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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 763,20 € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Energiebeihilfe.
3Der 1946 geborene Kläger stand in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin.
4Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängern wandte auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus an. § 54 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus (im folgenden MTV) regelte das Hausbrandbezugsrecht wie folgt:
5„…
6Die Hausbrandbezugsrechte richten sich nach den Bestimmungen der Anlage 7 dieses Manteltarifvertrages.
7Sie gelten ausschließlich für:
8- aktive Arbeiter und Angestellte
9- vor dem 01. Juli 2002 aus dem Unternehmen ausgeschiedene Arbeiter und Angestellte sowie deren Witwen
10- nach dem 01. Juli 2002 aus dem Unternehmen ausgeschiedene und zu diesem Stichtag mindestens 20 Jahre im deutschen Steinkohlebergbau beschäftigte Arbeiter und Angestellte sowie deren Witwen.
11…“
12Aktive Arbeiter erhalten nach I.1. ff der Anlage 7 zum MTV Hausbrand Kohle in einem Umfang zwischen 3,5 und 7 t jährlich. Der Anspruch auf Kohledeputat für aktive Arbeitnehmer, die zur Gruppe der Arbeitnehmer gehören ist in I.13. ff der Anlage 7 zum MTV geregelt. Danach haben verheiratete Angestellte einen Anspruch auf Hausbrandkohle in genügender Menge und ledige Angestellte in einem Umfang von jährlich 3,5 t. Im Umfang und unter den Voraussetzungen von II der Anlage 7 zum MTV erhalten auf Antrag auch ausgeschiedene Arbeitnehmer sowie deren Angehörige Hausbrandkohle. Bezugsberechtigt sind hiernach insbesondere Empfänger von Bergmannsrente, Knappschaftsrente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, Knappschaftsaltersrente oder Knappschaftsausgleichsleistungen und Inhaber des Bergmannversorgungsscheines, die mindestens 25 Jahre im deutschen Steinkohle Bergbau tätig waren. Gemäß Ziffer II.3. der Anlage 7 zum MTV wurde ausgeschiedenen Arbeitnehmers bzw. deren bezugsberechtigten Hinterbliebenen bis zu 2,5 t Hausbrandkohle pro Jahr gewährt. Aus gesundheitlichen Gründen konnte die Leistung erhöht werden, wenn ehemalige Beschäftigte in Folge ihres Gesundheitszustandes an das Haus gebunden sind und deshalb einen höheren Bedarf haben (II.3. Abs. 2 und II.10. Abs. 2 der Anlage 7 zum MTV). In der Regel wurden von der Beklagten in solchen Fällen auf Antrag jährlich eine zusätzliche Tonne Hausbrandkohle gewährt. Nach Ziffer 4.3 des Gesamtsozialplans zur sozialverträglichen Beendigung des deutschen Steinkohle Bergbaus vom 24. Juni 2015 wurde Arbeitnehmern, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld (ABG) aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, während des Anpassungsgeldbezuges Hausbrandleistung entsprechend den tariflichen Regelungen für aktive Beschäftigte gewährt.
13Bereits seit 1952 bestand für die Bezugsberechtigten die Wahlmöglichkeit, an Stelle von Versorgung mit Kohle eine finanzielle Beihilfe in Anspruch zu nehmen, die mit Tarifvertrag vom 13. April 1976 als Energiebeihilfe bezeichnet wurde. Die Höhe der Energiebeihilfe pro Tonne Kohle wurde jährlich durch die Tarifvertragsparteien festgelegt. Seit dem 01. Juli 1997 stagniert die Höhe bei 126,29 € je Tonne. Für ausgeschiedene Beschäftigte und deren Hinterbliebenen wurde die Energiebeihilfe um 4,09 € (Bergmannskohlepreis: 8,00 DM) pro Tonne gekürzt.
14Mit dem Gesetzt zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) vom 20. Dezember 2007 beschloss der Gesetzgeber, die subventionierte Förderung der Steinkohle zum Ende des Jahres 2018 zu beenden. Eine ursprünglich im Gesetz noch vorhandene Revisionsklausel wurde durch das Gesetz zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes vom 15. Juli 2011 ersatzlos gestrichen.
15Unter dem 29. April 2015 schlossen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag zur Änderung des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus in der Fassung vom 11. März 2015. In dem Tarifvertrag heißt es wörtlich:
16„…
17§ 1. 54 MTV Ruhr erhält ab dem 01. Mai 2015 folgende Fassung:
18Die Hausbrandbezugsrechte richten sich nach den Bestimmungen der Anlagen 7 und 7a dieses Manteltarifvertrages.
19Sie gelten ausschließlich für
20- aktive Arbeiter und Angestellte,
21- vor dem 01. Juli 2002 aus dem Unternehmen ausgeschiedene Arbeiter und Angestellte sowie deren Witwen und Witwer,
22- -nach dem 01. Juli 2002 aus dem Unternehmen ausgeschiedene und zu diesem Stichtag mindestens 20 Jahre im deutschen Steinkohle Bergbau beschäftigte Arbeiter und Angestellte sowie deren Witwen und Witwer.
232. Mit Wirkung vom 01. Mai 2015 wird Anlage 7a ergänzend zur Anlage 7 aufgenommen und erhält folgende Fassung:
24Anlage 7a
25zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus in der Fassung vom 01. Mai 2015
26Ab dem 01. Januar 2019 entfällt der Anspruch auf Hausbrandkohlen. Anstelle von Hausbrandkohlen erhalten alle Anspruchsberechtigten Energiebeihilfe nach den weiter anzuwendenden Regelungen der Anlage 7.
27Die Ansprüche auf Energiebeihilfe nach Anlage 7 II. (Ausgeschiedene) können durch den Arbeitgeber oder sonst Leistungsverpflichteten gemäß der Tabelle abgefunden werden.
28Die Abfindungshöhe berechnet sich nach der Höhe des individuellen Anspruchs auf Energiebeihilfe und dem Lebensalter im Jahr der Auszahlung der Abfindung sowie einer bestehenden bzw. nicht bestehenden Hinterbliebenenabsicherung.
29Die Abfindung wird in dem Kalenderjahr ausgezahlt, in dem keine anderen Leistungen der Anlage 7 bezogen worden sind.
30…“
31Die Höhe der Abfindung der Energiebeihilfe ergibt sich aus den Anhängen eins und zwei zur Anlage 7a zum MTV. Die dortigen Tabellen legen zugrunde einen Betrag pro Tonne von 122,20 € und eine Überlebenswahrscheinlichkeit der Bezugsberechtigten nach den „Richttafeln 2005G“. Auf eine Rentendynamik wurde verzichtet. Für Bezugsberechtigte ab 88. bzw. 85. Lebensjahr wurde von einer weiteren Absenkung des Wertes trotz abnehmender Überlebenswahrscheinlichkeit abgesehen. Der sich ergebende fiktive Wert wurde abgezinst.
32Der Kläger bezog in der Vergangenheit Energiebeihilfe von der Beklagten. Schriftlich teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die tarifliche Möglichkeit anwenden werde, die Energiebeihilfe durch eine einmalige Zahlung abzufinden. Ob eine entsprechende Abfindung an den Kläger bereits ausbezahlt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.
33Mit seiner Klage begehrt der Kläger zuletzt noch die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Energiebeihilfe durch Einmalzahlung einseitig abzufinden.
34Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich sowohl bei der Deputatkohle als auch bei der Energiebeihilfe um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handele, in die nicht mehr eingegriffen werden dürfte. Gegen die Ablösung des Versorgungssystems für ausgeschiedene Arbeitnehmer spreche vor Allem, dass die Mitarbeiter schon alles getan hätten, um den Anspruch zu erwerben. Die Umstellung von Versorgungsleistungen bei erdienten Anwartschaften setze voraus, dass die alte und die neue Versorgungsleistung vollständig wertadäquat seien. Die Umstellung laufender Versorgungsleistungen in eine einmalige Kapitalleistung müsse am Maßstab des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gemessen werden. Mit der Umstellung auf eine Abfindung wälze der Arbeitgeber das Langlebigkeitsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer ab. Seitens der Beklagten seien keine sachlichen Gründe ersichtlich, die einen solchen Eingriff rechtfertigen würden. Voraussetzung der Umstellung sei ohnehin, dass die Energiebeihilfe und die Kapitalabfindung wertadäquat seien. Insofern sei nicht ersichtlich, welche wirtschaftliche Notwendigkeit der Umstellung bestehe. Soweit solche sachlichen Gründe nicht bestünden, überwiege der Vertrauensschutz der Arbeitnehmer auf die laufenden Versorgungsleistungen.
35Der Kläger beantragt zuletzt,
36festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Zahlung einer jährlichen Energiebeihilfe in Höhe von derzeit 318,00 € durch Einmalzahlung einseitig abzufinden.
37Die Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Sie ist der Ansicht, die Zusage auf Gewährung von Hausbrand/Energiebeihilfe sei von einer eigenen Förderung bzw. Produktion abhängig. Eine auflösende Bedingung für den Bezug von Hausbrand und für den Bezug von Energiebeihilfe sei die Beendigung der Steinkohleförderung durch die Beklagte. Nach der Stellung der letzten verbliebenen Bergwerke fördere sie nach dem 31. Dezember 2018 in Deutschland keine Steinkohle mehr. Der Anspruch auf Kohledeputat habe sich deshalb inhaltlich gewandelt hin zu einem Anspruch auf Energiebeihilfe. Der Anspruch auf Energiebeihilfe teile zwingend das Schicksal des (aufschiebend bedingten) Anspruchs auf Lieferung von Hausbrandkohlen und erlische deshalb mit der Stilllegung der Förderung Ende 2018. Die Tarifvertragsparteien seien berechtigt gewesen, die Versorgungsregelung abzuändern. Tarifliche Regelungen unterliegen von vorne herein einem immanenten Vorbehalt späterer Änderungen durch die Tarifvertragsschließenden. Die Tarifvertragsparteien hätten zudem ausdrücklich in der Anlage 7 zum MTV einen Änderungsvorbehalt aufgenommen. Jedenfalls sei sie aus Gründen der Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt gewesen, durch den abändernden Tarifvertrag den Anspruch auf Energiebeihilfe abzufinden.
40Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
41Entscheidungsgründe
42Die Klage ist unbegründet.
43I.
44Der Feststellungsantrag ist als sogenannte Elementenfeststellungsklage zulässig.
45Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – Elementenfeststellungsklage (z. B. BAG, Urteil v. 13. Dezember 2016 – 9 AZR 574,15, juris). Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichtes gestellt werden (BAG, Urteil v. 23. März 2016 – 5 AZR 758/13, EzA § 256 ZPO 2002, Nr. 22).
46Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die vom Kläger begehrte Feststellung ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die zukünftige Zahlung von Energiebeihilfe auszuschließen. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle eines Unterliegens der Beklagten zwischen den Parteien streitig werden könnte, ob eine bereits geleistete Abfindung von der Beklagten zurückgefordert werden könnte. Dies betrifft ein anderes Rechtsverhältnis.
47II.
48Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist berechtigt, den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Energiebeihilfe durch eine Einmalzahlung abzufinden. Grundlage der Abfindungsberechtigung ist § 54 des unstreitig auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwendenden Manteltarifvertrages des rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbaus i. V. m. Abs. 2 der Anlage 7 a zum MTV in der hier maßgeblichen Fassung des Tarifvertrages zur Änderung des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbaus vom 29. April 2015. Nach dieser Norm können Ansprüche auf Energiebeihilfe nach Anlage 7 II (Ausgeschiedene) durch den Arbeitgeber oder sonstige Leistungsverpflichtete abgefunden werden. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Anspruch des Klägers auf Energiebeihilfe aus § 54 MTV i. V. m. II in der Anlage 7 zum MTV erfolgt.
491. Nach dem Ablösungsprinzip (Zeitkollisionsregel) findet wegen des gleichen Rangs der Tarifverträge zueinander kein Günstigkeitsvergleich zwischen den bisherigen und den ablösenden Regelungen statt (BAG, Urteil vom 18. September 2012 – 3 AZR 382/10 – Juris; Urteil vom 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – EzA § 4 TVG Gebäudereiniger Handwerk Nr. 4; Urteil vom 28. Mai 1997 – 4 AZR 554/95 – Juris). Dieser Änderungsvorbehalt ist immanenter Bestandteil der tarifautonomen Regelung (BAG, Urteil vom 21. August 2007 – 3 AZR 102/06 EzA Artikel 9 GG Nr. 92). Der Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung ändert daran nichts. Stünde Artikel 14 Abs. 1 GG einem solchen Änderungsvorbehalt entgegen, würde die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Artikel 9 Abs. 3 GG) der Sozialpartner eingeschränkt. Durch eine auf den tariflichen Grundsätzen beruhende Änderung der Leistung verwirklicht sich lediglich eine von Anfang an bestehende Schwäche der tarifvertraglich begründeten Rechtsposition (BAG, Urteil vom 18. September 2012 – 3 AZR 382/10 – a.a.O.; BGH, Urteil vom 14. November 2007 – IV AZR 74/06 – Juris). Die Tarifvertragsparteien bestimmen den Inhalt des von ihnen geschaffenen Eigentums (Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 GG).
502. Die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien erstreckt sich auch auf die Versorgungsanwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer und die Versorgungsansprüche der Betriebsrentner nach Eintritt des Versorgungsfalles. Dies folgt aus Artikel 9 Absatz 3 GG. Die Verfassungsnorm gewährleistet als Teil der Koalitionsfreiheit auch die Tarifautonomie. Das Tarifvertragsgesetz füllt den von der Verfassung vorgegebenen Rahmen lediglich aus. Dessen durch die Verfassungsordnung vorgegebenen Zweck ist es, die Tarifautonomie weitgehend zu aktualisieren. Wie sich aus der Formulierung „jedermann“ in Artikel 9 Absatz 3 GG ergibt, ist die Tarifautonomie allerdings hinsichtlich ihres persönlichen Anwendungsbereichs nicht auf aktive Arbeitsverhältnisse beschränkt, sondern besteht auch darüber hinaus. Soweit § 1 Absatz 1 TVG Normen betreffend den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ermöglicht, betrifft dies deshalb auch solche auf das Arbeitsverhältnis bezogene Rechtsnormen, die erst nach dessen Ende wirken oder wirksam werden. Dazu gehören auch Normen, die die betriebliche Altersversorgung regeln (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – Juris; Urteil vom 17. Juni 2008 – 3 AZR 409/06 – Juris; Urteils vom 27. Februar 2007 – 3 AZR 734/05 – EZA Artikel 9 GG Nr. 90).
51Auch § 17 BetrAVG spricht für dieses Ergebnis. Diese Vorschrift erlaubt den Tarifvertragsparteien, von betriebsrentenrechtlichen Regelungen abzuweichen. Für die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien behandelt der Gesetzgeber das betriebsrentenrechtliche Versorgungsverhältnis daher wie ein Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil vom 29. September 2016 – 3 AZR 273/15 – a.a.O.; Urteil vom 17. Juni 2008 – 3 AZR 409/06 – a.a.O.).
523. Bei der gerichtlichen Überprüfung der tarifvertraglichen Regelung ist zu beachten, dass die durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützte Tarifautonomie zu einer geringeren Kontrolldichte führt (BAG, Urteil vom 18. September 2012 – 3 AZR 382/10 – a.a.O.; Urteil vom 21. August 2007 – 3 AZR 102/06 – a.a.O.). Im Betriebsrentenrecht hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien sogar die Möglichkeit eingeräumt (§ 17 Absatz 3 BetrAVG), die Berechnung des erdienten Wertes einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft abweichend von § 2 BetrAVG und die Anrechnung anderweitiger Versorgungsbezüge oder die Begrenzung einer Gesamtversorgung auf Höchstbeträge abweichend von dem Auszerrungsverbot des § 5 Absatz 1 BetrAVG zu regeln. Der Inhalt der Tarifverträge unterliegt keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben die Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen grundgesetzliche Wertungen oder anderes höherrangiges Recht verstoßen (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – a.a.O.; Urteil vom 21. August 2007 – 3 AZR 102/06 – a.a.O.; Urteil vom 20. August 2002 – 3 AZR 14/01 – Juris).
53Das vom Bundesarbeitsgericht für die Überprüfung von Eingriffe in Versorgungsanwartschaften entwickelte Prüfungsschemata (grundliegend BAG, Urteil vom 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – EZA § 1 BetrAVG Unterstützungskasse Nr. 2) ist entgegen der Ansicht des Klägers auf Tarifverträge von vornherein nicht anwendbar, weil den Tarifvertragsparteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Regelung aufgrund der Tarifautonomie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (BAG, Urteil vom 18. September 2012 – 3 AZR 382/10 – a.a.O.; Urteil vom 21. August 2007 – 3 AZR 102/06 – a.a.O.; Urteil vom 27. Juni 2006 – 3 AZR 255/05 – EZA § 1 BetrAVG Ablöse Nr. 45).
54a) Allerdings sind die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung – ebenso wie der Gesetzgeber – an die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG) folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – Juris; Urteil vom 27. Februar 2007 – 3 AZR 734/05 – a.a.O. Das Verschlechtern der ablösenden Tarifregelungen wirken typischerweise auf die noch nicht abgeschlossenen Rechtsbeziehungen der aktiven Arbeitnehmer oder der Betriebsrentner ein. Damit entfalten sie regelmäßig unechte Rückwirkungen (BAG, Urteil vom 27. März 2014 – 6 AZR 204/12 – EZA § 39 Insolvenzordnung Nr. 1). Führt die tarifliche Regelung zu einem Eingriff in Versorgungsrechte oder in laufende Betriebsrenten, bedürfen die Tarifvertragsparteien daher für die verschlechternde Ablösung besonderer, den Eingriff legitimierender Gründe. Wie gewichtig diese sein müssen, hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelungen entstehen (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – a.a.O.; Urteil vom 11. Dezember 2001 – 3 AZR 327/00 – Juris). Bei tariflichen Regelungen, die für die betroffenen Arbeitnehmer oder Versorgungsempfänger nur zu geringfügigen Nachteilen führen, bedarf es sachlich nachvollziehbarer, Willkür ausschließender Gründe (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – a.a.O.; Urteil vom 23. September 1997 – 3 AZR 529/96 – EZA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 14; Urteil vom 16. Juli 1996 – 3 AZR 398/95 – EZA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 13). Liegt ein mehr als geringfügiger Eingriff vor, müssen darüber hinausgehende Gründe bestehen. Sie müssen die konkrete Verschlechterung der Versorgungsordnung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erworbenen Bestandsinteresses einerseits und der Schwere des Eingriffs andererseits aufgrund ganz erheblicher, überwiegender Interessen des Arbeitgebers tragen (BAG, Urteil vom 28. Juni 2011 – 3 AZR 282/09 – EZA § 16 BetrAVG Nr. 59). Mehr als geringfügig sind solche Eingriffe, die dem Versorgungsempfänger – hätte er mit ihnen gerechnet – während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise hätte Anlass geben können, sie durch eine weitergehende private Absicherung auszugleichen (BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 273/15 – a.a.O.; Urteil vom 28. Juni 2011 – 3 AZR 282/09 – aaO).
55b) Die Änderung des Manteltarifvertrages verstößt nicht gegen das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG. § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG ermächtigt die Tarifvertragsparteien ausdrücklich, u. a. von § 3 BetrAVG in Tarifverträgen abzuweichen (vgl. LAG Hamm, Urteil v. 20. Juni 2016 – 15 Sa 1886/15 – juris).
56c) Die Änderung des Manteltarifvertrages ist auch durch ausreichende Gründe gerechtfertigt. Zwar stellte die neugeschaffene Abfindungsberechtigung einen Eingriff in die Versorgungsrechte des Klägers dar. Dieser Eingriff ist jedoch nur geringfügig im oben dargelegten Sinne, da der Kläger durch die Abfindung einen wertgleichen Ersatz erhält. Dass die nach den Anhängen 1 und 2 zur Anlage 7 a MTV zutreffend ermittelte Abfindungszahlung hinter den Bewertungsgrundsätzen des § 4 Abs. 5 BetrAVG zurückbleibt, wird nicht einmal vom Kläger behauptet.
57Für diesen Eingriff ist ein sachlich nachvollziehbarer, Willkür ausschließender Grund durch die Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaus zum 31. Dezember 2018 gegeben.
58aa) Spätestens zum 31. Dezember 2018 wird in Deutschland die letzte noch Steinkohle fördernde Zeche geschlossen werden. Ab 2019 wird in Deutschland keine Steinkohle mehr gefördert werden. Die Beklagte wird als letztes Unternehmen in der Deutschen Steinkohle ihre produktive Tätigkeit einstellen. Hiervon geht die Kammer mit dem Vortrag der Beklagten aus, da das entgegenstehende Bestreiten des Klägers unsubstantiiert ins Blaue hinein erfolgt und deshalb unbeachtlich ist.
59Mit der letzten Zechenschließung Ende 2018 wird nicht nur lediglich ein Betrieb stillgelegt. Mit der Abwicklung der Beklagten ab 2019 stellt nicht nur ein Unternehmen seine produktive Tätigkeit ein. Beides sind lediglich Ausflüsse der noch weiterreichenden (politischen) Entscheidung, den gesamten Wirtschaftszweig „Deutsche Steinkohle“ aufzugeben.
60Wenn die Tarifvertragsparteien eine solche auch historisch besondere Situation zum Anlass nehmen, diesen Prozess durch tarifvertragliche Regelungen zu flankieren, so ist dies nicht nur nicht willkürlich, sondern eine notwendige Konsequenz der den Tarifvertragsparteien vom Gesetzgeber zugewiesenen sozialpolitischen Verantwortung.
61bb) Die Abfindung der Energiebeihilfeansprüche ist auch verhältnismäßig. Mit Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaus steht ab 2019 kein produktivtätiges Unternehmen des Wirtschaftszweiges mehr zur Verfügung, das – quasi nebenbei – die laufenden Versorgungszahlungen abwickeln könnte. Soweit die Tarifvertragsparteien vor diesem Hintergrund bei den notwendigen Verteilungsverhandlungen zu dem Ergebnis gekommen sind, die laufenden Leistungen durch eine Einmalzahlung abzufinden, ist dies durch die Billigkeitsgewähr der Tarifverträge gedeckt. Schutzwürdiges Vertrauen der Versorgungsempfänger steht dem nicht entgegen.
62c) Dass die dem Kläger zugesagte und ggf. ausbezahlte Abfindung der Höhe nach nicht den Vorgaben der Anhänge 1 und 2 zur Anlage 7 a MTV entspricht, wird auch vom Kläger nicht behauptet.
63III.
64Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
65Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO.