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1. Das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 bleibt aufrechterhalten.
2. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 60.000,- € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche aufgrund einer Diskriminierung des Klägers bei einer Bewerbung bei der Beklagten.
3Der am 21.11.19XX geborene Kläger bewarb sich bei der Beklagten um eine Stelle als Fachkraft für Arbeitssicherheit, die mit 5.000,- € brutto monatlich vergütet wird.
4In der Stellenausschreibung heißt es u. a.: „Wir bieten Ihnen: […] Ein junges und engagiertes Team.“
5Auf die Stellenausschreibung bewarben sich zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber, so dass sich die Beklagte entscheiden musste. Die Entscheidung fiel auf einen anderen Bewerber.
6Der Kläger erhielt am 11.07.2019 eine Absage und forderte die Beklagte am 09.09.2019 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz auf.
7Er verfolgt seine Ansprüche mit der vorliegenden, am 15.10.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 24.10.2019 zugestellten Klage weiter.
8Der Kläger behauptet, er erfülle alle Anforderungen der Stellenausschreibung und sei für die Stelle besser geeignet, als die anderen Bewerber. Er hätte die Stelle bei sachgerechter Auswahl erhalten müssen. Er sei aber wegen seines Alters zurückgewiesen worden. Die Benachteiligung werde aufgrund der Formulierung in der Stellenausschreibung vermutet.
9Der Kläger ist der Ansicht, eine Entschädigung und Schmerzensgeld sei in Höhe eines Jahresgehaltes angemessen. Er trägt dazu umfangreiche, im Wesentlichen abstrakte Erwägungen vor.
10Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
11die beklagte Partei zu verurteilen, an die klägerische Partei 60.000,- € als Ersatz für den immateriellen Schaden (Entschädigung und Schmerzensgeld) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte hat den Gütetermin am 11.11.2019 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht wahrgenommen. Die Beklagte wurde durch Versäumnisurteil antragsgemäß zur Zahlung von 60.000,- € nebst Zinsen seit dem 24.10.2019 verurteilt.
13Die Beklagte hat gegen das am 21.11.2019 zugestellte Versäumnisurteil am 26.11.2019 Einspruch eingelegt.
14Der Kläger beantragt,
15das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 aufrecht zu erhalten.
16Die Beklagte beantragt,
17das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
18Der Beklagtenvertreter trägt vor, dass die Beklagte nach seinem Kenntnisstand bereits Insolvenz angemeldet habe.
19Der Kläger sei von der Beklagten in keinster Weise diskriminiert worden, auch nicht wegen seines Alters. Der Kläger habe nicht allein aufgrund seiner Ablehnung von einer Altersdiskriminierung ausgehen dürfen, weil hierfür jedwede Anhaltspunkte fehlten. Sein Vortrag, dass er alle in der Ausschreibung benannten Voraussetzungen erfülle und daher besser geeignet sei als andere Bewerber, entbehre jedweder tatsächlichen Grundlage und sei deshalb ohne weiteren substantiierten Vortrag keine tragende Grundlage für die streitgegenständlichen Ansprüche.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
23I.
24Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist form- und fristgerecht bei Gericht eingegangen und versetzt den Rechtsstreit in die Lage vor der Säumnis der Beklagten zurück.
25II.
26Der Einspruch hat keinen Erfolg, denn die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
271.
28Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung einer angemessenen Entschädigung § 15 Abs. 2 S. 1 AGG aufgrund einer Diskriminierung wegen seines Alters in Höhe von 60.000,- € verlangen.
29a.
30Der Kläger hat seine Entschädigungsansprüche streitlos rechtzeitlich außergerichtlich geltend gemacht und eingeklagt.
31b.
32Eine Diskriminierung des Klägers wird entgegen der Ansicht der Beklagten vermutet.
33Nach § 22 AGG wird ein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vermutet, wenn Indizien bewiesen sind, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.
34Die Kammer geht von einer Benachteiligung wegen des Alters des Klägers, der bei Absage fast 59 Jahre alt war, aus, denn die Beklagte hat streitlos eine Stelle in einem „jungen und engagierten Team“ ausgeschrieben. Der Kläger geht in seiner Klagebegründung selbst davon aus, dass er als ein Bewerber um einen Arbeitsplatz nicht mehr als „jung“ in diesem Sinne bezeichnet werden kann. Dem folgt die Kammer, ohne den Kläger ihrerseits als „alt“ diskriminieren zu wollen, denn der Kläger steht dem Regelrenteneintrittsalter von derzeit 65 Jahren und 10 Monaten näher als dem Alter eines „jungen“ Berufseinsteigers.
35Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (so BAG, Urteil vom 11. August 2016 – 8 AZR 406/14 –, AP Nr. 22 zu § 15 AGG, zitiert nach juris Rn. 24) bewirkt die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.
36Es liegt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, § 3 Abs. 1 AGG, vor, denn mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass damit nicht nur ein „Istzustand“ beschrieben werden soll, sondern dass der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, dass er einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Andernfalls wäre die so formulierte Passage der Stellenausschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig (BAG, aaO. Rn. 35).
37Die Darlegungs- und Beweislast, dass keine Diskriminierung vorliegt, hätte nach Vorliegen der Vermutungswirkung die Beklagte getroffen. Dieser Darlegungslast ist sie aber nicht nachgekommen. Sie hat sich zu den Gründen ihrer Auswahlentscheidung nicht geäußert.
38c.
39Dem Kläger steht eine Entschädigung in Höhe von 60.000,- € zu.
40aa.
41Die Entschädigung ist nicht nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG auf drei Gehälter gedeckelt.
42Das wäre nur der Fall gewesen, wenn der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, was aber nach Lage der Akten nicht der Fall ist.
43Der Kläger hat vorgetragen, dass er alle Voraussetzungen erfüllt, unter allen Bewerber am besten für die Stelle geeignet war und bei diskriminierungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre. Diesem Vortrag des Klägers ist die Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten, weil sie nur behauptet, der Vortrag entbehre jeglicher Grundlage.
44Auch wenn die Kammer davon ausgeht, dass der Kläger seine Best-Eignung ohne konkrete Anhaltspunkte vorträgt, vermag die Kammer dennoch vom Kläger nach dem absolut unsubstantiierten Bestreiten der Beklagten keinen weiteren Vortrag oder Beweisantritt zu erwarten. Allein die Beklagte kann vortragen, welche Bewerber mit welcher Qualifikation sich beworben haben und welcher Bewerber aus welchen Gründen besser als der Kläger geeignet war. Auch kann die Beklagte vortragen, welche Voraussetzung der Stellenausschreibung der Kläger nicht erfüllt.
45Wenn die Beklagte hierzu nicht vorträgt, vermag die Kammer nur der Einschätzung des Klägers zu folgen, er wäre bei diskriminierungsfreier Auswahl eingestellt worden.
46bb.
47Die Kammer folgt im Ergebnis ebenfalls der Einschätzung des Klägers zur Höhe seines Entschädigungsanspruchs, nachdem die Beklagte dem Anspruch der Höhe nach überhaupt nicht entgegengetreten ist.
48Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (so BAG, Urteil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 –, AP Nr. 19 zu § 15 AGG, zitiert nach juris Rn. 44) zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181).
49Die Kammer hat keine Bedenken, eine Entschädigung in Höhe eines Jahresverdienstes als wirklich abschreckend, aber im vorliegenden Einzelfall noch angemessen festzusetzen, weil die Beklagte sich zu den Gründe ihrer Auswahlentscheidung gar nicht geäußert und auch keine Umstände dargetan hat, die für eine geringere Bemessung sprechen würden.
502.
51Die Zinsen sind als Prozesszinsen ab Zustellung der Klageschrift geschuldet.
52III.
53Die Beklagte als unterlegene Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
54Der Streitwert war in Höhe des Zahlungsantrags im Urteil festzusetzen.
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
56Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
57Landesarbeitsgericht Hamm
58Marker Allee 94
5959071 Hamm
60Fax: 02381 891-283
61eingegangen sein.
62Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
63Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
64Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
651. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
70* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.