Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Berufungen des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 25.03.2003 - 2 Ca 1320/02 - und gegen das Ergänzungsurteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 24.06.2003 werden kostenpflichtig zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter und Angestellter der K2x K1xxxxxxxx GmbH, über deren Vermögen am 01.03.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Das Amtsgericht Detmold hatte den Beklagten bereits zuvor durch Beschluss vom 04.01.2001 zum vorläufigen Insolvenzverwalter unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellt. In dem Beschluss heißt es:
3"Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).
4Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin. Er hat die Aufgabe, durch Überwachung der Schuldnerin deren Vermögen zu sichern und zu erhalten. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, ist jedoch, unbeschadet der Wirksamkeit der Handlung, verpflichtet, diese Befugnis nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. ...
5Dem vorläufigen Verwalter werden die Rechte zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnis übertragen (§ 22 Abs. 2 InsO)."
6Mit seiner am 27.05.2002 beim Arbeitsgericht Detmold eingegangenen Klage macht der Kläger für die Monate Januar und Februar 2001 Gehaltsansprüche und Fahrtkostenersatz geltend, weil er von dem Beklagten beauftragt worden sei, im Rahmen des Eröffnungsverfahrens weiterhin für die Insolvenzschuldnerin tätig zu sein.
7Der Beklagte vertritt den Standpunkt, es handele sich bei den Ansprüchen des Klägers aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht um Masseansprüche, sondern um Insolvenzforderungen.
8Der Beklagte hat mit Schreiben vom 14.03.2001 dem Amtsgericht Detmold als Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit angezeigt.
9Der Kläger meint, der Beklagte sei kein schwacher Insolvenzverwalter, sondern ermächtigt gewesen, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln. Er trägt vor, der Beklagte habe ihn am 12. Januar 2001 im Büro der Gemeinschuldnerin aufgefordert, die kaufmännischen und technischen Arbeiten weiter auszuführen, die er habe einstellen wollen, weil er bereits längere Zeit kein Gehalt mehr erhalten habe. Ohne die Beauftragung durch den Beklagten hätte er nicht weitergearbeitet. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm die Gehaltszahlung und die Zahlung des geltend gemachten Kilometergeldes zugesagt.
10Der Kläger hat auf seinen Antrag hin vom Arbeitsamt kein Insolvenzgeld erhalten. Das Sozialgericht hat seine Ansprüche auf Insolvenzgeld wegen seiner Gesellschafterstellung abgewiesen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25.03.2003 abgewiesen und durch Er-gänzungsurteil vom 24.06.2003 den Tatbestand des Urteils vom 25.03.2003 dahin ergänzt, dass der Kläger hilfsweise den Antrag gestellt hat, festzustellen, dass es sich bei dem ein-geklagten Betrag um eine Masseforderung handelt. Diesen Hilfsantrag hat es in seinem Ergänzungsurteil vom 24.06.2003 ebenfalls abgewiesen. Zur Begründung seiner Entschei-dungen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Zahlungsklage sei unzulässig, da der Beklag-te Masseunzulänglichkeit angezeigt habe. Im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverwalters sei der Beklagte nicht befugt gewesen, ihn als später eingesetzten Insolvenzverwalter ver-traglich zu binden. Auch der Hilfsantrag des Kläger sei unbegründet, weil es sich bei den Vergütungsforderungen des Klägers aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht um Masseansprüche handele. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der Urteile vom 25.03.2003 und 24.06.2003 Bezug genommen.
13Der Kläger wendet sich mit seinen Berufungen sowohl gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 25.03.2003 als auch gegen das Ergänzungsurteil des Arbeitsgerichts vom 24.06.2003. Er hält die Auffassung des Arbeitsgerichts bezüglich der Einordnung seiner Zahlungsansprüche als bloße Insolvenzforderung für fehlerhaft und macht seine Zahlungsansprüche als Masseforderungen geltend; hilfsweise verlangt er die Feststellung seiner Ansprüche als Masseforderungen. Zur Begründung seiner Rechtsmittel trägt er vor, der Beklagte habe sich bereits im Eröffnungsverfahren als sog. starker Insolvenzverwalter geriert. In dieser Zeit habe nicht die Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin, sondern der Beklagte das Unternehmen geleitet. Aufgrund seiner Verhaltensweise müsse sich der Beklagte als starker Insolvenzverwalter behandeln lassen. Bei dem Gespräch am 12.01.2001 habe der Beklagte auf seine Frage ausdrücklich erklärt, er werde in jedem Fall seinen Arbeitslohn und das Kilometergeld in bisheriger Höhe erhalten. Es sei dabei nicht darüber gesprochen worden, ob dies von der Masse bezahlt werde. Erst nach Insolvenzeröffnung habe ihn der Beklagte auf den Anspruch auf Insolvenzgeld hingewiesen.
14Der Kläger beantragt,
15das angefochtene Urteil einschließlich des Ergänzungsurteils vom 24.06.2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
161. an den Kläger für Januar 2001 3.834,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2001 von netto 3.193,06 EUR sowie weitere 713,64 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2001 zu zahlen;
172. an den Kläger für Februar 2001 3.864,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz von 3.193,06 EUR seit dem 01.03.2001 und von weiteren 568,85 EUR seit dem 01.03.2001 zu zahlen;
18hilfsweise,
19festzustellen, dass Masseforderungen in dem Umfang der geltend gemachten Zahlungsanträge bestehen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Er bestreitet insbesondere, dem Kläger bei dem Gespräch am 12.01.2001 zugesagt zu haben, dieser werde in jedem Fall seinen Arbeitslohn und das Kilometergeld in bisheriger Höhe erhalten.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25Die zulässigen Berufungen des Klägers sind nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
26I
27Die Forderungen des Klägers aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kön-nen nicht als Masseansprüche gemäß § 55 Abs. 2 InsO anerkannt werden. Der Kläger ist gemäß § 38 InsO Insolvenzgläubiger, weil er Ansprüche geltend macht, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Zur Gewährleistung der Gleichbehand-lung aller Gläubiger ordnet das Gesetz nur bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzver-walters mit Verfügungsbefugnis gemäß § 55 Abs. 2 InsO an, dass die von einem solchen vorläufi-gen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten als Masseverbindlich-keiten gelten. Nur wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldnerin gemäß § 22
28Abs. 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Im vorliegenden Fall ist der Schuldnerin durch den Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 04.01.2001 aber kein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO auferlegt worden, sondern das Gericht hat lediglich bestimmt, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der Beschluss sagt klipp und klar, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin ist und er nur die Aufgabe hat, durch Überwachung das Vermögen der Schuldnerin zu sichern und zu erhalten. Bezeichnenderweise hat das Insolvenzgericht der Schuldnerin kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, sondern den vorläufigen Insolvenzverwalter lediglich im Rahmen des § 22 Abs. 2 InsO zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse ermächtigt. Die pauschale gerichtliche Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist, bewirkt nicht, dass schon im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten begründet werden dürfen (so ausdrücklich BGH vom 18.07.2002 - IX ZR 195/01 - ZinsO 2002, 819, 822). Nur wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit begleitendem allgemeinen Verfügungsverbot bestellt wird, entscheidet dieser nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob, mit wem und in welcher Umfang er überhaupt Verbindlichkeiten für das verwaltete Vermögen eingeht. Diese gelten dann gemäß § 55 Abs. 2 InsO in dem später eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten (vgl. Kirchhof, ZinsO 2004, 57). Im vorliegenden Fall führt die gerichtliche Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts im Beschluss vom 04.01.2001 nicht zur analogen Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO (Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl., Rdnr. 81; Münch.Komm.-InsO/Hefermehl, § 55 Rdnr. 216). Ein vorläufiger Insolvenzverwalter ohne begleitendes Verfügungsverbot kann daher grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten begründen. Die mit dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter kontrahierenden Vertragsinteressenten müssen selbst entscheiden, ob sie überhaupt mit ihm oder dem Schuldner geschäftliche Verbindungen eingehen oder ob sie lediglich Bargeschäfte abschließen. Erlässt das Insolvenzgericht kein allgemeines Verfügungsverbot, muss es gemäß § 22 Abs. 2 InsO die Rechte und Pflichten des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters konkret bestimmen. Die Kontrolle darüber, ob und in welchem Umfang die Insolvenzmasse bereits durch den vorläufigen Insolvenzverwalter verpflichtet wird, verbleibt beim Insolvenzgericht (dazu im Einzelnen Kirchhof, Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Insolvenzverfahren, ZinsO 2004, 57, 58).
29Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob der Beklagte dem Kläger die Gehalts- und Kilometergeldansprüche aus Januar und Februar 2001 als Masseverbindlichkeiten zugesagt hat. Der gerichtlichen Anordnung vom 04.01.2001 kann nicht entnommen werden, dass der Beklagte in Ausübung der ihm übertragenen Arbeitgeberbefugnisse ermächtigt worden ist, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Jedenfalls darf das Insolvenzgericht, wenn es kein allgemeines Verfügungsverbot erlässt, Verfügungs- und Verpflichtungsermächtigungen nicht pauschal in das Ermessen des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters stellen. Vielmehr hat das Gericht im Rahmen des § 22 Abs. 2 InsO in jedem Fall selbst die einzelnen Maßnahmen konkret zu bezeichnen, zu denen der vorläufige Verwalter verpflichtet und berechtigt sein soll (so ausdrücklich BGH vom 18.07.2002 - IX ZR 195/02 - ZinsO 2002, 819, 823 unter IV 2. a) bb) der Gründe m.Anm. Haarmeyer/Pape, ZinsO 2002, 845). Die pauschale Ermächtigung für die Schuldnerin soweit erforderlich zu handeln, führt nicht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 ZinsO. Der Kläger verkennt, dass die Anerkennung der Ansprüche als Masseschulden mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Massegläubiger nicht zu vereinbaren ist.
30Ob aufgrund der behaupteten Zusage des Beklagten seine persönliche Haftung in Betracht zu ziehen ist, kann offen bleiben, weil er als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin in Anspruch genommen wird.
312. Aus den genannten Gründen kann auch der Hilfsantrag des Kläger keinen Erfolg haben. Dabei kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass Altmasseverbindlichkeiten nach formgerecht angezeigter Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden, sondern nur noch festgestellt werden können (BAG vom 11.11.2001 - 9 AZR 459/00 - ZIP 2002, 628).
32II
33Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten seiner erfolglos gebliebenen Rechtsmittel zu tragen.
34Der Streitwert richtet sich nach der Höhe der verfolgten Zahlungsansprüche.
35III
36Die Berufungskammer hat die Revision nicht zugelassen, weil der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Entscheidung nicht von der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.
Bertram | Hötte | Konermann |