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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,00 Euro Inflationsausgleichsprämie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 800,00 Euro festgesetzt
Tatbestand
2Die Parteien streiten im Rahmen einer Zahlungsklage darüber, ob der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages als Inflationsausgleichsprämie zusteht.
3Die am 21.03.1964 geborene Klägerin, die verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 15.02.2021 als Vertriebssachbearbeiterin (Klägervortrag) bzw. Sachbearbeiterin im Vertrieb (Beklagtenvortrag) mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden in Teilzeit bei der Beklagten beschäftigt. Ihr monatliches Bruttoentgelt beträgt 2.700,00 Euro. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien aus 2021 ist in Kopie zur Gerichtsakte gereicht (Bl. 14 – 19 d. A.), worauf Bezug genommen wird.
4Die Beklagte mit Hauptsitz in A betreibt Maschinenbau und ist auf die Entwicklung und Herstellung von Systemkomponenten für die Bergbauindustrie spezialisiert. Die Beklagte beschäftigt aktuell 45 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat ist in ihrem Betrieb in A gewählt.
5Die Beklagte zahlte an alle ihre Mitarbeiter/-innen mit dem Lohnlauf für Dezember 2022 eine freiwillige Inflationsausgleichsprämie. Sie zahlte diese in unterschiedlichen Höhen: teilweise 200,00 Euro, teilweise 300,00 Euro, teilweise 500,00 Euro und teilweise 1.000,00 Euro.
6An die Klägerin zahlte die Beklagte eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 200,00 Euro.
7Mit Schreiben vom 22.03.2023 (Bl. 22 f. d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte unter Berufung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auf, ihr entweder eine Inflationsausgleichsprämie von 800,00 Euro nachzuzahlen oder dezidiert, in Form eines nachvollziehbaren Verteilungsschemas, zu erläutern, nach welchen Kriterien sie die Inflationsausgleichsprämie festgelegt habe. Für den weiteren Inhalt dieses Schreibens wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie Bezug genommen.
8Die Beklagte antwortete, dass sie die Prämien nach Betriebszugehörigkeit und Verdiensthöhe gestaffelt habe. Eine weitere Konkretisierung, wie von der Klägerin vorgerichtlich erbeten, erfolgte nicht.
9Auf eine vorgerichtliche Anfrage des Betriebsrats, auf welcher Grundlage verschiedene Zahlungen der Inflationsausgleichsprämie zustande gekommen seien, antwortete der Geschäftsführer F der Beklagten dem Betriebsrat:
10„…Da es sich dabei um individuelle Entscheidungen handelt, werde ich nicht begründen. "
11Mit ihrer am 26.04.2023 bei Gericht eingehenden Klageschrift begehrt die Klägerin nunmehr von der Beklagten die Zahlung weiterer 800,00 Euro als Inflationsausgleichsprämie.
12Die Klägerin meint, ihr stehe der weitere Betrag von 800,00 Euro zu, weil von einem Verstoß der Beklagten gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz auszugehen sei.
13Die Beklagte habe schon keine nachvollziehbare Gruppenbildung unter ihren Arbeitnehmern anhand von zulässigen, sachlichen Kriterien für die Bezahlung der Inflationsausgleichsprämie dargelegt. Die von der Beklagten genannten Differenzierungskriterien Vollzeit/Teilzeit, Verdiensthöhe und Betriebszugehörigkeit würden im Einzelnen zu „problematischen“ Ergebnissen führen. Insbesondere, wenn die Beklagte in dem Fall eines Arbeitnehmers B offenbar noch zusätzliche Kriterien, wie „herausgehobene Leitungsposition“ und „Personalverantwortung“ herangezogen habe. Unstreitig hat die Arbeitnehmerin C eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 300,00 Euro erhalten, obwohl sie zum Zeitpunkt der Zahlung nur einen Monat länger als die Klägerin bei der Beklagten und nach streitigem Klägervortrag auch in Teilzeit beschäftigt war. Ein Arbeitnehmer D, der erst seit dem 01.10.2022 beschäftigt war, hat unstreitig eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 500,00 Euro gezahlt erhalten.
14Die Klägerin beantragt:
15Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,00 Euro Inflationsausgleichsprämie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte ist der Auffassung, der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin nicht zu, da die unterschiedliche Behandlung der Klägerin sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich erfolgt sei.
19Die Klägerin halte sich offenbar nur für vergleichbar mit den Arbeitnehmern, die im Dezember 2022 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000,00 Euro erhalten hätten, sei aber tatsächlich als Teilzeitmitarbeiterin mit einem Gehalt von 2.700,00 Euro brutto und einer Betriebszugehörigkeit von weniger als zwei Jahren mit den Arbeitnehmern, die in diese Gruppe fielen, nicht vergleichbar.
20Die Beklagte benennt namentlich fünf Mitarbeiter, die alle länger als acht Jahre im Unternehmen der Beklagten beschäftigt seien und ein monatliches Bruttogehalt von mindestens 4.000,00 Euro erhielten, an die eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000,00 Euro gezahlt worden sei. Darüber hinaus sei eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000,00 Euro an einen Arbeitnehmer B gezahlt worden, der zum Zahlungszeitpunkt zwar in Vollzeit, aber nicht über acht Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei, zudem kein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 4.000,00 Euro bezogen habe. Die Zahlung sei aufgrund der herausragenden Leitungsfunktion des Arbeitnehmers B an diesen erfolgt, aufgrund dessen Leitungsfunktion für die Lager- und Versandleitung und die damit verbundene Personalverantwortung.
21Die Beklagte trägt vor, im Einzelnen sei die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie an ihre Mitarbeiter unter Anwendung folgender Staffelung erfolgt:
22- 200,00 €: Teilzeitbeschäftigung, weniger als zwei Jahre Beschäftigung, weniger als 2.700,00 € brutto Monatsgehalt
23- 300,00 €: Vollzeittätigkeit, zwei bis fünf Jahre Beschäftigungsdauer, 2.800,00 € - 3.000,00 € brutto Monatsgehalt
24- 500,00 €: Vollzeittätigkeit, mehr als fünf Jahre und weniger als acht Jahre Beschäftigung, 3.000,00 € - 4.000,00 € brutto Monatsgehalt
25- 1.000,00 €: Vollzeittätigkeit, mehr als acht Jahre Beschäftigung, mehr als 4.000,00 € brutto Monatsgehalt
26Die für die Klägerin maßgebliche Gruppe habe aus ihr als einziger Teilzeitmitarbeiterin bestanden. Auch sei niemand sonst weniger als zwei Jahre und mit einem Bruttolohn von weniger als 2.700,00 Euro bei der Beklagten beschäftigt gewesen.
27Die Beklagte trägt weiter vor, die E-Mail ihres Geschäftsführers F an die Betriebsrat, die nach dessen Anfrage erfolgt sei, stehe dem beschriebenen Schema nicht entgegen, weil die jeweilige Bonushöhe nach Vergütungshöhe und Beschäftigungsdauer tatsächlich unterschiedlich ausgefallen und nach den genannten Kriterien individuell bestimmt worden sei, dies aber nichts daran ändere, dass die Beklagte ein erkennbar generalisierendes Prinzip angewandt und keine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe vorgenommen habe. Auch sei keine sachfremde Gruppenbildung erfolgt.
28Für das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf die ausgetauschten und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die in mündlicher Verhandlung zu Protokoll abgegebenen Erklärungen.
29Die Parteien führen unter dem Aktenzeichen 3 Ca 697/23 noch einen Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Hagen.
30Entscheidungsgründe:
31Die zulässige Klage ist begründet.
32A.
33Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages als Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 800,00 Euro aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.
34Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar bei Maßnahmen, die der einseitigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers unterliegen. Er ist nicht anwendbar, soweit der Arbeitgeber tarifliche bzw. arbeitsvertragliche Regelungen umsetzt (s. nur BAG, Urteil vom 14.06.2006 – 5 AZR 584/05 -, juris Rdnr. 16). Insbesondere gilt der Grundsatz des Vorrangs der Vertragsfreiheit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
35Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln (BAG, Urteil vom 21.09.2011, Az. 5 AZR 520/10, juris Rdnr. 19). Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG, Urteil vom 31.08.2005, Az. 5 AZR 517/04, juris Rdnr. 14). Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Bereich der Vergütung (unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit) Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (st. Rspr., BAG, Urteil vom 27.07.1988, 5 AZR 244/87, juris Rdnrn. 18,23; BAG, Urteil vom 21.09.2011, Az. 5 AZR 520/10, juris Rdnr. 19; BAG, Urteil vom 25.01.2012, Az. 4 AZR 147/10, juris Rdnr. 57; BAG, Urteil vom 03.09.2014, Az. 5 AZR 6/13, juris Rdnr. 19).
36Dem Arbeitgeber ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus unsachlichen oder sachfremden Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Nach dem mit der Gehaltserhöhung verfolgten Zweck ist zu beurteilen, ob der ausgeschlossene Personenkreis zu Recht ausgenommen wird (BAG, Urteil vom 17.05.1978, 5 AZR 132/77, juris Rdnr. 23). Steht eine Gruppenbildung fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offen zu legen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar, legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, erwächst der benachteiligte Arbeitnehmergruppe ein Anspruch darauf, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden und die vorenthaltene Leistung zu erhalten (vgl. BAG, Urteil vom 17.03.2010, Az. 5 AZR 168/09, juris Rdnr. 17; BAG, Urteil vom 13.04.2011, Az. 10 AZR 88/10, juris Rdnr. 14; Urteil vom 15.01.2013 – 3 AZR 169/12 -, juris Rdnr. 31; ArbG Paderborn, Urteil vom 06.07.2023, 1 Ca 54/23, juris Rdnr. 21).
37Eine Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten aufgrund der Teilzeitarbeit ist ohne sachlichen Grund ebenfalls unzulässig; dies ergibt sich bereits aus § 4 Abs. 1 TzBfG (s. hierzu nur Küttner/Kania, Personalbuch 2023, Gleichbehandlung, Rdnrn. 10 und 32).
38Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes hier eröffnet.
39Die Beklagte hat die Inflationsausgleichsprämie freiwillig und nach ihrem Vortrag nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip ausgezahlt. Die Beklagte leistete unterschiedlich hohe Zahlungen an ihre Arbeitnehmer und nahm bestimmte Arbeitnehmergruppen, die nicht in dieses Raster fallen, von der gezahlten Inflationsausgleichsprämie aus. Die Zahlung hing konkret von den Beschäftigungsjahren der Arbeitnehmer, dem Kriterium Vollzeit/Teilzeit sowie der Höhe der Vergütung ab. Die Verteilungskriterien mussten jeweils kumulativ erfüllt sein.
402.
41Die Ungleichbehandlung hier der Klägerin ist sachlich ungerechtfertigt. Die erkennende Kammer schließt sich hier vollumfassend den Ausführungen und der Begründung der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Hagen in dem Urteil 4 Ca 604/23 vom 19.09.2023 in einem Parallelrechtsstreit eines anderen Klägers gegen die hiesige Beklagte an, dort Seite 4 bis 6, die sie sich zu eigen macht, wo es wie folgt heißt:
42„Ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss zwar nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Die Beklagte muss jedoch nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher Gruppe von Arbeitnehmern sie einen Inflationsausgleich in welcher Höhe zukommen lassen will und welcher Arbeitnehmergruppe nicht. Eine Gruppenbildung ist nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die unterschiedliche Leistungsgewährung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Den Zweck, den die Beklagte mit den Auszahlungen der unterschiedlich hohen Beträge verfolgt, erschließt sich der Kammer nicht hinreichend. Ihre genaue Zwecksetzung hat die Beklagte nicht hinreichend klar offengelegt. Den Kriterien, die die Beklagte den Zahlungen zugrunde legt, lassen sich unterschiedliche Zwecke entnehmen, die sich zum Teil widersprechen.
43Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach jene in Vollzeit tätige Arbeitnehmer (nachfolgend „Vollzeit-Arbeitnehmer“) bevorzugt behandelt, die eine lange Beschäftigungszeit aufweisen und ein hohes Gehalt erzielen. Dies allein begründet noch nicht die Unsachlichkeit des von der Beklagten angewandten Verteilungsprinzips. Zwar verfolgt der Gesetzgeber mit der Eröffnung der Möglichkeit eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen einen im öffentlichen Interesse liegenden steuergesetzlichen Sozialzweck (Prof. Dr. Uffmann in: NZA 2023, 65 (70)). Jedoch hat diese gesetzgeberische Intention nicht zur Folge, dass der Arbeitgeber neben dieser Zwecksetzung nicht auch weitere Zwecke verfolgen darf, solange seine Zwecke die soziale Zwecksetzung des Gesetzgebers nicht konterkarieren. Aus der Finanzierungsverantwortung des Arbeitgebers erwächst vielmehr ein entgeltrechtlicher Gestaltungsspielraum, dem sich der Arbeitgeber für die Setzung weiterer Zwecke zunutze machen kann. So widerspricht die Honorierung von Betriebstreue, die die Beklagte mit ihren Zahlungen an in Vollzeit-Arbeitnehmer wohl unter anderem bezweckt, nicht bereits dem steuergesetzlichen Sozialzweck, der darin besteht, die gestiegenen Verbraucherpreise abzumildern.
44Fraglich ist jedoch, ob die Beklagte die Höhe der Zahlungen an Vollzeit-Arbeitnehmer neben den Beschäftigungsjahren auch an die Höhe der Gehälter koppeln durfte. Denn es sind im Regelfall Geringverdiener, die besonders stark von dem Kaufkraftverlust betroffen sind. Man könnte somit zu dem Ergebnis gelangen, die Bevorzugung von Besserverdienern laufe dem Sozialzweck der Inflationsausgleichsprämie zuwider und sei somit unzulässig. Letztlich kommt es auf die Beantwortung dieser Frage jedoch nicht an. Selbst wenn man annähme, der Zweck der Beklagten, Besserverdiener gegenüber Geringverdienern besonders zu würdigen, sei von dem entgeltrechtlichen Gestaltungsspielraum der Beklagten gedeckt und laufe der sozialen Zwecksetzung nicht zuwider, so ergibt sich die Unsachlichkeit des Verteilungsprinzips der Beklagten aus der unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit-Arbeitnehmern und in Teilzeit tätigen Arbeitnehmern (nachfolgend: „Teilzeit-Arbeitnehmer“). So erhalten Vollzeit-Arbeitnehmer umso höhere Zahlungen, je mehr sie verdienen. Teilzeit-Arbeitnehmer hingegen erhalten nur dann eine Zahlung, wenn sie weniger als 2.700,00 Euro brutto monatlich verdienen. Welcher Zweck dieser unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit-Arbeitnehmern und Teilzeit-Arbeitnehmern innewohnt, erschließt sich der Kammer nicht und wurde von der Beklagten auch nicht dargelegt.
45Auch in Bezug auf das Kriterium der Beschäftigungsdauer ergibt sich ein solcher Widerspruch bei der Behandlung von Vollzeit-Arbeitnehmern gegenüber Teilzeit-Arbeitnehmern. Vollzeit-Arbeitnehmer mit einer Beschäftigungsdauer von unter zwei Jahren erhalten keine Zahlung während bei der Gruppe der Teilzeit-Arbeitnehmer nur solche Arbeitnehmer eine Zahlung erhalten, die weniger als zwei Jahre beschäftigt sind. Eine Begründung für die unterschiedliche Behandlung dieser Arbeitnehmergruppen lässt sich dem Vortrag der Beklagten ebenfalls nicht entnehmen. Warum sich bei Vollzeit-Arbeitnehmern eine längere Beschäftigungsdauer positiv auswirkt, während sich bei Teilzeit-Mitarbeitern eine längere Beschäftigungsdauer negativ auswirkt erschließt sich nicht.
46Ebenso ist es nicht nachvollziehbar, warum bestimmte Arbeitnehmergruppen von dem Verteilungsprinzip der Beklagten nicht erfasst werden. Die Beklagte gibt an, dass die Kriterien, der jeweiligen Gruppe stets kumulativ vorliegen müssen, damit es zu einer entsprechenden Auszahlung kommt. Das führt jedoch dazu, dass ein Arbeitnehmer in Vollzeit, der mehr als fünf Beschäftigungsjahre aufweist, aber weniger als 3.000,00 Euro verdient, ist von dem Verteilungssystem der Beklagten nicht umfasst. Zudem ist für in Vollzeit tätige Arbeitnehmer keine Zahlung vorgesehen, die zwischen zwei und fünf Jahre bei der Beklagten beschäftigt sind und mehr als 3.000,00 Euro brutto monatlich verdienen. Auch in Vollzeit tätige Arbeitnehmer die mehr als fünf Jahre aber weniger als acht Jahre beschäftigt sind und mehr als 4.000,00 Euro verdienen ist keine Zahlung vorgesehen. Auch für diese Differenzierungen ist kein sachlicher Grund erkennbar. Die Beklagte verhält sich vielmehr widersprüchlich: Zum einen legt sie für die Höhe der Zahlungen die Kriterien Beschäftigungsdauer und Vergütungshöhe zugrunde. Zum anderen schließt sie bestimmte Arbeitnehmer von der Zahlung vollständig aus, die nach ihrer Beschäftigungsdauer zwar einer Gruppe angehören, aber mehr verdienen als die Arbeitnehmer dieser Gruppe. Wenn die Beklagte nach ihrem grundsätzlichen Verteilungssystem Besserverdienern eine höhere Zahlung zukommen lässt, ist es nicht nachvollziehbar, wieso Arbeitnehmer mit einer höheren Vergütung weniger erhalten (nämlich nichts) als Arbeitnehmer mit derselben Beschäftigungsdauer und einer geringeren Vergütung.
47Auch ein Arbeitnehmer, der in Vollzeit tätig ist und weniger als zwei Jahre beschäftigt ist oder zwar mehr als zwei Beschäftigungsjahre aufweist, jedoch weniger als 2.800,00 Euro brutto im Monat verdient, ist von keiner der Kategorien umfasst. Auch hierfür ist ein sachlicher Differenzierungsgrund ist nicht erkennbar.“
483.
49Aus der Tatsache, dass die Beklagte ihre Differenzierungsgesichtspunkte nicht hinreichend darlegt sowie der Tatsache, dass die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen nach der Zwecksetzung, die sich aus dem grundsätzlichen Verteilungssystem der Beklagten entnehmen lässt, in sich widersprüchlich ist, folgt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Daraus resultiert wiederum ein Anspruch der benachteiligten Arbeitnehmergruppe, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (BAG, Urteil vom 03.09.2014, 5 AZR 6/13, juris Rdnr. 19; BAG, Urteil vom 21.05.2014, 4 AZR 50/13, juris Rdnr. 23; ArbG Paderborn, Urteil vom 06.07.2023, 1 Ca 54/23, juris Rdnr. 21). Es hat eine Angleichung nach oben zu erfolgen (so auch Fuhlrott in: ArbRAktuell 2015, 141 [143]). Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der erhaltenen Zahlung von 200,00 Euro und der Zahlung von 1.000,00 Euro, die die begünstigte Arbeitnehmergruppe erhalten hat.
50Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich ab Rechtshängigkeit, d. h. ab dem Datum der Klagezustellung, aus §§ 288, 291 BGB.
51B.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei zu tragen.
53Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde mit dem Nennbetrag des Zahlungsantrages in Ansatz gebracht.
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
55Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
56Landesarbeitsgericht Hamm
57Marker Allee 94
5859071 Hamm
59Fax: 02381 891-283
60eingegangen sein.
61Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 64 Abs. 7 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Berufung ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
62Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite www.justiz.de.
63Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
64Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
651. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
70* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.