbindung in den Arbeitsablauf des jeweils anderen nicht ersichtlich sei und die Körveranstaltung lediglich den Rahmen bildete, in dem alle Teilnehmer und deren Personal aufeinander trafen, weshalb nur „dieselbe" und nicht eine „gemeinsame" Betriebsstätte gegeben sei.
86Dagegen wurde das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte zum Zeitpunkt des Unfalles in einem anderen Fall bejaht, obwohl nur der Geschädigte am Unfallort war. Der dortige Kläger sollte für seine als Subunternehmer tätige Dachdeckerfirma auf der geschalten Dachfläche Aufmaß nehmen und stürzte durch eine mit Dachpappe überdeckte Öffnung für ein Dachfenster, wobei die Abdeckung mit Dachpappe durch die als Generalunternehmerin tätige Zimmermannsfirma erfolgt ist. Hier hat der BGH darauf verwiesen, dass die Tätigkeiten der Zimmerleute und der Dachdecker bei der Errichtung des Daches aufeinander bezogen und dergestalt verknüpft waren, dass sie sich „ablaufbedingt in die Quere kommen" konnten und hat das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte zum Unfallzeitpunkt bejaht. (BGH, Urt. v. 14.06.2005, VI ZR 25/04, a.a.O.)
87Ähnlich verhält es sich im zu entscheidenden Fall. Hier waren die Beschäftigten der Beklagten zu 2) und der Firma D4 nicht zufällig auf derselben Baustelle anwesend mit lediglich dem gemeinsamen Endziel der Ausführung des Bauvorhabens (so der Fall BGH Urt v. 03.07.2001 - VI ZR 284/00, NZA 2001, 1143 f wobei der Kläger Arbeitnehmer eines
88Nachunternehmers des Arbeitgebers des schädigenden Arbeitnehmers war und verletzt wurde, als er den von dem schädigenden Arbeitnehmer geführten Kran zum Materialtransport nutzen wollte). Vielmehr sind die Arbeitnehmer der beiden Unternehmen wie eine Kolonne unter einheitlicher Leitung des Beklagten zu 1) eingesetzt worden, haben gemeinsam u. a. Binder aufgestellt und Platten verlegt, wobei jederzeit die Gefahr bestand, dass aufgrund eines Fehlers eines Arbeitnehmers ein Schaden bei einem anderen Arbeitnehmer entstehen konnte. Eben hieraus ergibt sich die für eine gemeinsame Betriebsstätte zu fordernde Gefahrengemeinschaft. Dies zeigt sich vorliegend ganz deutlich eben aus der Tatsache, dass der Beklagte zu 1) verbindlich in der Lage war, die Arbeitseinsätze, die Arbeitszeiten und damit die konkreten Arbeitsorte zu bestimmen. Daraus resultiert auch, dass die Sicherung der Arbeitsstelle nur einheitlich für alle Arbeitnehmer erfolgen konnte, da diese nicht aufeinanderfolgend arbeiteten, etwa weil die eine Gruppe erst weiterarbeiten konnte, wenn die andere mit ihrem Teilwerk fertig war, sondern „Hand in Hand", etwa bei dem gemeinsamen Richten der Binder oder der Verlegung der Platten, bei denen jeweils zwei Arbeitnehmer verlegt haben und ein Dritter die Platten befestigt hat, laut der Bekundung des Zeugen W3.
89In diesem Fall kann es letztlich für die Entscheidung dahinstehen, dass gerade zum Unfallzeitpunkt selbst der Zeuge M8 nicht konkret über dem Toilettentrakt mit Platten verlegt hat, da auch bei Arbeitnehmern eines Betriebes nicht alle Arbeitnehmer jederzeit eine Gefahrengemeinschaft derart bilden, dass jeder potentieller Schädiger und Geschädigter sein könnte. Entscheidend ist, dass sich aufgrund des aufeinander bezogenen betrieblichen Zusammenwirkens jederzeit diese Gefahrengemeinschaft ergeben kann, wie dies vorliegend etwa aufgrund der Entscheidung des Beklagten zu 1) der Fall war, zunächst weiter arbeiten zu lassen, obwohl er selbst keine konkreten Sicherungsmaßnahmen entsprechend der gemachten Auflagen veranlasst hatte.
90I.2
91Ein Haftungsausschluss gem. §§ 106 Abs. 3, 3. Alt i. V. m. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII scheitert auch nicht aufgrund vorsätzlichen Verhaltens des Beklagten zu 1). Vorsätzliches Verhalten liegt nicht vor.
92Zwar hat der Beklagte zu 1) fraglos schuldhaft gehandelt, indem er die Auflagen der für die Bausicherheit zuständigen Herren V3 und C1 zwar - wahrscheinlich - an die Arbeitnehmer weitergegeben, für die tatsächliche Durchführung aber keine Vorkehrungen und Veranlassungen getroffen und auch keine dahingehenden Anweisungen erteilt hat.
93Die Verantwortung hierfür trägt auch der Beklagte zu 1).
94Grundsätzlich trägt die Verkehrssicherungspflicht der Bauherr als Veranlasser für Baumaßnahmen. Diese verkürzt sich, soweit er die Planung und Durchführung des Bauvorhabens zuverlässigen Fachleuten übertragen hat. Gegenüber seinen Mitarbeitern ist der Unternehmer selbst für die Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften als Ausdruck der Verkehrssicherungspflicht verantwortlich und hat primär für die Sicherheit auf der Baustelle zu sorgen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 13.04.2000, 11 U 129/98, BauR 2001, 974 f). Zwar kann die Sicherung von Bauarbeiten eine Aufgabe des Generalunternehmers sein, wenn und soweit sie zum Schutz einer Vielzahl von Beschäftigten unterschiedlicher Firmen erforderlich oder zweckmäßig ist. Je mehr Beschäftigte firmenübergreifend von einer kollektiven Schutzmaßnahme profitieren, desto mehr ist es Aufgabe einer bauleitenden Stelle, diese Schutzmaßnahmen von vornherein vorzusehen, zu ergreifen oder zu koordinieren. Je weniger Beschäftigte mit der kollektiven Schutzmaßnahme abgesichert werden können, desto stärker rückt der individuelle Schutz in den Vordergrund. Je weniger Arbeiter von unterschiedlichen Firmen beteiligt sind, desto mehr ist es Aufgabe des mit dem Gewerk beauftragten Fachunternehmens, die jeweils notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. (OLG Köln, 17.02.2004, 22 U 145/03, BauR 2004, 1321 f. )
95Danach lag vorliegend die Verantwortung für die Sicherung des Bereiches über dem Toilettentrakt, wo die Platten verlegt werden sollten und der Unfall sich ereignete, bei der Beklagten zu 2), da nur die von ihr dort eingesetzten eigenen und Fremdmitarbeiter von dieser Sicherungsmaßnahme profitieren konnten, da Mitarbeiter weiterer Firmen in diesem Bereich zu diesem Zeitpunkt nicht eingesetzt waren.
96Dass diese Sicherungsmaßnahmen, wie sie im Bautagebuch eingetragen waren, nicht ergriffen worden sind, liegt in der Verantwortung des Beklagten zu 1). Er war unbestritten der Vorarbeiter vor Ort für alle von der Beklagten zu 2) dort eingesetzten Arbeitnehmer und damit der höchstrangige Vertreter der Beklagten zu 2) vor Ort. Dass sich aus dem Sachverhalt nicht ergibt, dass er selbst von der Beklagten zu 2) mit den entsprechenden Sicherungsmaßnahmen beauftragt worden ist, steht dem nicht entgegen, da er als Vorarbeiter jedenfalls
97für die Entscheidung, ob und wie die Arbeiten weiter fortgesetzt werden, zuständig war. Die Fortsetzung der Tätigkeiten hat der Beklagte zu 1) dabei veranlasst. Dies ergibt sich bereits aus der Bekundung des Zeugen W3 im Kammertermin am 16.10.2007, nach der der Beklagte zu 1) zwar entgegen der Behauptung des Klägers keinen Druck auf den Kläger und den Zeugen ausgeübt hat, damit diese weiter arbeiten, nachdem sie die Arbeit bereits eingestellt hatten, sie aber zur Weiterarbeit aufgefordert hatte. Diese Bekundung steht im Einklang mit der Aussage des Zeugen M8 in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht (Bl. 150 d. A.) dass „der Herr M7 uns erklärt (hat), man arbeite auf dem Toilettentrakt, nachdem die Herren (gemeint waren die Herren V2 und C1) die Baustelle verlassen hatten. Es sollten die Elemente verteilt werden, es wäre am ungefährlichsten, wenn man das im Sitzen mache". Selbst wenn der Beklagte zu 1) nach eigener Einlassung davon ausgegangen ist, dass die Arbeiten nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt am Tag durchgeführt würden, da die Mitarbeiter zunächst noch Folie verschweißt hatten, wäre es jedenfalls an ihm als verantwortlichem Vorarbeiter gewesen, die Anbringung der Sicherungsmittel zu koordinieren. Der bloße Hinweis an den Kläger und den Zeugen W3, dass ein Rollgerüst zur Absicherung eingesetzt werden sollte, reicht hierfür nicht aus, wenn nicht gleichzeitig eine Anweisung zur Errichtung eines solchen Rollgerüstes, welches ja zunächst hätte erhöht und mit einem Schutzgitter versehen werden müssen (Einlassung des Beklagten zu 1) im Ermittlungsverfahren Bl. 51 der Ermittlungsakte, der diese Vorgehensweise als eigenen Vorschlag darstellt), erteilt worden ist oder aber eine klare Anweisung, dass vor dem Erstellen eines so hergerichteten Rollgerüstes im Bereich des Toilettentraktes nicht weiter gearbeitet werden durfte. All dies hat der Beklagte zu 1) nicht veranlasst. Eindeutige, in diese Richtung gehende Anweisungen ergeben sich aus keiner der Bekundungen der Zeugen. Vielmehr hat der Beklagte zu 1) die Fortsetzung der Arbeiten, ob nach seiner Vorstellung zunächst noch an anderer Stelle oder nicht, veranlasst, ohne irgendeine zusätzliche Sicherung zu veranlassen. Für die Durchführung einer solchen war der Beklagte zu 1) bereits ohne ausdrückliche Delegation durch die Beklagte zu 2) verantwortlich nach § 4 Abs. 2 BGV C 22: Bauarbeiten. Danach müssen Bauarbeiten von weisungsbefugten Personen beaufsichtigt werden, diese müssen die arbeitssichere Durchführung der Bauarbeiten überwachen. Um eine solche weisungsbefugte Person handelt es sich bei dem Beklagten zu 1).
98Eine solche zusätzliche Sicherung wäre jedenfalls im Bereich der späteren Absturzstelle erforderlich gewesen. Gem. § 12 Abs. 1 Ziff. 8 der BGV C 22: Bauarbeiten müssen bei Arbeitsplätzen auf Dächern ab einer Absturzhöhe von 3,00 m Absturzsicherungen vorhanden sein. Die Absturzhöhe an der Unfallstelle betrug 5,50 m (Bl. 277 d. A., Anlage B 1) Selbst wenn für den Beklagten zu 1) nicht vorhersehbar war, dass sich der Kläger für das
99Heranziehen der Platten auf die nur 36 cm breite Mauer stellen würde, so war die Anweisung, auf den Bindern sitzend zu arbeiten nicht ausreichend, zumal sich der äußerste Binder, auf den die Platten aufzulegen waren, ebenfalls in einer Höhe von 5,50 m befand, so dass eben nicht gewährleistet war, dass ein Arbeiten ausschließlich auf den Bindern oberhalb des Toilettentraktes selbst möglich war, wo die Absturzhöhe aufgrund der eingezogenen Zwischendecke nur 2,00 m betrug. Nicht ohne Grund sollte ja das nicht gefertigte Rollgerüst links neben dem äußeren Binder aufgestellt werden nach Einlassung des Beklagten zu 1) (Bl. 51 der Ermittlungsakte, Anlage Planzeichnung zur Einlassung Bl. 55 der Ermittlungsakte). Ein Herabstürzen von dem Binder, auch im Sitzen, wäre genauso wenig auszuschließen gewesen, wie von der Mauer. Wenn der Beklagte zu 1) selbst der Auffassung war, dass dieses den Unfall nicht verhindert hätte, da dann immer noch ein Zwischenraum zwischen Rollgerüst und Toilettentrakt bestanden hätte, (Bl. 51 der Ermittlungsakte) so wäre die Anbringung eines Fangnetzes sowohl erforderlich als auch zweckmäßig gewesen.
100Da keine der Sicherungsmaßnahmen veranlasst, die Arbeiten aber fortgesetzt wurden, handelte der Beklagte zu 1) schuldhaft. Grundsätzlich indiziert der Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten das Verschulden der hierfür verantwortlichen Mitarbeiter (BGH, Urt. v. 14.06.2005, VI ZR 25/04, MDR 2006, S. 26 m. w. N.).
101Er handelte aber nicht vorsätzlich.
102Vorsatz bedeutet wissen und wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale. Insbesondere bei Schmerzensgeldansprüchen muss sich der Vorsatz auch auf die Verletzung der gem. § 253 Abs. 2 BGB angesprochenen Lebensgüter, vorliegend somit der Verletzung des Körpers, beziehen (Palandt - Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 276 Rz. 10). Wollen bedeutet, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung nicht unbedingt erstreben oder als sicher ansehen, sondern für den Fall ihres Eintritts in Kauf nehmen muss. Der Täter muss mit dem von ihm für möglich gehaltenen Erfolg einverstanden sein oder ihn wenigstens billigend in Kauf nehmen. Gleichgültigkeit gegenüber dem für nicht unwahrscheinlich gehaltenen Erfolg genügt. Vorsatz ist zu verneinen, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraute, der Erfolg werde nicht eintreten. (Münchener Kommentar - Grundmann, 5. Auflage, § 276, Rz. 161)
103Die Kammer hatte keine Veranlassung, vorsätzliches Verhalten anzunehmen. Zwar muss dem Beklagten zu 1) die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bereits aufgrund des Eintrages im Bautagebuch (Bl. 18 der Ermittlungsakte) und der dort aufgeführten Aufforderung zur sofortigen Umsetzung bewusst gewesen sein. Allein der Verstoß gegen
104Unfallverhütungsvorschriften indiziert aber kein vorsätzliches Verhalten. Vielmehr muss hierfür der Arbeitsunfall gewollt oder für den Fall des Eintritts gebilligt sein. (BAG, Urt. v. 27.06.1975, BB 1975, 1640) Entsprechend seiner im ganzen Verfahren verfolgten Einlassung, wonach der Kläger jedenfalls an der späteren Unfallstelle gar nicht hätte arbeiten, insbesondere aber nicht hätte stehen sollen und dem Vortrag, dass die Mitarbeiter auf den Bindern sitzend im inneren Bereich, also oberhalb der Zwischendecke mit einer maximalen Absturzhöhe von 2,00 m, für die die Errichtung von Auffangeinrichtungen auch entsprechend der BGV C 22 nicht erforderlich war, arbeiten sollten, ergibt sich, dass der Beklagte zu 1) darauf vertraut hat, dass bei vorsichtiger Weiterarbeit trotz der nicht durchgeführten Sicherungsmaßnahmen jedenfalls kein Absturz aus großer Höhe und damit eine Verletzung von Mitarbeitern, stattfinden würde. Für die Annahme, dass sich der Beklagte zu 1) bewusst gewesen wäre, dass die Mitarbeiter aufgrund der einzunehmenden Arbeitshaltung gezwungenermaßen in einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m arbeiten und dann bei einem Absturz zwangsläufig schwere Verletzungen erleiden würden, ist kein Raum.
105Haben aber der Kläger und der Beklagte zu 1) auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII gearbeitet und liegt vorsätzliches Verhalten des Beklagten zu 1) nicht vor, so scheidet eine Haftung des Beklagten zu 1) entsprechend § 105 Abs. 1 SGB VII aus.
106III.
107Eine Haftung der Beklagten zu 2) ist nicht gegeben, da vorliegend die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses anzuwenden sind und eigene, nicht delegierbare Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt, ein Organisationsverschulden nicht gegeben ist.
108Danach können in Fällen, in denn zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht darauf, dass die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber unter Berücksichtigung des Grundes derHaftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen. Der Zweitschädiger ist daher in Höhe des Verantwortungsteiles freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg denkt. (ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt Urt. v. 14.06. 2005, VI ZR 25/04, a. a. O.)
109Im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses bleibt die Haftung des nicht selbst auf der Betriebsstätte tätigen Unternehmers auf die Fälle beschränkt, in denen ihn nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- oder Überwachungsverschuldens trifft, sondern eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung, wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder Organisationsverschulden. (BGH, wie vor.)
110III.1
111Der Bekl.1) ist auch als Erstschädiger im Sinne der §§ 823, 840 II BGB anzusehen, da er gegen ihm obliegende Verkehrssicherungspflichten verstoßen hat.
112Grundsätzlich kann ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB auch dann gegeben sein, wenn nicht eine direkte Verletzungshandlung des Schädigers vorliegt, sondern ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten. Hier haftet der Schädiger aufgrund eines Unterlassens, da er eine Gefahrenlage schafft oder in seinem Bereich andauern lässt, ohne die nach den Umständen erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zum Schutz anderer Personen zu treffen.(Soergel-Spickhoff, BGB, 13. Auflage, Band 12, § 823 Rz. 11, 17) Dabei können insbesondere die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden, da sie den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrung darstellen und von dem Unternehmer zu beachten sind.(BGH, Urt. v. 15.07.03, VI ZR 155/07, VersR 2003, 1319 m.w.N.)
113Dass es sich bei der unterlassenen Anbringung eines Fangnetzes zumindest aber der unverzüglichen Aufstellung eines Rollgerüstes um einen Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften gehandelt hat, ist oben ausgeführt. Ebenso die Verantwortlichkeit des Bekl. 1) für die Wahrung der Verkehrssicherungspflichten im konkreten Zeitpunkt des Unfalles sowie dessen Verschulden.
114III.2
115Dass zugunsten des Beklagten zu 1) ein Haftungsprivileg im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII gegeben ist, ist ebenfalls oben ausgeführt.
116III.3
117Danach ist die Beklagte zu 2) grundsätzlich ebenfalls entsprechend den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses von der Haftung für Personenschäden freigestellt.
118Weitergehende, nicht delegierbare Verkehrssicherungspflichten, als die Anbringung der erforderlichen Fangnetze oder die Aufstellung eines Rollgerüstes, sind für das Gericht im Hinblick auf die Bekl. 2) nicht erkennbar.
119Ein Organisationsverschulden der Bekl. 2) ist nicht gegeben. Im Gegensatz zur Behauptung des Klägers trägt sie nicht die originäre Schuld für die unterbliebenen Sicherungsmaßnahmen wegen fehlender Ausstattung der Baustelle mit Sicherheitseinrichtungen.
120Wie sich aus dem Bericht der an die Unfallstelle gerufenen Polizeibeamten ergibt (Bl. 5 der Ermittlungsakte) befanden sich zwei fahrbare Arbeitsgerüste auf der Baustelle. Dieses wurde bei einem Telefonat des ermittelnden Beamten mit dem Sicherheitsbeauftragten V2 am 22.11.2002 bestätigt (Bl. 16 der Ermittlungsakte) Das Vorhandensein sowohl von Rollgerüsten als auch Fangnetzen, die allerdings nicht angebracht waren, ist auch in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht jedenfalls von den Zeugen M8, W3, U1 und V2 bestätigt worden.
121Damit waren auf der Baustelle alle für die Erfüllung der Auflagen laut Bautagebuch erforderlichen Gegenstände vorhanden, weshalb ein Organisationsverschulden der Bekl. 2) nicht in Betracht kommt.
122Kommt damit ein eigenes Verschulden der Bekl. 2) als Haftungsgrund neben der aus §§ 823 Abs. 1, 831, 840 Abs. 1 BGB resultierenden gesamtschuldnerischen Haftung nicht in Betracht, während der Bekl. 1) bei Wegfall des Haftungsprivilegs nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB
123VII aufgrund eigenen Verschuldens voll haften würde, entfällt in Anwendung des Grundsatzes des gestörten Gesamtschuldverhältnisses entsprechend § 840 Abs. 2 BGB auch die Haftung der Bekl. 2 ) im Außenverhältnis.
124Die Klage war insgesamt abzuweisen, das Urteil demgemäß auf die Berufung entsprechend abzuändern.
125IV.
126Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
127V.
128Die Revision wurde gem. § 72 ArbGG zugelassen.