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1. Eine Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG ist grundsätzlich als Bestandteil des nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO einzusetzenden Vermögens anzusehen (BAG, Beschluss vom 22.12.2003 – 2 AZB 23/03 -, RVG Report 2004, S. 196 unter II. 2. b).
2. Bei der Feststellung, ob ein die Schongrenze übersteigendes Vermögen des Prozesskostenhilfe-Antragstellers vorhanden ist, sind Schulden durch eine Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 22.12.2003 – 2 AZB 23/03 -, RVG Report 2004, S. 196 unter II. 2. e) cc) der Gründe).
Dies bezieht sich jedoch nur auf fällige Verbindlichkeiten. Wenn Schulden in langfristigen Raten zu tilgen sind, darf die arme Partei sie nicht vorzeitig tilgen, sondern muss mit dem vorhandenen Geld (Abfindung) die Prozesskosten bezahlen (BGH, Beschluss vom 25.11.1998 – XII ZB 117/98 -, VersR 1999, S. 1435; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 115 Rdnr. 47).
3. Stellt die Partei in Ansehung eines Kündigungsschutzprozesses und in Erwartung der Zahlung einer Abfindung nicht fällige Schulden durch Vereinbarung mit dem Gläubiger in Höhe der späteren Abfindung für den Zeitpunkt der Zahlung einer solchen vorzeitig fällig, muss sie sich so behandeln lassen, als handele es sich um eine bei Abfindungszahlung noch nicht fällige Verbindlichkeit. Der Prozesskostenhilfe-Antragsteller muss sich in seiner Lebensführung nämlich auf den laufenden Prozess einstellen.
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 14.03.2006 gegen den Prozesskostenhilfe-Abänderungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.03.2006 - 5 Ca 3480/05 - wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
2I.
3Zugleich mit der von ihm unter dem 08.11.2005 vor dem Arbeitsgericht Bielefeld erhobenen Klage hat der Kläger um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht.
4Das Arbeitsgericht hat ihm mit Beschluss vom 06.01.2006 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass er keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten braucht.
5Der Rechtsstreit ist im Gütetermin vom 06.01.2006 durch Vergleich erledigt worden. Gemäß Ziffer 2 dieses Vergleichs hat sich die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 5.000,00 € an den Kläger verpflichtet.
6Mit Beschluss vom 01.03.2006 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss vom 06.01.2006 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Kläger zu den Kosten der Prozessführung "aus seinem Einkommen" einen Teilbetrag von 500,00 € ab dem 15.04.2006 zu zahlen hat.
7Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 14.03.2006.
8II.
9a) Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Klägers ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig.
10Der Kläger hat die maßgebliche Notfrist von einem Monat (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gewahrt, da ihm der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 01.03.2006 am 06.03.2006 zugestellt worden ist und seine Beschwerde vom 14.03.2006 am 20.03.2006 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist.
11b) In der Sache ist die sofortige Beschwerde jedoch nicht begründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht den Kläger verpflichtet hat, zu den Kosten der Prozessführung einen Teilbetrag in Höhe von 500,00 € aufzubringen. Aus den Gründen des Beschlusses ergibt sich, dass dieser Betrag nicht "aus dem Einkommen" des Klägers geleistet werden soll, wie es das Arbeitsgericht im Beschluss festgesetzt hat, sondern aus seinem Vermögen. Die anderslautende Tenorierung ("aus seinem Einkommen") dürfte irrtümlich erfolgt sein.
12Grundsätzlich ist eine Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG als Bestandteil des Vermögens bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Da die Abfindung regelmäßig nicht der Erfüllung von geschuldetem Arbeitsentgelt, sondern der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes einerseits und zur Überbrückung für die Zeit, bis ein neuer Arbeitsplatz angetreten wird, andererseits dient, ist sie kein zeitraumbezogenes Einkommen, sondern Vermögensbestandteil (BAG, Beschluss vom 22.12.2003 – 2 AZB 23/03 -, RVG Report 2004, S. 196 unter II. 2. b) der Gründe mit weiteren Nachweisen). Da die Gewährung von Prozesskostenhilfe als Leistung staatlicher Daseinsfürsorge vor allem gewährleisten soll, der bedürftigen Partei in gleicher Weise wie einer vermögenden Partei die Führung eines Prozesses zu ermöglichen und ihr den gleichen Zugang zum Verfahren zu verschaffen, kann weder aus dem Charakter einer – vergleichsweise erzielten – Abfindung noch aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe erkannt werden, dass eine solchermaßen vereinbarte Abfindung als Bestandteil des Vermögens des Arbeitsnehmers bei der Betrachtung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu berücksichtigen ist (BAG, a.a.O., unter II. 2. c) der Gründe).
13Das Vermögen des Antragstellers ist aber nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur einzusetzen, soweit ihm dies zumutbar ist. § 88 BSHG und die dazu ergangene Durchführungsverordnung gilt entsprechend. Die sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmen typisierend, bis zu welcher Höhe das Vermögen des Antragstellers geschont werden soll. Der Abfindungsbetrag in Höhe von 5.000,00 € liegt über dem Schonvermögen des Klägers. Er muss den das Schonvermögen übersteigenden Teil der Abfindung grundsätzlich zur Deckung der Prozesskosten einsetzen (BAG, a.a.O. unter II. 2. e) der Gründe), wobei das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung die verbreitete Praxis, lediglich 10 % des Nennwertes einer Abfindung zu berücksichtigen, als nicht überzeugend nachvollziehbar angesehen hat. Vielmehr soll es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommen.
14Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er einen eventuell zu zahlenden Abfindungsbetrag bereits durch Vorausabtretung vom 03.12.2005 an einen Darlehnsgeber namens P2xxx S5xxxxx aus D3xxxxx abgetreten hat, führt dies nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in der genannten Entscheidung unter II. 2. e) cc) der Gründe unter anderem ausgeführt, ob ein einzusetzendes Vermögen vorhanden sei, müsse durch eine Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen errechnet werden. Wenn beispielsweise jemand 10.000,00 € Schulden habe und 5.000,00 € erhalte, so habe er nach wie vor 5.000,00 € Schulden und keinerlei nach § 120 Abs. 4 ZPO heranziehbare Vermögenswerte. Überstiegen die Schulden einer Partei ihre verwertbaren Vermögenswerte, so brauche diese ihr Geld grundsätzlich nicht zur Zahlung von Prozesskosten zu verwenden. Eine andere Betrachtung würde zur Annahme eines rein fiktiven, in Wahrheit nicht mehr vorhandenen Vermögens führen. Dabei kommt es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht darauf an, aus welchem Grund die Schulden entstanden sind. Wenn allerdings Schulden in langfristigen Raten zu tilgen sind, darf die arme Partei diese nicht vorzeitig tilgen, sondern muss mit dem vorhandenen Geld (Abfindung) die Prozesskosten bezahlen (BGH, Beschluss vom 25.11.1998 – XII ZB 117/98 -, VersR 1999, S. 1435; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 115 Rdnr. 47). Die Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen bezieht sich insoweit lediglich auf fällige Verbindlichkeiten. Werden fällige Schulden bezahlt, so braucht das Geld nicht zur Zahlung der Prozesskosten verwendet werden.
15Nach der vom Kläger vorgelegten Vereinbarung vom 03.12.2005 war das ihm im Jahre 2004 gewährte Darlehn über 7.000, 00 € ab 01.01.2006 mit monatlichen Raten á 100,00 € abzubezahlen, jedoch insoweit vorzeitig fällig gestellt, als eine eventuelle Abfindung bis zur Höhe von 7.000,00 € sofort an den Darlehnsgeber gezahlt werden sollte. Diese Zahlung hat der Darlehnsgeber mit Schreiben vom 15.03.2006, das der Kläger mit der Beschwerde vom 14.03.2006 vorgelegt hat, bestätigt. Der Kläger muss sich jedoch so behandeln lassen, als wäre das Darlehn nicht in Höhe eines Abfindungsbetrages bis zu 7.000,00 € sofort fällig gestellt worden. Zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen der Darlehnsgewährung aus dem Jahre 2004, insbesondere zu den Rückzahlungsmodalitäten, hat der Kläger nichts vorgetragen. Er hat nicht dargelegt, welche Gründe ihn dazu bewogen haben, die Vereinbarung vom 03.12.2005 über die vorzeitige Fälligstellung zu treffen. Diese Vereinbarung ist ersichtlich in Ansehung des bereits anhängigen Kündigungsschutzverfahrens und des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe getroffen worden, wobei die Zahlung einer Abfindung von Seiten des Klägers zumindest als möglich bzw. als wahrscheinlich angesehen worden ist. Damit ist die Situation vergleichbar mit der Berücksichtigung von Kreditverbindlichkeiten bei der Ermittlung der gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO vom monatlichen Einkommen abzusetzenden Beträge, die ohne Not während eines laufenden Prozesses eingegangen werden. Solche können grundsätzlich nicht zu Gunsten des Antragstellers einkommensmindernd berücksichtigt werden, da der Antragsteller seine Lebensführung auf den begonnenen oder bevorstehenden Prozess einstellen muss (Kalthöhner/Büttner/Wrober-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr. 294 m. w. Nw.).
16Reinhart
17/Go