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hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 14.05.2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schmidt
sowie die ehrenamtlichen Richter Seppelfricke und Wallkowski
f ü r Recht erkannt :
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 10.09.2002 - 2 Ca 1114/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungserfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.) Die Parteien streiten um eine Anspruch des Klägers auf Lohnzahlung für ausgefallene Arbeitszeit infolge eines Arbeitseinsatzes während einer Rufbereitschaft.
2Der am 14.01.15xx geborene Kläger ist seit dem Monat September 1987 als Kälteanlagenbauer/Elektroinstallateur bei der Beklagten beschäftigt.
3Er ist dem Montage- und Servicestützpunkt B1xxxxx zugeordnet und Mitglied des örtlichen Betriebsrates.
4Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, und Elektroindustrie NRW kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung.
5Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 35 Stunden in der Woche.
6Tatsächlich gearbeitet wird bei der Beklagten in der Zeit von montags - freitags 7,3 Stunden täglich in der Zeit von 8:00 Uhr - 15:48 Uhr. Über die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit existiert nach den unstreitigen Angaben der Parteien eine entsprechende Betriebsvereinbarung.
7Die Beklagte stellt Kühleinrichtungen und Gefriereinrichtungen her und vertreibt diese an große Supermarktketten. Diesen gegenüber hat sie sich zur Unterhaltung eines Bereitschaftsdienstes verpflichtet, der an 7 Tagen in der Woche rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss.
8Aus diesem Grunde existiert bei der Beklagten eine Rufbereitschaft, die ihre Grundlage in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.06.1987 hat, die im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens zu Stande gekommen ist.
9Ziffer 5.6 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung sieht unter der Überschrift "Vergütung" für die gesamte Ziffer 5 folgende Regelung vor:
10"Arbeitnehmern, die im Rahmen der Rufbereitschaft arbeiten wird die in der Rufbereitschaft nach 21:00 Uhr geleistete Einsatzzeit bei der drauffolgenden Tagesarbeitszeit durch bezahlte Freizeit ausgeglichen. Geht die Arbeit in der Rufbereitschaft ohne Unterbrechung in die Tagesarbeitszeit, so endet die Tagesarbeitszeit an diesem Tage um die Einsatzzeit verkürzt. Endet die Arbeit in der Rufbereitschaft vor Beginn der Tagesarbeit, so verschiebt sich der Beginn der Tagesarbeit um die Einsatzzeit in der Rufbereitschaft. Voraussetzung für diesen Anspruch des Arbeitnehmers ist, dass die Einsatzzeit in der Rufbereitschaft 1 1/4 Stunden übersteigt."
11Darüber hinaus existiert zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat der Beklagten, E2xxx, eine örtliche Betriebsvereinbarung vom 31.03.1988, die u. a. festlegt, dass "die Vergütung gemäß der Rahmenvereinbarung erfolgt".
12Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen stritten der Betriebsrat des Montage- und Servicestützpunktes B1xxxxx und die Beklagte über die Einhaltung von gesetzlichen Ruhezeiten nach Tätigkeit in einer Rufbereitschaft.
13Das Verfahren endete mit folgendem gerichtlichem Vergleich vom 23.05.2001:
14Unter dem 20.06.2001 erging daraufhin durch die Beklagte eine "Information an die Mitarbeiter des Servicestützpunktes B1xxxxx", worin diese informiert wurden, dass bei einem Einsatz während der Rufbereitschaft nach dem letzten Arbeitseinsatz eine Ruhezeit von 11 Stunden einzuhalten sei. Das Rundschreiben enthält des Weiteren folgende Anordnung:
16"Nach Beendigung der Arbeitszeit in der Rufbereitschaft informiert der Monteur außerdem die Einsatzleitung unverzüglich über Arbeitsende und Dauer der Arbeitszeit per Anrufbeantworter, Fax oder direktem Telfongespräch mit der Einsatzleitung.
17In dem oben beschriebenen Fall beginnt der Monteur die Arbeit 11 Stunden nach Arbeitseinsatz in der Rufbereitschaft. Der Monteur erhält innerhalb der Arbeitswoche Gelegenheit, die dadurch fehlende Arbeitszeit auszugleichen. Die Arbeitsstunden, die anstelle der ausgefallenen Arbeitszeit geleistet werden, werden wie regelmäßige Arbeitszeit vergütet."
18Mit Schreiben vom 12.07.2001 monierte daraufhin der B2xxxxxxx Betriebsrat gegenüber der Beklagten, mit dem Rundschreiben seien einseitig Anweisungen erlassen worden, die der Mitbestimmung des Betriebsrat unterlägen.
19Das Schreiben endet damit, der Betriebsrat erwarte von der Beklagten die sofortige Rücknahme der Anweisung und unverzüglich eine Verhandlung darüber, wie die Ausfallstunden zukünftig zu regeln und zu vergüten seien.
20In der Nach vom 30.09. auf de 01.10.2001 wurde der Kläger im Rahmen der Rufbereitschaft in der Zeit von 0:45 Uhr bis um 2:30 Uhr zu einem Einsatz bei einem Kunden gerufen.
21Am 01.10.2001 nahm der Kläger eine Tätigkeit nicht auf. Ob er sich insbesondere telefonisch bei dem für ihn zuständigen Obermonteur an diesem Tage gemeldet hat, ist unter den Parteien streitig.
22Die Bezahlung von 5 Arbeitsstunden am 01.10.2001 begehrte der Kläger u. a. unter der 13.12.2001 sowie schriftlich unter dem 15.02.2002.
23Mit Schreiben vom 20.11.2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Ruhezeit werde nicht bezahlt, die entsprechenden Zeiten müssten nachgearbeitet werden.
24Die Bezahlung von 5 Stunden in unstreitiger Höhe zu je 17,02 EUR Stundenlohn einschließlich 1,27 EUR Nahauslösung verfolgt der Kläger mit der unter dem 16.05.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.
25Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die ausgefallenen Arbeitsstunden zu vergüten, deren Ausfall auf der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit von 11 Stunden nach Beendigung seines Einsatzes in der Rufbereitschaft beruhe.
26Zwar sei der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.06.1987 gerade nicht zu entnehmen, wie die Zeit des Arbeitsausfalls durch Einhaltung der Ruhezeit zu vergüten sei; ein Anspruch ergebe sich jedoch aus § 10 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (künftig: MTV).
27§ 10 Ziffern 1 - 3 MTV lauten wie folgt:
28Ist eine Schicht oder sind mehrere Schichten durch einen Beauftragten des Arbeitgebers so rechtzeitig abgesagt, dass der/die Beschäftigten vor Antritt des Weges zur Arbeitsstelle weiß, dass die Schicht nicht verfahren wird, so besteht Anspruch auf Bezahlung, wenn nicht Gelegenheit gegeben wird, die Ausfallstunden nachzuarbeiten. Der Zeitpunkt für das Nachholen der Schicht ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Diese Nachholschichten gelten als Mehrarbeit.
30Seiner Meinung nach habe die Beklagte das Ruhen der Arbeit zu vertreten, da sie das Risiko für einen nächtlichen Einsatz als Betriebsrisiko zu tragen habe. Es könne daher auch nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber die Gelegenheit zur Nacharbeit geben müsse bzw. gegeben habe, was vorliegend aber auch nicht der Fall gewesen sei. Im Übrigen habe bei einer Veränderung der Arbeitszeit auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beachtet werden müssen.
33Schließlich seien über einen Zeitraum von rd. 13 Jahren hinweg die ausgefallenen Arbeitszeiten den Arbeitnehmern vergütet worden.
3435
Der Kläger hat beantragt,
36die Beklagte zu verurteilen, an ihn 91,45 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15.02.2002 zu zahlen.
37Die Beklagte hat beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch ergebe sich zum einen nicht aus dem gerichtlichen Vergleich im Verfahren zwischen dem örtlichen Betriebsrat und ihr; eine Vergütung sei nicht Gegenstand des Vergleichs.
40Ein Anspruch aus gesetzlichen Bestimmungen bestehe nicht, da im Arbeitszeitgesetz lediglich die Einhaltung einer elfstündigen Ruhezeit vorgeschrieben sei, nicht hingegen festgelegt sei, dass ausfallende Arbeitszeit infolge der Ruhezeit in jedem Fall zu bezahlen sei. Vielmehr handele es sich um eine von keiner Seite zu vertretende Unmöglichkeit. Aus ihrer Sicht stelle sich die Sachlage so dar, dass die ausgefallene Arbeitszeit nachzuarbeiten sei. Auf die Regelung nach Ziffer 5.6 der Gesamtbetriebsvereinbarung habe man sich seinerzeit entsprechend verständigt, um zu verhindern, dass die Mitarbeiter ihren Vergütungsanspruch verlieren oder aber die Zeit nacharbeiten müssten.
41Der Kläger habe aber die Gelegenheit gehabt, ausgefallene Arbeitszeit nachzuarbeiten.
42Entsprechend habe sie mit ihrem Rundschreiben vom 20.06.2001 alle Monteure u. a. am Standort B1xxxxx informiert, wie sie sich im Falle eines Nachteinsatzes zu verhalten hätten. Der Kläger habe sich jedoch nicht bei seiner Einsatzleitung gemeldet. Hätte er dieses getan, wäre der Zeitraum, in dem er die wöchentliche Anzahl der Arbeitsstunden habe ableisten können, festgelegt worden. In dieser Woche habe er Bezahlung für 28,25 geleistete Stunden erhalten, nach seiner täglichen Sollarbeitszeit von 7,3 Stunden habe er insgesamt 29,75 Stunden zu leisten gehabt. Diese Anzahl von Stunden habe er nur deshalb nichterreicht, weil er am 01.10.2001 nach Ende der Ruhezeit die Arbeit um 13:30 Uhr nicht wieder aufgenommen habe.
43Auch die tarifvertragliche Regelung in § 10 Abs. 1 MTV begründe keinen Vergütungsanspruch; die dortige Regelung entspreche der von der Rechtsprechung entwickelten Betriebsrisikolehre. Die Ruhezeit gemäß § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz rühre nicht aus ihrer Sphäre her, sondern sei auf die genannte gesetzliche Regelung zurückzuführen.
44Mit Urteil vom 10.09.2002 hat das Arbeitsgericht dem Begehren des Klägers entsprochen.
45Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus § 10 Abs. 1 MTV. Für den Kläger seien Arbeitsstunden ausgefallen, welche in die Risikosphäre der Beklagten fielen. Die gesetzlich einzuhaltende Ruhezeit könne nicht zu einer Benachteiligung des Klägers führen, das Risiko des Arbeitsausfalles liege allein bei der Beklagten, es sei deren freie unternehmerische Entscheidung, einen nächtlichen Reparaturservice für ihre Kunden anzubieten, die anfallenden nächtlichen Einsatzzeiten seien daher kalkulierbar.
46Gegen das unter dem 28.01.2003 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 18.02.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese unter dem 26.03.2003 begründet.
47Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Zahlung verpflichtet zu sein.
48Sie hält es bereits für fraglich, ob sie, selbst wenn die Ansicht des Klägers zutreffend sei, in Verzug gesetzt worden sei. Das Informationsschreiben vom 20.06.2001 lege schon fest, wie ein Monteur sich nach dem Nachteinsatz zu melden habe. Dies sei jedoch nicht geschehen. Nach Kenntnis des zuständigen Kundendienstleiters, so behauptet die Beklagte hierzu, habe der Kläger sich nicht bei seinem zuständigen Vorgesetzten abgemeldet. Der zuständige Obermonteur habe sich nicht daran erinnern können, dass der Kläger sich bei ihm abgemeldet habe, ebenso habe er sich nicht daran erinnern können, dass mit dem Kläger irgendwelche Absprachen getroffen worden seien.
49Das Schreiben vom 20.06.2001 verletze auch keine Rechte des Betriebsrates, hiermit habe sie lediglich die Verpflichtung aus dem Vergleich mit dem Betriebsrat vom 23.05.2001 erfüllt.
50Sie sei auch nicht verpflichtet, Pausen zu bezahlen, auch wenn diese auf gesetzlicher Anordnung beruhten.
51Die Heranziehung des Klägers zur Arbeit während einer Rufbereitschaft habe lediglich die Konsequenz gehabt, dass die Arbeit für ihn verschoben werde, er erhalte innerhalb der Arbeitswoche Gelegenheit, die fehlende Arbeitszeit auszugleichen. Sie gehe auch davon aus, dass der Kläger hierzu aufgefordert worden sei, dies aber wegen der Streitigkeit tatsächlich nicht erfolgt sei.
52Von der Möglichkeit der Nacharbeit sei der Kläger selbst ursprünglich auch ausgegangen, wie sich daraus ergebe, dass er in der fraglichen Woche die Sollarbeitszeit um insgesamt 0,55 Stunden überschritten habe. Ein solcher Fall sei auch keineswegs untypisch für flexible Arbeitszeitsysteme.
53Auf Grund dieses Grundverständnisses gebe es ihrer Meinung nach auch keinen Anlass, Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Betriebsrisikolehre nach § 10 MTV zu diskutieren. In den dort gemeinten Fällen finde ein externer Eingriff in das betriebliche Arbeitszeitregime dergestalt statt, dass die betrieblich vorgegebene Arbeitszeit tatsächlich nicht stattfinden könne.
54Selbst bei Anwendung der manteltarifvertraglichen Vorschrift sei nach dem 2. Abs. zu verfahren; die Tagesschicht am 01.10.2001 sei auf Grund der gesetzlichen Ruhezeitregelungen so rechtzeitig abgesagt worden, dass der Kläger sich gar nicht erst auf den Weg zur Tagesarbeit gemacht habe. Auf Grund der betrieblichen Vereinbarungen werde mitbestimmt innerhalb eines bestimmten Rahmens Gelegenheit gegeben, die Ausfallstunden nachzuarbeiten.
55Die Entscheidung des BAG vom 05.07.1976 zeige jedoch, dass für Betriebsrisikoüberlegungen und damit § 10 MTV kein Platz sei.
56Der gerichtliche Vergleich vom 23.05.2001 sei schließlich für die Vergütungsfrage bedeutungslos.
57Die Beklagte beantragt,
58das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 19.09.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
59Der Kläger beantragt,
60die Berufung zurückzuweisen.
61Er vertritt zum einen die Auffassung, nach Ziffer 5.6 der Gesamtbetriebsvereinbarung habe für die Zeit von 8:00 Uhr - 9:45 Uhr jedenfalls bezahlte Freizeit bestanden. Zumindest für diese Zeit sei der ausgefallene Lohn zu zahlen.
62Ein Anspruch auf Bezahlung ergebe sich insgesamt seiner Meinung nach auch aus dem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten vom 23.05.2001.
63Wenn dort von "Weiterungen" die Rede sei, bedeute dies, dass die bezahlte Freistellung sich über die Dauer der geleisteten Einsatzzeit hinaus bis zum Ablauf des elfstündigen Ruhenszeitraums erstrecke.
64Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch aus § 10 MTV.
65Die Arbeit habe aus Gründen ruhen müssen, die die Beklagte zu vertreten habe, da sie die Rufbereitschaft angeordnet habe.
66Der Kläger bestreitet im Übrigen hierzu, dass ihm Gelegenheit zur Nacharbeit gegeben worden sei; der gegnerische Vortrag sei insoweit unsubstanziiert.
67Auch habe er sich, so behauptet er hierzu, pflichtgemäß und entsprechend der betrieblichen Übung für den Montag abgemeldet. Die telefonische Rückmeldung sei zum einen bei der Bereitschaftseinsatzleitung, der Fa. W2xxxxxx geschehen, darüber hinaus habe er eine telefonische Nachricht auf den Anrufbeantworter der Niederlassung B1xxxxx hinterlassen und sie zudem gegen 10:00 Uhr bei seinem Obermonteur zwecks Absprache einer Arbeitseinteilung nach Beendigung der Ruhezeit gemeldet.
68Das von der Beklagten zitierte Rundschreiben sei ohnehin eine einseitig herausgegebene Anweisung, der der Betriebsrat widersprochen habe; die Anweisung sei wegen Verletzung der Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG unwirksam.
69Zudem habe die Beklagte mit dem Betriebsrat ohnehin keine Regelung zur Nacharbeit getroffen; sie habe ihm rechtlich daher nicht wirksam Gelegenheit geben können, die Ausfallstunden nachzuarbeiten, unabhängig davon, dass sie dies auch tatsächlich nicht getan habe.
70Hinsichtlich des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
71Entscheidungsgründe :
72Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
73A.
74Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
75Die Berufung ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2a) ArbGG, da das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.
76Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
77B.
78Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
79Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zutreffend einen Vergütungsanspruch für 5 ausgefallene Arbeitsstunden am 01.10.2001 zugesprochen, die wegen des Einsatzes des Klägers in der Nach vom 30.09. auf den 01.10.2001 im Rahmen der Rufbereitschaft nicht abgeleistet werden konnten.
80I.
81In Übereinstimmung mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass sich ein Zahlungsanspruch des Klägers weder aus den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes selbst, noch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.06.1987 und der hiermit korrespondierenden örtlichen Betriebsvereinbarung, noch aus dem Vergleich zwischen den Betriebsparteien vom 23.05.2001 ergibt.
82Die Vergütungsregelungen in Ziffer 5 betreffen zum einen die Vergütungspflicht für die Durchführung der Rufbereitschaft, für tatsächliche Einsatzzeiten im Rahmen der Rufbereitschaftszeiten zum anderen. So legt Ziffer 5.6 fest, dass im Rahmen der Rufbereitschaft geleistete tatsächliche Arbeiten durch bezahlte Freizeit auszugleichen sind.
85Wenn des Weiteren ein früheres Ende der Tagesarbeitszeit bei Übergang der Arbeit in der Rufbereitschaft ohne Unterbrechung in die Tagesarbeitszeit und ein späterer Beginn der Arbeit bei Ende der Arbeit in der Rufbereitschaft vor Beginn der Tagesarbeit geregelt wird, ist hiermit jedoch nichts über eine entsprechende Vergütungspflicht des Arbeitgebers für die Zeiten gesagt, um die sich der Beginn der Tagesarbeit nach hinten verschiebt.
86Lediglich für die ausgefallenen Stunden, die sich aus der Verschiebung des Beginns der Tagesarbeitszeit um die Einsatzzeit in der Rufbereitschaft ergeben, könnte aus dem Zusammenhang der Sätze 1 und 3 des Ziffer 5.6 entnommen werden, dass eine Ausgleichspflicht der Beklagten durch Gewährung bezahlter Freizeit zu erfolgen hat.
87Die Entscheidung hierüber kann jedoch dahingestellt bleiben, da ein Zahlungsanspruch des Klägers sich schon aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten ergibt.
88Der gerichtliche Vergleich beinhaltet eine Informationspflicht der Beklagten gegenüber den von Rufbereitschaft betroffenen Arbeitnehmern, die im Wesentlichen darauf abzielen soll, klarzustellen, dass nach Beendigung einer tatsächlichen Einsatzzeit im Rahmen der Rufbereitschaft die gesetzliche Ruhezeit des Arbeitszeitgesetzes vor Beginn der nachfolgenden Tätigkeit einzuhalten ist.
91Demgegenüber bietet der Vergleich keinen Anhaltspunkt dafür, dass hiermit Entgeltansprüche für Arbeitnehmer geregelt werden sollen, die nicht ohnehin auf Grund gesetzlicher oder kollektiver Regelungen bereits gegeben sind.
92Auch soweit der Vergleich die Mitteilungspflicht der Beklagten auf "Weiterungen und Konsequenzen" im Hinblick auf Ziffer 5.6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.06.1987 vorsieht, beschränkt sich die Verpflichtung auf eine Mitteilung, regelt aber nicht selbst mögliche Vergütungsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer.
93II.
94Ein Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch nach Auffassung der Kammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht aus § 10 Ziff. 1 Satz 1 MTV, jedenfalls aber aus § 10 Ziff. 2 MTV oder aus § 324 BGB in der für den in Rede stehenden Zeitraum maßgeblichen Fassung.
95Hieraus lässt sich jedoch lediglich herleiten, dass die Beklagte es im Sinne der tarifvertraglichen Bestimmung nicht zu vertreten hat, dass die Arbeit am 01.10.2001 erst 11 Stunden nach Ende der tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers um 2:30 Uhr aufgenommen werden durfte.
100Mit dem Kläger war unstreitig eine regelmäßige Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche vereinbart.
103Diese war durch die maßgebliche örtliche Betriebsvereinbarung innerhalb der Kalendertage montags - freitags auf die Zeit von 8:00 Uhr - 15:48 Uhr unter Berücksichtigung einer über 35 Stunden in der Woche hinausgehenden tatsächlichen Arbeitszeit verteilt.
104Damit war allerdings die Lage der regelmäßigen Arbeitszeit nicht abschließend festgelegt.
105Denn die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.06.1987 legt eine Verpflichtung der betroffenen Arbeitnehmer fest, tatsächliche Arbeiten auch innerhalb einer Rufbereitschaftszeit ausüben zu müssen, die grundsätzlich auf die regelmäßige Arbeitszeit angerechnet wird, wie sich aus den Regelungen in Ziffer 5.6 ergibt, wonach entweder ein früheres Arbeitsende oder ein späterer Arbeitsbeginn an den Tagen erfolgen soll, in denen ein tatsächlicher Einsatz in der Rufbereitschaft erfolgt ist.
106Nun wird es regelmäßig bei den hier in Rede stehenden Einsätzen im Rahmen der Rufbereitschaftszeit so sein, und war jedenfalls im Fall des Klägers so, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten innerhalb der Rufbereitschaft sich nicht mit dem Umfang der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit decken.
107Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.06.1987 regelt insoweit lediglich die Verschiebung der regelmäßigen Arbeitszeit am Tag um die tatsächliche Arbeitsleistung in der Rufbereitschaft, nicht jedoch Verschiebungen, die sich aus der Notwendigkeit der Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit ergeben.
108Zwar regelt die Gesamtbetriebsvereinbarung in ihrer Ziffer 3.4, dass im Falle des Einsatzes Bestimmungen der Arbeitszeitordnung einzuhalten sind, Ziffer 5.6 schafft jedoch demgegenüber eine Regelung, die die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit nicht garantiert.
109In diesen Fällen ist es daher Sache des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer so Arbeit zur Verfügung zu stellen und so zu beschäftigen, dass er auf seine vertragliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kommt. Ist dies nicht der Fall, hat der Arbeitgeber den Ausfall der Arbeit zu vertreten.
110Insoweit besteht ein gravierender Unterschied zu er von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des BAG vom 05.07.1976, bei der der Arbeitnehmer bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, verteilt auf die Tage montags - freitags von 7:00 Uhr - 15:45 Uhr in einer Nacht von 22:47 Uhr - 8:00 Uhr des folgenden Tages zu Tätigkeiten im Rahmen der Rufbereitschaft herangezogen wurde, somit seine vertragliche regelmäßige Arbeitszeit abgeleistet war, lediglich "umverteilt" worden ist.
111So liegt der vorliegende Fall nicht, da der Kläger nicht auf seine vertragliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gekommen ist.
112Spätestens seit dem gerichtlichen Vergleich vom 23.05.2001 im Verfahren mit dem örtlichen Betriebsrat wusste die Beklagte um die Problematik und hat sich entsprechend zu einer Information der Arbeitnehmer verpflichtet, dass gesetzliche Ruhezeiten auch im Anschluss an die Heranziehung zur Arbeitsleistung während einer Rufbereitschaft einzuhalten sind.
113Entsprechend hat die Beklagte erkannt, dass dies zu Weiterungen und Konsequenzen im Rahmen der Ziffer 5.6 der Gesamtbetriebsvereinbarung führen kann.
114Der örtliche Betriebsrat hat mit Schreiben vom 12.07.2001 gegenüber der Beklagten reklamiert, einseitige Anordnungen aus dem Schreiben vom 20.06.2001 verletzten sein Mitbestimmungsrecht. Mit diesem Schreiben wird die Beklagte ausdrücklich aufgefordert, Verhandlungen aufzunehmen, wie die Ausfallstunden künftig zu regeln seien.
116Aus dem Vortrag der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass sie versucht hat, Regelungen mit dem Betriebsrat zu treffen, die der Notwendigkeit der Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit Rechnung tragen.
117Hat sie aber hiervon keinen Gebrauch gemacht, muss sie es vertreten, dass eine Umverteilung der regelmäßigen Arbeitszeit, die dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG unterliegt, nicht möglich war. Sie hat daher den Ausfall der Arbeit i. S. des § 10 Ziff. 1 Satz 1 MTV zu vertreten.
118Nach dieser Bestimmung steht dem Betriebsrat jedenfalls ein gleichberechtigtes Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit zur Seite, somit auch für die Frage, wie die regelmäßige Arbeitszeit zu verteilen ist, wenn die festgelegte tägliche regelmäßige Arbeitszeit infolge gesetzlicher Ruhezeit nicht wie üblich abgeleistet werde kann.
120Auf eine Kenntnis der Beklagten durch Mitteilung des Klägers vom Nachteinsatz am 01.10.2001 kam es daher nicht maßgeblich an, da die Beklagte ohnehin nicht in der Lage gewesen wäre, ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates die regelmäßige Arbeitszeit anders zu verteilen.
121Ungeachtet dessen bestand jedenfalls am Monatsende Kenntnis der Beklagten von dem Nachteinsatz des Klägers, da die in Rede stehenden Ausfallstunden nicht vergütet worden sind. Zumindest aber seit der Geltendmachung des Klägers wusste die Beklagte, dass die regelmäßige wöchentliche vertragliche Arbeitszeit mit dem Kläger nicht eingehalten war.
122Nach der eigenen Aufstellung der Beklagten sind dem Kläger für den 01.10.2001 1,75 Stunden bezahlt worden, an den anderen Tagen lediglich Arbeitszeiten, die sich unter Einschluss von Mehrarbeit bei Ableistung der regelmäßigen Arbeitszeit an diesen Tagen ergaben. Hinzugerechnet worden sind pauschale Fahrtzeiten.
124Hat die Beklagte nach ihrer eigenen Darlegung keine Kenntnis vom Nachteinsatz des Klägers gehabt, schließt dies denknotwendig bereits aus, dass es sich bei Arbeitszeiten an den Tagen 02.10 - 06.10.2001 um Arbeitszeiten handelte, die infolge Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit am 01.10.2001 "verlegt" oder "umverteilt" worden sind.
125Auch wenn unterstellt wird, dass der vorliegende Fall unter die Voraussetzung der rechtzeitigen Schichtabsage i. S. der tarifvertraglichen Bestimmung fällt, wäre es hiernach Sache der Beklagten gewesen, dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Ausfallstunden nachzuarbeiten, wobei der Zeitpunkt für das Nachholen der Schicht mit dem Betriebsrat zu vereinbaren war.
127Weder das eine, noch das andere ist vorliegend geschehen.
128Auch dann, wenn man die Auffassung vertritt, die Ausfallstunden seien von keiner Vertragspartei zu vertreten, ergäbe sich ein Anspruch aus § 10 Ziff. 2 MTV, wen man des Weiteren die Auffassung vertritt, diese tarifliche Bestimmung regele nicht nur den Ausfall von Arbeitszeiten nach Beginn einer Schicht.
129Auch diese Bestimmung setzt voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, innerhalb bestimmter Zeiten die ausgefallenen Stunden nachzuarbeiten.
130Auch dann, wenn man die Auffassung vertritt, die Bestimmungen in § 10 MTV beträfen nur Eingriffe in den betrieblichen Ablauf "von außen" ergäbe sich ein Vergütungsanspruch des Klägers aus § 324 BGB in der für den 01.10.2001 maßgebliche Fassung, da die Beklagte nach den obigen Darlegungen die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu vertreten hätte.
131III.
132Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob sich ein Anspruch des Klägers auf Bezahlung der Stunden ohnehin aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung ergibt, nachdem die Beklagte es unbestritten gelassen hat, dass über einen großen Zeitraum von Jahren hinweg die Ausfallzeiten jeweils bezahlt worden sind, obwohl die Beklagte selbst davon ausgeht, nach der Gesamtbetriebsvereinbarung hierzu nicht verpflichtet zu sein.
133IV.
134Über die Höhe des Anspruchs besteht unter den Parteien für die 5 ausgefallenen Arbeitsstunden kein Streit.
135C.
136Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
137Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht. Das Landesarbeitsgericht folgt insoweit den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 05.07.1976.
138gez. Schmidt | Seppelfricke | Wallkowski /Spo. |