Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 7 des Anhanges zu § 11a Teil A (Eingruppierungsverzeichnis) des Landesbezirklichen Tarifvertrages zum TVöD im Bereich des KAV NW vom 19.12.2006 (TVöD-NRW) zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 7 und der Entgeltgruppe 6 für die Monate ab dem 01.01.2017 ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte bei einem Gebührenstreitwert i.H.v. 3.620,16 Euro.
3. Der Streitwert dieser Entscheidung wird auf 4.223,52 Euro festgesetzt.
4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die zutreffende tarifliche Vergütung des Klägers.
3Der Kläger ist seit dem 23.07.2007 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängerin in der A Erlebniswelt beschäftigt. Bei der A Erlebniswelt handelt es sich um einen auf über 30 Hektar naturnah gestalteten Blogischen Garten. Dieser ist in folgende 6 Reviere eingeteilt: Afrika I, Afrika II, Afrika III, Alaska, Asien sowie Grimberg, Bauernhof und Veterinärstation.
4Im Anschluss an seine dreijährige Ausbildung zum Tierpfleger war der Kläger zunächst ab dem 18.06.2010 gemäß Arbeitsvertrag vom 07.06.2010 (Anlage K1, Bl. 26ff d. A.) als Tierpfleger/Springer beschäftigt. Ab dem 15.11.2010 erfolgte ein Einsatz als Tierpfleger mit dem Schwerpunkt Huftierpflege im Revier Afrika II (Änderungsvertrag vom 03.11.2020, Anlage K2, Bl. 30 d. A.). Seit dem 01.04.2016 ist er gemäß Änderungsvertrag vom 01.04.2016 (Anlage K4, Bl. 32 d. A.) als Tierpfleger im Bereich Springerpool tätig. Als solcher ist er im Revier Alaska eingesetzt, das aus den drei Bereichen Waldbereich, Seelöwenhaus und Braunbären/Rentiere besteht. Im Waldbereich leben folgende Tierarten: Luchse, Schneeeulen, Waschbären, Elche, Biber, Skunks, Baumstachler, Wölfe und Otter. Im Seelöwenhaus leben neben den Seelöwen Eisbären und - im Winter – Pelikane. Im dritten Bereich leben Kamschatkabären, Europäische Braunbären und Rentiere.
5Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVöD-NRW Anwendung. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39 Stunden. In dem Betrieb der Beklagten wird in Frühschicht (7h-15.48h) und Spätschicht (10.12h-19h oder 9.12h-18h oder 8.12h-17h je nach Saison) gearbeitet; eine Schicht umfasst (ohne Pausen) eine Arbeitszeit von 7 Stunden 48 Minuten.
6Die Einteilung der Tierpfleger für einen einzelnen Bereich des Reviers Alaska erfolgt in der Regel durch den Revierleiter oder dessen Stellvertreter in einem Bereichsplan für die Dauer von 1 Woche. In der Spätschicht ab 15.48h wird nur noch ein Tierpfleger pro Revier sowie der B logische Dienst eingesetzt, der aus dem B logischen Direktor, der Tierärztin oder einem Revierleiter besteht. Sofern ein Revierleiter eingesetzt ist, wird in diesem Revier kein Tierpfleger eingesetzt. Jeder Tierpfleger ist ca. 1 bis 2 Mal pro Woche im Spätdienst tätig.
7Die Aufgaben des Klägers bestehen im Wesentlichen aus: Pflege, Beobachtung, Versorgung und Beschäftigung/Training der Tiere, Reinigung/Instandhaltung der Unterkünfte und Einfriedungen, Futterzubereitung, Futtergabe und Einstreu. Es findet täglich während der Frühschicht ein Seelöwentraining von ca. 1,25 Stunden statt sowie eine kommentierte Seelöwenfütterung von 15 bis 30 Minuten. Wegen der Einzelheiten der zeitlichen Gestaltung der Frühschicht in den einzelnen Bereichen wird auf die Seiten 3 bis 5 des klägerischen Schriftsatzes vom 28.07.2021 Bezug genommen, die von der Beklagten dahingehend bestritten wird, dass die Zeitanteile nicht täglich gleich seien und die morgendliche Kontrolle im Waldbereich nicht 70 Minuten betrage. Nach der Mittagspause findet täglich eine gemeinsame Besprechung der Tierpfleger und des Revierleiters des Reviers Alaska statt, in welcher besprochen wird, was in den einzelnen Bereichen passiert ist und ob für den Nachmittag etwas Besonderes geplant ist. Unstreitig nimmt die Pflege, Beobachtung, Versorgung und Beschäftigung der Tiere sowie die Reinigung der Unterkünfte mehr als 50% der täglichen Arbeitszeit des Klägers ein.
8Der Kläger wird nach der Entgeltgruppe 6, derzeit Stufe 5, vergütet.
9Mit Schreiben vom 04.10.2017 (Bl. 34 d. A.) beantragte der Kläger bei der Beklagten nach § 29b Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 TVÜ-VKA von der Entgeltgruppe 6 in die Entgeltgruppe 7 ab dem 01.01.2017 höhergruppiert zu werden.
10Der Anhang zu Teil A § 11a des Landesbezirklichen Tarifvertrags vom 19. Dezember 2006 zum TVöD im Bereich des KAV NW (TVöD-NRW) i.d.F. ab dem 01.01.2017 - Eingruppierungsverzeichnis - lautet auszugsweise wie folgt:
11„Entgeltgruppe 6
12Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden (gelernte Beschäftigte), sowie Beschäftigte mit einer der Tätigkeit eines solchen Beschäftigten gleichwertigen Tätigkeit.
13Abschnitt a)
14Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe) mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben und in ihrem erlernten oder einem verwandten Fach beschäftigt werden
15Entgeltgruppe 7
16Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 mit besonders qualifizierter oder besonders vielseitiger Tätigkeit
17Abschnitt a)
18Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe) mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren, die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben und in ihrem erlernten oder einem verwandten Fach eine besonders qualifizierte Spezialtätigkeit verrichten, und zwar als
19[…]
2051.
21Tierpfleger in B logischen Gärten, die selbständig und verantwortlich Reviere mit artenreichem Tierbestand mit vielseitigen Futter- und Haltungsbedürfnissen zu betreuen haben
22oder
23mit der Haltung oder Aufzucht besonders hochempfindlicher Tiere (Problemtiere) betraut sind
24oder
25in Aquarien oder Terrarien mit artenreichem Tierbestand neben der Haltung der Tiere die gesamte technische Anlage zu betreuen haben.“
26Nr. 5 der „Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen“ des Eingruppierungsverzeichnisses lautet wie folgt:
27„Die Anforderungen „selbstständig“ und „verantwortlich“ verlangen ab der Entgeltgruppe 7, dass Beschäftigte über das bis Entgeltgruppe 6 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführen (selbstständig) und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung tragen (verantwortlich). Darüber hinausgehende Verantwortung aus anderem nun Recht ist keine Anforderung im Sinne der Tätigkeitsmerkmale.“
28Die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 7 Abschnitt a) Ziffer 51 des Eingruppierungsverzeichnisses fanden sich zuvor in dem Lohngruppenverzeichnis unter Lohngruppe 6 Abschnitt a) Ziffer 58 wieder. Ohne vierjährige Bewährung in der Lohngruppe 6 erfolgte eine Überleitung nach der Anlage 3 TVÜ-VKA in die Entgeltgruppe 6.
29Die Beklagte wies das Begehren des Klägers mit Schreiben vom 09.10.2017 (Bl. 35 d.
30A.) zurück.
31Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 22.12.2017 (Bl. 36f d. A.) wiederholte der Kläger das Höhergruppierungsbegehren und machte die Differenzbeträge zwischen der begehrten Entgeltgruppe 7 und der Entgeltgruppe 6 geltend. Die Beklagte lehnte das Begehren mit Schreiben vom 24.01.2018 (Bl. 38 d. A.) erneut ab.
32Mit seiner am 15.06.2021 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 21.06.2021 zugestellten Klage verfolgt der Kläger sein Höhergruppierungsbegehren weiter.
33Der Kläger macht geltend, dass er die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 7 Abschnitt a) Nr. 51 des Eingruppierungsverzeichnisses zum TVöD-NRW erfülle. Zum einen sei unter Revier ein begrenzter Bereich zu verstehen, den ein Tier als sein Territorium betrachte. Jeder der von ihm betreuten Bereiche beinhalte also mehrere Reviere. Zum anderen arbeite er insbesondere selbstständig, d. h. ohne besondere Anweisung, und verantwortungsvoll, d.h. er habe die volle Verantwortung für die durchzuführende Arbeit. Seine gesamte Tätigkeit sei als ein Arbeitsvorgang zu werten. Es sei auch auf den Arbeitsvorgang und nicht auf die Tätigkeit abzustellen, da § 11a TVöD-NRW nur die Entgeltordnung TVöD-VKA ausschließe, nicht aber den allgemeinen Teil des TVöD-VKA mit § 12 Absatz 2. Selbst wenn man aber nicht auf den Arbeitsvorgang abstellen würde, sei auf die Betreuung der Tiere als Gesamttätigkeit abzustellen. Das selbstständige und verantwortliche Arbeiten sei jedenfalls in einem rechtserheblichen Umfang enthalten. So entscheide er nach Sichtung und Beobachtung der Tiere seines Bereichs, ob er die Tierärztin rufe oder nur einen Hinweis an den Revierleiter gebe. In den Futterplänen gebe es nur grobe Vorgaben; er könne beispielsweise auch selbst entscheiden, einem Tier, das zu dick sei, weniger zu geben, oder – unstreitig - den Waschbären an einem Tag nur Tierisches und dafür an anderen Tagen Gemüse und Obst zu geben. Die Art und Weise der Tierbeschäftigung entscheide er selbst. So sei für die Seelöwenshow auch nur vorgegeben, dass es diese gebe; wie eine adäquate Show erreicht werde, sei nicht vorgegeben und werde im Dialog erarbeitet. Das Elchtraining führe er größtenteils nach eigenen Plänen durch. Er entscheide auch, wie, wann und welche Tiere er beschäftige. Es gebe keine Vorgabe dazu, wie und welche Betreuung/Pflege vorzunehmen sei. Die einzige Vorgabe sei, dass um 9 Uhr nicht alle Gehege leer sein dürften. Er werde für seine Tätigkeit auch zur Verantwortung gezogen; so sei ein anderer Tierpfleger – unstreitig - wegen des Vergessens des Verschließens eines Geheges abgemahnt worden. Während des Spätdienstes trage er die alleinige Verantwortung für das gesamte Revier Alaska und müsse selbst den Bedarf/die Dringlichkeit für eine medizinische Versorgung erkennen und bei Bedarf den B logischen Dienst verständigen. Er habe auch nicht jede Verhaltensauffälligkeit eines Tiers zu melden; dies sei bei 1,5 Tierärzten und einem Honorartierarzt auf Abruf für Notfälle für über 900 Tiere auch gar nicht machbar. Des Weiteren gehöre zu seinen Aufgaben auch die Beaufsichtigung der Auszubildenden; er entscheide unter Beachtung der Vorgaben der Blogischen Leitung selbst, welche Arbeiten er von diesen im jeweiligen Bereich erledigen lasse.
34Der Kläger beantragt,
35festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 7 des Anhanges zu § 11a Teil A (Eingruppierungsverzeichnis) des Landesbezirklichen Tarifvertrages zum TVöD im Bereich des KAV NW vom 19.12.2006 (TVöD-NRW) zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 7 und der Entgeltgruppe 6 für die Monate ab dem 01.01.2017 ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Die Beklagte macht geltend, dass die Voraussetzungen der EG 7 nicht erfüllt seien. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nur in einzelnen Bereichen eines Reviers tätig sei und nie für ein gesamtes Revier zuständig sei. Revierverantwortlicher sei der Revierleiter. Die Tätigkeiten der Tierpfleger erfolgten nach den Rahmenbedingungen und Vorgaben, die mit dem Revierleiter abgestimmt seien. Alle Tätigkeiten, die der Kläger verrichte, entsprächen lediglich denen eines ausgebildeten Tierpflegers Fachrichtung B. Besondere Spezialtätigkeiten, die eine Eingruppierung in die EG 7 rechtfertigten, verrichte der Kläger nicht. Der Kläger arbeite nicht über das für die EG 6 geforderte Maß hinaus ohne besondere Anweisung und somit nicht selbstständig. Die Futterpläne enthielten kleinteilige Vorgaben zu Menge und Sorten und würden regelmäßig durch den Tierarzt geprüft. Sofern der Kläger Änderungsbedarf sehe, sei dies mit dem Tierarzt abzustimmen. Auch die Beschäftigung der Tiere werde mit dem Revierleiter und/oder der Tierärztin abgesprochen. Die Ziele des Trainings der Seelöwen und des Elchs würden von der Tierärztin und/oder dem zuständigen Biologen festgelegt. Zudem sei der Kläger verpflichtet, jede Verhaltensauffälligkeit eines Tieres dem Tierarzt zu melden, der dann entscheide, was zu tun sei. Die Verständigung des Tierarztes durch den Kläger stelle keine selbstständige Entscheidungskompetenz dar. Verhaltensauffälligkeiten habe der Kläger sämtlich in digitale Tageszettel einzutragen, die dann vom Tierarzt, von der B logischen Leitung bzw. dem Revierleiter am nächsten Tag überprüft würden. Krasse Auffälligkeiten und größere Probleme habe der Kläger natürlich sofort zu melden; die Unterscheidung könne der Kläger als Tierpfleger vornehmen.
39Auch in der Spätschicht, die nicht mehr als 50% der Arbeitszeit ausmache, habe der Kläger nur normale Tierpflegertätigkeiten zu verrichten. Der Kläger trage auch dann keine Gesamtverantwortung für das Revier Alaska. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass er zu mindestens 50% seiner Arbeitszeit mit besonders qualifizierten/vielseitigen Tätigkeiten beschäftigt sei bzw. selbstständig und verantwortlich Reviere zu betreuen habe. Der Kläger verfüge lediglich hinsichtlich der Zeiteinteilung über einen gewissen Spielraum; dies führe nicht zur Vergütung nach der EG 7. Der Kläger sei auch nicht für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung verantwortlich im Sinne des Tarifvertrages, da er nur die reine Tätigkeits-/Tierverantwortung trage und nicht für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsgemäße Ausführung der Aufgaben einzustehen habe. Die Verantwortung des Klägers gehe nicht über die eines Tierpflegers hinaus, was für die EG 7 ausweislich Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen erforderlich sei. Zudem sei nicht auf den Arbeitsvorgang, sondern auf die Tätigkeiten abzustellen. § 12 TVöD-VKA beziehe sich auf die Entgeltordnung VKA und gelte nicht für das Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW. Es gelte zudem der Spezialitätsgrundsatz.
40Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
41E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
42Die zulässige Klage ist begründet.
43I.
44Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger seit dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 7 des Eingruppierungsverzeichnisses des TVöD-NRW zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 7 und der Entgeltgruppe 6 für die Monate ab dem 01.01.2017 ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
451.
46Die Frage der Vergütung ab dem 01.01.2017 richtet sich gemäß § 29b TVÜ-VKA i.V.m. § 11a Satz 3 TVöD-NRW nach dem Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW.
47Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 04.10.2017 fristgemäß einen Antrag nach §29b TVÜ-VKA i.V.m. § 11a Satz 3 TVöD-NRW gestellt. Es würde sich aus dem ab dem 01.01.2017 geltenden Eingruppierungsverzeichnis zum TVöD-NRW auch eine höhere Eingruppierung ergeben als nach der alten Regelung im Lohngruppenverzeichnis i. V. m. Anlage 3 zum TVÜ-VKA, da die bisherigen Voraussetzungen der Lohngruppe 6 nun in der Entgeltgruppe 7 genannt sind, ohne dass es einer Bewährung bedürfte.
482.
49Die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 7 Abschnitt a) Nr. 51 des Eingruppierungsverzeichnisses zum TVöD-NRW sind erfüllt.
50Dabei kann dahinstehen, ob nach Nr. 1 der „Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen“ des TVöD-NRW auf die Tätigkeit oder nach § 12 Absatz 2 TVöD-VKA auf den Arbeitsvorgang abzustellen ist (vgl. hierzu LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2021, Az. 12 Sa 859/20, anhängig BAG, Az. 4 AZR 422/21; LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019, Az. 17 Sa 1158/18, juris). Die fach- und artgerechte Pflege/Betreuung der Tiere, die deren Versorgung und Beschäftigung sowie die Pflege der Unterkünfte umfasst, stellt einen einheitlichen Arbeitsvorgang bzw. eine Gesamttätigkeit dar, der/die unstreitig mehr als 50% der Arbeitszeit ausmacht.
51Der Kläger hat nachweislich eine dreijährige Ausbildung als Tierpfleger absolviert und ist in dem erlernten Fach tätig.
52Er ist auch in einem B logischen Garten tätig und betreut ein Revier mit artenreichem Tierbestand und vielseitigen Futter- und Haltungsbedürfnissen. Die tarifliche Bestimmung ist insgesamt im Plural verfasst und ist so zu verstehen, dass ein Tierpfleger in einem B logischen Garten ein Revier mit artenreichem Tierbestand und vielseitigen Futter- und Haltungsbedürfnissen zu betreuen haben muss. Dies ist vorliegend der Fall. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass sich die von ihr verwendete Begrifflichkeit des Reviers mit der tariflichen Begrifflichkeit des Reviers – im Sinne eines größeren Bereichs eines B - deckt. Denn der Kläger betreut abwechselnd alle drei Bereiche des Reviers Alaska und ist ein bis zweimal pro Woche im Spätdienst für das ganze Revier Alaska zuständig. Er betreut somit ein Revier. Das Revier Alaska hat auch mit 14 verschiedenen Tierarten von Braunbären und Bibern über Eisbären, Elchen und Ottern bis hin zu Seelöwen und Schneeeulen einen artenreichen Tierbestand mit vielseitigen Futter- und Haltungsbedingungen.
53Entgegen der Auffassung der Beklagten betreut der Kläger das Revier auch selbständig und verantwortlich. Was die Tarifvertragsparteien hierunter verstehen, haben sie in Nr. 5 der „Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen“ des betreffenden Eingruppierungsverzeichnisses zum TVöD-NRW näher definiert. Danach verlangen die Anforderungen „selbständig“ und „verantwortlich“ ab der Entgeltgruppe 6, dass der Beschäftigte über das bis Entgeltgruppe 6 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführt (selbstständig) und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung trägt (verantwortlich). Darüber hinausgehende Verantwortung aus anderem Recht ist keine Anforderung im Sinne der Tätigkeitsmerkmale. Zur Auslegung des Begriffs der selbständigen Tätigkeit kann daher nicht auf die Vorschriften des TVöD-VKA und den dortigen Begriff der selbstständigen Leistungen zurückgegriffen werden (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.1995, Az. 16 Sa 172/95, BeckRS 1995, 30909320; BAG, Urteil vom 31.07.2002, A. 4 AZR 146/01, juris, Rn. 41; BAG, Urteil vom 24.08.1983, AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 1)). Eine Gedankenarbeit, die hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene geistige Beurteilung und Entschließung verlangt, ist zwar für eine selbstständige Leistung im Sinne des TVöD-VKA (vgl. Steuernagel in BeckOK TVöD Entgeltordnungen, Rinck/Böhle/Pieper/Geyer, 27. Edition, Entgeltgruppe 7 EntgO VKA, Rn. 11), nicht aber für eine selbstständige Arbeit im Sinne der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Entgeltgruppen erforderlich. Für den Begriff der Selbständigkeit im Eingruppierungsverzeichnis genügt es, wenn der Beschäftigte die dort genannten Arbeiten selbstständig im Sinne „ohne besondere Anweisung“ ausführt (LAG Düsseldorf, a. a. O.). Anleitung bedeutet, dass zur Ausführung und Gestaltung jeder einzelnen Tätigkeit Hinweise oder Anweisungen des Fachvorgesetzten unter laufender Überwachung gegeben werden. Ohne Anleitung ist tätig, wer während der Ausführung ohne Hinweise oder Anweisungen und ohne laufende Überwachung arbeitet (Conze/Karb/Wöle/Reidel, Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst, 7. Auflage, Entgeltordnung-Bund, Rn. 1355-1482). Dies ist hier der Fall. Nach Einteilung in den jeweiligen Bereich des Reviers führt der Kläger die Pflege/Betreuung der Tiere ohne besondere Anweisung und Überwachung eigenständig („selbständig“) durch. Er entscheidet für sich, welche Aufgaben er wann und wie erledigt und wie er die mit dem Tiertraining vorgegebenen Ziele erreicht. Die Arbeiten vor Ort unterliegen seiner Fachkompetenz. Konkreten Anweisungen und einer Überwachung eines Vorgesetzten, beispielsweise des Revierleiters, unterliegt der Kläger dabei nicht. Dass es für die Futtergabe Futterpläne gibt, spricht insofern nicht gegen die selbstständige Tätigkeit des Klägers insgesamt. Zudem liegt die Verantwortung für die Arbeitserledigung, dessen Ordnungsgemäßheit und die sachgerechte Durchführung der Arbeit beim Kläger. Der Revierleiter kontrolliert die Arbeitserledigung nicht. Das Ausfüllen von digitalen Tageszetteln für Verhaltensauffälligkeiten der Tiere ändert daran nichts. Der Kläger füllt diese in Anwendung seiner Fachkompetenz selbstständig aus und beurteilt, ob es sich um relevante Verhaltensauffälligkeiten handelt.
543.
55Die Vergütungsansprüche nach der Entgeltgruppe 7 ab dem 01.01.2017 sind auch nicht nach § 37 TVöD-V verfallen.
56Nach § 37 Absatz 1 TVöD-V verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber in Textform geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.
573.1
58Diese allgemeine Ausschlussfrist wird nicht für Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer Überleitung in die neue Entgeltordnung nach § 29b TVÜ-VKA stehen, von der in § 29b Absatz 1 Satz 2 TVÜ-VKA genannten Ausschlussfrist als einer Spezialregelung verdrängt. Die Wirkung der Ausschlussfrist nach § 29b TVÜ-VKA ist vielmehr auf das Antragsrecht nach § 29b TVÜ-VKA beschränkt. Lediglich insoweit wird § 37 Absatz 1 TVöD verdrängt (so zur vergleichbaren Regelung im TVÜ-Bund BAG, Urteil vom 18.09.2019, Az. 4 AZR 42/19; zum TVÜ-VKA LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2021, Az. 7 Sa 7/20, BeckRS 2021, 19434 und Rinck/Böhle/Pieper/Geyer, BeckOK TVöD, 57. Edition, Stand 01.12.2020, § 29b TVÜ-VKA Rn. 28; a. A. LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019, Az. 17 Sa 1158/18, juris, Rn. 124). Gegen ein Verständnis des § 29b Absatz 1 Satz 2 TVÜ-VKA als generelle Spezialvorschrift gegenüber § 37 TVöD-V spricht schon der Wortlaut, der sich ausschließlich auf das die Tarifautomatik (wieder) in Kraft setzende Antragsrecht und nicht auf die sich aus der Überleitung ergebenden Zahlungsansprüche bezieht. Dem entspricht auch die systematische Stellung des § 29b TVÜ-VKA; die Frist findet sich bei den Überleitungsvorschriften in die neue Entgeltordnung. Des Weiteren sprechen Sinn und Zweck des § 29b TVÜ-VKA nicht für eine Spezialität der Ausschlussfrist. Die Regelungszwecke von § 29b TVÜ-VKA und von § 37 TVöD-V sind unterschiedlich und können sinnvoll nebeneinanderstehen. Bei fristgerechtem Antrag nach § 29b TVÜ-VKA entsteht der Höhergruppierungsanspruch rückwirkend; die Tarifautomatik wird wieder in Kraft gesetzt. Um eine gründliche Prüfung der Folgen eines solchen Antrags zu ermöglichen, wurde eine lange Frist von einem Jahr vorgesehen. Mit Ablauf der Frist steht für beide Arbeitsvertragsparteien fest, welche Entgeltordnung bei unveränderter Tätigkeit Anwendung findet. Eine Aussage über die zutreffende Eingruppierung innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung oder über konkrete Zahlungsansprüche wird dadurch nicht getroffen. Die Ausschlussfrist des § 37 TVöD-V dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinsichtlich wechselseitig erhobener konkreter Ansprüche. Die lange Frist des § 29b TVÜ-VKA wird auch nicht durch die Frist des § 37 TVöD-V unterlaufen. Die Frist des § 37 TVöD-V beginnt erst mit Fälligkeit zu laufen; Ansprüche nach der neuen Entgeltordnung entstehen erst mit Zugang des Antrags nach § 29b TVÜ-VKA und werden erst ab diesem Zeitpunkt fällig (BAG, Urteil vom 18.09.2019, a. a. O.).
593.2
60Der Kläger hat mit Schreiben vom 04.10.2017 den Antrag nach § 29b Absatz 1 TVÜ-VKA gestellt. Die aus der Überleitung in die neue Entgeltordnung resultierenden Ansprüche für die Monate Januar 2017 bis Oktober 2017 sind damit gemäß § 24 Absatz 1 Satz 2 TVöD-V zum 31.10.2017 fällig geworden. Die Ausschlussfrist für diese Monate endete gemäß § 187 Absatz 1 i. V. m. § 188 Absatz 2 BGB am 30.04.2018.
61Der Kläger hat seinen streitgegenständlichen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 mit Schreiben vom 22.12.2017 geltend gemacht und damit die Ausschlussfrist gewahrt.
624.
63Der Feststellungsantrag ist auch bezüglich der begehrten Verzinsung der Bruttodifferenzbeträge ab dem jeweiligen Tag nach Fälligkeit begründet, wobei die Ansprüche für Januar bis Oktober 2017 – wie ausgeführt - erst zum 31.10.2017 fällig geworden sind. Dass die geschuldete Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt unterblieben ist, ohne dass die Beklagte ein Verschulden getroffen hätte, wurde von dieser nicht dargelegt (§ 286 Abs. 4 BGB; vgl. BAG, Urteil vom 26.01.2011, Az. 4 AZR 167/09, juris).
64II.
65Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Absatz 1 ZPO i. V. m. § 46 Absatz 2 ArbGG. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei zu tragen. Der Gebührenstreitwert bemisst sich nach § 42 Abs. 2 S. 2 GKG mit dem 36-fachen monatlichen Unterschiedsbetrag i.H.v. 100,56 Euro brutto zwischen der bisherigen (3.193,22 Euro nach EG 6 Stufe 5 seit dem 01.04.2021) und der begehrten Vergütung (3.293,78 Euro nach EG 7 Stufe 5 seit dem 01.04.2021).
66III.
67Der gemäß § 61 Absatz 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert war nach § 9 ZPO mit dem 42-fachen monatlichen Unterschiedsbetrag i.H.v. 100,56 Euro zwischen der bisherigen und der begehrten Vergütung in Ansatz zu bringen.
68IV.
69Die Berufung war gemäß § 64 Absatz 3 b) Nr. 2 ArbGG gesondert zuzulassen. Der Rechtsstreit betrifft die Auslegung eines Tarifvertrages, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt.
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
71Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
72Landesarbeitsgericht Hamm
73Marker Allee 94
7459071 Hamm
75Fax: 02381 891-283
76eingegangen sein.
77Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
78Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
79Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
801. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
85* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.