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Parallelsache zu 10 Sa 1024/03
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 09.05.2003 - 4 Ca 1188/02 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
2Im Berufungsverfahren streiten die Parteien noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
3Die am 06.05.1969 geborene Klägerin war seit dem 01.07.1990 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Küchenmöbelindustrie mit ca. 600 Mitarbeitern, als kaufmännische Angestellte zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 2.800,00 tätig.
4Die Klägerin war Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates.
5Seit Jahren gab es im Betrieb der Beklagten Auseinandersetzungen sowohl innerhalb des Betriebsrates wie auch zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Beklagten. Am 05.02.2002 kam es zu einem Gespräch zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und sechs Betriebsratsmitgliedern, unter ihnen die Klägerin. In diesem Gespräch ging es unter anderem um ein nicht anwesendes Betriebsratsmitglied, den Staplerfahrer F3xxx, mit dem sich auch aus der Sicht der anwesenden Betriebsratsmitglieder eine Zusammenarbeit schwierig gestaltete. Im Rahmen dieses Gespräches äußerte der Geschäftsführer der Be-klagten, Herr H4xxx F1xxxxxxxx, sinngemäß: "Der F3xxx muss weg, das ist mir 100.000,00 wert." Anschließend wandte er sich an das anwesende Betriebsratsmitglied S5xxxxxxxxx mit der Äußerung: "Herr S5xxxxxxxxx, Sie können doch Stapler fahren." Weitere Einzelheiten des Gespräches sind zwischen den Parteien streitig.
6Mit Schreiben vom 09.04.2002 erstattete Herr U1x W2xxxxxx, der in der Vergangenheit als Berater und Sachverständiger für den Betriebsrat der Beklagten tätig war und auch als Se-
7minarveranstalter für Betriebsratsschulungen auftrat, Strafanzeige gegen Herrn V2xxxx S6xxxxxxxxx, einen leitenden Mitarbeiter der Beklagten, wegen Anstiftung zur "Beseitigung" des Betriebsratsmitglieds F3xxx - StA Bielefeld 46 Js 270/02 -.
8Am 28.06.2002 erstattete das Betriebsratsmitglied S5xxxxxxxxx Strafanzeige u.a. wegen Aufforderung zur Urkundenfälschung - StA Bielefeld 46 Js 421/02 -. In der Strafanzeige vom 28.06.2002 ist u.a. ausgeführt:
9"...
10Mir ist bekannt, dass Herr U1x W2xxxxxx am 9.4.2002 Strafanzeige erstattet hat. In dieser Strafanzeige geht es darum, dass Herr W2xxxxxx von einem GL der Fa. H2xxxx K1xxxx GmbH & Co. am 1.12.2001 aufgefordert worden ist, das Verschwinden des Mitarbeiters und Betriebsratsmitglieds R3xxxx F3xxx zu organisieren. Hierzu möchte ich folgendes mitteilen:
11Am 05.02.2002 hat es eine Besprechung zwischen den beiden Inhabern der Firma, den Herren J1xxxx F1xxxxxxxx und H4xxx F1xxxxxxxx und den Betriebsratsmitgliedern S1xxxx T1xxxx, R5xxxx B4xxxxxx, M4xxx R6xxx, J2xx K2xxxxxx, M5xxx B5xxxxxxx und mir gegeben. Zum Ende dieses Gespräches hat Herr H4xxx F1xxxxxxxx wörtlich gesagt: "Der F3xxx muss weg, das ist mir 100.000 wert, Herr S5xxxxxxxxx, Sie können doch Stapler fahren". Ich habe dieses als ausdrückliche Aufforderung betrachtet, Herrn F3xxx gegen Bezahlung mit einem Stapler totzufahren. ... "
12Am 10.07.2002 kam es anlässlich von Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und der Geschäftsleitung der Beklagten zu dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung gegen- über der Klägerin. Die Klägerin erhob hiergegen am 18.07.2002 die vorliegende Kündi-gungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Die Kündigung vom 10.07.2002 wurde im späteren Verlauf der gerichtlichen Auseinandersetzungen von der Beklagten nicht aufrecht erhalten, sondern zurückgenommen.
13Anlässlich der Kündigung vom 10.07.2002 räumte die Klägerin noch am 10.07.2002 ihren Arbeitsplatz. Anschließend fand die Geschäftsleitung der Beklagten im Schreibtisch der Klägerin Blanko-Briefbögen, die nur seitens der Geschäftsleitung selbst verwendet wurden bzw. verwendet werden sollten. Mit Schreiben vom 12.07.2002 forderte die Beklagte die Klägerin daraufhin zur Stellungnahme dazu auf, aus welchen Gründen sie im Besitz dieser Briefbögen sei (Bl. 24 d.A.). Eine Reaktion seitens der Klägerin erfolgte darauf nicht.
14Nachdem der Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 19.07.2002 (Bl. 25 d.A.) angehört worden war und der beabsichtigten au-ßerordentlichen Kündigung zugestimmt hatte (Bl. 15 d.A.), kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.07.2002 (Bl. 5 d.A.) erneut fristlos. Die Klägerin erweiterte daraufhin die vorliegende Kündigungsschutzklage mit dem am 29.07.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 26.07.2002.
15Mit Schreiben vom 14.08.2002 (Bl. 76 ff.d.A.) erstattete die Klägerin Strafanzeige wegen aller in Betracht kommender Straftatbestände gegen sechs Mitglieder der Geschäftsleitung der Beklagten sowie gegen weitere fünf Mitglieder des Betriebsrates der Beklagten - 46 Js 510/02 StA Bielefeld -. Die Strafanzeige vom 14.08.2002 ist u.a. auf Behinderung der Betriebsratsarbeit gestützt. In der 13-seitigen Strafanzeige vom 14.08.2002 ist u.a. ausgeführt:
16"...
17Am 05.02.2002 habe ich zusammen mit den BR-Mitgliedern S5xxxxxxxxx, R6xxx, K2xxxxxx, B4xxxxxx und B5xxxxxxx ein Gespräch mit den Herren F1xxxxxxxx geführt. Inhalt des Gespräches sollte aus unserer Sicht sein, dass es doch möglich sein müsse, eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen dem BR und der GF/GL zu erreichen. Als Ergebnis kam heraus, dass Herr F1xxxxxxxx sen. seinen Standpunkt nach wie vor vertrat, ein BR gäbe es für ihn nicht, der sei für ihn einfach nicht existent. Äußerste Priorität hätte, dass Unternehmen und alles und jeder der eine andere Meinung vertritt gehöre weg. Was dann kam, hat mich geschockt. Es kam dann direkt im Zusammenhang der Ausspruch von Herrn F1xxxxxxxx sen.: "der F3xxx muss weg, das ist mir 100.000 wert, Herr S5xxxxxxxxx, sie können doch Stapler fahren".
18Seit dem Zeitpunkt, als ich in meinem Entsetzen darüber auch gegenüber Frau V3xxxxxx und einem Herrn W3xxxxx erklärt habe, diese Aussage des Herrn F1xxxxxxxx sen. ganz klar als Mordauftrag verstanden zu haben und dieses auch notfalls vor Gericht bezeugen zu wollen wurde der zu diesem Zeitpunkt schon vorhandene Druck auf mich wesentlich erhöht unter anderem auch durch Einbeziehung meines Lebensgefährten durch die GF/GL, der wiederum Druck auf mich ausüben sollte.
19..."
20Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 02.11.2002 (Bl. 92 ff.d.A.) wandten sich die Klägerin und das Betriebsratsmitglied S5xxxxxxxxx erneut an die Staatsanwaltschaft Bielefeld und stellten u.a. erneut Strafanzeige gegen den derzeitigen Betriebsratsvorsitzenden K2xxxxxx sowie gegen den Geschäftsführer der Beklagten Herrn H4xxx F1xxxxxxxx. Im Schreiben vom 02.11.2002 ist u.a. ausgeführt:
21"...
22Wie wir der Staatsanwaltschaft bereits mitgeteilt haben, hat Herr F1xxxxxxxx sen. am 05.02.2002 uns aufgefordert, Herrn F3xxx zu töten. Der Herr R3xxxx F3xxx führt zwischenzeitlich ein Arbeitsgerichtsprozess vor dem Arbeitsgericht Herford unter dem Az.: 2 Ca 782/02.
23..."
24Unter dem 22.10.2002 forderte die Beklagte über ihren Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Die Akten wurden dem Prozessbevollmächtigten am 25.11.2002 übersandt. Einen Auszug aus den Ermittlungsakten, insbesondere das Schreiben der Klägerin und des Betriebsratsmitglieds S5xxxxxxxxx vom 02.11.2002, übersandte der Prozessbevollmächtigte am 03.12.2002 an die Beklagte.
25Mit Schreiben vom 06.12.2002 (Bl. 40 ff.d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin an und bat um Zustimmung.
26Mit Schreiben vom 09.12.2002 (Bl. 111 d.A.) stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten fristlosen Kündigung der Klägerin zu.
27Die Beklagte kündigte daraufhin das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09. bzw. 10.12.2002 (Bl. 20, 21 d.A.) erneut fristlos. Das Kündigungsschrei-ben vom 09.12.2002 wurde der Klägerin mit Einschreiben/Rückschein zugestellt. Die gleiche Kündigung vom 10.12.2002 wurde der Klägerin am 10.12.2002 per Boten überbracht.
28Mit dem am 16.12.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 13.12.2002 erweiterte die Klägerin die Kündigungsschutzklage daraufhin um die Kündigung vom 09./10.12.2002.
29Nachdem die Beklagte mit dem Betriebsratsmitglied F3xxx über dessen arbeitsvertragliche Verwendung aus gesundheitlichen Gründen in eine gerichtliche Auseinandersetzung geraten war, schlossen die Beklagte und das Betriebsratsmitglied F3xxx im Rechtsstreit 2 Ca 782/02 Arbeitsgericht Herford am 06.11.2002 einen Vergleich, wonach der Mitarbeiter F3xxx zum 31.12.2002 aus Gesundheitsgründen gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 40.000,00 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausschied.
30Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sowohl die Kündigung vom 23.07.2002 wie auch die Kündigung vom 10.12.2002 seien unwirksam.
31Der Besitz von Blanko-Briefbögen der Geschäftsleitung könne keinen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen. Eine rechtsmissbräuchliche Verwendung dieser Briefbögen sei nicht beabsichtigt gewesen. Insoweit hat die Klägerin behauptet, die Briefbögen seien ihr vom Betriebsratsmitglied W3xxxxx in Verwahrung gegeben worden. Dieser habe die Bögen zusammen mit anderem Büromaterial von der zuständigen Verwalterin A1xxxxxx erhalten. Auch eine Weitergabe der Briefbögen an den Berater des Betriebsrates, Herrn U1x W2xxxxxx, sei nicht beabsichtigt gewesen. Dieser habe sich die Briefbögen jederzeit von seiner Ehefrau beschaffen können, die als Empfangsleiterin bei der Beklagten tätig sei.
32Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, sie habe am 14.08.2002 zu Recht Strafanzeige erstattet. Aufgrund des Gespräches vom 05.02.2002 mit der Geschäftsleitung sei sie von einem Mordauftrag seitens des Geschäftsführers Herrn H4xxx F1xxxxxxxx an dem Betriebsratsmitglied F3xxx ausgegangen. Sie, die Klägerin, habe auch nicht wissentlich und leichtfertig falsche Behauptungen aufgestellt, u.a. wegen dieses Mordaufrufes sei sie zur Erstattung der Strafanzeige verpflichtet gewesen.
33Dass es sich um einen Mordauftrag gehandelt habe, ergebe sich auch aus den weiteren Umständen des Gespräches vom 05.02.2002. Auf die Nachfrage des Geschäftsführers an das Betriebsratsmitglied S5xxxxxxxxx, er könne doch Stapler fahren, habe Herr S5xxxxxxxxx nämlich, wie die Klägerin behauptet hat, erwidert, er würde alles tun für die Firma H2xxxx, so etwas jedoch nicht. Daraufhin habe der Geschäftsführer der Beklagten, Herr H4xxx F1xxxxxxxx, lediglich gegrinst und keine klarstellende Erklärung abgegeben.
34Wie seine Äußerung gewirkt habe, ergebe sich aus daraus, dass noch am Abend des 05.02.2002 bei einem Gespräch der beteiligten Betriebsratsmitglieder mit dem Berater des Betriebsrates W2xxxxxx auch das Betriebsratsmitglied B4xxxxxx erklärt habe: "Das hätte ich dem Alten nicht zugetraut. Wenn das nach außen dringt, geht er in den Knast. Dann ist er bei allen unten durch. Das darf wirklich niemand erfahren".
35Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei auch schon wegen Versäumung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Der Vorfall vom 05.02.2002 sei bereits Gegenstand der Strafanzeige des Betriebsratsmitglieds S5xxxxxxxxx vom 24./28.06.2002 gewesen. Die Beklagte habe von der Strafanzeige nicht erst durch das Schreiben vom 02.11.2002 erfahren. Insoweit hat die Klägerin behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe von der Anzeige eines Mordauftrages schon im Oktober 2002 Kenntnis gehabt. Er habe nämlich bereits am 29.10.2002 gegenüber Herrn W4xxxxxxx, dem Lebensgefährten der Klägerin, davon berichtet, dass eine Strafanzeige wegen eines Mordauftrages an dem Betriebsratsmitglied F3xxx erstattet worden sei.
36Die Klägerin hat beantragt,
37festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23.07.2002 nicht beendet worden ist,
38festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 10.12.2002, zugegangen am 10.12.2002, beendet worden ist,
39im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) oder zu 2) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als kaufmännische Angestellte weiterzubeschäftigen.
40Die Beklagte hat beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bereits die Kündigung vom 23.07.2002 sei rechtswirksam. Es bestehe der dringende Verdacht einer rechtsmissbräuchlichen Verwen-dung von Geschäftsleitungsbriefbögen seitens der Klägerin, die Klägerin habe die Briefbö-gen zum Zwecke widerrechtlicher und rechtsmissbräuchlicher Verwendung gegen ihre Inte-ressen an den Berater des Betriebsrates Waldmann weitergeben wollen. Dieser Verdacht gründe sich auf das enge Verhältnis der Klägerin zum Betriebsratsberater W2xxxxxx und ergebe sich ferner aus der Tatsache, dass kein Anlass für die Klägerin bestanden habe, die Briefbögen der Geschäftsleitung in Besitz zu nehmen. Sie, die Beklagte, habe befürchten müssen, dass die Briefbögen durch den Betriebsratsberater zum Zwecke der Abgabe fin-gierter Erklärungen an die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hätten genutzt werden sollen, um falsche Sachverhalte zu untermauern. Der Betriebsratsberater W2xxxxxx habe schon vormals rechtswidrig Unterlagen Dritter benutzt.
43Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, in jedem Fall sei die Kündigung vom 10.12.2002 aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Die Klägerin habe bereits in der Strafan-zeige vom 14.08.2002 unzutreffende und unhaltbare Vorwürfe gegenüber der Geschäftslei-tung und anderen Betriebsratsmitgliedern geäußert, diese Vorwürfe seien vollkommen un-substantiiert in den Raum gestellt worden und spiegelten eine hasserfüllte Einstellung der Klägerin gegenüber der Geschäftsleitung der Beklagten wider.
44In jedem Fall sei die Kündigung wegen des vollkommen haltlos in den Raum gestellten schwerwiegenden strafrechtlichen Vorwurfs eines Mordauftrages berechtigt. Die Klägerin
45habe keinen vernünftigen Anlass dafür gehabt, in den Erklärungen des Geschäftsführers vom 05.02.2002 einen Mordauftrag an dem Betriebsratsmitglied F3xxx zu sehen. Dies sei vollkommen fernliegend. Die Äußerungen des Geschäftsführers F1xxxxxxxx seien für jeden erkennbar dahingehend zu verstehen gewesen, dass ihm eine Entlassung des Mitarbeiters F3xxx die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 100.000,00 DM wert sei. Die Nachfrage an den Mitarbeiter S5xxxxxxxxx, ob er Stapler fahren könne, sei nur der Ausdruck einer Überlegung gewesen, den Arbeitsplatz des dann ausscheidenden Mitarbeiters F3xxx mit dem angesprochenen Betriebsratsmitglied S5xxxxxxxxx neu zu besetzen. Keiner der übrigen Gesprächsteilnehmer vom 05.02.2002 hätte die Äußerung des Geschäftsführers als Mordauftrag verstanden. Auch der Mitarbeiter B4xxxxxx habe am Abend des 05.02.2002 keine Erklärung abgegeben, die darauf hindeuten könnte, dass er die Äußerung als Mordauftrag verstanden hätte. Ein entsprechendes Treffen der Betriebsratsmitglieder habe nicht am 05.02.2002, sondern bereits am 01.02.2002 stattgefunden.
46Auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Vom Schreiben der Klägerin und des Betriebsratsmitglieds S5xxxxxxxxx vom 02.11.2002 habe die Beklagte erst nach Akteneinsicht durch ihren Prozessbevollmächtigten mit dessen Schreiben vom 03.12.2002 Kenntnis erhalten.
47Durch Urteil vom 09.05.2003 hat das Arbeitsgericht die außerordentliche Kündigung vom 23.07.2002 für unwirksam erachtet, die darüber hinausgehende Klage gegen die Kündigung vom 10.12.2002 jedoch abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, mindestens die Strafanzeige vom 02.11.2002 sei leichtfertig er-stattet worden, um dem Arbeitgeber zu schaden. Auch die Klägerin habe in der unstreitigen Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten vom 05.02.2002 keinen Mordauftrag sehen dürfen. Dies ergebe sich aus dem Inhalt der Erklärung unter Berücksichtigung der Umstän- de des Einzelfalles. Die Deutung der Äußerung als Mordauftrag sei völlig unwahrscheinlich, viel lebensnäher sei es, die Äußerung als Inaussichtstellung eines Abfindungsangebotes anzusehen. Auch die anschließend gegenüber dem Mitarbeiter S5xxxxxxxxx geäußerte Äu-ßerung könne nur als Überlegung zur Neubesetzung einer freiwerdenden Stelle angesehen werden. Auch Ort und Gesprächspartner der Geschäftsführung sprächen nicht dafür, in der Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx vom 05.02.2002 einen Mordauftrag zu sehen. Hinzu komme, dass auch unter Berücksichtigung des langen Zeitabstandes zwischen dem Gespräch vom 05.02.2002 und der Strafanzeige vom 02.11.2002 auch die Klägerin nicht mehr ernsthaft und ohne Zweifel davon hätte ausgehen können, Adressat eines Mordauf-trages gewesen zu sein. Träfe dies zu, sei es nicht nachvollziehbar, selbst unter Berück-sichtigung einer gebotenen und sinnvollen Überlegungszeit neun Monate zuzuwarten, bis der Vorfall der Staatsanwaltschaft schriftlich zur Kenntnis gebracht wurde. Gerade der Zeit-ablauf führe dazu, dass bei dem in Rede stehenden Vorwurf die Annahme hätte aufkom- men müssen, dass die Äußerung anders gemeint gewesen sei. Auch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakten erst Anfang Dezember 2002 die Beklagte von Auszügen aus dem Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt habe.
48Gegen das der Klägerin am 06.06.2003 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klägerin am 04.07.2003 Berufung zum Landesarbeitsge- richt eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.09.2003 mit dem am 26.08.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
49Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, die außerordentliche Kündigung vom 10.12.2002 sei rechtsunwirksam. In der Anzeige der Klägerin seien keine Behauptungen enthalten, die wissentlich oder besonders leichtfertig unwahr abgegeben worden seien. Nach dem unstreitigen Vortrag aller Beteiligten habe der Geschäftsführer F1xxxxxxxx in jedem Falle eine Äußerung abgegeben, die in unterschiedlicher Weise hätte interpretiert werden können. Eine der möglichen Interpretationen sei diejenige, dass ein Mordauftrag erteilt werden sollte. Selbst wenn mit der Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx ein Abfindungsangebot gemeint gewesen sein sollte, entspreche es nicht dem Sinn des Be-triebsverfassungsgesetzes, wenn Arbeitgeber durch hohe Abfindungsangebote versuchten, ungeliebte Betriebsratsmitglieder zu bewegen, das Arbeitsverhältnis freiwillig zu lösen.
50Auch wenn es weniger lebensnah sei, die Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx nicht als ein Abfindungsangebot zu werten, besage dies nicht zwangsläufig, dass die Klägerin die unstreitige Äußerung nicht möglicherweise anders interpretiert und dabei besonders leichtfertig gehandelt habe. Die Klägerin sei nicht die erste gewesen, die von Mordaufträgen oder Morddrohungen berichtet habe, die aus dem Umfeld der Beklagten gekommen seien. Insoweit sei auf die Anzeige des Betriebsratsberaters W2xxxxxx vom 09.04.2002 zu ver-weisen. In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, der ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten, Herr V4xxxxxxxx, habe darüber berichtet, dass der Geschäftsführer F1xxxxxxxx ihn bezüglich des Mitarbeiters U1x W5xxxx gefragt habe, wie man einen Mitarbeiter wie Herrn W5xxxx loswerden könne; dann müsse man schon einen Auftragsmörder engagieren. Gerade weil in der Vergangenheit von der Beklagten Morddrohungen geäußert worden sei-en, sei es nicht lebensfremd oder leichtfertig gewesen, dass die Klägerin auch die Äußerung vom 05.02.2002 als Angebot zu einem Mordauftrag interpretiert habe.
51Schließlich habe auch das Betriebsratsmitglied S5xxxxxxxxx noch vor der Klägerin gegen den Geschäftsführer der Beklagten Strafanzeige erstattet.
52Gegen die Klägerin spreche auch nicht, dass sie nach dem Gespräch vom 05.02.2002 mehrere Monate mit ihrer Strafanzeige zugewartet habe. Nur aus Furcht um ihren Arbeitsplatz habe sie mit ihrer Anzeige vom 14.08.2002 wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit solange gewartet. Erst als die Beklagte ihr gegenüber die erste Kündigung ausgesprochen habe, sei sie zu der Auffassung gelangt, dass es nunmehr erforderlich sei, eine Strafanzeige zu erstatten. Schließlich habe sie auch auf ihren Lebensgefährten Rücksicht nehmen müssen, der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Zudem habe sie von der Strafanzeige des Betriebsratsberaters W2xxxxxx gewusst.
53Die Beklagte könne in diesem Zusammenhang auch nicht darauf verweisen, dass Herr W2xxxxxx in einem anderen arbeitsgerichtlichen Verfahren - 11 Sa 521/96 Landesarbeitsge-richt Hamm - gezielt Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin seiner ehemaligen Lebensge-fährtin erstattet habe, um diese öffentlich zu diskreditieren. Abgesehen davon, dass der Klägerin dieses Verfahren nicht bekannt gewesen sei, ergebe sich aus dem Verfahren 11 Sa 521/96 Landesarbeitsgericht Hamm, dass die Aussage des Herrn W2xxxxxx einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Demzufolge könne seine dortige Aussage auch im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden.
54Die Beklagte habe auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Die Geschäftsführung habe von der Anzeige viel früher als am 02.11.2002 erfahren. Herr F1xxxxxxxx sei bereits mit einem Telefonat vom 21.10.2002 von der Strafanzeige berichtet worden. Bereits Ende Oktober 2002 habe der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin mitgeteilt, dass auch eine Strafanzeige wegen Mordauftrags erstattet worden sei.
55Die Klägerin beantragt,
56unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Herford vom 09.05.2003 - 4 Ca 1188/02 -
571. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10.12.2002 nicht beendet worden ist,
582. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als kaufmännische Angestellte weiterzubeschäftigen.
59Die Beklagte beantragt,
60die Berufung zurückzuweisen.
61Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, dass die Klägerin ihre Strafanzeigen wissentlich falsch, mindestens leichtfertig erstattet habe. Die unstreitige Äu-ßerung des Geschäftsführers der Beklagten vom 05.02.2002 als Mordauftrag anzusehen, sei völlig lebensfremd. Diese Äußerung könne nur so verstanden werden, dass der Ge-schäftsführer bereit gewesen sei, an den Mitarbeiter F3xxx für den Fall des Ausscheidens eine Abfindung in Höhe von 100.000,00 DM zu zahlen. Die anschließend an Herrn S5xx-xxxxxxx gewandte Bemerkung, er könne doch Gabelstapler fahren, habe nur so verstanden werden können, dass dieser dann den nun freiwerdenden Arbeitsplatz des Herrn F3xxx ein-nehmen könne. Die Erteilung eines Mordauftrages durch den Geschäftsführer in Anwesen-heit von sechs Betriebsratsmitgliedern sei völlig lebensfremd und unwahrscheinlich. Wenn die Klägerin ihre Strafanzeige in Sorge für das Betriebsratsmitglied F3xxx erstattet hätte, hätte sie selbst viel früher Anzeige erstatten müssen. Das Gleiche gelte, wenn sie sich selbst bedroht gefühlt hätte. Dafür, dass die unstreitige Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten vom 05.02.2002 tatsächlich als Mordauftrag hätte verstanden werden dürfen, gebe es keine Anhaltspunkte. Zu keinem Zeitpunkt habe Herr F1xxxxxxxx sen. auch nur angedeutet, dass er Herrn F3xxx in seiner körperlichen Unversehrheit habe beschädigen wollen. Ihm sei es allein um dessen Ausscheiden aus dem Betrieb gegangen.
62Soweit die Klägerin darauf verweise, dass auch andere Personen von Morddrohungen aus dem Umfeld der Beklagten berichtet hätten, seien diese Berichte mindestens genauso abst-rus wie die Vorwürfe der Klägerin. Es habe sich nicht um Berichte unabhängiger Quellen gehandelt, sondern um solche von Personen aus dem persönlichen Umfeld der Klägerin. In diesem Zusammenhang sei auch die Strafanzeige des Betriebsratsberaters W2xxxxxx vom 09.04.2002 zu sehen. Auch im Verfahren 11 Sa 521/96 Landesarbeitsgericht Hamm habe Herr W2xxxxxx gezielt Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin seiner ehemaligen Lebensge-fährtin erstattet, um diese öffentlich zu diskreditieren. Sämtliche Strafanzeigen seien man-gels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Die Tatsache, dass auch Herr W2x-xxxxx Adressat eines Mordauftrages gewesen sein will, spreche eher gegen die von der Klägerin vorgenommene Interpretation. Es sei abwegig, dass ein Mordauftrag vor allen Leuten in großer Runde vor unbescholtenen Betriebsratsmitgliedern erteilt werde. Noch abwegiger sei es, dass die Beklagte gleichsam mit dem Auftrag hausiere und zusätzlich zu sechs Betriebsratsmitgliedern auch noch Herrn W2xxxxxx mit der Tötung des Herrn F3xxx beauftrage. Auch die angeblichen Äußerungen des Geschäftsführers F1xxxxxxxx gegenüber Herrn V4xxxxxxxx könnten nicht als Mordauftrag interpretiert werden. Mindestens zum Zeitpunkt der Kündigung auslösenden Strafanzeige vom 02.11.2002 hätte der Klägerin klar sein müssen, dass es in der Realität keinen Mordauftrag gegeben habe. Angesichts der behaupteten quasi öffentlichen Mordaufträge hätte das Opfer F3xxx nach neun Monaten lange tot sein müssen. Die Klägerin habe die Strafanzeige vom 02.11.2002 erstattet, obwohl sie gewusst habe, dass es in der Realität keinen Mordauftrag gegeben habe.
63Schließlich sei die Erstattung der Strafanzeige auch aus niedrigeren Motiven erstattet worden, um der Beklagten bzw. deren Geschäftsführer persönlich zu schaden. Die Klägerin könne nicht ernsthaft behaupten, dass ihre Anzeige neun Monate nach dem angeblichen Mordauftrag noch von der Sorge um das Opfer motiviert gewesen sei. Einziger denkbarer Zweck der Strafanzeige sei es, dass gezielt der Geschäftsführer F1xxxxxxxx der Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt und sein Ruf öffentlich beschädigt werden sollte. Dies gelte erst recht, weil die Klägerin unproblematisch betriebsintern die Hintergründe der unstreitigen Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx hätte klären können.
64Die Berufungskammer hat die Akten der Staatsanwaltschaft Bielefeld 46 Js 370/02, 46 Js 421/02 und 46 Js 510/02, die inzwischen eingestellt worden sind, beigezogen. Beigezogen waren ferner die Akten 2 Ca 1582/95 Arbeitsgericht Herford = 11 Sa 521/96 Landesarbeitsgericht Hamm sowie die Akten 4(3) Ca 2237/02 Arbeitsgericht Herford = 10 Sa 1024/03 Landesarbeitsgericht Hamm. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze.
65E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
66Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die gegen die Kündigung vom 09./10.12.2002 gerichtete Kündigungsschutzklage als unbegründet abgewiesen. Die Kündigung vom 09./10.12.2002 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.
67I
68Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 09./10.12.2002 ergibt sich nicht aus § 626 BGB.
69Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.
70Hiernach ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalles stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (BAG, Urteil vom 23.01.1963 - AP GewO § 124 a Nr. 8; BAG, Urteil vom 30.05.1978 - AP BGB § 626 Nr. 70; BAG, Urteil vom 15.11.1984 - AP BGB § 626 Nr. 87).
71Bei der Überprüfung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 17.05.1984 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14; BAG, Urteil vom 13.12.1984 - AP BGB § 626 Nr. 81; BAG, Urteil vom 02.03.1989 - AP BGB § 626 Nr. 101; BAG, Urteil vom 12.08.1999 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28).
721. Die Kündigung vom 09./10.12.2002 ist wirksam. Ihr fehlt es nicht an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.
73a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass ein Arbeitgeber zur au-ßerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers berechtigt sein kann, wenn der Arbeit-nehmer ihn bei staatlichen Stellen angezeigt hat. Dabei ist aber von Bedeutung, ob der mit-geteilte Sachverhalt der Wahrheit entspricht oder nicht. Ein Arbeitnehmer, der den Arbeit-geber bei Behörden oder Institutionen der Wahrheit zuwider anschwärzt, begeht eine schwere Pflichtverletzung. Dies gilt insbesondere dann, wenn völlig haltlose oder unfundierte Vorwürfe in einer nach Art und Inhalt zu missbilligenden Beschwerde aus einer verwerflichen Motivation erhoben werden. Soweit jedoch eine Anzeige objektiv gerechtfertigt ist und der Arbeitnehmer mit ihr eigene schutzwürdige Interessen verfolgt, wird eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt sein, sofern innerbetrieblich keine Abhilfe geschaffen werden konnte. Sagt ein Arbeitnehmer im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsver-fahrens gegen seinen Arbeitgeber aus und übergibt er auf Aufforderung der Staatsan-waltschaft Unterlagen, so ist auch dieses Verhalten grundsätzlich nicht geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist es unvereinbar, wenn derjenige, der die ihm auferlegten staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt und nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben macht, dadurch zivilrechtliche Nachteile erleidet. Eine Kündigung kann jedoch dann in Betracht kommen, wenn eine vom Arbeitnehmer veranlasste Strafanzeige wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben enthält oder wenn sie in Schädigungsabsicht bzw. aus Rachsucht erfolgt (BVerfG, Beschluss vom 02.07.2001 - AP BGB § 626 Nr. 170; BAG, Urteil vom 05.02.1959 - AP HGB § 70 Nr. 2; BAG, Urteil vom 04.07.1991 - RzK I 6 a Nr. 74; BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02 - Pressemitteilung Nr. 50/03; LAG Frankfurt, Urteil vom 12.02.1987 - LAGE BGB § 626 Nr. 28; LAG Hamm, Urteil vom 12.11.1990 - LAGE BGB § 626 Nr. 54; LAG Frankfurt, Urteil vom 12.02.1991 - NZA 1992, 124; LAG Köln, Urteil vom 20.01.1999 - MDR 1999, 811; LAG Köln, Urteil vom 07.01.2000 - ZTR 2000, 278 = RzK I 6 a Nr. 180; LAG Hessen, Urteil vom 27.11.2001 - LAGE KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA-RR 2002, 637; LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2002 - DB 2002, 1612; KR-Fischermeier, 6. Aufl., § 626 BGB Rz. 408; Müller-Glöge, ErfK, 3. Aufl., § 626 BGB Rz. 89; APS-Dörner, § 626 BGB Rz. 190; Müller, NZA 2002, 424 m.w.N.).
74b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zu Recht in dem Verhalten der Klägerin einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gesehen.
75Die Berufungskammer teilt die Einschätzung des Arbeitsgericht, wonach zweifelhaft ist, ob die in der Anzeige vom 14.08.2002 gegen die Mitglieder der Geschäftsleitung und mehrere Betriebsratsmitglieder gemachten Vorwürfe einer Behinderung der Betriebsratsarbeit für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung ausreichen. Auch wenn die insoweit gemachten Vorwürfe zum Teil nicht greifbar und nicht hinreichend substantiiert dargestellt waren und vielfach subjektive Wertungen enthalten, musste davon ausgegangen werden, dass die Darstellung der Klägerin insoweit ihrem subjektiven Eindruck entsprochen hat. Ob die Klä-
76gerin insoweit wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben bei der Staatsanwaltschaft gemacht hat, konnte letztlich offen bleiben.
77Die Kündigung vom 09./10.12.2002 ist jedenfalls wegen des in der Strafanzeige vom 14.08.2002 und in der Anzeige vom 02.11.2002 enthaltenen Anzeige eines Mordauftrages gerechtfertigt gewesen. Insoweit hat die Klägerin mindestens leichtfertig falsche Angaben bei der Staatsanwaltschaft gemacht, die durch nichts zu rechtfertigen waren.
78aa) Die unstreitig vom Geschäftsführer der Beklagten im Gespräch mit mehreren Betriebsratsmitgliedern am 05.02.2002 gemachte Äußerung: "Der F3xxx muss weg, das ist mir 100.000,00 wert. Herr S5xxxxxxxxx, Sie können doch Stapler fahren", kann schon vom Standpunkt eines objektiven Erklärungsempfängers nicht als Aufforderung, Herrn F3xxx zu töten, als Mordauftrag verstanden werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Gespräch vom 05.02.2002 u.a. dem Zweck diente, eine vernünftigere und bessere Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung zu erreichen. Unter Berücksichtigung dieses Gesprächszweckes und der weiteren Umstände des Gespräches vom 05.02.2002 kann die unstreitige Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten aus objektiver Sicht nur so verstanden werden, dass der Geschäftsführer gemeint hat, er sei bereit, an Herrn F3xxx für den Fall seines Ausscheidens aus dem Betrieb und damit auch aus dem Betriebsrat eine Abfindung in Höhe von 100.000,00 DM zu zahlen. In der unstreitigen Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx einen Mordaufruf zu sehen, erscheint auch der Berufungskammer völlig lebensfremd. Die Klägerin selbst geht in der Berufungsbegründung davon aus, dass entscheidende Argumente dafür sprächen, dass mit der Äußerung von Herrn F1xxxxxxxx ein Abfindungsangebot gemeint sein sollte. Insoweit kann auch als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass gerade Arbeitsverhältnisse mit unkündbaren Betriebsratsmitgliedern unter Umständen mit hohen Abfindungszahlungen beendet werden. Dies ist auch für die Berufungskammer, die seit mehreren Jahren nach der Geschäftsverteilung mit Bestandsstreitigkeiten von Amtsträgern befasst ist, nichts ungewöhnliches. Tatsächlich ist der Mitarbeiter F3xxx dann auch im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens - 2 Ca 782/02 Arbeitsgericht Herford - durch Vergleich vom 06.11.2002 zum 31.12.2002 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 40.000,00 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Bereits vom objektiven Empfängerhorizont konnte demnach die unstreitige Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx vom 05.02.2002 nicht als Auftrag, Herrn F3xxx zu töten, verstanden werden.
79Tatsächlich hat auch das Betriebsratsmitglied K2xxxxxx, einer der Gesprächsteilnehmer am 05.02.2002, wie sich aus seiner Gesprächsnotiz vom 10.02.2002 (Bl. 89 f. d.A. 46 Js
80270/02 Staatsanwaltschaft Bielefeld) ergibt, die Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx sen. dahin verstanden, dass der Mitarbeiter F3xxx zur Aufgabe seiner Haltung oder zum Ausscheiden aus der Firma bewegt werden sollte, wobei der Geschäftsführer zur Zahlung einer hohen Abfindung bereit gewesen sei.
81bb) Auch aus den übrigen Umständen im Zusammenhang mit dem Gespräch vom 05.02.2002 konnte die Klägerin nicht subjektiv entnehmen, dass der Geschäftsführer F1xxxxxxxx einen Mordauftrag erteilt hätte.
82Die bloße Möglichkeit, dass die Äußerung des Geschäftsführers auch als Mordauftrag verstanden werden könnte, berechtigte die Klägerin nicht, die fraglichen Strafanzeigen zu erstatten. Konkrete Gründe, die die Klägerin veranlassen mussten, die Äußerung tatsächlich als Mordauftrag zu verstehen, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen.
83Soweit sich der Geschäftsführer F1xxxxxxxx in dem Gespräch vom 05.02.2002 direkt im Anschluss an die unstreitige Äußerung an den Mitarbeiter S5xxxxxxxxx mit den Worten gewandt hat: "Sie können doch Stapler fahren", ist auch dieser Umstand nicht geeignet, die Äußerung des Geschäftsführers als Mordauftrag zu interpretieren. Allen Gesprächsbeteilig-ten war nämlich bekannt, dass der Mitarbeiter F3xxx Gabelstaplerfahrer war. Die Äußerung des Geschäftsführers konnte demzufolge nur so verstanden werden, dass der Mitarbeiter S5xxxxxxxxx möglicherweise den anschließend freiwerdenden Arbeitsplatz des Herrn F3xxx einnehmen könnte.
84Soweit die Klägerin erstinstanzlich behauptet hat, Herr S5xxxxxxxxx habe auf die Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx mit den Worten reagiert, er würde für H2xxxx alles tun, so etwas jedoch nicht, spricht auch dies nicht für die tatsächliche Erteilung eines Mordauftrages an den Mitarbeiter S5xxxxxxxxx. Die von der Klägerin behauptete Äußerung des Mitarbeiters S5xxxxxxxxx kann auch so verstanden werden, dass dieser aus Gründen der Kollegialität mit dem Mitarbeiter F3xxx nicht bereit gewesen ist, dessen Arbeitsplatz zu übernehmen.
85Zu Recht hat das Arbeitsgericht es auch nicht für entscheidungserheblich gehalten, ob und inwiefern auch andere Betriebsratsmitglieder die Erklärung des Geschäftsführers als Mordauftrag angesehen haben. Ebenso wenig waren auch die weiteren Anzeigen des Herrn U1x W2xxxxxx vom 09.04.2002 und des Mitarbeiters S5xxxxxxxxx vom 28.06.2002 bei der Staatsanwaltschaft geeignet, die unstreitige Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx
86vom 05.02.2002 als Mordauftrag zu interpretieren. Sie führen jedenfalls nicht dazu, dass die Klägerin die Äußerung des Geschäftsführers zu Recht als Mordaufruf betrachten durfte. Vieles spricht dafür, dass die weiteren Berichte der Klägerin, des Mitarbeiters S5xxxxxxxxx und des Betriebsratsberaters W2xxxxxx lediglich dazu dienten, der Beklagten mit derartigen Nachreden zu schädigen und sie mit unberechtigten Strafanzeigen zu überziehen. Auch die in der Berufungsinstanz aufgestellte Behauptung der Klägerin, der ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten, Herr V4xxxxxxxx, habe darüber berichtet, dass Herr F1xxxxxxxx ihn bezüglich des Mitarbeiters U1x W5xxxx gefragt hätte, wie man einen Mitarbeiter wie Herrn W5xxxx loswerden könne, man müsse dann schon einen Auftragsmörder engagieren, geht in diese Richtung. Herr V4xxxxxxxx hat nämlich in einer eidesstattlichen Erklärung vom 06.01.2003 (Bl. 78 d.A. 46 Js 270/02 Staatsanwaltschaft Bielefeld) ausdrücklich bekundet, dass diese Aussage seiner Meinung nach keine Tötungsabsicht darstellen sollte. Insoweit bedurfte es keiner Beweisaufnahme durch die Berufungskammer. Aus dem gleichen Grunde kam es auch nicht darauf an, ob der damalige Betriebsratsberater W2xxxxxx in früheren Verfahren gezielt Strafanzeigen gegen die Arbeitgeberin seiner ehemaligen Lebensgefährtin erstattet hatte und ob für eine etwaige Vernehmung des Zeugen W2xxxxxx ein Beweisverwertungsverbot bestand.
87Die Beklagte weist im Übrigen auch zu Recht darauf hin, dass es völlig abwegig erscheint, dass ein Mordauftrag in großer Runde vor unbescholtenen Betriebsratsmitgliedern erteilt wird. Ebenso abwegig erscheint es, dass ein derartiger "Mordauftrag" verschiedenen Personen mehrfach erteilt wird, wie es die Klägerin Glauben machen will. Aus dem gesamten Vorbringen der Klägerin, so wie es sich aus dem vorliegenden Verfahren wie aus den beigezogenen Ermittlungsakten ergibt, kann nach Auffassung der Berufungskammer lediglich der Schluss gezogen werden, dass aus leichtfertigem, unverantwortlichem Gerede in leichtfertiger Weise ein Mordauftrag konstruiert worden ist, der zu den Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld geführt hat.
88Diese Bewertung der Berufungskammer ergibt sich insbesondere daraus, dass die Klägerin nach dem Gespräch vom 05.02.2002, das sie als Aufforderung, Herrn F3xxx zu töten, interpretiert haben will, immerhin bis zur Erstattung der Strafanzeige am 14.08.2002 mehr als sechs Monate und bis zur Abfassung des an die Staatsanwaltschaft Bielefeld gerichteten Schreibens vom 12.11.2002 nahezu neun Monate zugewartet hat. Dieser Umstand spricht, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, entscheidend dagegen, dass die Klägerin die Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx vom 05.02.2002 tatsächlich als Mordaufruf aufgefasst hat. Wäre die Klägerin in Sorge für den Betriebsratskollegen F3xxx gewesen,
89hätte nichts näher gelegen, als - nach einer angemessenen Überlegungszeit - umgehend bei der Staatsanwaltschaft vorstellig zu werden oder sich zumindest zu erkundigen, wie denn diese Äußerung gemeint gewesen sein könnte. Die Tatsache, dass der Mitarbeiter F3xxx auch noch sechs Monate nach dem Gespräch vom 05.02.2002 noch lebte und sich körperlicher Unversehrtheit erfreute, zeigte, dass zu keinem Zeitpunkt der Tod des Mitarbeiters F3xxx seitens der Geschäftsleitung beabsichtigt gewesen ist. Dies hätte sich der Klägerin erst recht bei ihrem Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 02.11.2002 aufdrängen müssen. In diesem Schreiben hat die Klägerin wiederum - wenn auch unter Hinweis auf frühere Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft - mitgeteilt, der Geschäftsführer F1xxxxxxxx sen. habe sie am 05.02.2002 aufgefordert, Herrn F3xxx zu töten. In diesem Schreiben vom 02.11.2002 hat es die Klägerin - im Gegensatz zu ihrer Strafanzeige vom 14.08.2002 - sogar unterlassen, im Einzelnen mitzuteilen, worauf sich die Aufforderung, Herrn F3xxx zu töten, gründete und worin der Mordaufruf bestanden hat.
90Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, etwa aus Furcht um ihren eigenen Arbeitsplatz oder um den ihres Lebensgefährten mit der Erstattung der Strafanzeige zugewartet zu haben. Hätte die Klägerin tatsächlich die Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx vom 05.02.2002 als Aufforderung verstanden, Herrn F3xxx zu töten, hätte auch die Furcht um ihren Arbeitsplatz sie nicht davon abhalten dürfen, umgehend tätig zu werden. Bei der Anstiftung zu einem Tötungsdelikt handelt es sich immerhin um eines der schwersten Verbrechen, bei dem auch die Furcht um den eigenen Arbeitsplatz keinen Aufschub mit der Anzeigeerstattung verträgt. Zudem war das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der tatsächlichen Anzeigeerstattung am 14.08.2002 und erst recht bei dem an die Staatsanwaltschaft gerichteten Schreiben vom 02.11.2002 bereits gefährdet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war nämlich erstmals bereits am 10.07.2002 fristlos gekündigt worden.
91Dass die Strafanzeige im Hinblick auf den behaupteten Mordauftrag des Geschäftsführers F1xxxxxxxx durch die Klägerin mindestens leichtfertig erfolgt ist, ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor Erstattung ihrer Anzeige vom 14.08.2002 bzw. 02.11.2002 in keiner Weise betriebsintern die Hintergründe der Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx vom 05.02.2002 geklärt hat. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass nicht alle Ge-sprächsteilnehmer des Gespräches vom 05.02.2002 die Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx als Mordauftrag verstanden haben. Die Klägerin hat es insbesondere vor Erstat-tung ihrer Strafanzeige vom 14.08.2002 an eigenen Aufklärungsbemühungen fehlen las- sen. Selbst wenn die Klägerin nach dem Gespräch vom 05.02.2002 subjektiv davon über-zeugt gewesen wäre, vom Geschäftsführer F1xxxxxxxx zur Tötung des Mitarbeiters F3xxx aufgerufen worden zu sein, hätte sie, nachdem Monate ins Land gegangen waren, ohne dass die Geschäftsleitung auch nur bei einem der Gesprächsadressaten vom 05.02.2002 auf die Auftragserfüllung gedrängt hat, unproblematisch bei ihren Betriebsratskollegen die Hintergründe der Äußerung des Geschäftsführers F1xxxxxxxx klären können und müssen. Der Umstand, dass sie dies nicht getan hat, zeigt, dass es der Klägerin letztlich bei ihrer Strafanzeige, soweit der behauptete Mordauftrag des Geschäftsführers F1xxxxxxxx in Rede steht, lediglich um die Schädigung der Beklagten ging.
92c) Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Vorzug zu geben war. Es ist bereits ausgeführt worden, dass es sich bei dem der Klägerin gegenüber gemachten Vorwurf nicht um einen sogenannten Bagatellfall handelt. Die Klägerin hat den Geschäftsführer F1xxxxxxxx der Beklagten immerhin eines schweren Verbrechens bezichtigt. Mit der Billigung ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte die Klägerin nicht rechnen. Das Arbeitsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass die Erhebung des Vorwurfs eines Mordauftrages gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten und die entsprechende leichtfertige Erstattung einer Strafanzeige eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt, die eine immense Rufschädigung im Betrieb, aber auch in der Öffentlichkeit mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen zur Folge haben kann.
93Demgegenüber sind keine besonderen Belange vorgetragen worden, die im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin besonders zu berücksichtigen wären. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere der Strafanzeige vom 14.08.2002 kann davon ausgegangen werden, dass auch die Beklagte über ihre Geschäftsführer und deren Verhalten zu Schwierigkeiten und Vorwürfen beigetragen hat. Der Vorwurf der Behinderung der Betriebsratsarbeit in der Strafanzeige vom 14.08.2002 mag berechtigt gewesen sein, der leichtfertige Vorwurf eines Auftrages eines Tötungsdeliktes an einem unbequemen Betriebsratsmitglied hat eine völlig andere Qualität. Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass diese Vorwürfe derart schwerwiegend und geeignet sind, das Ansehen der Geschäftsführung im Betrieb und in der Öffentlichkeit zu zerstören. Insoweit fällt der Klägerin eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung zur Last. Auch die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit zum Betrieb der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Schwere des ihr gemachten Vorwurfs nicht dazu führen, dass ihrem Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses der Vorzug zu geben wäre. Aufgrund der leichtfertigen Erstattung der Strafanzeige erscheint eine Rückkehr zur gedeihlichen Zusammenarbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses unmöglich.
942. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten.
95Zwar hat die Klägerin mit der Berufung erneut die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt und vorgetragen, der Geschäftsführung sei bereits Ende Oktober 2002 von der Strafanzeige der Klägerin berichtet worden.
96Zu Recht steht aber die Beklagte auf dem Standpunkt, dass dieses Vorbringen unzureichend ist. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt nämlich nicht bereits mit der Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Grundes für eine fristlose Kündigung, sondern erst mit Kenntnisnahme der genauen Umstände der Vorkommnisse, die Anlass für den Ausspruch der Kündigung waren. Sichere und vollständige Kenntnis von den Kündigungsgründen hatte die Beklagte erst, nachdem sie über ihre Prozessbevollmächtigten Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten genommen hatte. Dies war frühestens der 04.12.2002. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der Beklagten bekannt geworden, dass die Klägerin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erneut den Vorwurf erhoben hatte, der Geschäftsführer F1xxxxxxxx sen. habe sie am 05.02.2002 aufgefordert, Herrn F3xxx zu töten. Das an die Staatsanwaltschaft gerichtete Schreiben der Klägerin vom 02.11.2002 ist der Beklagten frühestens am 04.12.2002 zur Kenntnis gelangt.
97II
98Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 09./10.12.2002 ergibt sich auch nicht aus den §§ 102, 103 BetrVG.
99Die nach § 103 BetrVG notwendige Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung lag vor. Der Betriebsrat hatte seine Zustimmung am 09.12.2002 erteilt.
100Das Verfahren der Betriebsratsbeteiligung nach § 102 BetrVG wird von der Klägerin in der Berufungsbegründung nicht weiter gerügt. Insoweit kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden, § 69 Abs. 2 ArbGG.
101III
102Auch der Antrag der Klägerin auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen ist unbegründet. Die Unbegründetheit des Weiterbeschäftigungsantrages ergibt sich aus der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 09./10.12.2002.
103IV
104Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
105Der Streitwert für das Berufungsverfahren war aufgrund der geänderten Klageanträge für das Berufungsverfahren neu festzusetzen, § 25 GKG.
106Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 14.000,00 . Da im Berufungsverfahren lediglich die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 09./10.12.2002 im Streit stand, war für den Feststellungsantrag der Wert des dreifachen Bruttomonatsverdienstes in Ansatz zu bringen. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist mit zwei Bruttomonatsverdiensten der Klägerin bewertet worden.
107Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
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