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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.215,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 2.215,50 € festgesetzt.
Tatbestand :
2Die Parteien streiten über restliche Vergütungsansprüche des Klägers auf Grundlage des "Equal-Pay-Gebots".
3Der Kläger war in der Zeit vom 02.02.2010 bis zum 31.10.2010 bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche Arbeitsvertrag vom 28.01.2010 zugrunde (vgl. Bl. 4 bis 7 d. A.). Der Arbeitsvertrag enthält unter § 4 "Einbeziehung der Tarifverträge" u. a. folgende Regelungen:
4Der Stundenlohn des Klägers betrug zunächst 7,34 € brutto. Ab 01.10.2010 betrug sein Stundenlohn 7,60 € brutto.
8Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14.12.2010 (Aktenzeichen 1 ABR 19/10) die fehlende Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft der Christlichen Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (im Folgenden: CGZP) feststellte, fragte der Kläger beim Entleiherbetrieb M1-W1 nach, wie hoch das Entgelt für einen vergleichbaren Arbeitnehmer ist. Nach Auskunft der Fa. M1-W1 beträgt der Stundenlohn eines vergleichbaren Arbeitnehmers 9,00 € brutto.
9Der Kläger leistete in der Zeit von Februar 2010 bis Oktober 2010 insgesamt 1.365 Stunden für die Beklagte und erhielt hierfür Lohnzahlungen in Höhe von 10.069,50 € brutto. Mit seiner am 21.01.2011 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klageschrift macht der Kläger gegen die Beklagte den sich zu einem Bruttostundenlohn von 9,00 € ergebenden Differenzanspruch in Höhe von insgesamt 2.215,50 € brutto geltend.
10Der Kläger ist der Auffassung, die Klage sei auf der Grundlage des in § 9 Nr. 2 AÜG geregelten Equal-Pay-Gebots begründet.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.215,50 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Januar 2011 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Meinung, vorliegend komme das Equal-Pay-Gebot nicht zum Zuge, da gemäß § 4 Ziffer 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages neue Tarifverträge an die Stelle der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge getreten seien. An die Stelle der bisherigen Tarifverträge seien nunmehr die vom AMP geschlossenen Tarifverträge mit den Einzelgewerkschaften getreten, die allesamt inhaltsgleich seien. Dies sei dem Kläger auch mit Schreiben vom 27.09.2010 (Bl. 31 d. A.) mitgeteilt worden. Der neue Tarifvertrag vom 22.03.2010 gelte rückwirkend zum 01.01.2010 (Bl. 20 d. A.) und werde von der Beklagten dementsprechend angewandt. Darüber hinaus habe das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 die Tarifunfähigkeit der CGZP lediglich gegenwarts- und zukunftsbezogen festgestellt, sodass sich bei Anwendung des Equal-Pay-Gebots die Frage einer Aussetzung gemäß § 97 ArbGG stelle.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe :
18I.
19Die Klage ist zulässig und begründet.
201.
21Das Verfahren war nicht gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen, da die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von der Frage abhängt, ob die CGZP bereits vor dem Jahr 2010 tariffähig war. Zwar wird vertreten, dass das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 – lediglich festgestellt habe, dass die CGZP gegenwartsbezogen tarifunfähig ist. Da hierbei jedoch auf die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist, bezieht sich die Feststellung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifunfähigkeit der CGZP auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg als Tatsacheninstanz am 07.12.2009 (– 23 Ta BV 1016/09 – BB 2010, 1927) (vgl. Arbeitsgericht Freiburg (Breisgau) vom 13.04.2011 – 3 Ca 497/10 – juris; dagegen: Brors, jurisPR 18/2011, Anm. 1).
22Da der Kläger erst seit dem 02.02.2010 bei der Beklagten beschäftigt war und es ausschließlich um Ansprüche aus dem Jahr 2010 geht, kommt es für den hier vorliegenden Fall nicht auf die Frage an, ob bereits vor der dem 07.12.2009 ebenfalls von einer Tarifunfähigkeit der CGZP auszugehen war. Eine Aussetzung kommt damit nicht in Betracht.
232.
24Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch nach den Grundsätzen des Equal-Pay/Eqaul-Treatment gemäß § 10 Abs. 4 in Verbindung mit § 9 Nr. 2 AÜG.
25Einen Anspruch nach den Grundsätzen des Equal-Pay liegt vor bei Vereinbarungen, die für Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung schlechtere Bedingungen als für im Betrieb des Entleihers beschäftigte vergleichbare Arbeitnehmer vorsehen. Dies gilt jedoch nicht, wenn Tarifverträge Abweichungen zulassen. Letzteres gilt auch, wenn die Anwendung der Tarifverträge vertraglich zwischen den Parteien vereinbart ist.
26a)
27Vorliegend haben die Parteien in § 4 Ziffer 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.01.2010 die Anwendung der zwischen der CGZP und dem AMP geschlossenen Tarifverträge vereinbart. Das BAG hat mit Beschluss vom 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 – NZA 2011, 289 die Tariffähigkeit der CGZP als Spitzenorganisation verneint. Dies hat zur Konsequenz, dass alle von der CGZP allein unterschriebenen Flächen- und Haustarifverträge unwirksam sind (vgl. auch Schüren, AuR 2011, 142). Wie bereits ausgeführt bezieht sich die Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP zumindest auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Vorinstanz am 07.12.2009.
28b)
29Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten führt die von den Parteien in § 4 Ziffer 3 des schriftlichen Arbeitsvertrags getroffene Regelung nicht dazu, dass neue Arbeitsverträge – insbesondere die vom AMP mit den Einzelgewerkschaften geschlossenen Tarifverträge an die Stelle der unwirksamen Tarifverträge der CGZP treten.
30Fraglich ist bereits, ob vorliegend die von der CGZP geschlossenen Tarifverträge gemäß § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages ihre "Wirksamkeit verloren" haben oder ob nicht vielmehr die Tarifverträge der CGZP von Anfang an unwirksam waren. Diese Frage kann im Ergebnis jedoch offen bleiben.
31Selbst wenn man unterstellte, dass die von der CGZP geschlossenen Tarifverträge (nachträglich) ihre Wirksamkeit verloren haben, so sind jedenfalls an die Stelle der zwischen der CGZP und dem AMP geschlossenen Tarifverträge keine neuen Tarifverträge im Sinne von § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages getreten.
32Maßgeblich hierbei ist, dass bei den von der Beklagten angeführten neuen Tarifverträgen die Tarifvertragsparteien nicht mehr dieselben sind, da anstelle der CGZP Tarifvertragspartner nunmehr die Einzelgewerkschaften sind. Die Einbeziehung von zwischen anderen als den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifverträgen ermöglicht die Klausel in § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages jedoch nicht.
33Bei der Abgrenzung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag ist zwischen dem Typ der sogenannten kleinen dynamischen Bezugnahmeklausel, bei der sich die Dynamik allein auf das zeitliche Moment bezieht, und demjenigen der großen dynamischen Verweisung oder Tarifwechselklausel zu unterscheiden, die auch betrieblich/fachlich dynamisch wirkt. Wollen die Arbeitsvertragsparteien beispielsweise für den Fall eines durch einen Betriebsübergang herbeigeführten Branchenwechsels des Arbeitgebers die Gleichstellung des Arbeitnehmers auf der Grundlage des dann einschlägigen Tarifrechts, haben sie die Möglichkeit, den Typus der Tarifwechselklausel zu wählen. Schlicht unterstellt werden kann ein solcher Wille zum Tarifwechsel jedoch nicht (vgl. LAG Düsseldorf vom 02.09.2010 – 5 Sa 720/10 – juris; LAG Niedersachsen vom 14.06.2010 – 8 Sa 451/09 – juris).
34Eine solche Tarifwechselklausel stellt § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages nicht dar. Sofern in dieser Regelung davon die Rede ist, dass "neue Tarifverträge an ihre Stelle treten", beinhaltet diese Regelung nicht die Möglichkeit eines Wechsels in Tarifwerke anderer Tarifvertragsparteien. Darüber hinaus sind die von den Einzelgewerkschaften geschlossenen Tarifverträge auch nicht "an die Stelle" der vorherigen Tarifverträge der CGZP mit dem AMP im Sinne von § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages getreten. Selbst wenn man unterstellt, es wäre eine Auslegung im Sinne von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung denkbar, ergäbe sich kein anderes Ergebnis, da sich der Kläger auf die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB berufen kann.
35Bei den Vereinbarungen des Arbeitsvertrages handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass die Regelungen gemäß §§ 305 ff. BGB Anwendung finden. Es handelt sich um vorformulierte Arbeitsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, da sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden und von der Beklagten gestellt wurden. Dies ergibt sich bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags (vgl. Erfurter Kommentar-Preis, 10. Auflage, §§ 305-310 BGB, Rdnr. 25).
36Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung gibt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, der schon vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch im Arbeitsrecht Geltung hatte. Die Unklarheitenregel beruht auf dem Grundsatz, dass es Sache des Verwenders ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken (vgl. LAG Niedersachsen vom 14.06.2010, a. a. O. m. w. N.).
37Wenn die Beklagte als Verwenderin mit der Regelung in § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages auch einen Wechsel in die Tarifwerke anderer Tarifvertragsparteien ermöglichen wollte, wäre es ihre Sache gewesen, sich klar und verständlich auszudrücken. Die Unklarheiten in der Formulierung in § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages gingen insoweit zu Lasten der Beklagten als Verwenderin.
38Darüber hinaus ist die Verweisung wie in § 4 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages auch zu unbestimmt und verstößt gegen das Transparenzgebot. Aus der Regelung ist nicht erkennbar, welche der Einzelgewerkschaften mit ihren Tarifwerken nunmehr an die Stelle der CGZP treten soll. Insoweit kann auch nicht argumentiert werden, die von den Einzelgewerkschaften mit dem AMP geschlossenen Tarifverträge seien alle inhaltsgleich. Eine etwaige Inhaltsgleichheit der Tarifwerke war nicht zwingend und muss künftig auch nicht so bleiben.
39Folglich sind keine neuen Tarifverträge i.S.v. § 4 Abs. 3 an die Stelle der unwirksamen Tarifverträge zwischen CGZP und AMP getreten.
40c)
41Da somit im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht die Anwendung von Tarifverträgen vereinbart ist, welche Abweichungen von dem in § 9 Nr. 2 AÜG geregelten Grundsatz zulassen, besteht ein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachte Differenzvergütung gemäß §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2 AÜG.
42Der Kläger hat die Höhe des von ihm geltend gemachten Anspruchs schlüssig dargelegt. Die Beklagte ist dem nicht weiter entgegen getreten.
43Der Klage war somit vollumfänglich stattzugeben.
44II.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO. Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
46III.
47Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde in Höhe der geltend gemachten Klageforderung bewertet.