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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.698,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.273,71 EUR seit 24.06.2006 zu zahlen sowie aus 2.424,53 EUR seit 09.08.2006 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 25.962,26 EUR.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Provisionsrückzahlungsansprüche sowie um Ansprüche auf die übliche Vergütung.
3Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war für die Klägerin als selbstständiger Versicherungsvertreter in der Zeit vom 01.02.2005 bis 31.05.2006 tätig. Die Parteien schlossen einen Vertretervertrag für hauptberufliche Vertreter nach §§ 84 ff. HGB, datiert auf den 10./16.01.2005. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien mit gleichem Datum Besondere Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 folgenden Inhaltes:
4Kündigt der Vertreter, ist, um das Kündigungsrecht des Vertreters nicht zu erschweren, ein etwaiger sich nach Verrechnung mit verdienten Provisionen, Bonifikationen und sonstigen Vergütungen ergebender Unterschuss nach Vertragsbeendigung in 12 gleichen Monatsraten an die D1 zurückzuzahlen. Die erste Rate ist zum Schluss des auf das Vertragsende folgenden Monats zu zahlen. Die folgenden Raten werden zum Ende der jeweils folgenden Monate zur Zahlung fällig. Nach Vertragsbeendigung noch anfallende Vergütungen werden ebenfalls auf den Unterschuss angerechnet. Der Vertreter passt die Ratenzahlung entsprechend an (d.h. Verkürzung des Ratenzahlungszeitraums und/oder Reduzierung der letzten Ratenzahlung) …
10Ferner schlossen die Parteien unter dem 10./16.01.2005 eine Bonifikationsvereinbarung zum Vertretervertrag vom 01.02.2005, nach der dem Beklagten eine zusätzliche Bonifikation in Höhe von 10.000,00 € bei Erfüllung entsprechender Voraussetzungen zustehen sollte (Bl. 244 d. A.).
12Die Klägerin schloss mit dem Agenturinhaber G4 L1 am 10.01.2005/14.01.2005 eine Vereinbarung, nach der der Beklagte Herrn L1 zugeordnet wird, um eine optimale Kundenbetreuung und eine höhere Bestandsproduktion erzielen zu können. Im Gegenzug hat sich Herr L1 verpflichtet, dem Beklagten hierfür alle notwendigen Informations- und Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Das Neukundengeschäft des Beklagten sollte für die Dauer der Zusammenarbeit in den Bestand des Herrn L1 einfließen. Die im Rahmen der Zusammenarbeit erzielte Jahresnettoabschlussprovision des Beklagten sollte bei Ermittlung des erhöhten Abschlussprovisionszuschusses für den Vertreter berücksichtigt werden.
13Mit Datum 22.12.2005/27.12.2005 ist die Vermittlerzuordnung des Beklagten zur Agentur des Herrn L1 durch Vereinbarung zwischen Herrn L1 und der Klägerin zum 31.12.2005 beendet worden. Der Kläger wurde sodann auf seinen eigenen Wunsch der Agentur des Herrn H4 V3 zugeordnet.
14Die Klägerin zahlte an den Beklagten im gesamten Tätigkeitszeitraum einschließlich der Beträge aus den Abrechnungen vom 03.02.2006 und 03.03.2006 22.389,20 €, hiervon 186 € als Fahrtkosten (10/05 36,00 €, 11/05 150,00 €).
15Aus den Abrechnungen vom 03.02.2006 und 03.03.2006 ergeben sich darüber hinaus Provisionsansprüche, die mit der Begründung Stornorücklage nicht zur Auszahlung gelangt sind (Anlagen B17 und B18, Bl. 256,257 d.A.).
16Darüber hinaus erteilte die Klägerin dem Beklagten Abrechnungen vom 05.04.2006, 04.05.2006, 05.07.2006, 03.08.2006 sowie 06.12.2006, aus denen Zahlungen an den Beklagten nicht geleistet worden sind.
17Von den an den Beklagten geleisteten Zahlungen zahlte die Klägerin in den Monaten Februar 2005 bis Januar 2006 folgende Provisionsvorschüsse:
18Monat/Jahr Betrag der Zuzahlung auf den Vorschuss (in €)
1902/2005 1.900,00
2003/2005 1.037,71
2104/2005 890,90
2205/2005 1.014,40
2306/2005 865,01
2407/2005 944,84
2508/2005 183,40
2609/2005 1.044,91
2711/2005 1.540,33
2812/2005 207,38
2901/2006 715,85
30Insgesamt 10.344,73.
31Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 30.03.2006 zum nächstmöglichen Termin. Die Klägerin bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung zum 31.05.2006 und machte gegen den Beklagten die Rückzahlung des mit Stand März 2006 bestehenden Schuldensaldos in Höhe von 10.344,73 € geltend.
32Zu Gunsten des Beklagten bestand noch ein Stornoreserveguthaben in Höhe 646,49 €.
33Die Klägerin trägt vor:
34Der Beklagte sei zur Rückzahlung der gezahlten Provisionsvorschüsse abzüglich des Stornoreserveguthabens, mithin zur Rückzahlung eines Betrages von 9.698,24 €, verpflichtet.
35Der Beklagte sei freier Handelsvertreter gewesen. Die Klägerin schulde dem Beklagten ausschließlich Provisionen aus erfolgreicher Vermittlungstätigkeit.
36Das Vertragsverhältnis sei auch nicht als Arbeitsverhältnis gehandhabt worden.
37Der Beklagte sei auch vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin als freier Handelsvertreter tätig gewesen, er habe im Zusammenhang mit den Einführungsgesprächen erklärt, nie mehr als Angestellter arbeiten zu wollen.
38Die Klägerin habe dem Beklagten gegenüber Weisungen nicht erteilt. Richtig sei, dass der Beklagte bei seiner Tätigkeit unterstützt worden sei. Der Beklagte habe keiner Verpflichtung unterlegen Wochenplanungen und/oder Wochenberichte auf von der Klägerin vorgegebenen Formularvordrucken zu erstellen und an die Klägerin regelmäßig zu übermitteln. Eine diesbezügliche Verpflichtung im Wege einer "Anweisung" an den Beklagten sei von Seiten des Orga-Leiters W1, der Klägerin oder eines anderen Mitarbeiters der Klägerin nicht ergangen.
39Die Zuordnung zu einer Agentur sei jeweils erfolgt, um dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, in einem bereits vorhandenen Kundenstamm Vertragsabschlüsse und so für sich Provisionen zu erzielen.
40Der Beklagte sei zudem der D1-Generalvertretung des H4 V3 auf seinen eigenen Wunsch hin zugeordnet worden. Bei Herrn H4 V3 handele es sich um den damaligen Schwiegervater in spe des Beklagten. Sofern dieser Weisungen an den Beklagten gegeben haben sollte, seien diese der Klägerin nicht zuzurechnen. Es handele sich insoweit um Vorgänge, die sich ausschließlich im Rechtsverhältnis zwischen dem selbstständigen D1-Vertreter V3 und dem in gleicher Weise selbstständigen Beklagten abgespielt hätten.
41Bei der Agentur L1 habe der Beklagte höchstens dreimal in der Woche jeweils 1 bis 1,5 Stunden verbracht. Auch in dieser Zeit habe der Beklagte frei entscheiden können, welche Tätigkeiten er ausüben wolle. Nur wenn zwei Kunden gleichzeitig im Büro gewesen seien, habe sich der Beklagte um einen dieser Kunden kümmern müssen. Urlaubsanträge habe er nicht stellen müssen.
42Die Klägerin habe dem Beklagten nicht verbindliche Vorgaben gemacht, wonach er mindestens 15 bis 20 Termine/Besuchstermine pro Woche zu vereinbaren bzw. zu tätigen gehabt hätte. Durch die Klägerin seien für den Beklagten auch nicht bestimmte Termine/Besuchstermine vereinbart worden, ohne dass der Beklagte darum gebeten hätte bzw. mit einer solchen Terminsvereinbarung einverstanden gewesen wäre. Soweit sich der Beklagte auf die Wochenplanung für die 8. Kalenderwoche berufe, habe es sich nicht um eine angeforderte, sondern um eine vom Beklagten freiwillig von sich aus gemachte Planung gehandelt, um dessen eigenen Lernprozess, den er unbestreitbar als ungelernter Versicherungsvertreter habe durchmachen müssen, effektiver zu gestalten. Die Erstellung solcher Wochenplanungen habe im Interesse des Beklagten gelegen. In einer Vielzahl von Unterstützungsgesprächen habe der Organisationsleiter W1 mit dem Beklagten und zunächst im Verlaufe des Jahres 2005 mit dem selbstständigen Agenturinhaber L1 Überlegungen angestellt, wie der Beklagte unterstützt werden könne, die Versicherungsvermittlung zu erlernen und damit letztendlich auch seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das Ergebnis dieser Unterstützungs- und Beratungsgespräche sei u.a. gewesen, dass der Beklagte damit einverstanden gewesen sei und von sich aus auch angeboten hätte, jeweils am Ende einer Woche bzw. unmittelbar zu Wochenanfang für sich selbst eine Wochenplanung zu erstellen. Es habe sich damit um einen eigenen Vorschlag des Beklagten gehandelt, wie er sich seine eigenen Akquisitionsaktivitäten im Laufe der folgenden Arbeitswoche vorstelle. Vereinbart gewesen sei, dass der Beklagte diese Planungen dem Organisationsleiter W1 vorlegte, damit dieser die Wochenplanung durchsehe und Ergänzungs- oder Änderungsbedarf, der aus Sicht des Organisationsleiters W1 bestanden hätte, zu besprechen.
43Der Zweck des Anrufes des Orga-Leiters W1 bei den K3 Maria P2 und M2 H5 sei gewesen, die Resonanz beim Kunden abzuklären. Dies sei das gute Recht eines Versicherers in dessen Namen und Auftrag ein Versicherungsvertreter tätig werde und für dessen Handeln und für dessen Aussagen und Erklärungen der Versicherer in aller Regel in vollem Umfang einzustehen habe. Auch hierin läge keine arbeitsrechtliche Kontrolltätigkeit.
44Die Klägerin habe den Beklagten auch nicht verbindlich angewiesen, mindestens drei bis vier Termine in den Abendstunden zu machen und im Übrigen insgesamt mehr Termine zu machen. Aus dem von dem Beklagten vorlegten Schreiben vom 21.02.2006 des Regionaldirektors M3 ergebe sich noch nicht einmal, für welchen Zeitraum diese angeblich verbindliche Anweisung gelten sollte. Im Übrigen habe es sich bezüglich dieses Schreibens lediglich um einen Hinweis an den Beklagten gehandelt, wie er seine Termin planen sollte, um zu höherer Effektivität zu kommen. Von den Abendstunden habe Herr M3 in seinem Schreiben wahrscheinlich nur deswegen gesprochen, weil er gesehen habe, dass in der 8. KW beim Beklagten Terminierungen in der Zeit von 09:00 bis 16:00 Uhr überhaupt nicht möglich gewesen seien, so dass nur eine Erstreckung von Besuchs- oder Telefonterminen mit der Kundschaft in den Abendstunden möglich gewesen sei. Zu bedenken sei, dass die Kunden gerade in den Abendstunden zu erreichen seien.
45Der Beklagte habe diese Hilfe auch als solche verstanden, wie sich aus dessen Schreiben vom 27.02.2006 ergäbe. Trotz wiederum dürftiger Wochenplanungen für die 9. und 10. Kalenderwoche sei es aber zu rechtlichen Sanktionen nicht gekommen. Vielmehr sei lediglich vereinbart worden, mit dem Beklagten darüber zu sprechen, dass nur eine höhere Anzahl von Terminen zu der angestrebten Effektivität führen würde. Der Beklagte habe in der 10. KW gerade einmal zehn Kundentermine anvisiert und daher auch nur eine äußerst geringe Provision von 92,79 € in dieser Woche erzielt.
46Bezüglich des Zeitpunktes zu dem die Wochenplanung vorgelegt werden sollte, sei eine spätere Vorlage als am ersten Tag der betreffenden Woche bis spätestens 12:00 Uhr mittags nicht sinnvoll, wenn die (künftige) Wochenplanung besprochen werden sollte. Es habe sich insoweit um ein reines Zweckmäßigkeitserfordernis gehandelt.
47Auch bezüglich der Schulungstermine gelte, dass die Wahrnehmung dieser Termine allein im Interesse des Beklagten gelegen hätte um dessen hinreichende Qualifikation und Effektivität bei der Tätigkeit zu gewährleisten.
48Zu dem Seminar 18./19.11.2006 habe der Orga-Leiter W1 die 4 Vermittler einschließlich des Beklagten vorsorglich und prophylaktisch bereits angemeldete gehabt. Die Mitteilung, dass eine Abmeldung von Seiten eines Vermittlers unerwünscht sei, habe nichts anderes bedeutet, als dass der Orga-Leiter W1 davon ausgegangen sei, dass alle 4 Vermittler seiner Einladung Folge leisten würden. Ein Zwang sei hiermit jedoch nicht verbunden gewesen. Dieses gelte entsprechend für das Einladungsschreiben der Regionaldirektion M4 vom 12.01.2006. Bezüglich dieses 2-Tages-Seminar sei eine Teilnahmeverpflichtung nicht gegeben gewesen. Die Anmeldung für dieses Seminar sei von der Klägerin vorgenommen worden, nachdem Absagen bis zu einem bestimmten Termin nicht eingegangen gewesen seien. Es sei demgemäß selbstverständlich, dass für den Fall einer späteren Stornierung die Stornokosten von dem Vermittler zu tragen seien. Entsprechendes gelte für das Folgeseminar, das mit E-Mail vom 09.03.2006 angekündigt worden sei.
49Der Beklagte habe letztlich auch nur im eigenen Interesse an den Schulungen zum Versicherungsmakler teilgenommen. Es habe sich dabei auch nur um jeweils ein bis zwei Wochen gehandelt, dann sei wieder Monate keine Ausbildung zu besuchen gewesen. Arbeitsrechtliche Sanktionen hätte die Nichtteilnahme an der Ausbildung nicht gehabt. Das Vertragsverhältnis wäre beendet worden, dieses sei bei freien Handelsvertretern ohne Gründe möglich.
50Offene Provisionsforderungen des Beklagten gegen die Klägerin beständen nicht mehr. Soweit sich aus den Abrechnungen ab April 2006 Ansprüche des Beklagten ergäben, seien diese mit der Stornorücklage verrechnet worden. Dies ergebe sich eindeutig aus den Abrechnungen.
51Soweit der Kläger gegen die Klageforderung mit Vergütungsansprüchen aufrechne, sowie darüber hinaus Widerklage erhebe, ständen dem Beklagten als Handelsvertreter über die vereinbarten Provisionen hinaus Zahlungsansprüche nicht zu. Die Vorschriften des Mantel- bzw. Gehaltstarifvertrages der Versicherungswirtschaft seien auf das Vertragsverhältnis nicht anwendbar. Darüber hinaus berücksichtige der Beklagte nicht alle zu seinen Gunsten abgerechneten Provisionsansprüche. In den am 03.02.2006 und 03.03.2006 erteilten Abrechnungen sei ein höherer als der ausgezahlte Betrag provisionsmäßig gutgeschrieben worden, lediglich die vertraglich vorgesehene Stornoreserve sei hiervon einbehalten worden.
52Die Klägerin bestreite im Übrigen, dass die vom Beklagten behauptete Vergütung in Höhe von 1.665,00 € brutto monatlich die für einen Versicherungsvermittler übliche Vergütung sei, nämlich die übliche Provision im Sinne des § 87 b Abs. 1 i. V. m. § 92 HGB. Bestritten werde darüber hinaus, dass es sich bei der Provisionsabsprache, die die Parteien getroffen hätten, aus der sich im Ergebnis ein monatliches Provisionseinkommen des Beklagten von unter 1.000,00 € ergebe, allein aus diesem Grunde sittenwidrig gewesen sein soll.
53Die Klägerin hatte mit der Klageschrift zunächst die Zahlung von 9698,24 € nebst Zinsen gegen den Beklagten geltend gemacht.
54Nach gerichtlichem Hinweis noch nicht eingetretener Fälligkeit nahm die Klägerin im Termin am 15.03.2007 die Klage zurück, soweit diese über einen Betrag iHv 7273,71 € nebst Zinsen hinausging. Nunmehr hat die Klägerin hinsichtlich des ursprünglich zurückgenommenen Betrags die Klage wieder erweitert.
55Die Klägerin beantragt,
56den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9.698,24 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.273,71 € seit Rechtshängigkeit sowie aus dem Restbetrag seit dem 09.08.2007 zu zahlen
57sowie
58die Widerklage abzuweisen.
59Der Beklagte beantragt,
60die Klage abzuweisen
61sowie widerklagend,
62die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 6.565,78 € nebst 5 Prozent Zinsen über Diskont seit dem 01.06.2006 zu zahlen.
63Soweit der Beklagte ursprünglich einen Betrag in Höhe von 6.730,78 € brutto nebst Verzugszins geltend gemacht hat, hat er den darüber hinaus gehenden Antrag zurückgenommen.
64Der Beklagte trägt vor:
65Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Erstattung von Provisionsvorauszahlungen. Um solche habe es sich bereits nicht gehandelt. Die Klausel in der Besonderen Vereinbarung zum Vertretervertrag zur Zahlung einer Aufbauhilfe sei dahingehend auszulegen, dass dem Beklagten die Zahlungen tatsächlich nicht als Darlehen sondern als Vergütung während der Startphase zufließen sollten. Es handele sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Zweifel in der Auslegung gingen gemäß § 305c BGB zu Lasten des Verwenders. Die Klausel benachteilige den Beklagten zudem unangemessen im Sinne § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
66Tatsächlich habe sich das Vertragsverhältnis der Parteien entgegen der schriftlichen vertraglichen Vereinbarungen als Arbeitsverhältnis gestaltet. Der Beklagte habe seine Tätigkeit nicht frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen können.
67Der Beklagte sei schon nicht frei in der Wahl seines Arbeitsortes gewesen. In Nr. 9 der Besonderen Vereinbarung zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 sei geregelt, dass der Schwerpunkt seines Tätigkeitsbereiches im Zuständigkeitsgebiet des Herrn L1 gelegen habe. Der Beklagte sei also gehindert gewesen, außer auf im Einzelfall ergehende abweichende Anweisungen der Klägerin hin, in einem anderen Gebiet als dem der Agentur L1 werbend tätig zu werden. Diese Regelung sei von der Klägerin auch sehr ernst genommen worden. Als der Beklagte mit Wirkung zum 01.01.2006 zu einer anderen Agentur, nämlich derjenigen des Herrn V3 versetzt worden sei und damit in einem anderen Bezirk tätig werden sollte, sei hierüber extra ein Änderungsvertrag errichtet worden.
68Während seiner Zeit in der Agentur L1 habe der Beklagte fest vorgegebene Dienstzeiten gehabt. Er habe täglich von 09:30 Uhr bis 12:30 Uhr in deren Räumlichkeiten anwesend sein und dort neben den üblichen Bürotätigkeiten Telefondienst verrichten und Besucher empfangen müssen. Verspätete er sich aus welchem Grund auch immer, so sei er ausdrücklich angewiesen gewesen anzurufen und unter Angabe des Grundes sich hierfür zu entschuldigen.
69Urlaub habe mit dem Agenturleiter L1 abgestimmt werden müssen und dann bei dem Organisationsleiter W1 beantragt werden müssen, der dann über die Gewährung entschieden habe. Sei der Agenturleiter L1 selbst ortsabwesend gewesen, seien für den entsprechenden Zeitraum Urlaubsanträge des Klägers abgelehnt worden. Dieses sei ihm bereits auch vorab so mitgeteilt worden.
70Auch für die restliche Zeit des Tages sei der Beklagte nicht frei in der Entscheidung gewesen, ob, wann und was er arbeiten wolle. Vielmehr sei er verpflichtet gewesen Termine zu vereinbaren und Besuche zu tätigen und zwar nach Vorgaben der Regionaldirektion der Klägerin mindestens 15 bis 20 pro Woche. Hierüber habe der Beklagte Wochenplanungen und Berichte auf von der Klägerin vorbereiteten Formularvordrucken zu übermitteln gehabt, in denen genau anzugeben gewesen sei, an welchem Wochentag um wie viel Uhr wer besucht werden solle und worden sei und dieses, soweit bekannt, auch unter Angabe der Telefon-Nummer des Besuchten, damit die Angaben von der Klägerin hätten nachgeprüft werden können. So habe der Organisationsleiter W1 z.B. die Kunden M5 P2 und M2 H5 angerufen und gefragt, ob der Beklagte tatsächlich bei ihnen gewesen sei. Die Klägerin habe den Beklagten zudem aufgefordert mit Schreiben vom 21.02.2006, mindestens drei bis vier Termine in den Abendstunden zu terminieren, also klare zeitliche Vorgaben gegeben. Die Wochenplanungen und Berichte hätten dem Organisationsleiter W1 spätestens jeweils montags bis 12:00 Uhr vorliegen müssen. Soweit dieses vom Beklagten nicht eingehalten worden sei, habe er sofort eine Beschwerde-E-Mail erhalten, wie die E-Mail vom 20.02.2006.
71Darüber hinaus seien dem Beklagten von der Klägerin Termin vorgegeben worden, die er habe wahrnehmen müssen. So sei er mit E-Mail des Organisationsleiters W1 vom 11.11.2005 aufgefordert worden, am 18.11.2005 von 14:00 bis 20:00 Uhr und am 19.11.2005, einem Samstag, von 10:00 bis 12:00 Uhr an einer Telefonverkaufsveranstaltung in der Regionaldirektion M4 der Klägerin teilzunehmen. Ferner habe er am Wochenende auf der Verkaufsschau eines Motorrad-Hauses in O2 präsent sein müssen. Ihm sei mit der Einladung mitgeteilt worden, dass er für den Fall, dass er nicht erscheine Stornokosten begleichen müsse. Mit E-Mail vom 09.03.2006 sei ihm mitgeteilt worden, dass ein zweiter Teil dieser Veranstaltung am 15.03.2006 von 10:00 Uhr bis unbestimmt in G3 stattfinde.
72Hinzu gekommen seien Besprechungstermine im Büro des Organisationsleiters W1, zu denen dieser zu vorgegebener Zeit und mit dem ausdrücklichen Anmerken "die Einladung ist verbindlich für die Angeschriebenen" gebeten habe.
73Darüber hinaus sei der Beklagte verpflichtet gewesen, an den Grundausbildungsseminaren der Klägerin, welche sämtlich in deren Direktion in K1 stattgefunden hätten und jeweils 1 Woche dauerten, teilzunehmen. Die Verpflichtung ergäbe sich aus Nr.1 Abs.2 des Vertretervertrags. Die Nichterfüllung der Ausbildungsanforderungen hätte die Kündigung des Vertragsverhältnisses zur Folge gehabt. Auf die zeitliche Lage der Seminare habe der Beklagte keinen Einfluss gehabt. Jeweils im unmittelbaren Anschluss nach den Seminaren in K1 hätten dann weitere 2-tägige sogenannte Nachschulungen in der Regionaldirektion M4 stattgefunden. Auch hier habe Anwesenheitspflicht geherrscht.
74Die Beschränkung der Vergütung des Beklagten ausschließlich auf Provisionsansprüche sei sittenwidrig. Der Beklagte habe keinerlei Kenntnisse und Erfahrungen im Versicherungsgeschäft gehabt, über keine Kundenkartei verfügt und nicht die Bedingungen der Vielzahl unterschiedlicher von ihm zu vertreibender Versicherungen gekannt. Er hätte selbst dann, wenn er zufällig einen potentiellen Kunden gefunden hätte, diesem die Versicherungsbedingungen nicht erklären können. Der Kläger wäre damit nicht in der Lage gewesen, bei normaler Arbeitsleistung eine für seinen Lebensunterhalt ausreichende Vergütung zu erzielen.
75Dem Beklagten stände demnach als Arbeitnehmer die übliche Vergütung zu, deren Höhe sich aus den Tarifverträgen für die private Versicherungswirtschaft ergäbe. Für den Zeitraum 01.02.2005 bis 31.05.2006 ergäbe sich hiernach ein Gesamtzahlungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin iHv 28.624,13 €. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 28.08.2007 (Bl.349ff. der Akte) verwiesen.
76Diesem Anspruch ständen tatsächliche Zahlungen der Klägerin an den Beklagten iHv 22.203,10 € (21.892,55 € entsprechend Schriftsatz vom 28.08.2007 zuzüglich weiterer 310,10 € aus 10/05) gegenüber, so dass dem Beklagten noch ein Zahlungsanspruch iHv 6565,78 € zustehe. Mit diesem Anspruch werde gegen die Klageforderung vollumfänglich aufgerechnet. Bezüglich des danach noch verbleibenden vorerrechneten Restlohnanspruchs erhebe er Widerklage.
77Entscheidungsgründe
78I
79Die Klage ist mit Ausnahme der Höhe des Zinsanspruchs begründet.
80Der Beklagte ist zur Rückzahlung der überzahlten Provisionen verpflichtet.
811. Der Rückzahlungsanspruch folgt aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung von Provisionsvorschüssen.
82a) Nach Rechtsprechung des BAG verpflichtet sich derjenige, der Geld als Vorschuss nimmt, den Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit eine bevorschusste Forderung nicht besteht (BAG, 20.06.1989, 3 AZR 504/87 m. w. N. a. d. R. d. BAG).
83b) Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten ausdrücklich vereinbart. In den Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 ist die Verrechnung der Provisionsvorauszahlungen mit erworbenen Ansprüchen auf Provision, vereinbarte Bonifikation sowie sonstige Vergütungen (Nr. 4) vereinbart. In Nr. 7) der Vereinbarung ist geregelt, dass der noch ausstehende Unterschuss vom Vertreter auszugleichen ist.
84c) Die Regelungen der Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 verpflichten den Beklagten eindeutig zur Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse.
85aa) Es handelt sich bei den Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Die Klauseln sind unstreitig für eine Vielzahl von Verträgen von der Klägerin vorformuliert.
86Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeit des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind (BAG, 24.10.2007, 10 AZR 825/06 m. w. N.).
87Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartei zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG a. a. O.).
88Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs.2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs.2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB- Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug genießt (BAG a.a.O.).
89bb)Die Auslegung der Besonderen Bedingungen zum Vertretervertrag führt zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis. Damit ist für die Anwendung der Unklarheitenregel kein Raum. Die Regelungen sind damit auch nicht unwirksam gem. § 307 Abs.1 Satz2 BGB.
90Unter Berücksichtigung o.g. Auslegungsgrundsätze sind die Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 dahin auszulegen, dass die Parteien eine Vereinbarung über die Zahlung von Provisionsvorschüssen getroffen haben, die im Falle der Beendigung des Vertragsverhältnisses zurückzuzahlen sind, soweit diese nicht mit nach den Provisionsvereinbarungen verdienten Ansprüchen des Vertreters verrechnet worden sind.
91Die Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 verwenden zwar im ersten Absatz das Wort "Aufbauhilfe". Gleich in diesem Absatz wird sofort aber angefügt, dass die Aufbauhilfe in Form eines (gleichbleibenden) Vorschusses gewährt wird.
92Typischerweise wird im Zusammenhang mit Zahlungsansprüchen unter Vorschuss eine Leistung vor Entstehen oder mindestens vor Fälligkeit eines erwarteten Anspruchs verstanden, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt oder um freies Dienstverhältnis.
93Handelt es sich hingegen um die Bezeichnung von Ansprüchen auf ein während einer Einarbeitungs-/Aufbauphase festes Einkommen, wird dieses typischerweise nicht als Vorschuss bezeichnet sondern als Entgelt, Vergütung, Gehalt o.ä..
94Die Vereinbarungen im Übrigen regeln eindeutig, dass es sich um Vorschüsse im genannten Sinne handelt und nicht um Ansprüche auf ein während der Aufbauphase zu zahlenden festes Entgelt.
95Nr. 4) der Vereinbarung regelt eindeutig sowohl die Verrechnung der Aufbauhilfe mit auf Grundlage des Vertretervertrages erworbenen Ansprüchen, der vereinbarten Bonifikation sowie sonstiger Vergütungen, wie auch die Fortschreibung des sich jeweils ergebenden Vorschusssaldos (Unterschusses) bis zur vollständigen Verrechnung bzw. Beendigung des Vertretervertrages.
96Nr. 7) der Besonderen Vereinbarungen regelt sodann ausdrücklich die Verpflichtung zur Rückzahlung des Unterschusses im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch für den Fall der Kündigung durch den Vertreter.
97Für die Annahme, bei der Aufbauhilfe habe es sich nicht um Vorschüsse gehandelt, die eine Rückzahlungsverpflichtung auslösen, gibt es daher bereits nach dem Wortlaut der Vereinbarung keine Anhaltspunkte.
98d) Durch die Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 wird der Beklagte auch nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Damit ist die Vereinbarung auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
99Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die typischen Interessen der Vertragspartner sind unter besonderer Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen wechselseitig zu bewerten. Die Unangemessenheit richtet sich nach einem generellen typisierenden vom Einzelfall losgelösten Maßstab unter Berücksichtigung von Gegenstand, Zweck und Eigenart des jeweiligen Geschäfts innerhalb der beteiligten Verkehrskreise. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 BGB) (BAG, 06.09.2007, 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219).
100aa) Die formularmäßige Verpflichtung der Rückzahlung von Vorschüssen benachteiligt den Beklagten nicht unangemessen.
101Es entspricht der typischen Interessenlage, dass derjenige, der Geld als Vorschuss nimmt, sich verpflichtet, den Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit die bevorschusste Forderung nicht besteht (BAG, 20.06.1989, 3 AZR 504/07 a. a. O.).
102bb) Soweit sich aus den Besonderen Vereinbarungen zum Vertretervertrag vom 01.02.2005 zugleich ergibt, dass dem Beklagten ein Anspruch auf ein monatlich garantiertes Entgelt während der Aufbauphase nicht entsteht, handelt es sich gem. § 611 Abs. 1 BGB um die Hauptabrede eines selbstständigen Vertrags, die nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nur auf Transparenz kontrollierbar wäre (BAG, 06.09.2007 a. a. O.). Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung unterliegen aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig keiner Inhaltskontrolle ( BAG, 27.11.2003, 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597 m.N.a.d.R.d.BGH).
1034. Dem Beklagten stehen gem. § 387 BGB aufrechnungsfähige Ansprüche gegen den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der streitbefangenen Provisionsvorschüsse nicht zu. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf die übliche Vergütung im Sinne des § 612 BGB. Die Vergütungsvereinbarung mit Verpflichtung zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).
104Die Vereinbarung könnte zwar sittenwidrig sein, wenn durch die Vorschusszahlung eine unzulässige Bindung des Arbeitnehmers herbeigeführt wird, oder wenn die Provisionsabrede so getroffen wird, dass der Arbeitnehmer die geforderten Umsätze überhaupt nicht erbringen kann (BAG, 20.06.1989, 3 AZR 504/87 a. a. O.). Hierfür bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.01.2007 (Bl. 399 ff. d. A.) einen einer Vollzeitbeschäftigung entsprechenden Beschäftigungsumfang des Beklagten bestritten hat.
105a) Die Kammer geht davon aus, dass der Beklagte entgegen der vertraglichen Vereinbarung im Vertretervertrag vom 01.02.2005 Arbeitnehmer und nicht freier Handelsvertreter gewesen ist.
106aa)Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
107Insbesondere ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Arbeitsverhältnis ist ein auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Die vertraglich geschuldete Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Selbstständig ist dagegen, wer frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Für die Abgrenzung hat sich das Gesetz im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte auf diese beiden Kriterien beschränkt. Zwar sind dabei alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich jedoch diesen gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung ist das letztere maßgebend. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles an (BAG, 20.08.2003, 5 AZR 610/02, NZA 2004, 39; 15.12.1999, 5 AZR 169/99).
108bb)Die Beurteilung des Vertragsverhältnisses der Parteien als Arbeitsverhältnis folgt aus der Weisungsgebundenheit des Beklagten hinsichtlich seiner Arbeitszeit.
109Bzgl. Anfang und Ende der Arbeitszeit enthält der Vertretervertrag keine Vorgaben. Diese Regelung ist zur Abgrenzung von selbstständigen im Verhältnis zu angestellten Außendienstmitarbeitern nicht geeignet. Da sich beide Beschäftigtengruppen gleichermaßen nach den zeitlichen Vorgaben der Kunden richten müssen, verzichtet der Prinzipal regelmäßig auch dem angestellten Außendienstmitarbeiter gegenüber auf Weisungen zur Lage der Arbeitszeit (BAG, 15.12.1999, 5 AZR 169/99, AP-Nr. 12 zu § 84 HGB).
110Der Beklagte war jedoch verpflichtet, wöchentlich Wochenpläne aufzustellen und dem Organisationsleiter der Klägerin W1 bis montags 12:00 Uhr vorzulegen sowie eine Mindestanzahl von Terminen (3 – 4) in den Abendstunden wahrzunehmen, im Übrigen insgesamt mindestens 15 – 20 Termine je Woche durchzuführen. Bzgl. der Terminierung in den Abendstunden ergibt sich dies eindeutig aus der E-Mail des OL W1 vom 21.02.2006 bzgl. der Wochenplanungen aus der E-Mail des OL W1 vom 20.02.2006. Die Klägerin hat im Übrigen nicht bestritten, dass der Beklagte zudem jedenfalls deutlich mehr als 10 Besuchstermine in der Woche durchführen sollte. Dies ergibt sich indiziell zudem aus der von der Klägerin vorgelegten internen E-Mail vom 07.03.2006 von Herrn M3 an Herrn W1. Streitig ist lediglich, ob dem Beklagten damit Weisungen im arbeitsrechtlichen Sinne erteilt worden waren.
111Die Weisungen waren insoweit auch von Personen ergangen, die sich die Klägerin zurechnen lässt, nämlich vom Organisationsleiter W2 oder vom Regionaldirektor M3. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beklagte daneben ggf. in einem Vertragsverhältnis mit dem jeweiligen Agenturinhaber gestanden hat und auch jeweils dessen Weisungen Folge zu leisten hatte.
112Die Festlegung eines Mindestsolls beschränkt den Betroffenen in der freien Bestimmung seiner Arbeitsdauer. Mit dem Selbstständigenstatus lassen sich entsprechende Vorgaben nur vereinbaren, wenn dem Betroffenen mit Blick auf die notwendige Arbeitszeit ein erheblicher Spielraum verbleibt (BAG a. a. O. m. w. N.).
113Dies gilt nicht nur, wie in dem vom BAG entschiedenen Fall, soweit ein mindestens zu erwirtschaftender Umsatz gefordert wird, sondern umso mehr, soweit – wie hier – eine Mindestanzahl von Terminen, noch dazu zu einer bestimmten Tageszeit, vorgegeben wird.
114Dem Beklagten verbleibt keine hinreichende eigene Entscheidungsmöglichkeit bzgl. der Gestaltung seiner Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht. Die Wahrnehmung von mindestens 15 – 20 Terminen pro Woche legt den Beklagten bereits vom zeitlichen Umfang her in erheblichem Maße fest. Entscheidend ist jedoch, dass die Klägerin auch die zeitliche Festlegung vornimmt, wenn sie fordert, 3 – 4 Termine in den Abendstunden zu terminieren. Da diese Aufforderung sich erkennbar auf 3 – 4 Termine täglich bezieht, legt die Klägerin damit den wesentlichen Teil der vom Beklagten zu erbringenden Haupttätigkeit, nämlich der Versicherungsvermittlung, fest. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob der Beklagte darüber hinaus mit der Verpflichtung zur Teilnahme an der Fortbildung zum Versicherungsfachmann (BWV) sowie weiteren zeitlichen Verpflichtungen in der zeitlichen Gestaltung seiner Tätigkeit wesentlich eingeschränkt ist.
115Es kann auch nicht der klägerischen Ansicht gefolgt werden, der Beklagte hätte den als Hilfsangebot gemeinten Aufforderungen nicht nachkommen müssen. Die Klägerin selbst weist darauf hin, dass für den Fall des Nichterreichens der geforderten Effektivität das Vertragsverhältnis beendet worden wäre. Dies ergibt sich zudem deutlich aus E-Mail des OL W1 an den RD M3 vom 09.12.2005, mit der einer "Umbesetzung" des Beklagten "als letzte Probezeit zur Leistungsverbesserung" zugestimmt wurde. Selbstverständlich wäre die Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Sanktion auf die aus Sicht der Klägerin nur ungenügenden Leistungen des Beklagten im Vertragsverhältnis. Dabei hat die Klägerin die Ursachen letztlich gerade in der geringen Zahl der Wochentermine und der unzureichenden Terminierung in den Abendstunden ausgemacht, wie sich aus dem Schriftsatz der Klägervertreterin und der in Bezug genommenen E-Mail des Regionaldirektors M3 an den Organisationsleiter W1 vom 07.03.2006 ergibt.
116Es stand damit nicht im Belieben des Beklagten, den Aufforderungen der Klägerin zu folgen.
117cc)Dies gilt auch bzgl. der wöchentlich vorzulegenden Wochenplanungen.
118Gem. § 86 Abs. 2 HGB hat der Versicherungsvertreter dem Unternehmen "die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen." Was inhaltlich und zeitlich unter den Begriff "erforderliche Nachrichten" fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten. Der Grad zulässiger Kontrolle ist überschritten, wenn der Vertreter verpflichtet wird, umfangreich und in engen zeitlichen Intervallen über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten und das Unternehmen damit die Möglichkeit erhält, ihn zu überprüfen und die selbstbestimmte Gestaltung seiner Tätigkeit zu beeinträchtigen (BAG a. a. O.).
119Im Streitfall hatte der Beklagte die Wochenplanungen gerade zu dem Zweck vorzulegen, dass der Klägerin eine Kontrollmöglichkeit und ggf. eine diesbezüglich Einwirkungsmöglichkeit eingeräumt wird. Dies ist mit dem Selbstständigenstatus nicht vereinbar.
120Bzgl. der klägerseitig behaupteten Freiwilligkeit gilt das oben Ausgeführte. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, der Beklagte hätte aufgrund seiner noch nicht vorhandenen Kenntnisse der Branche der verstärkten Hilfestellung bedurft, übersieht sie, dass der Beklagte sowohl nach der schriftlich vereinbarten Vertragsgestaltung als auch nach dem prozessualen Vorbringen der Klägerin von Anfang an als freier Handelsvertreter tätig werden sollte. Damit hätte der Beklagte von Anfang an im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen können müssen.
121b) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Provisionsabrede so getroffen wäre, dass der Beklagte die geforderten Umsätze nicht erbringen könnte. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er aus betrieblichen Gründen gar nicht in der Lage war, den monatlichen Provisionsabschlag zu "verdienen" (LAG Berlin, 03.11.1986, 9 Sa 65/86, AP-Nr. 14 zu § 65 HGB).
122Die Klägerin hatte zunächst nicht bestritten, dass dem Beklagten die Kenntnisse des Versicherungsgeschäfts fehlten und dieser deshalb auch bei Zurverfügungstellung des Kundenstammes einer selbstständigen Agentur nicht in der Lage war, den Provisionsabschlag zu verdienen.
123Ausdrücklich bestritten hat die Klägerin dies auch in der Folge nicht. Aus dem Vorbringen der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 15.10.2007 ergibt sich jedoch, dass die Klägerin behaupten und damit das Gegenteil bestreiten will, dass der Beklagte die Provisionsvorschusszahlungen nicht ins Verdienen gebracht hat, weil er nicht in dem erforderlichen einer Vollzeitbeschäftigung entsprechenden Umfang Arbeitsleistungen erbracht hat. Damit gilt der beklagtenseitige Vortrag als bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO).
124Die Klägerin benennt ausdrücklich beispielhaft die Terminplanungen des Beklagten für die 8. – 10. KW und führt aus, dass dies in den Folgewochen und – monaten so weitergegangen sei. Ausdrücklich erklärt sie, der geringe Umsatz des Beklagten sei auf die geringe Zahl von Besuchsterminen zurückzuführen (vgl. auch E-Mail M3 an W1, Bl. 452 d. A.). Hinzutritt, dass die Klägerin die vom Beklagten behaupteten vormittäglichen Anwesenheitszeiten im Büro der Generalagentur ausdrücklich bestritten hat.
125Es bedurfte daher substanziierten Sachvortrags des Beklagten zum Umfang seiner Arbeitsleistung, um feststellen zu können, dass der Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, trotz Vollzeittätigkeit die Provisionsabschläge zu verdienen.
126Die fehlenden Kenntnisse des Versicherungsgeschäfts könnten bei im Übrigen geleistetem Sachvortrag ein Indiz sein. Zwingend folgt jedoch aus den fehlenden Kenntnissen erkennbar nicht, dass der Beklagte keine angemessene Provision erzielen konnte. Er hat ausweislich der mit der Klageschrift vorgelegten Provisionsabrechnungen bereits ab dem zweiten Tätigkeitsmonat trotz fehlender Kenntnisse Provisionen erzielt.
127Der Beklagte hat damit Ansprüche ausschließlich aus der getroffenen Provisionsvereinbarung. Ein Anspruch nach § 612 BGB auf die übliche Vergütung, der das Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsvereinbarung voraussetzt, besteht daher nicht. Die erklärte Aufrechnung hat daher keinen Erfolg.
1285.Der Höhe nach sind die Provisionsvorschüsse unstreitig. Soweit sich der Beklagte auf die Abrechnungen ab 03.02.2006 hinsichtlich nicht ausgezahlter Beträge berufen hat, ist er der klägerischen Behauptung, diese seien (vertragsgemäß) mit der Stornorücklage verrechnet worden, nicht entgegen getreten. Er hat insoweit auch keine Aufrechnungserklärung abgegeben. Es ist daher davon auszugehen, dass jedenfalls derzeit mit den Provisionsvorschüssen zu verrechnende Ansprüche des Beklagten nicht bestehen.
129Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
130II
131Im Übrigen ist der Zinsanspruch unbegründet. Der Beklagte ist als Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne des § 13 BGB (BAG, 25.05.2005, 5 AZR 572/04, ZIP05, 1699). Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf den höheren Zinssatz nach § 288 Abs.2 BGB.
132III
133Die Widerklage ist unbegründet.
134Wie ausgeführt ist die Vergütungsvereinbarung der Parteien nicht sittenwidrig. Der Beklagte hat damit keinen Anspruch auf übliche Vergütung nach § 612 BGB.
135IV
136Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Der Beklagte trägt auch die Kosten in dem Umfang, in dem er die Widerklage zurückgenommen hat. Der Kostenstreitwert beträgt 26.127,26 € und berücksichtigt den beklagtenseitig zurückgenommenen Zahlungsantrag. Der klägerseitig zurückgenommene Zahlungsantrag ist nicht zusätzlich berücksichtigt, da die Klage in gleicher Höhe und wegen de selben Streitgegenstands wieder erweitert wurde.
137Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 45 Abs.1 Satz 1, Abs.3 GKG. Der Höhe nach entspricht er der Addition aus Klage, Widerklageantrag und Aufrechnung. Die Aufrechnung ist erkennbar mit vom Beklagten geltend gemachten Vergütungsansprüchen in Höhe der gesamten Klageforderung erklärt. Die Widerklage bezieht sich sodann auf den Restbetrag, der sich nach Abzug der geleisteten Zahlungen von dem vom Beklagten geltend gemachten Gesamtbetrag ergibt.