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1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger 25 Stunden pro Woche zu beschäftigen, wobei sich die Arbeitszeit wie folgt verteilt: Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zu ½.
4. Der Streitwert wird auf 2.058,34 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Lage der Arbeitszeit des Klägers.
3Der 54 Jahre alte, verheiratete Kläger ist seit dem 21.12.2009 als Auslieferungsfahrer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden in der Niederlassung der Beklagten in A beschäftigt.
4Die Beklagte beliefert Einzelhaushalte, Kitas, Schulen und Kantinen mit Menüs zur Mittagszeit.
5Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW in der Fassung vom 20.04.2016 Anwendung. Über diese Frage konnte zwischen den Parteien durch gerichtlichen Vergleich vom 13.03.2020 Einigkeit erzielt werden.
6Zudem haben die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen. Die letzte Fassung wurde unter dem 21.12.2009 unterzeichnet, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt von der Niederlassung der Beklagten in B in die Niederlassung in A wechselte.
7Dieser Arbeitsvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:
8„…
9§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses / Tätigkeit
101. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 21.12.2009. Vor seinem Beginn ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen.
2. Der Arbeitnehmer wird eingestellt als Fahrer. Das Arbeitsgebiet umfasst auch nachfolgende Tätigkeiten.
3. Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer eine andere Arbeit im Betrieb, unter Umständen auch an einem anderen Ort zuzuweisen, die seiner Vorbildung, seinen Kenntnissen und nach Möglichkeit auch seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht.
…
17§ 3 Arbeitszeit
181. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 25 Stunden.
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Länge und Dauer der Pausen richten sich unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange nach den Festlegungen des Arbeitgebers.
…“
23Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf Bl. 5 bis 9 der Akte Bezug genommen.
24Zudem füllte der Kläger handschriftlich einen Bogen „Arbeitnehmerdaten zur Einstellung“ aus und unterzeichnete diesen ebenfalls unter dem 21.12.2009. Unter dem Punkt Arbeitszeit vermerkte er insoweit:
25„Arbeitszeit: 25 Stunden pro Woche, Montag bis Freitag von 08.00 bis 13.00 Uhr“
26Wegen des weiteren Inhalts dieses Bogens zur Arbeitnehmerdatenerfassung wird auf Bl. 12 der Akte Bezug genommen.
27Ab dem 21.12.2009 wurde der Kläger entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung 25 Stunden pro Woche als Fahrer eingesetzt. Der Einsatz erfolgte durchgängig montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr. Mit Schreiben vom 06.07.2020 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass für ihn ab dem 06.07.2020 andere Arbeits- und Pausenzeiten, nämlich montags bis donnerstags von 08:00 Uhr bis 12:40 Uhr und von 07:30Uhr bis 14:20 Uhr gelten sollen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 06.07.2020 – Bl. 21 d. A.).
28Der Kläger erklärte sich mit der Änderung der Lage seiner täglichen Arbeitszeit unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einverstanden.
29Er behauptet, er habe sich vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vom 21.12.2009 mit der für den Abschluss des Arbeitsvertrags seitens der Beklagten betrauten Mitarbeiterin C. auf die Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr verständigt. Die Lage der Arbeitszeit sei ihm wichtig gewesen, was er gegenüber der Mitarbeiterin auch zum Ausdruck gebracht habe. Diese mündliche Absprache sei in dem Datenerfassungsbogen, der zeitgleich mit dem Arbeitsvertrag erstellt und abgeschlossen worden sei, festgehalten worden. Er meint, sie sei Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Damit sei eine verbindliche Vereinbarung hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit getroffen und das arbeitgeberseitige Direktionsrecht eingeschränkt worden. Er habe sich keineswegs bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 21.12.2009 damit einverstanden erklärt, dass die Beklagte sich vorbehalte, die tägliche Arbeitszeit in ihrer Lage und Länge abweichend von den getroffenen Vereinbarungen festzulegen.
30Er behauptet, im Zeitraum 2009 bis 2011 als Springer eingesetzt gewesen zu sein. Er sei entsprechend des Bedarfs auf verschiedenen Touren eingesetzt worden, wobei die Arbeitszeit ausschließlich montags bis freitags in der Zeit von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr gelegen habe.
31Seit dem Jahr 2011 sei ihm die Tour 10, weiterhin mit einer Arbeitszeit von montags bis freitags in der Zeit von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr fest zugeordnet gewesen. Die Tour sei nicht durch die Disposition der Beklagten zusammengestellt worden, sondern ergebe sich vielmehr aus der Anzahl der Kunden im befindlichen Lieferbereich. Damit stelle sich die Tour quasi selbst zusammen. Dies gelte für die Touren 1 bis 16 der Niederlassung der Beklagten in A.
32Er bestreitet, dass die Beklagte ihm mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.01.2015 eine Änderungsvereinbarung vorgelegt habe, nach der die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 23,75 Stunden wöchentlich begrenzt werden sollte. Vielmehr habe sie ihm den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags angeboten, der eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 23,785 Stunden bei einem Monatslohn von 950,00 Euro brutto vorsehe. Diesen Arbeitsvertrag habe er, da er zahlreiche Abweichungen zu den Regelungen der allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Gaststätten- und Hotelgewerbe NRW enthalten habe, abgelehnt.
33Er bestreitet, dass die Beklagte ihn irrtümlich mit 4,45 Stunden täglich geplant habe und der Beklagten erst in dem zwischen den Parteien unter dem Aktenzeichen 3 Ca 551/19 vor dem hiesigen Gericht geführten Rechtsstreit bekannt geworden sei, dass der Kläger eine Arbeitszeit von 25 Stunden wöchentlich habe und entsprechend zu vergüten sei.
34Er bestreitet, dass die Beklagte diesen Umstand zum Anlass genommen habe, ihn beginnend ab dem 06.07.2020 zu veränderten Arbeitszeiten zu beschäftigen. Er behauptet, die Beklagte habe selbstverständlich die Möglichkeit, ihn auch weiterhin zu den bisherigen Arbeitszeiten zu beschäftigen. Dies werde bereits dadurch deutlich, dass die Beklagte für die Niederlassung in A einen Menükurier/-fahrer suche, der mit der täglichen Arbeitszeit montags bis freitags von 07:45 Uhr bis 13:00 Uhr beschäftigt werden solle.
35Hierdurch sei widerlegt, dass die Disposition der Beklagten die Planung einer Tour mit 4,45 Stunden täglich erfordere und er aus geänderten betrieblichen Gründen nur noch montags bis donnerstags jeweils von 08:00 Uhr bis 12:40 Uhr und freitags von 07:30 Uhr bis 14:20 Uhr bei einer Pausenzeit von 09:30 Uhr bis 10:00 Uhr beschäftigt werden könne.
36Auch sei die Ermessensausübung der Beklagten zu beanstanden. Der Beklagten sei bekannt, dass er ausschließlich eine Teilzeittätigkeit ausüben könne und darauf angewiesen sei, dass die Arbeitszeit vormittags liege.
37Seine Ehefrau arbeite in Vollzeit und sei Berufspendlerin. Sie seien gemeinsam Halter eines Hundes, der nicht ganztätig unbeaufsichtigt bleiben könne. Es sei erforderlich, dass er ab der Mittagszeit die Betreuung des gemeinsamen Hundes sicherstellen könne. Hierfür komme auch nur er, und nicht seine in Vollzeit beschäftigte Ehefrau in Frage. Des Weiterein arbeite er in Teilzeit, um den ehelichen Haushalt zu führen. Er und seine Ehefrau hätten die gemeinsame Entscheidung getroffen, dass die Ehefrau in Vollzeit arbeite und er ihr durch Eingehung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses „den Rücken freihalte“ und den gemeinschaftlichen Haushalt alleinverantwortlich führe.
38Darüber hinaus sei auch sein 84 jähriger, allein lebender Schwiegervater regelmäßig auf seine Unterstützung angewiesen. Diese Versorgungsaufgaben könne er nur erfüllen, wenn seine Arbeitstätigkeit bei der Beklagten dem zeitlich nicht entgegenstehe, was nur gewährleistet sei, wenn er zu den bisherigen Arbeitszeiten weiter arbeiten könne.
39Der Kläger beantragt,
401. die Beklagte zu verurteilen, ihn 25 Stunden pro Woche zu beschäftigen, wobei sich die Arbeitszeit wie folgt verteilt: Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens mit einer Arbeitszeit von 25 Stunden pro Woche zu beschäftigen, wobei sich die Arbeitszeit wie folgt verteile: Montag bis Freitag 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr.
Die Beklagte beantragt,
45die Klage abzuweisen.
46Sie bestreitet mit Abschluss des Arbeitsvertrages eine Vereinbarung über die konkrete Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit getroffen zu haben. Vielmehr habe sie sich gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 21.12.2009 ausdrücklich vorbehalten, den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit den betrieblichen Belangen im Unternehmen einseitig festzulegen. Von diesem Recht habe sie mit Schreiben vom 06.07.2020 ausdrücklich Gebrauch gemacht.
47Die Regelung entspreche auch ihren geschäftlichen Anfordernissen. Sie beliefere Einzelhaushalte, Kitas, Schulen und Kantinen mit Menüs zur Mittagszeit, wobei die Kunden hierbei einer gewissen Fluktuation unterlägen. Darüber hinaus würden Büros und Schulen oftmals zeitliche Lieferkorridore, in denen sie die gewünschte Auswahl anliefern könne, setzen. Dies führe zu einer zwingend notwendigen Flexibilität in der Anlieferung. Es sei daher für sie essentiell, die Lage der Arbeitszeit ihrer Fahrer diesen Bedürfnissen anpassen zu können.
48Entsprechend diesen Erfordernissen sei der Datenerhebungsbogen auch nicht Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Dieser werde den neuen Mitarbeitern erst nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages durch die Verwaltungsmitarbeiterin ausgehändigt. Hierdurch würden die persönlichen Daten abgefragt, die für die spätere Lohnabrechnung benötigt würden. Einem anderen Zweck diene dieser Bogen nicht. Demgemäß werde er auch nicht von den vertretungsberechtigten Mitarbeitern aus ihrem Hause gegengezeichnet. Dies sei auch im Falle des Klägers nach Vertragsunterzeichnung erfolgt. Dieser habe sämtliche Eintragungen im Datenerfassungsbogen selbst vorgenommen und habe ohne Rücksprache im 4. Absatz eine Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 13:00 eingetragen. Wie er auf diesen Umstand gekommen sei, sei für sie unersichtlich. Ihre vertretungsberechtigte Mitarbeiterin, die den Arbeitsvertrag unterzeichnet habe, habe dem Kläger diese Arbeitszeiten nicht zugesagt. Dies sei zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers auch überhaupt nicht möglich gewesen, da aufgrund der Neueröffnung der Niederlassung für die Region erst ein neuer Kundenstamm habe aufgebaut werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt seien daher Lieferwünsche der Kunden noch gar nicht abschließend bekannt gewesen. Der Datenerhebungsbogen des Klägers sei entsprechend ohne weitere Gegenzeichnung durch sie in der Personalakte des Klägers abgelegt worden.
49Sie meint, der Kläger habe angesichts der klaren Regelungen im Arbeitsvertrag bei Ausfüllen des Datenbogens keinesfalls davon ausgehen können, dass sie eine solche Regelung akzeptieren werde.
50Sie behauptet, sie habe dem Kläger mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.01.2015 sowie allen anderen Teilzeitbeschäftigten Fahrern auch eine Änderungsvereinbarung vorgelegt, nach der die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 23,75 Stunden wöchentlich habe begrenzt werden sollen, um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns zu gewährleisten. Der Kläger sei der einzige betroffene Fahrer, der diese Vereinbarung nicht unterzeichnet habe. Die übrigen in Teilzeit beschäftigten Fahrer seien alle nur noch mit Touren mit einer Wochenarbeitszeit von 23,75 Stunden geplant. Irrtümlich sei von der Disposition nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger die Änderungsvereinbarung nicht unterzeichnet habe. Er habe Touren zugewiesen bekommen, die nach 4 Stunden und 45 Minuten täglich zu erledigen gewesen seien.
51Erst im Rahmen des Rechtsstreits vor dem hiesigen Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 3 Ca 551/19 sei ihr dieser Umstand bekannt geworden, weil der Kläger dort die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns gefordert habe. Sie habe diesen Umstand zum Anlass genommen, dem Kläger beginnend ab dem 06.07.2020 veränderte Arbeitszeiten zuzuweisen. Parallel hierzu habe sie ihm eine neue Tour zugewiesen, die von ihrer Disposition ausdrücklich mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden geplant worden sei. Diese berücksichtige an Freitagen den erhöhten Arbeitsbedarf in ihrem Hause, da Menüs freitags nicht nur für diesen Tag zubereitet, sondern in gekühlter Form ebenfalls für das Wochenende ausgeliefert würden. An den übrigen Tagen von Montag bis Donnerstag sei er in die üblichen Zeiten der Tourenplanung integriert.
52Es sei zwar zutreffend, dass sie über dieses System hinaus mit einzelnen Fahrern Zusatzvereinbarungen geschlossen habe, nach denen diese zeitlich befristet für drei Monate arbeitstäglich bis zu 8 Stunden für sie tätig seien. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass sie von ihrer Niederlassung in A aus auch Kunden zu beliefern habe, wo die Fahrzeit bis zu 60 Minuten betrage. Diese Touren seien durchgehend zunächst auf einen Zeitraum von drei Monaten disponiert, um im Anschluss über eine Zusammenlegung von Touren oder die Belieferung durch andere Niederlassungen entscheiden zu können. In diesem Zusammenhang sei auch ihre – vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.11.2020 (vgl. Bl. 65 d. A.) vorgelegte – Stellenanzeige zu sehen.
53Sie meint, unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange sei es sinnvoll, die Arbeitszeit des Klägers, die ohnehin außerhalb des regulären Schichtplanes habe geplant werden müssen, an Freitagen zu verlängern.
54Hierzu sei sie im Rahmen ihres Direktionsrechts auch berechtigt. Ihre Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. An vier Werktagen entspreche die Arbeitszeit nahezu dem Wunsch des Klägers. Lediglich an Freitagen ergebe sich eine Abweichung dadurch, dass er eine halbe Stunde früher beginne und eine Stunde und 20 Minuten länger als gewünscht arbeite. Inwieweit dies die Versorgung des Hundes der Familie oder des allein lebenden Schwiegervaters gefährde, erschließe sich ihr nicht.
55Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Kammerverhandlung vom 15.02.2021 Bezug genommen.
56E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
57I.
58Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer 1 zulässig. Hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer 2 ist sie unzulässig, da dieser einen identischen Streitgegenstand wie der Klageantrag zu Ziffer 1 hat. Mit beiden Anträgen verlangt er die Beschäftigung zu denselben Arbeitszeiten. Er war aus diesem Grunde zurückzuweisen.
59Der Kläger hat Anspruch auf eine Beschäftigung montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr. Die Beklagte hat bei der Neuverteilung seiner Arbeitszeit die Grenzen billigen Ermessens gem. § 106 GewO i.V.m. § 315 BGB nicht gewahrt.
60II.
61Der Klageantrag zu Ziffer 1 ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Beschäftigung zu den von ihm angegebenen Zeiten.
621.
63Aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergibt sich kein Anspruch des Kl. auf eine dauerhafte Beschäftigung montags bis freitags in der Zeit von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein solcher Anspruch nach Auffassung der Kammer nicht aus dem Datenerfassungsbogen vom 21.12.2009. Bei diesem handelt es sich nicht um eine vertragliche Vereinbarung, sondern um ein Formular zur Abfrage der persönlichen Daten für die Personalakte. Diesem Zwecke entsprechend ist sie auch von der Beklagten nicht unterzeichnet worden.
64Zudem steht dem Vorliegen einer konkreten Vereinbarung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit die ausdrückliche Arbeitsvertragsklausel unter § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom selben Tage entgegen. Die Bekl. ist somit weder aus dem Arbeitsvertrag vom 21.12.2009 noch aufgrund des Datenerhebungsbogens vom selben Tage verpflichtet, den Kl. dauerhaft von montags bis freitags in der Zeit von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr zu beschäftigen.
652.
66Die Bekl. war jedoch gleichwohl nicht befugt, den Kl. ab Juli 2020 außerhalb der bisherigen Zeiten einzusetzen. Sie hat durch die neue Weisung zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit vom 03.07.2020 die Grenzen des Direktionsrechts i.S.v. § 106 Satz 1 GewO überschritten.
67a)
68Grundlage und Maßstab für den von der Bekl. mit Schreiben vom 03.07.2020 angeordneten Einsatz des Kl. ist das arbeitgeberseitige Direktionsrecht gem. § 106 Satz 1 GewO. Die Bekl. hat bei dessen Ausübung das billige Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 3 BGB nicht ausgeübt und gewahrt.
69aa)
70Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Fehlt es an einer solchen Festlegung der Lage der Arbeitszeit, ergibt sich der Umfang der arbeitgeberseitigen Weisungsrechte aus § 106 GewO. Die Weisung des Arbeitgebers unterliegt dann einer Ausübungskontrolle gemäß § 106Satz 1 GewO i.V.m. § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BAG 28. 8. 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 20, AP GewO § 106 Nr. 26 [zur Bestimmung des Arbeitsortes]).
71bb)
72Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (ständige Rechtsprechung, zuletzt z.B. BAG 28. 8. 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 40, AP GewO § 106 Nr. 26 m.w.N.).
73cc)
74Nach diesen Grundsätzen ist die Ermessensausübung der Beklagen zu beanstanden.
75Als Grund für die neue zeitliche Lage der Arbeitszeit des Klägers führt die Beklagte an, dass sie anlässlich eines anderweitigen Rechtsstreits mit dem Kläger bemerkt habe, dass sie diesen nur 23,5 Stunden wöchentlich beschäftige, obwohl sie verpflichtet sei, ihn 25 Wochenstunden zu beschäftigen. Da ihre üblichen Touren nur für 23,5 Stunden wöchentlich geplant seien, habe sie für den Kläger eine Sonderplanung vornehmen müssen. Weil freitags nicht nur das Essen dieses Tages, sondern auch Essen für das Wochenende angeliefert werden müsse, habe sie sich entschlossen, die Arbeitszeit an Freitagen ihren Bedürfnissen entsprechend anzupassen.
76Für die Kammer ist aufgrund dieser Begründung zum einen bereits nicht ersichtlich, weshalb durch eine zusätzliche Essensauslieferung an Freitagen in Tiefkühlform für das Wochenende Bedarf für eine Beschäftigung von Fahrern über die übliche Arbeitszeit des Klägers, insbesondere über 13:00 Uhr hinaus besteht. Insoweit dürfte es zeitlich kaum ins Gewicht fallen, ob der Auslieferungsfahrer freitags ein Essen oder mehrere Essen an den jeweiligen Kunden ausliefert. Die Beklagte behauptet an dieser Stelle nicht, dass sie freitags zusätzlich Kunden mit Tiefkühlkost beliefert, die wochentags keine Speisen von ihr erhalten, sondern nur an Wochenenden.
77Es gibt außerdem Anhaltspunkte dafür, dass eine Beschäftigung des Kl. zu den vor der Weisung üblichen Arbeitszeiten gleichwohl weiterhin möglich gewesen wäre. Die Beklagte sucht nämlich für genau die vom Kläger begehrte Arbeitszeit und deren Lage nach wie vor mittels Stellenanzeige Auslieferungsfahrer. Der Beklagten ist es daher offensichtlich derzeit durchaus möglich, den Kläger zu den bisherigen Zeiten zu beschäftigen. Auch wenn die ausgeschriebene Stelle, wie die Beklagte vorträgt, jeweils lediglich nur für drei Monate befristet sein sollte – was aus der Anzeige nicht ersichtlich ist – so erschließt sich nicht, weshalb es ihr nicht zumutbar sein soll, den Kläger auf eben diesen jeweils in drei Monatsintervallen geplanten Touren einzusetzen, solange es solche Touren gibt. Gründe die der Beschäftigung der befristet eingestellten Fahrer (anstelle des Klägers) freitags bis 14.20 Uhr entgegenstehen, hat sie nicht vorgetragen.
78Der Kläger hat zudem der neuen Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehende Interessen vorgetragen. Er möchte weiterhin zu den bisherigen Zeiten beschäftigt werden, um seinen Verpflichtungen gegenüber seiner Ehefrau und dem 84-jährigen Schwiegervater sowie seinem Hund erfüllen zu können.
79Zwar kann dem Kläger entgegen gehalten werden, dass er an den verbleibenden vier Nachmittagen seine Verpflichtungen gegenüber der Ehefrau und dem Schwiegervater erfüllen und beispielsweise notwendige Termine auf diese legen könnte. Er kann jedoch auch freitags aus Gründen des Tierschutzes seinen Hund nicht 7 Stunden zuzüglich Wegezeiten allein lassen. Zum einen sind Hunde Rudeltiere, die bei längerfristigem Alleinsein aufgrund ihrer Urängste in Stress geraten, zum anderen muss dafür Sorge getragen sein, dass sie regelmäßig ihre Notdurft verrichten können. Die Unterbringung des Hundes bei einem Tiersitter oder in einer Tierpension wäre zwar möglich, würde hingegen Kosten auslösen, die dem Kläger nur dann zugemutet werden können, wenn tatsächlich gewichtige betriebliche Gründe vorlägen und eine pflichtgemäße Ermessensausübung erfolgt wäre.
80b)
81Die vom Kläger vorgetragenen Interessen stehen somit – jedenfalls solange keine tatsächlichen betrieblichen Belange eine andere Lage der Arbeitszeit erfordern und für genau die bisherigen Arbeitszeiten des Klägers sogar neue Arbeitnehmer eingestellt werden, billigem Ermessen entgegen.
82III.
83Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits sind im Hinblick auf das jeweilige Obsiegen der Parteien verhältnismäßig geteilt worden.
84IV.
85Der Wert des Streitgegenstandes ist gem. den §§ 42 Abs. 4 GKG, 46 Abs. 2 Satz 1, 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO im Urteil festgesetzt worden. Insoweit war pro Beschäftigungsantrag jeweils ein Bruttomonatsgehalt festzusetzen (vgl. Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit Ziffer I, 12).
Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.
87Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
88Landesarbeitsgericht Hamm
89Marker Allee 94
9059071 Hamm
91Fax: 02381 891-283
92eingegangen sein.
93Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
94Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
95Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
961. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
101* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.