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1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) nicht vor dem 30. April 2013 beendet werden wird.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 42/55 und die Beklagte zu 1) zu 13/55.
4. Der Streitwert wird auf 13.322,28 € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1) gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung und darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.
3Der 44jährige, ledige Kläger war seit dem 05.07.1993 als kaufmännischer Angestellter für die Beklagte zu 1) zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.100,00 € tätig. Die Beklagte zu 1) betrieb ein Unternehmen mit Sitz in D1, welches sich mit Einrichtungen von Friseursalons sowie dem Handel mit Friseurartikeln befasste. Im Oktober 2012 geriet die Beklagte zu 1) in wirtschaftliche Schieflage. Am 18.10.2012 wurde Herr C1 A1 als neuer Geschäftsführer der Beklagten zu 1) im Handelsregister eingetragen. Gleichzeitig wurde der Firmensitz nach B1 verlegt. Mit Schreiben vom 23.10.2012 (Bl. 7 d. A.), welches dem Kläger am 25.10.2012 zuging, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „auf Grund der Einstellung des Geschäftsbetriebes mit sofortiger Wirkung". Ferner heißt es in dem Kündigungsschreiben wörtlich:
4„Sollte die Kündigung aus gesetzlichen oder vertraglichen Gründen nicht wirksam sein, so soll sie gleichwohl zum nächst zulässigen Termin Wirksamkeit erlangen."
5Mit einem am 09.11.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger die Bewilligung von „Verfahrenskostenbeihilfe" beantragt und nach deren Bewilligung die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und einer Feststellungsklage, dass das Arbeitsverhältnis nunmehr mit der Beklagten zu 2) bestehe, angekündigt. Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nebst Belegen beigefügt. Durch Verfügung vom 12.11.2012 wurde den Beklagten im Prozesskostenhilfeverfahren rechtliches Gehör gewährt. Nachdem die Beklagten zu 2) mit einem am 20.11.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten eine Stellungnahme abgab, wurde dem Kläger durch Beschluss des Gerichts vom 23.11.2012 Prozesskostenhilfe gewährt. Die Klageschrift wurde daraufhin beiden Beklagten am 06.12.2012 zugestellt.
6Anfang 2013 beantragte der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit die Gewährung von Insolvenzgeld.
7Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, weil sie wegen eines Betriebsüberganges erfolgt sei. Sein Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) sei infolge eines Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Hierzu behauptet er, Anfang Oktober 2012 habe der frühere Geschäftsführer der Beklagten zu 1), Herr A2 S1, ihm in einem Vier-Augen-Gespräch erklärt, dass dieser wegen der finanziellen Situation die Gesellschaft verkauft haben wolle und der Käufer den Betrieb in D1 einstellen werde. Ihm sei ferner erklärt worden, dass es eine Folgegesellschaft gebe, bestehend aus der Tochter des früheren Geschäftsführers, Frau J1 S1, sowie den Vertriebsaußendienstmitarbeitern B2, K2 sowie G1. Auch der frühere Geschäftsführer sollte in beratender Funktion für die neue Gesellschaft tätig sein. Die Übergangsgesellschaft werde ihre Arbeit in dem gleichen Gebäude wieder aufnehmen. Ihm sei angekündigt worden, dass er in der Folgegesellschaft aufgenommen werden würde. Im weiteren Verlauf des Gespräches, an dem nunmehr auch Herr B2 und Herr K2 sowie Frau S1 teilgenommen hätten, habe er die strikte Anweisung erhalten, dass er sich primär nur noch darum zu kümmern habe, dass wichtige Verträge auf die Beklagte zu 2) übertragen würden. Das Lizenzkonzept Coiffeur- und Coffee dagegen sollte auf die Firma I1 GmbH übertragen werden. Er sei darauf eingeschworen worden, auch nach der Betriebseinstellung und dem Wegfall der Gehaltszahlungen durch die Beklagte zu 1) weiterhin für das Unternehmen zu arbeiten, da er ersatzweise 3 Monate lang Insolvenzgeld erhalten würde. Zunächst habe er die Telefonverträge mit V1 von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übertragen. Dann habe er die kaufmännische Software der Beklagten zu 1) um einen weiteren Mandanten, nämlich die Beklagte zu 2), aufgestockt. Später habe er Kenntnis von dem Auftrag G2 erlangt, der von der Beklagten zu 1) abgewickelt worden sei, aber von der Beklagten zu 2) bestätigt und abgerechnet worden sei. Frau S1 habe sich hilfesuchend an ihn gewandt, weil die Kundin G2 aus M2 ihre Vorkasse auf das Geschäftskonto der Beklagten zu 1) statt auf das Konto der Beklagten zu 2) überwiesen habe. Um das Geld zu retten, habe er umgehend mit dem Möbelproduzenten A. Kontakt aufnehmen sollen und eine Vorkassenrechnung auf der Namen der Beklagten zu 1) anfordern sollen. Später habe Frau S1 erklärt, dass die Beklagte zu 1) der Kundin das Geld einfache zurücküberwiesen habe, mit der Aufforderung, das Geld auf das Geschäftskonto der Beklagten zu 2) zu überweisen. Am 31.10.2012 habe er den früheren Geschäftsführer der Beklagten zu 1), Herrn A2 S1, angerufen, um ihn auf eine Wiederaufnahme seiner Arbeit anzusprechen. Erstmalig sei ihm dabei eröffnet worden, dass die Beklagte zu 2) kein Personal einstellen könne. Alternativ sei ihm von Herrn S1 angeboten worden, für die I1 GmbH zu arbeiten, wobei jedoch deutlich gemacht worden sei, dass nicht klar sei, ob die I1 GmbH das Gehalt aufbringen könne.
8Zum Kammertermin am 27.02.2013 ist die Beklagte zu 1) trotzt ordnungsgemäßer Ladung (Bl. 24 d. A.) unentschuldigt nicht erschienen.
9Der Kläger beantragt,
101. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) durch die Kündigung vom 23.10.2012 nicht beendet worden ist;
112. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) besteht;
123. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn Lohn für den Monat November 2012 in Höhe von 1.411,14 € netto und für den Monat Dezember 2012 in Höhe von 1.411,14 € netto zu zahlen.
13Ferner beantragt der Kläger,
14gegen die Beklagte zu 1) Versäumnisurteil zu erlassen.
15Die Beklagte zu 2) beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte zu 2) bestreitet, den Betrieb der Beklagten zu 1) übernommen zu haben. Hierzu behauptet sie, seit ihrer Geschäftsaufnahme versucht zu haben, sich mit einem Teilbereich der Tätigkeit zu befassen, die früher die Beklagte zu 1) ausgeführt habe. Es sei kein Geheimnis, dass ihr Geschäftsführer die Hoffnung hege, einige der Kunden, die früher von der Beklagten zu 1) betreut worden seien, künftig in eigener Regie und Zuständigkeit als Kunden bearbeiten zu können. Es sei aber weder der gesamte Geschäftsgegenstand, noch Kunden oder Lieferanten sowie aktuelle für die Beklagte zu 1) vorgesehene Aufträge übernommen oder abgewickelt worden. Klar sei, dass sie in einem engen Markt, in dem sie sich bewege, einige Geschäftskontakte nutzen werde, die ihr aktueller Geschäftsführer aus seiner früheren Tätigkeit für die Beklagte zu 1) habe. Klar sei aber auch, dass ein vollständig neues Vertriebs- und Arbeitskonzept benötigt würde, wenn sie am Markt überleben wolle. Es sei weder eine qualifizierte Anzahl von ehemaligen Arbeitnehmern der Beklagten zu 1) von ihr neu eingestellt worden, noch sei eine wie auch immer geartete Leitungs- und Führungsverantwortung übernommen worden.
18Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist begründet, soweit sich der Kläger gegen die sofortige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1) wendet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
21I.
22Gegen die Beklagte zu 1), die trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin am 27.02.2013 nicht erschienen ist, war auf Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil zu erkennen, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) nicht vor dem 30.04.2013 beendet worden ist. Insoweit ist der Klageantrag im Sinne von § 331 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt.
23Die Beklagte zu 1) hat mit Schreiben vom 23.10.2012 gegenüber dem Kläger keine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 BGB ausgesprochen. Zwar kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aufgrund der Einstellung des Geschäftsbetriebes mit sofortiger Wirkung. Sie bringt jedoch an keiner Stelle zum Ausdruck, dass sie damit das Arbeitsverhältnis außerordentlich beenden will. Im Gegenteil ergibt sich aus der Formulierung des Kündigungsschreibens, dass das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden solle, wobei die Beklagte zu 1) rechtsirrig davon ausgegangen ist, dass wegen der Aufgabe des Geschäftsbetriebes keine Kündigungsfrist gelte. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Beklagte zu 1) ausdrücklich darauf hinweist, dass wenn die Kündigung aus gesetzlichen Gründen nicht zum beabsichtigten Termin wirksam sein könne, die Erklärung gleichwohl zum nächst zulässigen Termin Wirksamkeit erlangen solle.
24Auch im Falle der Betriebsstilllegung gelten für die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsfristen des § 626 BGB. Bei einer mehr als 15jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers konnte die Kündigung vom 23.10.2012 das Arbeitsverhältnis nur unter Beachtung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum 30.04.2013 beenden.
25Keiner abschließenden Entscheidung bedarf hier die Frage, ob der Kläger die Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten hat. Da die Beklagte - wie oben dargelegt - erkennbar eine Kündigung zum richtigen Zeitpunkt aussprechen wollte, musste die Klagefrist des § 4 KSchG nicht eingehalten werden (BAG Urteil v. 01.09.2010 – 5 AZR 700/09 – EzA § 4 KSchG neue Fassung Nr. 90; Urteil v. 06.06.2006 – 2 AZR 215/05 – NZA 2006, 1405; Urteil v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05 – EzA § 4 KSchG neue Fassung Nr. 72).
26II.
27Die weitergehende Klage ist unbegründet. Auch soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1) richtet, werden die Anträge nicht vom Klagevortrag gedeckt, so dass auch insoweit nach § 331 Abs. 2 ZPO die Klage abzuweisen war.
281.
29Die weitergehende Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1) ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1) wird durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 23.10.2012 zum 30.04.2013 beendet werden. Die Kündigung gilt nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
30a)
31Will der Arbeitnehmer geltend machen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage ist deshalb als unbegründet abzuweisen (BAG Urteil v. 06.09.2012 – 2 AZR 885/11 – juris; Urteil vom 26.06.1986 – 2 AZR 358/85 – EzA § 4 KSchG neue Fassung Nr. 25).
32Die Erweiterung des § 4 Abs. 1 KSchG auf sonstige Unwirksamkeitsgründe durch das Gesetz zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 erfolgte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht (BAG Urteil v. 06.09.2012 – 2 AZR 858/11 – a. a. O.). Die dreiwöchige Klagefrist dient vor allem dem Schutz des Arbeitgebers. Er soll nach Ablauf von 3 Wochen nach Zugang und einer Zeitspanne für die Klagezustellung darauf vertrauen dürfen, dass seine Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat (BAG a. a. O.).
33b)
34Der Kläger hat nicht innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage im Sinne von § 4 KSchG erhoben. Das Kündigungsschreiben der Beklagten zu 1) vom 23.10.2012 ist dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag am 25.10.2012 zugegangen. Die Frist des § 4 KSchG endete mithin am 15.11.2012. Die Kündigungsschutzklage wurde jedoch erst mit Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 23.11.2012 anhängig und dem Beklagten am 06.12.2012 zugestellt.
35Die noch innerhalb der Frist des § 4 KSchG am 09.11.2012 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage unter der Bedingung der Bewilligung von „Verfahrenskostenbeihilfe" wahrt nicht die Frist des § 4 Satz 1 KSchG. Voraussetzung für die wirksame Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist, dass die Klage unbedingt erhoben wird (z. B. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.05.2011 – 3 Ta 85/11 – juris; LAG Hamm, Beschluss v. 23.11.2009 – 14 Ta 357/09 – juris; Sächsisches LAG, Beschluss vom 23.12.2005 – 3 Ta 362/05 – juris). Eine solche unbedingte Klage hat der Kläger aber gerade nicht erhoben. So beantragte er zunächst die Bewilligung von „Verfahrenskostenbeihilfe" und kündigte erst für den Fall der Bewilligung die Kündigungsschutzklage an. Weder vom Kläger noch von seinem Prozessbevollmächtigten ist geltend gemacht worden, dass die entsprechenden Formulierungen in der Antragsschrift durch das Gericht missverstanden worden sei und er eine unbedingte Kündigungsschutzklage hätte erheben wollen.
36Einer Klage unter der aufschiebenden Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung kommt keine rückwirkende Kraft zu. Die Klage soll erst mit Bewilligung der Prozesskostenhilfe ihre Wirkung entfalten und ist daher bis dahin rechtlich nicht existent. Damit liegt eine aufschiebende Bedingung vor. Eine existente Klage kann erst zu dem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem die Bedingung eintritt. Dem Bedingungseintritt kommt aber keine rückwirkende Kraft zu (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 23.10.2003 – 7 Ta 174/03 – LAGE § 114 ZPO 2002 Nr. 1).
37Auch aus § 167 ZPO ergibt sich nichts anderes. Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt werden, so tritt nach dieser Norm die Wirkung bereits mit dem Eingang des Antrags bei Gericht ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Bei einer bedingt erhobenen Kündigungsschutzklage geht – wie oben ausgeführt – der Kündigungsschutzantrag jedoch erst zu dem Zeitpunkt bei Gericht ein, zu dem er rechtlich existent wird, mithin zu dem Zeitpunkt, in dem positiv über den Prozesskostenhilfeantrag durch das Gericht entschieden wird. § 167 ZPO ist auch unter Berücksichtigung des Grundrechts des Klägers auf effektiven Rechtsschutz nicht über seinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass die Rückwirkung auf den Zeitpunkt wirkt, zu dem sein Prozesskostenhilfeantrag bei Gericht einging.
38Eine verfassungskonforme Auslegung von Rechtsnormen gebietet, die Werteentscheidung der Verfassung zu beachten und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschluss v. 21.12.2010 – 1 BvR 2760/08 – juris; Beschluss v. 16.10.1996 – 1 BvL 44/92 und 1 BvL 48/92 – NJW 1997, 722; BAG Urteil v. 19.09.2012 – 5 AZR 627/11 – NZA 2013, 101; Urteil v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 – EZA § 14 TzBfG Nr. 77). In der vorliegenden Konstellation bedeutet dies, dass einerseits das Grundrecht der mittellosen Partei auf effektiven Rechtschutz (Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. § 20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen ist, der es verbietet, der Partei den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarerer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigende Weise zu erschweren (vgl. BVerfG, Beschluss v. 01.12.2010 – 1 BvR 1682/07 – EzA § 4 TvG Ausschlussfristen Nr. 97; Beschluss v. 02.03.1993 – 1 BvR 249/92 – NJW 1993, 1635). Dabei kann auch das mit einem Zivilprozess verbundene Kostenrisiko die Beschreitung des Rechtsweges faktisch erschweren oder gar vereiteln (BVerfG, Beschluss v. 01.12.2010 – 1 BVR 1682/07 – a. a. O.). Auf der anderen Seite sind jedoch auch die durch Artikel 14 GG geschützten Eigentumsrechte des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Ein Kündigungsschutzprozess stellt für einen Arbeitgeber ein erhebliches, in nicht wenigen Fällen sogar existenzgefährdendes wirtschaftliches Risiko dar. Wird in einem Kündigungsrechtsstreit gegebenenfalls erst nach Monaten rechtskräftig festgestellt, dass ein Arbeitsverhältnis nicht durch eine bestimmte Kündigung beendet worden ist, so hat der Arbeitgeber regelmäßig nach §§ 615 BGB, 11 KSchG das in der Zwischenzeit aufgelaufene Arbeitsentgelt nachzuzahlen, ohne dass der Arbeitnehmer seinerseits zur Nachleistung verpflichtet ist. Deshalb hat der Arbeitgeber ein berechtigtes und grundrechtlich geschütztes Interesse daran, möglichst kurzfristig eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung herbeiführen zu lassen. Vor diesem Hintergrund greift es zu kurz, Sinn und Zweck der Frist des § 4 Satz 1 KSchG allein darin zu sehen, dem Arbeitgeber alsbald Klarheit darüber zu verschaffen, ob die von ihm ausgesprochene Kündigung durch den Arbeitnehmer angegriffen wird (so möglicherweise LAG Hamm, Beschluss vom 14.06.2011 – 14 Ta 295/11 – juris). § 4 KSchG ist vielmehr im Zusammenhang mit den übrigen prozessualen Sonderregelungen des Kündigungsschutzverfahrens zu sehen, insbesondere mit § 61 a ArbGG und § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG. Hieraus ergibt sich, dass bereits der Gesetzgeber in Abwägung der dargestellten Grundrechtspositionen eine Werteentscheidung dahingehend getroffen hat, dass Bestandsstreitigkeiten in möglichst kurzer Zeit zu einem prozessualen Abschluss gebracht werden sollen. So hat er dem Arbeitnehmer die Obliegenheit der kurzfristigen Klageerhebung auferlegt (§ 4 KSchG). Den Arbeitsgerichten hat er die Obliegenheit der besonderen Prozessförderung (§ 61 a ArbGG) auferlegt. Gleichzeitig wurde das Kostenrisiko für alle Beteiligten dadurch begrenzt, das abweichend von den sonst üblichen Bewertungsgrundsätzen in Bestandsschutzrechtsstreitigkeiten der Wert des Verfahrens nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG auf maximal ¼ Jahresverdienst des Arbeitnehmers festgesetzt werden kann. Diese gesetzgeberische Werteentscheidung ist auch verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.12.2010 – 1 BvR 1682/07 – a. a. O.).
39Diese gesetzgeberische Werteentscheidung würde umgangen, würde § 167 ZPO über seinen Wortlaut hinaus dahingehend ausgelegt werden, dass die Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs Prozesskostenhilfeantrags ausgedehnt würde. Den Arbeitsgerichten wäre faktisch die Einhaltung der Frist des § 61 Abs. 2 ArbGG nicht mehr möglich, da vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag und damit der Terminierung der Hauptsache nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO dem Gegner zunächst rechtliches Gehör zum Prozesskostenhilfeantrag zu gewähren wäre. Zudem würde eine solche Auslegung zu einer verfassungsrechtlich kaum noch zu rechtfertigenden Privilegierung mittelloser Parteien führen. Eine Partei, die die Kosten des Rechtsstreits selber tragen müsste, wäre nach § 4 KSchG weiterhin gehalten, innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung ein Klageverfahren zu beschreiten. Einer mittellosen Partei bliebe es jedoch zunächst möglich, die Erfolgsaussichten eines solchen Klageverfahrens im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens durch das Gericht vorab prüfen zu lassen.
40Schließlich ist eine über den Wortlaut von § 167 ZPO hinausgehende Auslegung der Norm gar nicht nötig, um dem Grundrecht einer mittellosen Partei auf effektiven Rechtsschutz hinreichend Geltung zu verschaffen. Die Grundrechte der mittellosen Partei sind vielmehr im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens insbesondere bei der Auslegung des Begriffs der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO zu berücksichtigen. So wird eine hinreichende Erfolgsaussicht bei Bestandsschutzrechtsstreitigkeiten immer dann anzunehmen sein, so lang die Wirksamkeit der Kündigung auf Grundlage der auch dem Arbeitnehmer bis zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bekannten Umstände nicht offensichtlich ist. Da auch die mittellose Partei gehalten ist, innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung das Klageverfahren zu bestreiten, kann die hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO nicht aufgrund von Umständen verneint werden, die dem Kläger erst nach Klageerhebung bekannt werden.
41Nach alldem ist es auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten, die Wirkung der Klagezustellung auf den Eingang des Prozesskostenhilfeantrags bei Gericht zu beziehen.
42c)
43Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob die verspätete Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG nachträglich hätte zugelassen werden können. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger zu keiner Zeit gestellt.
442.
45Auch die weitergehende Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2) ist unbegründet. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) besteht kein Arbeitsverhältnis. Das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) begründete Arbeitsverhältnis ist nicht im Wege eines Betriebsüberganges nach § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen.
46a)
47Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613 a Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Eine wirtschaftliche Einheit ist eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen, die darauf ausgerichtet ist, auf Dauer eine wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung auszuüben. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisatorischen Gesamtheit „Betrieb" bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Teilaspekte der Gesamtwürdigung sind unter anderem die Art des Betrieben, der Übergang materieller Betriebsmittel, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kunden- und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit der vor- und nach dem Übergang versehenen Tätigkeit und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 41/11 – juris; Urteil vom 13. Dezember 2007 – 8 AZR 937/96 – EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 88). Es ist Sache des Arbeitnehmers, der sich in einem Verfahren auf einem Betriebsübergang beruft, die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs darzulegen und ggfls. zu beweisen (BAG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 8 AZR 107/10 – EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 126; Urteil vom 26. Mai 2011 – 8 AZR 37/10 – EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 125).
48b)
49Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht dargelegt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613 a BGB erfüllt sind. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte zu 2) wesentliche materielle Betriebsmittel von der Beklagten zu 1) übernommen habe. Soweit der Kläger lediglich ausführt, die Beklagte zu 2) habe Telefonverträge und damit entsprechende Rufnummern von der Beklagten zu 1) übernommen, stellen diese keine wesentlichen Betriebsmittel dar, die den Betrieb der Beklagten zu 1) geprägt hätten. Vom Kläger wird auch nicht behauptet, der Beklagte zu 2) habe Inventar oder ein ggfls. noch vorhandenes Warensortiment der Beklagten zu 1) übernommen. Schließlich kann auch nach dem Vortrag des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 2) ihre Betriebstätigkeit in den Räumlichkeiten ausübt, die zuvor von der Beklagten zu 1) genutzt wurden. Die Beklagte zu 2) beschäftigt auch nach dem Vortrag des Klägers keinen nach Zahl- und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft der Beklagten zu 1) weiter. Dabei kann sogar als wahr unterstellt werden, dass Gesellschafter der Beklagten zu 2) Personen sind, die zuvor bei der Beklagten zu 1) eine zentrale Funktion ausgeübt haben. Dass darüber hinaus weitere Beschäftigte der Beklagten zu 1) bei der Beklagten zu 2) tätig sind, wird nicht einmal vom Kläger behauptet. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu 2) unstreitig im selben Marktsegment tätig ist, der zuvor von der Beklagten zu 1) bedient wurde, führt nicht zu einer identitätswahrenden Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit. Unerheblich ist schließlich auch, dass die Beklagte zu 1), die Beklagte zu 2) sowie die Firma I1 GmbH nach dem Vortrag des Klägers einer Unternehmensgruppe angehören. Allein gesellschaftsrechtliche Verbindungen mehrerer Unternehmen begründen keinen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB.
503.
51Auch die weitergehende Zahlungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate November und Dezember 2012 aus § 611 BGB. Gegenüber der Beklagten zu 2) scheidet ein Anspruch bereits deshalb aus, weil zwischen diesen Parteien – wie oben dargelegt – kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Aber auch gegenüber der Beklagten zu 1) ist der Anspruch unbegründet. Zwar ist mit dem Vortrag des Klägers, der nach § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO als wahr zu unterstellen ist, davon auszugehen, dass entsprechende Entgeltansprüche für diese Monate entstanden sind. Der Kläger ist jedoch nicht mehr Anspruchsinhaber, da seine Entgeltansprüche mit der Stellung eines Antrags auf Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 169 Satz 1 SGB III auf diese übergegangen sind.
52III.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
54Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 42 Abs. 3 GKG, 3 ff. ZPO.