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Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 31. Mai 2024 zum 30. November 2024 aufgelöst wird.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen 1 Ca 807/24 anhängigen Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als leitenden Physiotherapeuten in der Abteilung Lizenz weiter zu beschäftigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Der Streitwert wird auf 61.394,64 € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 31.05.2024 zum 30.11.2024, den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung als leitenden Physiotherapeut in der Abteilung Lizenz als auch den Anspruch auf Feststellung des unveränderten Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses.
3Der Beklagte betreibt einen ortsansässigen Sportverein mit einer Fußballabteilung. Er hält eine Lizenzmannschaft vor, die zur Zeit an dem Spielbetrieb der zweiten Fußball-Bundesliga teilnimmt. Zu der Fußballabteilung gehört auch ein Nachwuchs-Leistungszentrum mit Scouting-Bereich, die sogenannte „A“. Der Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit außerhalb der Auszubildenden. Bei dem Beklagten ist ein Betriebsrat gewählt.
4Der am 01.03.1973 geborene Kläger ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 02.03.2015, des 1. Nachtrag vom 24.05.2017 und des Nachtrags vom 27.03.2020 bei dem Beklagten seit dem 01.07.2014 als leitender Physiotherapeut in der Abteilung Lizenz zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 15.348,66 € einschließlich einer Dienstwagenregelung zuzüglich eines Bonus in Abhängigkeit der Erreichung sportlicher Ziele beschäftigt.
5Nach 1.2. des Arbeitsvertrages ist der Beklagte berechtigt, dem Kläger ein anderes, seinen Fähigkeiten und Qualifikationen entsprechendes Aufgaben- und Tätigkeitsgebiet ohne Einschränkung der Vergütung zu übertragen und/oder den Kläger an einen anderen Ort zu versetzen.
6Der Beklagte, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden B und das Vorstandsmitglied C, unterzeichnete einen Dienstleistungsvertrag mit der Arztpraxis Orthopädie.D . Inhaber der Privatpraxis ist der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, zugleich Leiter der medizinischen Abteilung und Mannschaftsarzt der Lizensmannschaft des Beklagten, Dr. E.
7Nach I.1. des Dienstleistungsvertrages erbringt der Auftragnehmer durch seine mitarbeitenden nach Absprache mit dem Auftraggeber insbesondere folgende Leistungen:
8„
9 Physiotherapeutische Untersuchung und Behandlung der Lizenzspielermannschaft des Auftraggebers während der Saison 2024/2025;
10 Physiotherapeutische Untersuchung und Behandlung der Lizenzspieler des Auftraggebers während des Trainings- und Spielbetriebs, sowie bei Heim-, Auswärtsspielen und in Trainingslagern;
11 Enge Abstimmung bzgl. kurativer und präventiver Maßnahmen mit dem Trainerteam und der medizinischen Abteilung des Auftraggebers;
12 Teilnahme an Sitzungen der medizinischen Abteilung des Auftraggebers“
13Darüber hinaus enthält der Dienstleistungsvertrag auszugsweise folgende Regelungen:
14„I.2. Der Auftraggeber unterliegt bei der Erfüllung seiner Aufgaben nur insoweit Vorgaben und Weisungen des Auftraggebers, als dies zur Erfüllung der Aufgaben und der Erreichung der mit der vorliegend vereinbarten Zusammenarbeit verfolgten Ziele erforderlich ist.
15I.3. Der Auftraggeber ist in der räumlichen und zeitlichen Gestaltung seiner Leistungserbringung frei, soweit der Trainings – und Spielbetrieb der Lizenzmannschaft dadurch nicht beeinträchtigt wird. Trainings– und Spielzeiten der Lizenzmannschaft sowie die entsprechenden Vor- und Nachbehandlungen werden zwischen den Parteien besprochen und sind bei der Erbringung der Dienstleistung gemäß Ziffer 1 stets zu beachten. Eine persönliche Anwesenheit am Sitz des Auftraggebers ist erforderlich, sofern die vereinbarten Dienstleistungen nicht an anderer Stelle, zum Beispiel in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers erbracht werden können. Der Auftraggeber stellt keine für die Leistungserbringung erforderlichen Betriebsmittel.
16I.4. Der Auftragnehmer muss die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht durch eigene Mitarbeitende erbringen, sondern darf sich auch der Hilfe Dritter bedienen, sofern diese Personen jeweils über mindestens die gleiche Ausbildung und mindestens die gleiche Erfahrung und Qualität in der physiotherapeutischen Behandlung von Profi - Fußballern verfügen und der Auftraggeber deren Einbeziehung im Einzelfall vorab zugestimmt hat. Erbringt der Auftragnehmer die vertraglich vereinbarten Leistungen durch Dritte, so unterliegen auch diesen Dritten keinerlei Weisungen des Auftraggebers oder dessen Organe oder Mitarbeiter, sondern werden ausschließlich durch den Auftragnehmer eingesetzt und instruiert.
17I.5. Der Auftragnehmer erbringt seine Leistungen nicht exklusiv gegenüber dem Auftraggeber, sondern ist Erbringung von Leistungen gegenüber anderen Kunden berechtigt.
18…“
19II. Leistungen des Auftraggebers
20II.1. Der Auftraggeber zahlt an den Auftragnehmer für die Erbringung der vorstehend vereinbarten Leistungen gemäß Ziffer 1.1 ein monatliches Honorar in Höhe von pauschal EUR 19.000,00 zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer, zahlbar nach ordnungsgemäßer Rechnungsstellung.
21III. Vertragsdauer, Kündigung
221. Das Vertragsverhältnis beginnt am 15. Juni 2024 und wird zunächst befristet bis zum 30. Juni 2025 geschlossen. Es endet mit Ablauf des 30. Juni 2025, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Eine stillschweigende Verlängerung ist ausgeschlossen.
2. Der Auftraggeber kann dieses Vertragsverhältnis während der Vertragslaufzeit mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende ordentlich kündigen. Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt für beide Vertragsparteien unberührt. Jede Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
…“
27Physiotherapeutische Dienstleistungen bietet die Arztpraxis Orthopädie.D im Übrigen am Markt zurzeit nicht an.
28In der Saison 2023/2024 waren bei dem Beklagten als Physiotherapeuten der Lizenz-Mannschaft drei Physiotherapeuten beschäftigt. Neben dem Kläger arbeiteten dort die Physiotherapeuten F und G. Bei Mannschaftsspielen werden in der Regel zwei Physiotherapeuten zur Betreuung der Mannschaft eingesetzt. In der Saison 2023/2024 wurde der bei dem Beklagten angestellte Physiotherapeut H aus der A zusätzlich als Physiotherapeut bei der Lizenzmannschaft eingesetzt. Der Zeuge H kehrte danach wieder in den Bereich der A zurück. In der A beschäftigt der Beklagte fünf Physiotherapeuten zur Betreuung der Spieler des Nachwuchszentrums. Die durchschnittliche Vergütung der Physiotherapeuten im Jugendbereich liegt bei einem Grundgehalt von 4.300,00 € brutto.
29Allen drei Physiotherapeuten der Lizenzmannschaft erklärte der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
30Der Beklagte präsentierte als Physiotherapeuten der Lizenzmannschaft am 21.07.2024 die Physiotherapeuten I, J und K. Die Physiotherapeuten erbringen ihre Dienstleistung zur Zeit im Wesentlichen im Profi-Leistungszentrum und auf dem Trainingsgelände des Beklagten.
31Der Physiotherapeut und Zeuge J war bei dem Beklagten jedenfalls bis zum 01.08.2024 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt.
32Mit E-Mail vom 21.05.2024 informierte der Zeuge M den Betriebsrat und den Personalausschuss über die beabsichtigte Kündigung des Klägers zum 30.11.2024. Die Kündigung erfolge betriebsbedingt, da die Stelle Physiotherapeut für den Bereich Lizenz ab der kommenden Saison nicht mehr besetzt werde und entfalle. Eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit – auch zu gegebenenfalls geänderten Vertragsbedingungen, werde nicht gesehen. Aus Sicht des Beklagten würden sozial vergleichbarere Mitarbeitende nicht beschäftigt, wonach nach Einschätzung des Beklagten eine Sozialauswahl nicht durchzuführen sei.
33Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung des Klägers. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 27.05.2024, unterzeichnet von dem Betriebsratsvorsitzenden N, dem Beklagten zugegangen am 28.05.2024. In der schriftlichen Stellungnahme führte der Betriebsrat aus, dass der Betriebsrat in seiner Sitzung am 23.05.2024 über die beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung des Klägers beraten habe. Der Betriebsrat widerspreche der beabsichtigten Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG. Den Widerspruch begründete der Betriebsrat in der Stellungnahme damit, dass bei dem Beklagten in dem Nachwuchs-Leistungszentrum in der Direktion A vergleichbare Arbeitnehmer zur Durchführung von Physiotherapie beschäftigt seien, die hinsichtlich Tätigkeit und Qualifikation mit dem Kläger vergleichbar seien, jedoch einen geringeren sozialen Schutz aufgewiesen. Sie wiesen eine geringere Betriebszugehörigkeit und darüber hinaus ein geringeres Lebensalter auf, sodass diesen aus sozialen Gesichtspunkten vorrangig zu kündigen sei.
34Mit Schreiben vom 31.05.2024, unterschrieben von dem Vorstandsvorsitzenden B und des Vorstandsmitgliedes C, erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen zum 30.11.2024. Das Kündigungsschreiben wurde dem Kläger zugestellt.
35Nach Zuleitung des Widerspruchs des Betriebsrats forderte der Kläger den Beklagten zur Weiterbeschäftigung als leitender Physiotherapeut im Lizenzbereich auf. Der Beklagte wies dieses Weiterbeschäftigungsverlangen zurück.
36Am 23.09.2024 suchte der Beklagte auf dem Internetportal O.org einen motivierten und erfahrenen Physiotherapeuten für die Betreuung der Jugendmannschaft U15/U16.
37Mit der bei Gericht am 17.06.2024 eingegangenen, der Beklagten am 24.06.2024 zugestellten Klageschrift hat der Kläger zunächst die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung vom 31.05.2024 und die Feststellung des ungekündigten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.
38In der Klageschrift hat der Kläger die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bestritten.
39Mit dem bei Gericht am 11.10.2024 eingegangenen, dem Beklagten am 15.10.2024 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens begehrt.
40Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigungserklärung vom 31.05.2024 bereits aus dringenden betrieblichen Gründen nicht sozial gerechtfertigt und im Übrigen unwirksam sei. Der Dienstleistungsvertrag stelle eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung und demzufolge die Kündigung eine unzulässige Austauschkündigung dar. Die Leistungsgegenstände des Dienstleistungsvertrages seien so unbestimmt, dass diese erst durch Weisung des Beklagten konkretisiert werden müssten.
41Der Vortrag des Beklagten zu unternehmerischen Entscheidungen sei nicht hinreichend substantiiert. Unternehmerische Entscheidungen und Vorstandsbeschlüsse müssten entsprechend schriftlich protokolliert und festgehalten werden. Der Zeitpunkt der Organisationsentscheidung sei nicht angegeben.
42Die Umsetzbarkeit der unternehmerischen Entscheidung sei von dem Beklagten nicht dargelegt. Die undatierte Vertragsurkunde lasse nicht darauf schließen, dass vor dem 01.07.2024 der Beklagte einen Dienstleistungsvertrag mit der Orthopädie.D geschlossen habe. Der Umfang der Anzahl der zu planenden Physiotherapeuten richte sich nicht nach der Anzahl der verletzten Spieler. Da der Umfang der physiotherapeutischen Leistungen nicht verändert werde, könnten die nunmehr eingesetzten Physiotherapeuten I, K und J allein arbeitszeitlich den Umfang der Arbeitsleistung der in der Saison 2023/2024 im Bereich der Lizenzmannschaft eingesetzten Physiotherapeuten nicht abdecken. Der Beklagte sei gehalten, die Arbeitszeiten der gekündigten Physiotherapeuten anhand von Arbeitszeitdokumentationen vorzutragen und die Arbeitsverträge der eingesetzten Physiotherapeuten J, I und K vorzulegen. Bezüglich der Tätigkeit des Physiotherapeuten I sei bereits fraglich, ob der Berufsabschluss anerkannt sei.
43Dazu behauptet der Kläger, dass die Physiotherapeuten bereits anderweitig ausgelastet seien. Denn die Physiotherapeuten würden nicht nur zur Rehabilitation und Mobilisation verletzter Spieler eingesetzt. Der Hauptteil der Arbeitsleistung beziehe sich auf Präventionstätigkeit und die Pflege der Spieler. Seit 2013 ergebe sich ein durchschnittlicher Beschäftigungsbedarf von vier Physiotherapeuten in Vollzeit zu Betreuung der Lizenz-Mannschaft. Zusätzlich hätten die bisher eingesetzten Physiotherapeuten und der Kläger zahlreiche Überstunden absolviert.
44Die Physiotherapeuten J, K und I hätten die Tätigkeit der gekündigten Physiotherapeuten übernommen, seien in die Organisation des Beklagten eingegliedert, den Weisungen der Trainer unterworfen und damit weisungsabhängig.
45Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Sozialauswahl hätte durchgeführt werden müssen. Er sei vollständig mit den Physiotherapeuten G und H vergleichbar, da der Beklagte die Arbeitsbereiche der Lizenzmannschaft und des Nachwuchsbereichs vermische. Indiz dafür sei auch die Stellenausschreibung vom 23.09.2024.
46Dazu behauptet der Kläger, dass er wie die Kollegen die Lizenzspieler physiotherapeutischen betreue und lediglich 5 % seiner Arbeitszeit auf leitende Tätigkeiten verwende. Während der Betreuung des Spielbetriebs wechsle er sich mit den anderen Physiotherapeuten ab. Die Physiotherapeuten der A würden an trainings- und arbeitsfreien Tagen zur fortlaufenden physiotherapeutischen Betreuung insbesondere der verletzten Spieler im Rotationsverfahren herangezogen.
47Ein ausgebildeter Physiotherapeut könne sowohl im Jugendbereich als bei den erwachsenen Spielern eingesetzt werden. Er könne sich auf beide Arbeitsbereiche einstellen. Die Spieler würden nach den Methoden der klassischen Physiotherapie entsprechend der Wundheilungsphasen des Gewebes des Menschen betreut. Lediglich der fehlende Druck in der Nachwuchsabteilung, komme der Genesung der Heranwachsenden zugute.
48Aufgrund seiner Qualifikation und Erfahrung könne er sowohl innerhalb des Lizenzbereichs als auch des Nachwuchsbereichs eingesetzt werden. So habe auch der Zeuge J als ausgebildeter Physiotherapeut zunächst in der A gearbeitet. Über Erfahrungen im Leistungssport verfüge der Zeuge J nicht.
49Außerdem habe der Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört. Die Anhörung sei nach dem Grundsatz der subjektiven Determination unwirksam. Darüber hinaus seien die Angaben in der Betriebsratsanhörung vom 21.05.2024 widersprüchlich. Es läge eine unzulässige Vorratsanhörung vor. Die Kündigungsgründe und der Beschäftigungswegfall seien nicht hinreichend detailliert beschrieben. Der Betriebsrat könne sich ohne eigene Nachforschungen kein Bild von der Stichhaltigkeit der behaupteten Gründe machen. So habe der Beklagte den Dienstleistungsvertrag und die Entsendung angestellter Physiotherapeuten in der Anhörung nicht erwähnt. Diese Auslassungen seien aus der Sicht des Betriebsrates als irreführend einzuordnen.
50Zum Zugangszeitpunkt der Kündigungserklärung behauptet der Kläger, dass die Kündigung durch Einwurf in den Briefkasten seiner Schwester am 01.07.2024 zugegangen sei.
51Der Antrag auf Weiterbeschäftigung sei zulässig und begründet. Bezüglich der Bezeichnung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit und des zugrunde liegenden Berufsbildes sei der Antrag hinreichend bestimmt.
52Der Weiterbeschäftigungsanspruch ergebe sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG. Der Betriebsrat habe ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widersprochen.
53Der Kläger beantragt,
541. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 31.05.2024 zum 30.11.2024 aufgelöst wird,
2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen 1 Ca 807/24 anhängigen Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als leitenden Physiotherapeuten in der Abteilung Lizenz weiter zu beschäftigen und
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 31.05.2024 auch nicht zu einem anderen Zeitpunkt aufgelöst wird, sondern vielmehr zu unveränderten Bedingungen darüber hinaus fortbesteht.
Der Beklagte beantragt,
59die Klage abzuweisen.
60Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Kündigungserklärung vom 31.05.2024 sozial gerechtfertigt und im Übrigen wirksam sei. Er habe zulässigerweise die Prognose gestellt, dass der Beschäftigungsbedarf für die Physiotherapeuten der Lizenzmannschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung dauerhaft entfalle und die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Abteilung der Physiotherapie zu schließen und physiotherapeutische Tätigkeiten im Bereich der Lizenzmannschaft ab dem Trainingsbeginn der Saison 2024/2025 zum 01.07.2024 zukünftig durch den externen Dienstleister Orthopädie. D vornehmen zu lassen. Diese Entscheidung habe er umgesetzt. Eine soziale Auswahl sei nicht erforderlich. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
61Die getroffene unternehmerische Entscheidung könne nur auf die Einhaltung der Grenzen der Willkür überprüft werden. Die Grenzen der Willkür seien eingehalten worden. Für die unternehmerische Entscheidung spreche die Vermutung der sachlichen Richtigkeit. Die unternehmerische Entscheidung brauche bei Zugang der Kündigung auch noch nicht tatsächlich umgesetzt sein. Es genüge, dass sie sich konkret und greifbar abzeichne. Die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, müsse vorhanden und abschließend gebildet sein. Die Gestaltung des Betriebes und die Zuordnung von Arbeit und Arbeitsmenge sowie die Erledigung der Arbeit durch eigene Arbeitnehmer oder Drittunternehmen sei Sache des Arbeitgebers und Ausdruck von dessen unternehmerischer Freiheit nach Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG. Eine Verpflichtung zur Vorlage der Arbeitsverträge der Physiotherapeuten J, I und K bestehe nicht.
62Der Beklagte behauptet zum dringenden betrieblichen Erfordernis, dass er die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, sämtliche Physiotherapeuten und Aufgaben in der Abteilung Lizenz nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer sondern durch externe Dienstleister durchführen zu lassen. Am Anfang der Saison sei nicht absehbar, wie viele Spieler sich verletzen und wie viele Behandlungen notwendig seien, damit sei der Bedarf an Physiotherapeuten letztlich nicht abschätzbar.
63Im Frühjahr 2024 sei auf einer Vorstandssitzung von dem Vorstandsvorsitzenden B und des Vorstandsmitgliedes C die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, die Physiotherapieabteilung für die Lizenzmannschaft zu schließen.
64Daraufhin sei der Dienstleistungsvertrag mit der Orthopädie.D mit dem Zeugen Dr. E abgeschlossen worden. Bereits vor der Vorstandssitzung im Frühjahr 2024 habe der Zeuge Dr. E eine diesbezügliche mündliche Zusage erteilt. Die Arbeitsplätze der Physiotherapeuten existierten nicht mehr. Die Physiotherapeuten J, I und K stünden in einem Arbeitsverhältnis zu der Praxis Orthopädie.D.
65Die Physiotherapeuten J, I und K seien nicht in seine Arbeitsorganisation eingegliedert. Das Tragen von Logos und Trainingsanzügen wie auch Ansprachen des Direktors für Kaderplanung und Zeugen P diene lediglich, wie im Profisport üblich, der Stärkung des Mannschaftsgefühls. Die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Trainingsgelände ergebe sich aus der Natur der Sache.
66Zur Sozialauswahl ist der Beklagte der Ansicht, dass auf den Betrieb beschränkt, keine Sozialauswahl zu treffen sei. Der Kläger sei nicht mit den in der A eingesetzten Physiotherapeuten horizontal vergleichbar. Eine Austauschbarkeit kraft Direktionsrechts sei nicht gegeben. Die Tätigkeit in der Lizenzmannschaft könne den Physiotherapeuten nur durch Zusatzvereinbarung übertragen werden. Neben den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen sei das Sozialbild der Physiotherapeuten der Lizenzmannschaft ein anderes als das der Physiotherapeuten in der A. Dafür spreche schon die unterschiedliche Vergütung. Außerdem sei der Kläger aufgrund seiner herausgehobenen Stellung nicht vergleichbar.
67Dazu behauptet der Beklagte, dass die physiotherapeutische Betreuung der Nachwuchsspieler, insbesondere von Kindern und Jugendlichen sich aufgrund der Schwerpunkte Wachstum und Entwicklung deutlich von der physiotherapeutischen Betreuung der Spieler der Lizenzmannschaft unterscheide. Im Profisport würden aufgrund der hohen Belastung der Spielbetrieb mit Behandlungsmethoden aufgrund jahrelanger Verletzungen und Verletzungshistorien, komplexer Zusammenhänge und des Zeitdrucks und der starken Beanspruchung durch den Spielbetrieb andere Behandlungsmethoden angewendet.
68Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten müssten im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast erst in Betracht gezogen werden, wenn der Kläger konkret freie Stellen benenne.
69Der Betriebsrat sei nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden.
70Zum Zugang des Kündigungsschreibens vom 31.05.2024 behauptet der Beklagte, dass das Schreiben am 31.05.2024 durch den Zeugen R in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden sei.
71Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers sei nicht gegeben. Der Betriebsrat habe nicht ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widersprochen. Der Betriebsrat habe es versäumt, konkret sozial schwächere Arbeitnehmer zu benennen. Außerdem sei Widerspruch bei allen Anhörungen zu den beabsichtigten Kündigungen der Physiotherapeuten identisch.
72Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
73Entscheidungsgründe
74Die Klageanträge zu 1. und 2. sind zulässig, der Klageantrag zu 3. ist nicht zulässig.
75I.
76Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung vom 31.05.2024 zu. Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 S. 1, 4 KSchG nicht sozial gerechtfertigt. Außerdem ist die Kündigungserklärung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG unwirksam.
77I.1.
78Die Kündigungserklärung vom 31.05.2024 gilt nicht nach §§ 13 Abs. 1,4 S. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
79Der Kläger hat form- und fristgerecht innerhalb der Frist des § 4 S. 1 KSchG nach dem Zugang des Kündigungsschreibens durch Einreichen der Klageschrift am 17.06.2024 bei dem Arbeitsgericht, dem Beklagten zugestellt am 24.06.2024, Klage erhoben.
80I.2.
81Das Kündigungsschutzgesetz ist nach § 1 Abs. 1 KSchG aufgrund der Beschäftigungszeit des Klägers seit dem 01.07.2014 sowie der Beschäftigung von mehr als zehn in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern mit Ausnahme der Auszubildenden in dem Betrieb des Beklagten nach § 23 Abs. 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.
82I.3.
83Die Kündigung vom 31.05.2024 ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb des Beklagten entgegenstehen, bedingt, § 1 Abs. 2 S. 1, S. 4 KSchG. Der Beklagte ist seiner Darlegungslast bezüglich eines dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht nachgekommen.
84I. 3.a.
85Grundsätzlich kommt als unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen kann, die Vergabe von bisher in dem Betrieb des Arbeitgebers durchgeführten Arbeiten an ein anderes Unternehmen und die daraus resultierende Schließung einer Abteilung in Betracht.
86Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt, wenn der Bedarf an einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers in dem Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz in diesem Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann, § 1 Abs. 2 S. 1, S. 2 KSchG.
87Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus außerbetrieblichen Gründen (gebundene unternehmerische Entscheidung) oder innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidung wie Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung des Betriebes oder der Produktion, Fremdvergabe von Tätigkeiten – freie unternehmerische Entscheidung) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Auf der Grundlage der betrieblichen Disposition des Arbeitgebers müssen in dem Tätigkeitsbereich des gekündigten Arbeitnehmers mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten nötig. Der Beschäftigungsüberhang muss auf Dauer bestehen und die Kündigung unvermeidbar sein. Der Arbeitgeber muss seine tatsächlichen Angaben im Einzelnen so darlegen, dass diese von dem Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und von dem Gericht überprüft werden können. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs (Urteile des BAG vom 23.02.2012, Az.2 AZR 548/10, juris Rn. 18,20, NZA 2012, S. 852; vom 17.06.1999, Az. 2 AZR 141/99, NZA 1099, S. 1098 (1099); des LAG Hamm vom 27.01.2012, Az. 10 Sa 1410/11, juris Rn. 20; ErfK-Oetker, KSchG § 1 Rn.211).
88Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und kein Rechtsmissbrauch vorliegt (Urteil des BAG vom 20.06.2013, Az. 2 AZR 379/12, juris Rn. 20).
89Unter Berücksichtigung der Auslegung der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und der unternehmerischen Freiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG muss der Arbeitgeber eine nahe an dem Kündigungsentschluss liegenden unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und ihrer Nachhaltigkeit zum Zweck der Missbrauchskontrolle ausreichend verdeutlichen. Damit sollen Kündigungen vermieden werden, die benutzt werden, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte ungesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden (Urteil des BAG 28.02.2023, Az. 2 AZR 227/22, juris Rn. 13 - 17, NZA 2023, S. 578; vom 27.04.2017, Az. 2 AZR 67/16, juris Rn. 34, NZA 2017, S. 950).
90Liegt die unternehmerische Entscheidung in der Schließung einer Abteilung und der diesbezüglichen Aufgabenübertragung an einen Dritten, muss die unternehmerische Entscheidung bei Zugang der Kündigung noch nicht tatsächlich umgesetzt sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen, soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat, zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet sein (Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 12.04.2018, Az. 5 Sa 438/17, juris Rn. 41, NZA-RR 2018, S. 466).
91Zu der Darlegungslast des Arbeitgebers gehört der konkrete Aufgabenbereich des Arbeitnehmers einschließlich des Vortrags, mit welchem Dritten im Zeitpunkt des Ausspruchs der ordentlichen Kündigung bereits verhandelt worden ist (Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 12.04.2018, Az. 5 Sa 438/17, juris Rn. 45).
92Ebenso hat der Arbeitgeber darzulegen, dass die Arbeiten an einen anderen Unternehmer zur selbstständigen Durchführung übertragen werden. Werden die bislang von den Arbeitnehmern des Betriebs ausgeführten Tätigkeiten nicht zur selbständigen Erledigung auf Dritte übertragen, wird eine solche organisatorische Entscheidung noch nicht zum Wegfall der bisherigen Arbeitsplätze führen. Es ist die Darlegung von Tatsachen erforderlich, dass die Aufgaben von Dritten selbstständig ohne Eingliederung in dem Ablauf und ohne Unterwerfung unter die Weisungen des Arbeitgebers erledigt werden sollen. Durch eine enge Einbindung in die Organisation des Arbeitgebers ohne weitere Darlegung der Weisungsunabhängigkeit ist keine Übertragung zur selbständigen Aufgabenwahrnehmung an einen Dritten anzunehmen (Urteil BAG vom 16.12.2004, Az. 2 AZR 66/04, juris Rn. 27, NZA 2005, S. 761; des LAG Köln vom 29.08.2019, Az. 6 Sa 148/19, juris Rn. 46, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 106; ErfK-Oetker, KSchG, § 1 Rn.273).
93Bei Diensten höherer Art ist die fachliche Weisungsgebundenheit bei Übertragung auf Dritte häufig nicht typisch. Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, dass dem Mitarbeiter ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstbestimmung verbleibt (Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 05.03.2013, Az. 12 Sa 1624/12, juris Rn. 30, NZA-RR 2013, S. 466).
94Wird die Leitungsfunktion auf ein anderes Unternehmen verlagert, muss dabei auch die der Leitungsfunktion immanente Weisungsbefugnis bezüglich der im Betrieb oder Betriebsteil tätigen Mitarbeiter zumindest soweit übertragen werden, wie dies zur selbstständigen Erfüllung der übernommenen Aufgaben erforderlich ist (Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 05.03.2013, Az. 12 Sa 1624/12, juris Rn. 31, Hamann, juris PR-ArbR 30/2013 Anm.1).
95I.3.b.
96Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass durch einen zustande gekommenen Dienstleistungsvertrag mit der Orthopädie.D die Aufgaben der zu schließenden physiotherapeutischen Abteilung für die Lizenzmannschaft zur selbstständigen Wahrnehmung ohne Eingliederung in den Betriebsablauf und ohne Unterwerfung unter die Weisungen des Beklagten zum 01.07.2024 übertragen worden sind.
97Bereits die Regelungen des von den Vorstandsmitgliedern des Beklagten B und C unterzeichneten und vorgelegten Dienstvertrages lassen darauf schließen, dass sich der Beklagte ein umfangreiches Weisungsrecht vorbehalten will.
98So unterliegt der Auftragnehmer nach I.1.2 des von dem Beklagten vorgelegten Vertragsangebotes bei der Erfüllung seiner Aufgaben den Vorgaben und Weisungen des Beklagten, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben und der Erreichung der mit der vorliegend vereinbarten Zusammenarbeit verfolgten Ziele erforderlich ist.
99Der Beklagte behält sich nach I.4. S.1 dieses Vertragsangebots die Zustimmung bei der Auswahl von Dritten vor, die der Auftragnehmer zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistung einsetzen will.
100Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Zeuge J bis zum 01.08.2024 in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten stand.
101In I. 3. ist ein umfassendes Weisungsrecht bezüglich der Zeit und des Ortes der Tätigkeit durch den Beklagten geregelt, da der Auftragnehmer den Trainings- und Spielbetrieb der Lizenzmannschaft nicht beeinträchtigen darf und eine persönliche Anwesenheit am Sitz des Auftraggebers erforderlich ist, sofern die vereinbarten Dienstleistungen nicht an anderer Stelle erbracht werden können.
102Die Umsetzung der von dem Beklagten behaupteten unternehmerischen Entscheidung des Beklagten müsste auch eine Verlagerung bzw. Übertragung der bisher von dem Physiotherapeuten F und dem Kläger ausgeübten Leitungsfunktion beinhalten.
103Zum Umfang und zur Wahrnehmung der von dem Kläger und dem Physiotherapeuten F bisher ausgeübten Leitungsfunktionen entweder durch die Orthopädie.D oder Übertragung auf andere Mitarbeiter des Beklagten, hat der Beklagte bisher nicht vorgetragen.
104Außerdem beinhaltet die behauptete unternehmerische Entscheidung eine Leistungsverdichtung im Vergleich zu ihrer Wohnung wo war der physiotherapeutischen Betreuung der Lizenzmannschaft in der Saison 2023/2024. In der Saison 2023/2024 setzte der Beklagte zu Betreuung der Lizenzmannschaft im Schnitt vier Physiotherapeuten ein. Zurzeit werden im Rahmen des behaupteten Dienstleistungsvertrages lediglich drei Physiotherapeuten zur Betreuung der Lizenzspieler eingesetzt. Die organisatorische Umsetzung der Leistungsverdichtung hat der Beklagte nicht näher erläutert.
105I.4.
106Die Kündigung ist auch wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG unwirksam. Der Beklagte hat den Betriebsrat nicht hinreichend und vollständig über die betriebsbedingten Kündigungsgründe informiert.
107I.4.a.
108Nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Die Anhörung ist nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmer gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung der Kündigungsgründe führt zu einer fehlerhaften Anhörung (Urteil des BAG vom 19.07.2012, Az. 2 AZR 352/11, juris Rn. 41, NZA 2013, S. 86; vom 03.11.2011, Az. 2 AZR 748/10, juris Rn. 38, DB 2012, S. 926).
109Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden, um gegebenenfalls auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss nehmen zu können (Urteil des BAG vom 17.03.2016, Az. 2 AZR 182/15, juris Rn. 17, NZA 2016, S. 1072; Urteil des Hess. LAG vom 15.01.2021, Az. 10 Sa 918/20, juris Rn. 37).
110Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit soll im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Offenheit und Ehrlichkeit gewährleisten und verbietet es, dem Betriebsrat Information zu geben bzw. ihm vorzuenthalten, aufgrund derer bzw. ohne die bei ihm ein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entstehen könnte (Urteil des BAG vom 26.03.2015, Az. 2 AZR 417/14, juris Rn. 45, DB 2015, S. 1376).
111Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die aus seiner Sicht die Kündigung tragenden Umstände mitteilen. Der für die Kündigung maßgebliche Sachverhalt muss vom Arbeitgeber so genau und umfassend beschrieben werden, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich ein Bild davon zu machen (Urteil des BAG vom 22.04.2010, Az. 2 AZR 991/08, juris Rn. 13,14, NZA-RR 2010, S. 583; des LAG Hamm vom 06.04.2011, Az. 6 SA 2023/10, juris Rn. 22). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat ein schon aus seiner eigenen Sicht unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt unterbreitet (Urteil des Hess. LAG vom 15.01.2021, Az. 10 Sa 918/20, juris Rn. 36).
112Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und gegebenenfalls wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Betriebsrats schlüssig aufgezeichnet hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen im Sinne der §§ 138 Abs. 2 ZPO, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin bestreiten will (Urteil des BAG vom 24.05.2012, Az. 2 AZR 206/11, juris Rn. 49, NZA 2013, S. 137).
113Zu den Kündigungstatsachen einer betriebsbedingten Kündigung, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat unaufgefordert mitteilen muss, gehören die innerbetrieblichen bzw. außerbetrieblichen Gründe und deren Folgen für die Beschäftigung im Zusammenhang mit der unternehmerischen Organisationsentscheidung (FESTLS, BetrVG, § 102 Rn.27).
114I.4.b.
115Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bereits in der Klageschrift bestritten.
116Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten wird die unternehmerische Entscheidung aus der Schließung des Bereichs der Physiotherapeuten für die Lizenzmannschaft und der diesbezüglichen Aufgabenübertragung an die Orthopädie. D gebildet.
117Diese unternehmerische Entscheidung hat der Beklagte nicht vollständig dem Betriebsrat mitgeteilt. In seiner E-Mail vom 21.05.2024 führt der Beklagte zu den betriebsbedingten Kündigungsgründen aus, dass die Stelle Physiotherapeuten für den Bereich Lizenz ab der kommenden Saison nicht mehr besetzt wird und entfällt. Ein Hinweis auf die Fremdvergabe der Tätigkeit ist unterblieben, obwohl dem Beklagten nach seinem eigenen Vortrag bereits im Frühjahr 2024 die Zusage des Zeugen Dr. E bezüglich der Übernahme der entsprechenden Dienstleistungen vorgelegen haben soll.
118II.
119Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 S.1 BetrVG zu. Der Betriebsrat hat der Kündigung des Klägers frist- und formgerecht nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG widersprochen. Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und ausdrücklich und rechtzeitig die vorläufige Weiterbeschäftigung von dem Beklagten verlangt.
120II.1.
121Nach § 102 Abs. 5 S. 1 muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigen, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.
122Nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG von einer Woche der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
123Zur Begründung des Widerspruchs ist erforderlich, dass der Betriebsrat durch Angabe konkreter Tatsachen deutlich macht, warum der genannte Widerspruchsgrund gerade in diesem Einzelfall gegeben ist. Der Betriebsrat muss die Tatsachen positiv behaupten, die bei einer Plausibilitätsprüfung es möglich erscheinen lassen, dass einer der Widerspruchsgründe von § 102 Abs. 3 BetrVG gegeben ist (Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2023, Az. 26 SaGa 1111/22, juris Rn. 47-51).
124Der Betriebsrat kann Widerspruchsgründe nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG darauf stützen, dass der Arbeitgeber den Kreis der auszuwählenden Arbeitnehmer falsch bestimmt hat.
125Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Betriebsrat jedenfalls den Personenkreis vergleichbarer Arbeitnehmer zumindest anhand abstrakter Merkmale so bezeichnen, dass der Arbeitgeber in der Lage ist, seine Auswahlentscheidung zu überprüfen. Aus dem Widerspruch des Betriebsrates muss sich hinreichend deutlich ergeben, welche Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre soziale Schutzwürdigkeit zu vergleichen sein sollen. Der Sachvortrag muss so bestimmt sein, dass der Arbeitgeber die nach Auffassung des Betriebsrats weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer jedenfalls identifizieren kann. Der Betriebsrat muss auch aufzeigen, welche Gründe aus seiner Sicht zu einer anderen Bewertung führen. Die einzelnen Sozialdaten muss der Betriebsrat nicht aufführen (Urteil des BAG vom 09.07.2003, Az. 5 AZR 305/02, juris Rn. 32, 33, NZA 2003, S. 1191; LAG Hamburg vom 25.05.2010, Az. 1 SaGa3/10, juris Rn. 57; FESTLS, BetrVG, § 102 Rn. 81).
126II.2.
127Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 27.05.2024, bei dem Beklagten eingegangen am 28.05.2024, der beabsichtigten Kündigung des Klägers ordnungsgemäß widersprochen.
128Das Widerspruchsschreiben ist von dem Betriebsratsvorsitzenden, § 26 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BetrVG, unterzeichnet.
129Das Widerspruchsschreiben ist binnen der Wochenfrist des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG bei dem Beklagten eingegangen.
130In dem Widerspruchsschreiben vom 27.05.2024 sind die Tatsachen, die den Widerspruch nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG begründen sollen, ausreichend konkret benannt. Mit dem Hinweis auf die vergleichbaren Physiotherapeuten des Nachwuchsbereichs kann der Beklagte die dort beschäftigten fünf Physiotherapeuten identifizieren.
131Der Betriebsrat führt zur Begründung der fehlerhaften Sozialauswahl an, dass die dort beschäftigten Physiotherapeuten ein geringes Lebensalter und eine geringere Betriebszugehörigkeit aufwiesen.
132Der Kläger hat form- und fristgerecht die Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG erhoben.
133Ebenfalls fristgerecht hat der Kläger nach Kenntnis von dem Widerspruchsschreiben und vor Ablauf der Kündigungsfrist die Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG von dem Beklagten verlangt.
134Die in Nr. 11 des Arbeitsvertrages geregelten Ausschlussfristen sind auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden, §§ 307 Abs. 1 S. 2, 306 Abs. 1 BGB, 3 MiLoG.
135III.
136Der allgemeine Feststellungsantrag, Antrag zu 3., ist nicht zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse nach §§ 256 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG ist nicht gegeben.
137III.1.
138Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.
139Für die allgemeine Feststellungsklage, die auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung abzielt, muss das Feststellungsinteresse zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegeben sein. Es entfällt, wenn alle bis dahin vorhandenen Beendigungstatbestände jeweils durch separate Anträge abgedeckt sind (Urteil des BAG vom 18. 08.2005, Az. 8 AZR 523/04, juris Rn. 19, NZA 2006, S. 145 (146); Niemann, NZA 2019 Seite 65 (71)).
140III.2.
141Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine Tatsachen dargelegt, die die Existenz eines weiteren Beendigungstatbestands bzw. den Ausspruch einer weiteren Kündigung begründen können.
142IV.
143Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte als unterlegene Partei, §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Dem allgemeinen Feststellungsantrag kommt kein eigener Streitwert zu.
144Der im Urteil nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert bemisst sich nach einem Vierteljahreseinkommen entsprechend § 42 Abs. 2 S. 1 GKG zuzüglich eines Bruttomonatsentgeltes bezüglich des Antrags auf Weiterbeschäftigung, § 3 ZPO.
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
146Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
147Landesarbeitsgericht Hamm
148Marker Allee 94
14959071 Hamm
150Fax: 02381 891-283
151eingegangen sein.
152Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 64 Abs. 7 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Berufung ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
153Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite www.justiz.de.
154Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
155Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1561. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
161* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.