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Berichtigt durch Beschluss
Vom 22.03.2006
Auf die Berufung der Beklagten und auf die Berufung des Klägers hin wird unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.12.2001 - 5 Ca 1592/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.040,97 € (3.991,80 DM) brutto abzüglich 1.788,12 € (3.497,25 DM) Krankengeld nebst 4 % Zinsen seit dem 01.06.2001 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.400,41 € (2.708,16 DM) brutto abzüglich 929,82 € (1.818,57 DM) Krankengeld zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 11.05.2001, 15.06.2001 und 17.07.2001 aus der Personalakte zu entfernen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger zu 38 % und der Beklagten zu 62 % auferlegt.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 41 % und die Beklagte 54 % zu tragen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 22.743,69 € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Beklagte vertreibt in ihrem Autohaus in G2xxxxxxxxxxx PKW`s der Marken Volkswagen und Audi. Sie beschäftigt cirka 18 bis 20 Arbeitnehmer.
3Der am 24.12.13xx geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist seit dem 01.08.1994 im Betrieb der Beklagten als Automobilverkäufer tätig. Sein Monatsverdienst betrug durchschnittlich cirka 9.238,-- DM.
4Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der zwischen den Parteien am 01.08.1994 geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 86 bis 94 d.A.), in dem u.a. Folgendes vereinbart wurde:
5"...
65. Vorführwagen
75.1. Zur Wahrnehmung Ihrer vertraglichen Tätigkeit stellt Ihnen die Firma einen Vorführwagen leihweise zur Verfügung, für den sie sämtliche Kosten übernimmt.
8...
95.4. Sie sind zur pfleglichen Behandlung der Vorführwagen verpflichtet. Für Schäden haften Sie bei Dienstfahrten nach den Grundsätzen über die Haftung bei gefahrengeneigter Arbeit.
105.5. Privatfahrten sind nur mit schriftlicher Einwilligung der Firma gestattet. In diesem Fall bemisst sich Ihre Kostenbeteiligung nach den steuerlichen Bestimmungen.
116. Urlaub
126.1. Nach einer Beschäftigungsdauer von 6 Monaten haben Sie Anspruch auf einen Jahresurlaub gemäß den näheren Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten des Kfz-Gewerbes.
136.2. Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden, in begründeten Fällen jedoch bis spätestens 31.03. des folgenden Kalenderjahres. Danach erlischt der Urlaubsanspruch. Die Festsetzung des Urlaubs erfolgt im Einvernehmen mit der Firma.
146.3. Für die Dauer Ihres Urlaubs erhalten Sie ein Urlaubsentgelt und ein zusätzliches Urlaubsgeld nach dem jeweils gültigen Tarifvertrag für die Angestellten des Kfz-Gewerbes. Damit entfallen Ihre Ansprüche auf Provision aus Geschäften, die während Ihres Urlaubs in Ihrem Verkaufsgebiet getätigt wurden. Bei der Berechnung des durchschnittlichen Provisionssatzes pro Urlaubstag wird nur die Zeit zugrunde gelegt, in der Sie tatsächlich gearbeitet haben.
157. Gehaltszahlung im Krankheitsfall
167.1. Bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wird Ihnen bis zur Dauer von 6 Wochen eine Vergütung weitergezahlt. Die Vergütung richtet sich nach den Bestimmungen des jeweils gültigen Tarifvertrages für die Angestellten des Kfz-Gewerbes.
177.2. Sie sind verpflichtet, der Firma die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen und vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer nachzureichen.
18...
1913. Ergänzende Regelung zum Anstellungsvertrag
20Für Ihr Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die Vorschriften der einschlägigen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen sowie die sonstigen von der Geschäftsleitung aufgestellten betrieblichen Vorschriften. Sie sind Bestandteil des Anstellungsvertrages.
21..."
22Die private Nutzung des Vorführwagens war dem Kläger gestattet. Zuletzt wurde in den Abrechnungen Januar 2001 bis einschließlich Juni 2001 ein geldwerter Vorteil für die Kfz-Nutzung in Höhe von 305,-- DM brutto sowie für die Kilometergeld-Kfz-Nutzung in Höhe von 301,09 DM brutto berücksichtigt. Die Beklagte zahlte zusätzlich Benzingeld. Dieses wurde nicht bar ausgezahlt, sondern hierfür durfte an einer Tankstelle getankt werden.
23Seit dem 03.05.2001 ist der Kläger arbeitsunfähig krank. In der Zeit vom 07.05.2001 bis zum 13.05.2001 wurde er stationär behandelt in der W3xxxxxxxxxxx K5xxxx für P3xxxxxxxxx und P4xxxxxxxxxxxx in M4xxxxx.
24Der Kläger teilte am 03.05.2001 dem Geschäftsführer der Beklagten mit, dass er am 03. und 04.05.2001 arbeitsunfähig krank sei und dass, falls ein Bett frei werde, er ab 07.05.2001 stationär behandelt werde. Bei dem Gespräch hat der Geschäftsführer der Beklagten darauf hingewiesen, dass der der Ehefrau des Klägers zur Verfügung gestellte PKW in diesem Fall zurückgegeben werden müsse.
25Am 07.05.2001 teilte die Ehefrau des Klägers dem Geschäftsführer der Beklagten mit, dass sie am 10.05.2001 das Fahrzeug zurückgeben werde. Bei der Fahrzeugrückgabe am 10.05.2001 teilte die Ehefrau des Klägers dem Geschäftsführer der Beklagten mit, dass ihr Ehemann in der W3xxxxxxxxxxx K5xxxx für P3xxxxxxxxx und P4xxxxxxxxxxxx in M4xxxxx seit dem 07.05.2001 behandelt werde. Sie überreichte ihm ein Schreiben des Klägers vom 07.05.2001 in einem verschlossenen Umschlag. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 11 d.A. verwiesen.
26Entsprechend einer Aufforderung der Beklagten gab der Kläger den von ihm genutzten Vorführwagen am 12.07.2001 zurück. Die Übergabe erfolgte am Wohnort des Klägers an die Mitarbeiter der Beklagten B2xxxxxx P2xxxx und W2xxxx C1xxx. Der das Fahrzeug entgegennehmende Mitarbeiter C1xxx unterschrieb eine auf den 12.07.2001 durch den Kläger erstellte Bescheinigung folgenden Inhalts:
27"Bestätigung
28Hiermit bestätige ich, das Fahrzeug VW-Golf TDI – G3 – C2 71x – bei einem Kilometerstand von 8210 ohne jegliche Beschädigung (Kratzer/Beulen) am 12.07.2001 für die Firma A1xxxxxx S1xxxxx übernommen zu haben."
29Die Beklagte erteilte dem Kläger während der Zeit der Erkrankung folgende Abmahnungen:
30"11.05.2001
31ABMAHNUNG
32Sehr geehrter Herr L1xxxxxxxxx,
33Sie fehlen seit dem 07. Mai 2001 unentschuldigt von der Arbeit.
34Gemäß § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes haben Sie die Verpflichtung, im Falle einer Arbeitsunfähigkeit uns diese unverzüglich mitzuteilen, d.h. morgens, am Tage der Erkrankung.
35Dieser Mitteilungsverpflichtung sind Sie nicht nachgekommen.
36Gemäß Ihrer Nachweispflicht hätten Sie darüber hinaus uns spätestens nach 3 Kalendertagen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müssen.
37Auch dieser Verpflichtung sind Sie bis heute nicht nachgekommen.
38Somit fehlen Sie seit dem 07.05.2001 unentschuldigt von der Arbeit, so dass wir auch keine Entgeltfortzahlung vornehmen werden.
39...
4015.06.2001
41ABMAHNUNG
42Sehr geehrter Herr L1xxxxxxxxx,
43Sie haben den Ihnen zur Verfügung gestellten Vorführwagen VW Golf ohne unsere Zustimmung an Dritte während Ihrer Krankenzeit ausgeliehen.
44Dies geschah am 14.06.2001 gegen 14.30 Uhr in H2xxxxx.
45Wir sind nicht gewillt, dieses Verhalten weiterhin hinzunehmen.
4617. Juli 2001
47ABMAHNUNG
48Vorführwagen G3-C2 71x
49Laut Ihrem Anstellungsvertrag vom 01.08.1994 haben Sie sich unter P. 5.4 zur pfleglichen Behandlung eines Vorführwagens verpflichtet.
50Bei der Rückgabe des o.g. Vorführwagens stellten wir einen äußerst verdreckten Innenraum sowie eine mindestes 1 Zentimeter hohe Dreckschicht auf dem Fahrzeug fest.
51Nach einer Oberwäsche in unserer Waschhalle zeigten sich starke Verkratzungen auf der Motorhaube. Die Motorhaube muss lackiert werden, die Kosten stellen wir Ihnen in Rechnung, des Weiteren die Kosten für die Innenreinigung.
52Wir finden es auch charakterlos, einen Vorführwagen in einem solchen Zustand zurückzugeben und trotz Wissens um die Beschädigung und Verkratzung der Motorhaube einen Arbeitskollegen eine Bestätigung unterschreiben zu lassen, obwohl dieser wegen der Verdreckung des Fahrzeugs die Kratzer auf der Motorhaube nicht sehen konnte.
53Der Käufer dieses Vorführwagens hat sich auf Grund des verkratzten und unpfleglichen Zustands des Fahrzeugs ein Rücktrittsrecht vorbehalten. Sollte er davon Gebrauch machen, werden wir Ihnen die Kosten berechnen."
54Mit Schreiben vom 30.06.2001 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abrechnung über ein Urlaubsgeld für die Zeit Januar bis April 2001 in Höhe von 1.567,80 DM brutto sowie über eine Ausfallprovision in Höhe von 2.142,40 DM brutto. Eine Auszahlung dieser Beträge erfolgte nicht. Provisionsabrechnungen für die Monate Mai und Juni 2001 überreichte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2001.
55Die vorliegende Klage hat der Kläger am 05.07.2001 erhoben.
56Zur Stützung der Klage hat der Kläger vorgetragen:
57Er sei im Sommer 1998 auf Grund stillschweigender Vereinbarung zum Verkaufsleiter befördert worden. Im Zusammenhang mit der Bestellung zum Verkaufsleiter seien die Provisionsvereinbarungen geändert worden. Man habe sich zunächst auf ein Fixum von 2000,-- DM geeinigt, das wie folgt gezahlt habe werden sollen, 1.600,-- DM Fixum, 200,-- DM monatliches Benzingeld. Bezüglich der restlichen 200,-- DM sei vereinbart worden, dass seine Ehefrau einen PKW von der Beklagten erhalte. Entsprechend dieser Vereinbarung sei verfahren worden.
58Bezüglich des Benzingeldes gelte, dass er auch in der Vergangenheit immer getankt habe, auch während des Urlaubs. Er habe nicht genau für 200,-- DM getankt, sondern soviel wie er gebraucht habe, teilweise auch unter 200,-- DM.
59Bezüglich des seiner Ehefrau zur Verfügung gestellten Fahrzeugs seien die Steuern durch den Betrieb gezahlt worden. Lediglich die Versicherung sei vereinbarungsgemäß durch seine Ehefrau gezahlt worden.
60Das Benzingeld sowie der geldwerte Vorteil der Nutzung eines Vorführwagens durch seine Ehefrau in Höhe von 200,-- DM sei demgemäß auch während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlen.
61Da er arbeitsunfähig krank gewesen sei, habe er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe einer Verkaufsausfallprovision in Höhe von 214,04 DM je Arbeitstag sowie in Höhe des auf den Arbeitstag entfallenden Fixum sowie der entsprechenden Beträge aus Benzingeld und Fahrzeugnutzung durch seine Ehefrau, mithin in Höhe von 4.256,32 DM brutto für den 07.05. bis 31.05.2001 sowie in Höhe von 2.928,16 DM für den 01.06. bis 13.06.2001 abzüglich des für diese Zeiträume bezogenen Krankengeldes.
62Die Arbeitsunfähigkeit sei der Beklagten auch unverzüglich mitgeteilt worden.
63Er habe zudem Anspruch auf die von der Beklagten errechnete Urlaubsausfallprovision sowie das Urlaubsgeld für Januar bis April 2001, des Weiteren auch für die Monate Mai und Juni 2001. Es habe über die Jahre des Beschäftigungsverhältnisses der Betriebsüblichkeit entsprochen, dass das Urlaubsgeld und das Urlaubsentgelt regelmäßig zum 30.06. und zum 30.12. je zur Hälfte ausgezahlt worden seien.
64Er habe bisher weder für 2000 noch für 2001 Urlaub gehabt, lediglich einige Tage in 2001.
65Er habe ferner Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 500,-- DM monatlich (beginnend mit dem 13.07.2001) wegen Entzug des zur Verfügung gestellten Vorführwagens.
66Das Fahrzeug sei ihm von Anfang an zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden. Die private Nutzung sei demnach Inhalt des Arbeitsvertrags geworden.
67Die Abmahnung vom 11.05.2001 sei nicht gerechtfertigt, da er nicht unentschuldigt gefehlt habe. Die Abmahnung vom 13.06.2001 sei nicht gerechtfertigt, da betriebsüblich das Fahrzeug auch durch Dritte habe genutzt werden dürfen. Die Abmahnung vom 17.07.2001 sei aus der Personalakte zu entfernen, da er das Fahrzeug am 12.07.2001 gereinigt und beschäftigungsfrei übergeben habe.
68Der Kläger hat beantragt,
69die Beklagte zu verurteilen,
701. ihm für den Monat Mai 2001 Entgeltfortzahlung in Höhe von 4.256,22 DM brutto abzüglich 3.497,25 DM erhaltenen Krankengeldes nebst 4 % Zinsen ab 01.06.2001,
712. für den Monat Juni 2001 Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.928,16 DM brutto, für die Zeit vom 01.06. bis 13.06.2001 abzüglich 1.818,57 DM Krankengeld,
723. Urlaubsgeld für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2001 in Höhe von 2.351,70 DM,
734. Urlaubsausfallprovisionen für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2001 in Höhe von 3.213,60 DM brutto zu zahlen,
745. für die Monate Mai und Juni 2001 Provisionsabrechnungen zu erteilen über die von ihm getätigten Neu- und Gebrauchtwagenverkäufe und die Provisionen des Volkswagenversicherungsdienstes (VVD),
756. die Abmahnungen vom 11.05.2001, 13.06.2001 sowie 17.07.2001 aus seiner Personalakte zu entfernen,
767. an ihn ab 13.07.2001 Schadensersatz in Höhe von 500,-- DM monatlich zu zahlen.
77Die Beklagte hat den Klageantrag zu 5) anerkannt und im Übrigen beantragt,
78die Klage abzuweisen.
79Die Beklagte hat vorgetragen:
80Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehe nicht, da der Kläger die Erkrankung ab 07.05.2001 nicht ordnungsgemäß mitgeteilt und nachgewiesen habe. Im Übrigen könne der Kläger im Rahmen der Entgeltfortzahlung nicht das Benzingeld und den Ersatz für die Fahrzeugnutzung des seiner Ehefrau zur Verfügung gestellten Fahrzeugs verlangen.
81Die Abmahnungen vom 11.05.2001, 13.06.2001 und 17.07.2001 seien wegen der dort jeweils angeführten Pflichtwidrigkeiten des Klägers gerechtfertigt. Der Anspruch des Klägers auf das Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld sei noch nicht fällig.
82Der Kläger habe keinen Anspruch auf private Nutzung des Vorführwagens. Dieser sei ihm lediglich zur Wahrnehmung seiner vertraglichen Tätigkeit zur Verfügung gestellt worden.
83Durch Urteil vom 13.12.2001 hat das Arbeitsgericht für Recht erkannt:
841. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.998,15 DM brutto abzüglich 3.497,25 DM Krankengeld nebst 4 % Zinsen seit dem 01.06.2001 zu zahlen.
852. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.928,16 DM brutto abzüglich 1.818,57 DM Krankengeld zu zahlen.
863. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 11.05.2001 und vom 17.07.2001 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
874. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 13.07.2001 305,-- DM monatlich zu zahlen.
885. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
896. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 43/100 und die Beklagte zu 57/100.
907. Der Streitwert wird festgesetzt auf 54.149,27 DM.
91Gegen dieses ihr am 07.05.2002 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 27.05.2002 Berufung eingelegt und diese am 27.06.2002 begründet.
92Der Kläger hat gegen das ihm am 14.05.2002 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 03.06.2002 Berufung eingelegt und diese am 04.07.2002 begründet.
93Beide Parteien stützen die Berufung maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigen die arbeitsgerichtliche Entscheidung, soweit sie nicht unterlegen waren.
94Die Beklagte beantragt,
95unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.12.2001 – 5 Ca 1592/01 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen hinsichtlich der Ziffer 1), soweit sie zur Zahlung von mehr als 1.971,71 € (3.856,32 DM) brutto abzüglich 1.788,12 € (3.497,25 DM) Krankengeld und hinsichtlich der Ziffer 2) zur Zahlung von mehr als 1.340,35 € (2.621,49 DM) brutto abzüglich 571,92 € (1.118,57 DM) Krankengeld verurteilt worden ist.
96Der Kläger beantragt,
97unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.12.2001 – 5 Ca 1592/01 – abzuändern und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn Urlaubsgeld für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2001 in Höhe von 1.202,41 € (2.351,70 DM), Urlaubsausfallprovisionen für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2001 in Höhe von 1.643,09 € (3.213,60 DM) brutto zu zahlen und die Abmahnung vom 15.06.2001 aus seiner Personalakte zu entfernen.
98Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
99Entscheidungsgründe
100A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet.
101I. Dem Kläger steht als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 03.05.2001 bis 31.05.2001 2.040,97 € (3.991,80 DM) brutto abzüglich des Krankengeldes gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG zu.
102Für die Zeit der Erkrankung vom 01.06.2001 bis 13.06.2001 ergibt sich ein Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe von 1.400,41 € (2.708,16 DM) brutto abzüglich des geleisteten Krankengeldes.
103Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Kläger während des Zeitraums der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG das Entgelt für den Entzug der Fahrzeugnutzung des der Ehefrau des Klägers zur Verfügung gestellten PKW`s zu.
104Ob die Beklagte berechtigt war, die Nutzungsgewährung zu widerrufen, kann dahingestellt bleiben. Für die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 1 EFZG gilt das modifizierte Entgeltausfallprinzip. Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, als wenn er gearbeitet hätte (vgl. z.B. Schmitt, EFZG, 4. Aufl., § 4 Rz. 19).
105Die Nutzung des PKW´s wurde unstreitig entzogen wegen der Erkrankung des Klägers. Wenn der Kläger weiterhin gearbeitet hätte, hätte die Beklagte das Nutzungsrecht nicht widerrufen. Er ist fiktiv so zu stellen, wie wenn er gearbeitet hätte.
106Neben dem unstreitigen Betrag für die Zeit vom 03.05. bis 31.05.2001 in Höhe von 3.856,32 DM brutto steht dem Kläger als Nutzungsentschädigung für 21 Kalendertage 135,48 DM (200,-- DM : 31 Werktage x 21), insgesamt 3.991,80 DM brutto abzüglich des gezahlten Krankengeldes zu.
107Für die Zeit vom 01.06. bis 13.06.2001 ergibt sich ein Anspruch auf zugestandene 2.621,49 DM und auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 86,67 DM (200,-- DM : 30 Kalendertage x 13), insgesamt auf 2.708,16 DM (=1.400,41 €).
108II. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 11.05.2001 und 17.07.2001 aus der Personalakte, wie das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat.
1091. Der Anspruch ergibt sich schon aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht. Weiter kann er auf §§ 1004, 242 BGB analog gestützt werden (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.09.1998, NZA 1999, 141).
110Der Arbeitgeber hat es als vertragliche Nebenpflicht zu unterlassen, rechtswidrige Abmahnungen in der Personalakte zu belassen. Der Arbeitnehmer hat einen vertraglichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber seine Personalakte so führt, dass diese ein vollständiges und vor allem zutreffendes Bild seiner Persönlichkeit als Arbeitnehmer vermittelt.
111Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertraglichen Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- bzw. Dokumentationsfunktion; vgl. z.B. BAG, Urteil vom 26.01.1995 – 2 AZR 649/94 – AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion; vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.11.1993 – 7 AZR 682/92 – AP Nr. 4 zu § 78 BetrVG 1972).
112Eine missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formal nicht ordnungsgemäß ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 27.11.1985 – 5 AZR 101/84 – AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht), der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 13.11.1991 – 5 AZR 94/91 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung; BAG, Urteil vom 10.11.1993 – 7 AZR 682/92 – AP Nr. 4 zu § 78 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 31.08.1994 – 7 AZR 893/93 – AP Nr. 98 zu § 37 BetrVG 1972) oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 14.12.1994 – 5 AZR 137/94 – AP Nr. 15 zu § 611 BGB Abmahnung).
1132. Nach diesen Grundsätzen ist die Abmahnung vom 11.05.2001 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, da sie teilweise unrichtig ist. Ein Vorwurf der Abmahnung ist, dass der Kläger seit dem 07.05.2001 unentschuldigt gefehlt hat. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Der Kläger war in diesem Zeitraum arbeitsunfähig krank und der Beklagten war auch der Grund des Fehlens bekannt.
114Auch die Abmahnung vom 17.07.2001 ist unwirksam. Das Schreiben vom 17.07.2001 erfüllt schon nicht die Anforderungen, die an eine Abmahnung zu stellen sind. Hier fehlt die Warnfunktion. Dem Kläger wird lediglich in Aussicht gestellt, dass, wenn der Käufer des Vorführwagens auf Grund des verkratzten und unpfleglichen Zustandes des Fahrzeugs ein Rücktrittsrecht ausübt, ihm die Kosten in Rechnung gestellt werden. Konsequenzen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses werden nicht angedroht.
115III. Die Klage auf Zahlung der monatlichen Nutzungsausfallentschädigung ab 13.07.2001 ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1161. Soweit die Klage auf zukünftige Leistungen gerichtet ist, ist sie schon unzulässig (§§ 257, 258 ZPO).
117Eine Klage auf zukünftige Leistung setzt voraus, dass ein Anspruch besteht, aus dem sich künftig wiederkehrende Leistungen ergeben. Die Verpflichtung muss einseitig sein und darf nicht – wie im vorliegenden Fall - von einer Gegenleistung, sondern nur vom Zeitablauf abhängig sein (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 21.03.1995 – 9 AZR 596/93 -NZA 1995, 1109). Das dem Arbeitnehmer eingeräumte Recht zur privaten Nutzung eines Dienstfahrzeugs stellt regelmäßig einen Sachbezug dar und ist Teil der Vergütung. Die Vergütung ist nach § 611 Abs. 1 BGB die Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.
1182. Soweit mit dem Antrag schon fällig gewordene Nutzungsausfallentschädigungsansprüche verlangt werden, ist die Klage unbegründet.
119Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Vergütung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG endete mit dem 13.06.2001. Danach bestand für ihn kein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte, so auch nicht auf Nutzungsausfallentschädigung wegen Entzugs des zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Vorführwagens. Das Recht zur privaten Nutzung des Dienstfahrzeugs endet grundsätzlich mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, sofern sich aus der Parteivereinbarung nichts Abweichendes ergibt (vgl. z.B. LAG Köln, Urteil vom 29.11.1995 – 2 Sa 843/95 – NZA 1996, 986).
120B. Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.
121I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung vom 15.06.2001.
122Auch dieses Schreiben ist keine Abmahnung. Es fehlt wie bei der Abmahnung vom 17.07.2001 die Warnfunktion. Wenn die Beklagte zum Ausdruck bringt, dass sie nicht gewillt ist, dieses Verhalten weiter hinzunehmen, so ist nicht ersichtlich, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
123II. Zahlungsansprüche bezüglich des Urlaubsgeldes für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2001 und der Urlaubsvergütung (Urlaubsausfallsprovision) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2001 stehen dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den tariflichen Vorschriften nicht zu.
124Wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht, dass der geltend gemachte Urlaubsvergütungsanspruch fällig ist.
125Nach § 6 Ziffer 1 des einschlägigen Tarifvertrags für das Kfz-Gewerbe hat der Arbeitnehmer in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Urlaubsvergütungsanspruch wird grundsätzlich mit Gewährung des Urlaubs fällig. Ausnahmsweise lässt § 6 Ziffer 21 des einschlägigen Tarifvertrags eine Zahlung des Urlaubsentgelts und des Urlaubsgeldes auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs zu, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst oder ein Lohn-/Gehaltszahlungstermin in die Urlaubszeit fällt. Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass eine Auszahlung der Urlaubsvergütung vor Urlaubsantritt auf Wunsch des Arbeitnehmers nur dann erfolgen kann, wenn der Urlaub vom Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG erteilt worden ist, der Urlaubszeitraum damit zwischen für die Parteien bindend feststeht.
126Entgegen der Auffassung des Klägers stellt der Tarifvertrag nicht auf die festgelegten Urlaubstage ab, sondern auf die tatsächliche Erteilung des Urlaubs. Dies ergibt sich eindeutig aus § 6 Ziffer 6 MTV. Nach dieser Vorschrift ist eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs nur zulässig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen. Diese Vorschrift entspricht der zwingenden Vorschrift des § 7 Abs. 4 BUrlG.
127C. Nach alledem hatten die Rechtsmittel teilweise Erfolg.
128Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
129Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
130Rechtsmittelbelehrung
131Gegen dieses Urteil ist für beide Parteien ein Rechtsmittel nicht gegeben.
132Gegen dieses Urteil ist für beide Parteien mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, anzufechten, werden beide Parteien auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
Knipp | Verch | Hölker |
Berichtigungsbeschluss
135wird das Urteil vom 06.11.2002 dahin berichtigt, dass die Kostenentscheidung bezüglich der Kosten des ersten Rechtszuges wie folgt lautet:
136"Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 46 % und die Beklagte 54 % zu tragen".
137Gründe
138Das Urteil war, wie geschehen, nach § 319 ZPO zu berichtigen, da ein offensichtlicher Übertragungsfehler vorliegt.
139Hamm, den 22.03.2006
140Das Landesarbeitsgericht
141Der Vorsitzende der 18. Kammer
142Knipp
143Vorsitzender Richter
144am Landesarbeitsgericht