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1) Es wird festgestellt, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Y GmbH u. Co. KG eine Insolvenzforderung in Höhe von 23.728,81 € zusteht.
2) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3) Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 63 % der Kläger, zu 37 % der Beklagte.
4) Der Streitwert wird auf 64.406,37 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger Schadensersatzansprüche als Insolvenzforderung zustehen.
3Der Kläger war seit dem 09.09.1984 bei der Y GmbH & Co. KG beschäftigt. Er bekam seit Juli 2002 die Vergütung nur schleppend ausbezahlt. Für den Monat Dezember 2002 ist ihm nur ein Teil der Vergütung gezahlt worden. Für die Monate Januar und Februar 2003 erhielt er keine Vergütung mehr. Deswegen kündigte er mit Schreiben vom 07.03.2003 fristlos.
4Am selben Tag stellte die Y GmbH & Co. KG Insolvenzantrag. Das vorläufige Insolvenzverfahren wurde am 10.03.2003 eröffnet. Mit Beschluss vom 18.03.2003 hat das Amtsgericht Bielefeld das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Y GmbH & Co. KG eröffnet und gleichzeitig den Beklagten zum Insolvenzverwalter ernannt. Im Insolvenzverfahren ist mit einer Quote von weniger als 10 % zu rechnen.
5Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde seine fiktive Vergütung für den Zeitraum der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist als Schadensersatz zu, d.h. für sieben Monate zu je 3.389,83 € und damit 23.728,81 €.
6Ferner ist der Kläger der Ansicht, ihm stehe ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz zu, weil er durch vertragswidriges Verhalten der Schuldnerin davon abgehalten worden sei, seinen Bestandsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung geltend zu machen. Der Anspruch sei nach den §§ 9, 10 KSchG zu bemessen und belaufe sich unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit auf 40.677,96 €.
7Er beantragt,
8festzustellen, dass ihm in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Y GmbH & Co. KG eine Insolvenzforderung in Höhe von 64.406,77 Euro zusteht.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er ist der Ansicht, vor der fristlosen Eigenkündigung sei eine Abmahnung erforderlich gewesen, die Kündigung sei nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt worden und das Insolvenzgeld decke das Arbeitnehmerrisiko ab, weswegen kein Grund für eine fristlose Kündigung vorgelegen habe. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren drei Monate betrage.
12Ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe eines Abfindungsbetrages scheide schon deshalb aus, weil auch im Fall einer Kündigung durch ihn, den Insolvenzverwalter, die Zahlung einer Abfindung nicht in Betracht gekommen wäre.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
14Die Arbeitsgerichte sind gemäß § 185 InsO zuständig.
15Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Feststellungsklage die richtige Klageart (§ 179 Abs. 1 InsO).
16Die Klage ist teilweise begründet.
17Dem Kläger steht in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Y GmbH & Co. KG eine Insolvenzforderung in Höhe von 12.688,50 Euro aus § 628 Abs. 2 BGB zu.
18Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 07.03.2003 wirksam fristlos gekündigt. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt zumindest dann vor, wenn die Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe unterblieben ist oder sich der Verzug des Arbeitgebers mit der Vergütungszahlung über einen erheblichen Zeitraum erstreckt (BAG vom 17.01.2002, 2 AZR 494/00, EzA § 628 BGB Nr. 20). Das ist hier der Fall, denn der Kläger bekam seit Juli 2002 die Vergütung nur schleppend ausbezahlt. Für den Monat Dezember 2002 wurde ihm nur ein Teil der Vergütung gezahlt. Für die Monate Januar und Februar 2003 hat er schließlich keine Vergütung von der Y GmbH & Co. KG erhalten. Der Kündigungsgrund entfällt auch nicht dadurch, dass die Y GmbH & Co. KG Insolvenz anmeldete und dem Kläger daher im Rahmen des § 183 SGB III Insolvenzgeld zustand. Dieses stellt nicht die vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitgebers dar. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist unzumutbar, da Insolvenzgeld nur für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gewährt wird (§ 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III) und der Arbeitnehmer befürchten muss, mit weiteren Lohnforderungen auszufallen. In dem hier zu entscheidenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eigenkündigung noch nicht sicher wusste, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden würde, da die Y GmbH & Co. KG erst am selben Tag Insolvenzantrag stellte.
19Die fristlose Kündigung ist auch nicht wegen einer fehlenden Abmahnung unwirksam. Zwar verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel auch von einem Arbeitnehmer, vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber abzumahnen; dies gilt jedoch nicht, wenn auch im Falle einer Abmahnung keine Aussicht auf eine Rückkehr des Vertragspartners zum vertragskonformen Verhalten mehr besteht (BAG a.a.O.). Hier hätte die Y GmbH & Co. KG auch nach einer Abmahnung den rückständigen Lohn nicht gezahlt, da sie ihn nicht bezahlten konnte.
20Die fristlose Kündigung war auch nicht durch die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Lauf dieser Frist beginnt bei Dauertatbeständen erst mit der Beendigung des die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Zustandes (BAG vom 22.01.1998, 2 ABR 19/97, AP Nr. 38 zu § 626 BGB Ausschlussfrist; BAG vom 25.02.1983, 2 AZR 298/81, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Der Verzug mit der Zahlung des Arbeitsentgeltes stellt einen Dauertatbestand dar. Er bestand zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung am 07.03.2003 fort.
21Ansprüche aus § 628 Abs. 2 BGB werden durch ein Insolvenzverfahren nicht ausgeschlossen (BAG vom 22.10.1998, 8 AZR 73/98 und 8 AZR 688/97, ZInsO 98, 301-302; LAG Rheinland-Pfalz vom 27.03.2003, 6 SA 25/03, soweit ersichtlich nicht veröffentlicht, jeweils zur ehem. KO; ArbG Bayreuth vom 30.01.2002, 3 Ca 997/01, DZWIR 2002, 282 zur InsO). Zwar ist § 628 Abs. 2 BGB auf die typische Situation im Insolvenzverfahren nicht eingestellt und kann zu erheblichen Belastungen der Masse führen. Dieses entspricht jedoch mangels anderweitiger Regelung der Gesetzeslage.
22Die fristlose Kündigung wurde durch das vertragswidrige Verhalten der Y GmbH & Co. KG veranlasst, nämlich die Nichtzahlung des Lohnes.
23Der Umfang der dem Kläger zustehenden Schadensersatzforderung beträgt 23.728,81 Euro. Dieses entspricht sieben Bruttomonatsgehältern in Höhe von je 3.389,85 Euro, denn die Kündigungsfrist betrug gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BGB sechs Monate. Der Ersatz des sogenannten Verfrühungsschadens ist grundsätzlich auf den Zeitraum für eine ordentliche fristgerechte arbeitgeberseitige Kündigung begrenzt (BAG vom 26.07.2001, 8 AZR 739/00, AP Nr. 13 zu § 628 BGB). Dieser Zeitraum ist nicht unter Berücksichtigung von § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO auf drei Monate zu beschränken (ArbG Bayreuth vom 30.01.2002, 3 Ca 997/01, DZWIR 2002, 282). Zum Zeitpunkt der Eigenkündigung war das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet worden, so dass das Arbeitsverhältnis nicht mit der verkürzten Frist des § 113 Abs. 1 InsO gekündigt werden konnte. Es würde zu haltlosen Spekulationen führen, wenn zu erörtern wäre, ob ein Insolvenzverwalter ein bereits durch Eigenkündigung beendetes Arbeitsverhältnis im späteren Verlauf des Insolvenzverfahrens gekündigt haben würde, wenn es nicht bereits gekündigt wäre. Die verkürzte Kündigungsfrist des § 193 Abs. 1 InsO könnte allenfalls dann als Bemessungszeitraum zugrunde gelegt werden, wenn aufgrund besonderer Umstände eine sofortige Kündigung durch den Insolvenzverwalter als sicher erscheint, wie etwa im Fall einer sofortigen Betriebsstilllegung. Das war hier nicht erkennbar.
24Dem Kläger steht kein zusätzlicher Schadensersatz entsprechend den §§ 9, 10 KSchG zu. Zwar kann ein solcher Schadensersatzanspruch im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB unter Umständen bestehen (BAG vom 26.07.2001, 8 AZR 739/00, AP Nr. 13 zu § 628 BGB; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2003, Müller-Glöge, BGB § 628 Rd.Nr. 75). Dieses setzt jedoch voraus, dass im Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung eine Abfindung nach § 9 KSchG zu erwarten gewesen wäre. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Insbesondere liegt hier ein erheblicher Unterschied zu dem vom BAG am 26.07.2001 entschiedenen Sachverhalt vor. Auch würde es mit einer durch das Gesetz nicht gebotenen Belastung der Masse einhergehen. Diese würde dazu führen, dass die Arbeitnehmer, die eine Eigenkündigung ausgesprochen haben, deutlich besser stünden, als diejenigen, die dieses nicht getan haben. Abgesehen von der damit einhergehenden Ungleichbehandlung würde der durch das Insolvenzgeld (§ 183 SGB III) auch verfolgte Zweck, die Arbeitnehmer bei Zahlungsschwierigkeiten ihres Arbeitgebers im Interesse des Unternehmens von einer Eigenkündigung abzuhalten, konterkariert werden.
25Die Verteilung der Kosten entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Parteien (§ 92 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG).
26Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 61 I ArbGG und § 32 ZPO i.V.m. § 182 InsO. Danach war der im Tenor genannte Betrag in Ansatz zu bringen, da nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten mit einer Quote von weniger als 10 % zu rechnen ist (vgl. ArbG Bayreuth vom 30.01.2002, 3 Ca 997/01, DZWIR 2002, 282).
27Rechtsmittelbelehrung
28Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei B e r u f u n g eingelegt werden.
29Die Berufung muss innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat beim Landesarbeitsgericht Hamm, Marker Allee 94, 59071 Hamm eingegangen sein. Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung. § 9 Abs. 5 ArbGG bleibt unberührt.
30Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.
31Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
32* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.