Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
In der Regel unterliegt eine Abrede, nach der der Arbeitgeber verpflichtet ist, zur Abgeltung der seinen Außendienstmitarbeitern entstehenden Reisekosten und Spesen einen monatlichen Pauschalbetrag zu zahlen, einem stillschweigend vereinbarten Widerrufsvorbehalt. Beide Vertragsparteien können eine derartige Pauschalierungsvereinbarung unter Wahrung einer Frist von einem Monat zum Monatsende einseitig widerrufen."
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1025,52 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 72 % und die Beklagte 28 %.
3. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 3.685,23 .
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Zahlung einer monatlichen Reisekostenpauschale.
3Der Kläger ist seit dem 01.07.1988 bei der Beklagten, einer bundesweit tätigen Versicherungsgesellschaft, als Außendienstmitarbeiter mit Dienstsitz in B1x B2xxxxxxx beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein schriftlicher Anstellungsvertrag, hinsichtlich dessen Inhalt auf Aktenblatt 30 sowie auf die Vertragsnachträge auf Aktenbl. 6, 31 und 32 Bezug genommen wird. Im Anstellungsvertrag wird verwiesen auf die tariflichen Bestimmungen für das private Versicherungsgewerbe und die bei der Beklagten geltenden "Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte", in denen unter Ziffer 14 die nachfolgenden Regelungen zur Reisekostenpauschalen getroffen sind:
4140 Auszahlung der Reisekostenpauschale
5Die Zahlung der Reisekostenpauschale erfolgt zusammen mit den Bezügen des laufenden Monats.
6141 Kürzung der Reisekostenpauschale bei Ausfalltagen
7Auf die Reisekostenpauschale hat der/die Außendienstangestellte nur dann in voller Höhe Anspruch, wenn die Reisetätigkeit nicht durch Ausfalltage eingeschränkt wurde.
8Ausfalltage sind Tage, an denen der/die Außendienstangestellte keine Außendiensttätigkeit ausgeübt hat, z. B. wegen der nachstehend aufgeführten Gründe:
9- Erholungsurlaub
10- Außerordentlicher Urlaub
11- Krankheit
12- Reisesperre (im Kündigungsfalle)
13- Wehrübungen u. ä.
14- Ganztägige Bürotätigkeit z. B. in einem Geschäftshaus der Gesellschaft
15- Mehrtägige Schulungsveranstaltungen und Tagungen.
16Bei mehrtägigen Schulungsveranstaltungen und Tagungen bleibt ein Tag von der Kürzung ausgenommen. In die vorstehenden Ausfallzeiten fallende Samstage bleiben bei der Kürzung unberücksichtigt.
17 18Ausgefallene Reisetage sind der Geschäftsstelle nach Ablauf eines Kalendermonats, spätestens bis zum 3. des Folgemonats, mit dem Formular Org. 1631 zu melden. Für jeden Ausfalltag kürzt die Gesellschaft im darauffolgenden Monat 1/22 der Reisekostenpauschale.
19142 Umfang der mit der Reisekostenpauschale abgegoltenen Ausgaben
20Mit der Zahlung der Reisekostenpauschale werden alle durch Dienstreisen/Dienstgänge verursachten Ausgaben abgegolten (auch sonstige Kosten, wie z. B. für die Gepäckbeforderung und aufbewahrung, Parkgebühren u. ä. sowie Aufwendungen für Schäden, die am eigenen Kraftfahrzeug entstehen, und Haftpflicht-, Kasko- und Reisegepäck-Versicherungsbeiträge). Ferner sind alle im Geschäftsinteresse aufgewendeten Kosten für Porto und Telefongespräche mit dieser Pauschale abgegolten.
21143 Änderung der Reisekostenpauschale
22Bei Änderungen der Dienststellung und/oder des Arbeitsgebietes wird die Reisekostenpauschale neu festgesetzt. Ab der 7. Krankheitswoche und für volle Monate der Reisesperre entfällt die Reisekostenpauschale.
23In § 20 des Manteltarifvertrags für das private Versicherungsgewerbe (MTV) heißt es unter der Überschrift "Fahrtauslagen und Spesen" unter Ziffer 1:
24Notwendige tatsächliche Fahrtauslagen werden dem/der Angestellten gemäß vorheriger schriftlicher Vereinbarung ersetzt. Pauschale Abgeltung kann vereinbart werden.
25Die Beklagte hat dem Kläger bis einschließlich Juni 2004 eine monatliche Reisekostenpauschale in Höhe von zuletzt 705,00 gezahlt. Ferner hat der Kläger eine Zusatzreisekostenpauschale von monatlich 195,00 erhalten, die dem Grunde nach unstreitig dem Bestandsschutz unterliegt. Mit Schreiben vom 09. Juli 2004 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass sie das System der Reisekostenerstattung umstelle und ab dem 01.07.2004 die notwendigen Dienstreiseaufwendungen im Wege der Einzelreisekostenabrechnung erstattet würde.
26Mit der Klage verfolgt der Kläger für die Monate Juli bis Dezember 2004 Fortzahlung der bisher gezahlten Reisekostenpauschale. Er hat für den Monat Juli zwei Kürzungstage, für den Monat August zehn Kürzungstage und für den Monat Dezember fünf Kürzungstage bei der Klageforderung berücksichtigt.
27Der Kläger meint, die rückwirkende Umstellung des Systems der Reisekostenerstattung stelle sich als unzulässige Teilkündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages dar. Ihm sei seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ausnahmslos ein einheitliches Gehalt überwiesen worden, ohne dass steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich zwischen Vergütung und Reisekostenpauschale differenziert worden sei. Die ihr bisher gewährte Reisekostenpauschale sei daher als Gehaltsbestandteil behandelt worden. Dadurch handele es sich um eine vertragliche Verpflichtung seitens der Beklagten im arbeitsrechtlichen Sinne. Zu einer einseitigen Änderung sei diese daher nicht befugt gewesen. Es sei der Beklagten verwehrt, in den kündigungsschutzrechtlich geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einseitig einzugreifen.
28Der Kläger beantragt,
29die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.685,23 nebst 5 % Zinsen über
30dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu zahlen.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Die Beklagte trägt vor, sie glaube dem Kläger nicht, dass dieser im Juli nur an zwei, im August nur an zehn und im Dezember an fünf Werktagen keine Dienstreisen durchgeführt und in den Monaten September bis November 2004 an jedem Tag Dienstreisen vorgenommen habe. Schon deshalb sei die Klage unschlüssig.
34Im Übrigen meint sie, sie sei befugt gewesen, einseitig das bisherige System der Reisekostenvergütung zu ändern. Der Festsetzung der Reisekostenpauschale habe die tatsächliche Annahme zugrunde gelegen, dass regelmäßig und im Durchschnitt tatsächliche Reiseaufwendungen etwa in Höhe der Reisekostenpauschale entstünden. Daraus folge für den verständigen, objektiven Empfänger, dass die Reisekostenpauschale einseitig reduziert werden könne, falls diese den tatsächlichen Reiseaufwand regelmäßig im Durchschnitt überdecke. Mit der Pauschalabgeltung der Reisekosten sei nur ein einziger Zweck verfolgt worden, nämlich den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Jedenfalls sei nicht beabsichtigt gewesen, einen unabänderlichen Rechtsanspruch auf den zwischen den Parteien festgesetzten Pauschalbetrag zu schaffen. Schon von Natur aus könne der Reisekostenpauschalen keine dauerhafte Wirkung zukommen. Ein entsprechender Rechtsbindungswille könne ihr daher nicht unterstellt werden. Letztlich stelle sich die Vereinbarung der Reisekostenpauschale als bloße Erfüllungsvereinbarung dar, die dem Arbeitgeber ein Wahlrecht eröffne, ob er die Pauschale auszahlen wolle oder seiner Verpflichtung, die entstandenen Reisekosten abzugelten, in anderer Weise nachkommen wolle, wie dies seit dem 01.07.2004 geschehe. Zumindest stelle sich die fragliche Umstellung der Reisekostenvergütung als Ausübung eines stillschweigend vereinbarten Widerrufsrechts dar.
35Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
381. Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt insbesondere entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Bei Leistungsklagen ist ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig zu bejahen. Es fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies kann allerdings nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden, denn grundsätzlich hat jeder Rechtssuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden (Zöller/Greger, ZPO, 24. Auflage 2004, Vor § 253, Rn. 18). Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn ein Vollstreckungstitel bereits vorliegt oder ein derartiger Titel auf einfacherem Wege zu erlangen ist (Zöller/Greger, a. a. O. Rn. 18 a f). Daran fehlt es hier, denn der Kläger ist weder im Besitz eines Titels über die streitgegenständlichen Ansprüche, noch kann er einen derartigen vollstreckungsfähigen Titel auf einfacherem Wege erlangen. Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger habe es in der Hand, durch Einreichung von Einzelkostenabrechnungen seine Reisekosten für den fraglichen Zeitraum zu erlangen, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Es handelt sich dabei gerade nicht um einen einfacheren Weg, den Anspruch geltend zu machen, sondern um einen gänzlich anderen und aufwändigeren.
392. Die Klage ist aber nur teilweise begründet. Der Kläger hat für die Monate Juli und August 2004 unter Berücksichtigung der von ihm angegeben Kürzungstage Anspruch auf Zahlung einer Reisekostenpauschalen in Höhe von insgesamt 1025,52 brutto nebst gesetzlicher Zinsen.
40Anspruchsgrundlage dafür ist die im Arbeitsvertrag vereinbarte monatliche Reisekostenpauschale in Verbindung mit den Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstmitarbeiter und §§ 611, 670 BGB. Danach war die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, dem Kläger für die Monate Juli und August 2004 jeweils 705,00 als Reisekostenpauschale zu zahlen. Hiervon waren die von dem Kläger angegebenen Ausfalltage, nämlich im Juli zwei Ausfalltage und im August zehn Ausfalltage mit je 32,04 (1/22 aus 705,00 ) abzusetzen. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, sie glaube dem Kläger nicht, dass dieser lediglich zwölf Ausfalltage in den beiden vorgenannten Monaten gehabt habe, kann sie damit nicht gehört werden. Der Sache nach handelt es sich dabei um ein unzulässiges Pauschalbestreiten mit Nichtwissen. Ausweislich Ziffer 141 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte existiert ein Formular, mit dem die Ausfalltage durch die Außendienstmitarbeiter gemeldet werden müssen. Dadurch war die Beklagte in der Lage, sich substantiiert einzulassen oder aber vorzutragen, dass der Kläger vertragswidrig die Monatsaufstellung nicht eingereicht hat. Da beides nicht geschehen ist, war insoweit der Sachvortrag des Klägers nach § 138 Abs. 3 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen.
41Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass sie sich bereits mit Wirkung zum 01. Juli 2004 von der bisherigen Erstattungsregelung für Reisekosten habe lösen können. Entgegen ihrer Annahme handelt es sich bei der Pauschalierungsabrede nämlich nicht bloß um eine zwischen den Parteien getroffene Erfüllungsvereinbarung, die es ihr eventuell erlauben würde, jederzeit auf Einzelkostenabrechnung umzustellen. Die Beklagte verkennt, dass die pauschalierte Abgeltung von Reisekosten als tariflich erlaubte Ausnahmeregelung zu § 20 Abs. 1 MTV schon vom Wortlaut her eine Vereinbarung und damit eben einen Vertrag voraussetzt. Die Möglichkeit einer einseitigen sofortigen Lossagung von dieser Vereinbarung würde bedeuten, dass beide Vertragsparteien es in der Hand hätten, die bezweckte Pauschalierung dadurch ad absurdum zu führen, dass wechselseitig für einzelne Monate mit besonders hohem oder besonders geringem Reiseaufwand Einzelkostenabrechnungen verlangt werden könnte. Da die Bemessung der Reisekostenpauschale sich, wie die Beklagte selbst vorgetragen hat, an längerfristigen Durchschnittswerten orientiert hat und damit beiden Seiten eine gewissen Planungssicherheit eingeräumt wurde, erscheint es ausgeschlossen, dass die Parteien der Pauschalierungsabrede eine Bedeutung beimessen wollten, die es ihnen gestatten würde, nach Belieben zwischen Pauschalierung und Einzelkostenabrechnung zu wechseln.
42Demzufolge war es der Beklagen kraft vertraglicher Bindung versagt, für die Monate Juli und August 2004 die Pauschalierungsvereinbarung einseitig zu beenden. Sie war daher in der genannten Höhe zur Zahlung zu verurteilen.
43Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
44Demgegenüber war die Klage hinsichtlich der Zahlungsansprüche ab September 2004 abzuweisen. Die Kammer geht davon aus, dass die vereinbarte Reisekostenpauschale so auszulegen ist, dass sie zugunsten beider Seiten einen stillschweigend vereinbarten Widerrufsvorbehalt enthält (vgl. BAG, Urteil vom 23. November 2000 2 AZR 547/99 = NZA 2001, 492 ff). Die Kammer leitet dies aus der für beide Seiten erkennbaren Zwecksetzung der Pauschalierungsregelung ab. Zurecht weist die Beklagte darauf hin, dass sich die durchschnittlich anfallenden Reisekosten durch verschiedene Umstände dauerhaft in ihrer Höhe verändern können, etwa durch steigende Treibstoffkosten oder durch ein verändertes Reiseverhalten des Außendienstmitarbeiters. Dem trägt auch Ziffer 143 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstmitarbeiter ansatzweise Rechnung, indem dort für bestimmte hier allerdings nicht einschlägige Fälle ausdrücklich eine Änderung der Pauschalen vorgesehen ist. Die Kammer hält diese Regelung nicht für abschließend, denn aus der Natur der Reisekostenpauschalen als pauschale Abgeltung der in Ziff. 142 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstmitarbeiter genannten Aufwendungen, wie aus dem Umstand, dass bei Ausfalltagen die Pauschale der Kürzung unterfällt, ergibt sich ihre grundsätzliche Abhängigkeit von tatsächlich entstandenen Kosten. Angesichts dieser Umstände hält die Kammer es für ausgeschlossen, dass der Kläger darauf vertrauen konnte, er werde dauerhaft pauschale Reisekosten in der bisher gewährten Höhe erhalten. Vielmehr musste er die Möglichkeit erkennen, dass die Beklagte geltend machen kann, die bisher gezahlte Pauschale sei wegen veränderter Umstände zu hoch. Dies musste sich ihm um so mehr aufdrängen, als der Nachtrag zum Vertrag vom 10.05.2002 im Zusammenhang mit der Zusatzreisekostenpauschalen ausdrücklich die Möglichkeit einer Anpassung der Reisekostenpauschalen bei einer Veränderung der Kalkulationsgrundlagen vorsieht. Umgekehrt hatte der Kläger ein Eigeninteresse daran, eine Erhöhung der Reisekostenerstattung durchsetzen zu können, sofern die Pauschale nicht mehr zur Deckung der ihm tatsächlich entstehenden Kosten ausreicht. Aus dieser für beide Seiten klar erkennbaren Interessenlage leitet sich eine beiderseitige Widerruflichkeit der Pauschalierungsabrede ab. Wäre demgegenüber die Reisekostenpauschale Vergütungsbestandteil, wie dies der Kläger meint, so müssten beide Seiten den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wege einer Änderungskündigung in Frage stellen, um eine Anpassung des Pauschalbetrags zu erreichen. Dass dies nicht interessengerecht sein kann, müsste auch dem Kläger einleuchten. Im Übrigen ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag wie aus den vorgelegten Gehaltsabrechnungen, dass dort durchaus zwischen Gehältern einschließlich etwaiger Provisionen einerseits und der Reisekostenpauschalen andererseits unterschieden wurde. Die Kammer hält es angesichts dieser Umstände für ausgeschlossen, dass die Reisekostenpauschale Bestandteil der dem Kläger zugewandten Bezüge geworden ist.
45Die Beklagte hat durch ihr Schreiben vom 09.07.2004 das ihr zustehende, stillschweigend vereinbarte Widerrufsrecht ausgeübt. Dass sie dabei die Grenzen des ihr zugewiesenen Ermessens überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Schließlich ist sie weiterhin verpflichtet, tatsächlich anfallende Reisekosten abzugelten, wie dies bereits aus § 20 Abs. 1 S. 1 MTV folgt und von ihr auch nicht in Abrede gestellt wird. Sie war auch nicht darin beschränkt, ihr Widerrufsrecht ausschließlich zu dem Zweck auszuüben, eine neue Pauschalierungsabrede zu geänderten Sätzen zu erzwingen. Vielmehr stellt es keine für den Kläger unzumutbare Belastung dar, wenn statt dessen die bisherige Pauschalierung der Reisekosten abgelöst wird durch ein System der Einzelkostenabrechnung. Auch dadurch wird der dem Kläger aus § 670 BGB und § 20 Abs. 1 MTV zustehende Anspruch ungeschmälert erfüllt.
46Freilich konnte sich die Beklagte nicht rückwirkend von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Reisekostenpauschale lösen, sondern musste eine Frist von einem Monat zum Monatsende beachten. Zu diesem Ergebnis gelangt man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB. Die Parteien haben eine Regelung über die Ausübung des Widerrufsrechts und der dabei zu beachtenden Fristen nicht getroffen, sodass eine entsprechende Regelungslücke besteht. Diese ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auszufüllen (ständige Rechtsprechung des BGH, etwa BGHZ 127, 138). Die Ergänzung ist anhand des hypothetischen Parteiwillens vorzunehmen, wobei darauf abzustellen ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGHZ 84,1, 7; BGHZ 90, 69, 77). Unter Beachtung dieser Grundsätze geht die Kammer davon aus, dass die Parteien bei einer Regelung über die Ausübung des Widerrufsrechts eine Frist von einem Monat zum Monatsende vereinbart hätten. Dass eine Lösung von der Pauschalierungsabrede nur jeweils zum Ende eines vollen Monats möglich ist, ergibt sich bereits daraus, dass die Pauschale gerade monatlich ausgezahlt werden sollte; dies schließt übrigens auch eine rückwirkende Beseitigung, wie sie vorliegend die Beklagten vornehmen wollte, aus. Würde man es aber was auf den ersten Blick naheliegend erscheint - den Parteien gestatten, sich jedenfalls jeweils zum Monatsende von der Pauschalierungsabrede zu lösen, könnte dies die andere Vertragspartei vor schwerwiegende Probleme stellen, auf die sie sich unter Umständen nicht mehr rechtzeitig einstellen kann. Dies wäre aber unmöglich, falls ein Widerruf in den letzten Tages eines laufenden Monats die Abrede bereits zum Ablauf des selben Monats beenden würde. Die Kammer geht daher davon aus, dass die Vertragsparteien, wenn sie an diesen Fall gedacht hätten, eine Widerrufsfrist von einem Monat zum Monatsende vereinbart hätten. Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch gestützt, dass die Parteien in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Regelung über die Provisionspauschale, eben diese Widerrufsfrist vereinbart haben.
47Daraus folgt, dass die Beklagte sich erst mit Wirkung zum September 2004 von der Pauschalierungsabrede durch Widerruf lösen und auf das in § 20 Abs. 1 S. 1 MTV grundsätzlich vorgesehene System der Einzelkostenerstattung umstellen konnte. Dies führte zur Klageabweisung hinsichtlich der von dem Kläger verfolgten Ansprüche ab September 2004.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
49Der Wert des Streitgegenstands war entsprechend des mit der Zahlungsklage verfolgten Hauptanspruchs festzusetzen.
50Deventer