Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk unter Bekanntgabe des Versicherers, der Versicherungssumme und Angabe, dass und in welchem Umfang sich die versicherten Interessen und Gefahren überschneiden.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um einen Auskunftsanspruch über das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk.
3Die Klägerin macht als Kfz-Haftpflichtversicherer einen Auskunftsanspruch auf Bekanntgabe einer Mehrfachversicherung aus abgetretenem Recht geltend.
4Die Klägerin war am 04.08.2017 Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs vom Zeugen X.. mit dem amtlichen Kennzeichen DO-XX XXX.
5Am 04.08.2017 verursachte der damalige Auszubildende der Beklagten Herr T.. einen Unfall mit dem Fahrzeug von Herrn X.., bei dem Herr N.. erheblich verletzt wurde und erheblicher Sachschaden entstand. Herr T.. missachtete die Vorfahrt des Herrn N.., woraufhin es zu einer Kollision kam.
6Die Klägerin übernahm als einstandspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung die Bearbeitung des ihr gemeldeten Verkehrsunfalls und trat in die Regulierung der entstandenen Schäden ein. Die Klägerin leistete bislang Zahlungen in Höhe von ca. 15.300 €.
7Im Rahmen der Schadensabwicklung forderte die Klägerin die Beklagte im Hinblick auf einen beabsichtigten Gesamtschuldnerausgleich nach § 78 VVG mehrfach auf, ihr Auskunft über den Handel- und Handwerkversicherer zu erteilen. Im Rahmen einer solchen Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk kann Versicherungsschutz unter anderem für fremde Fahrzeuge in Werkstattobhut genommen werden. Die Beklagte weigerte sich, die entsprechende Auskunft zu erteilen.
8Auf eine an Herrn T.. gerichtete Anfrage auf Auskunftserteilung hin trat Herr T.. am 21.12.2018 seine Auskunftsansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab (Bl. 13 der GA).
9Mit ihrer Klage vom 13.02.2019, der Beklagten am 26.02.2019 zugestellt, begehrt die Klägerin von der Beklagten die gewünschte Auskunft.
10Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünde ein Auskunftsanspruch aus dem Arbeitsvertrag mit dem Inhalt entsprechend § 77 Abs.1 VVG zu, welchen Herr T.. an die Klägerin abgetreten habe.
11Der Anspruch folge aus § 77 VVG. Die Versicherung des Beklagten sei zum Gesamtschadensausgleich verpflichtet, da sich der Unfall im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit ereignet habe. Das Fahrzeug des Zeugen X.. habe sich zu Reparaturzwecken bei der Beklagten befunden. Im Zuge der Fehleranalyse habe die Beklagte festgestellt, dass die Firma C als externer Spezialist hinzugezogen werden und das Fahrzeug zu dieser Firma verbracht werden muss. Nach erfolgter Reparatur bei der Firma D der Geschäftsführer der Beklagten U... persönlich seinen damaligen Auszubildenden T.. am 04.08.2018 angewiesen, das Fahrzeug von Herrn X.. wieder von der Firma C zu der Beklagten zurückzuführen. Bei dieser Überführungsfahrt sei es sodann zu dem streitgegenständlichen Unfall gekommen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk unter Bekanntgabe des Versicherers, der Versicherungssumme und Angabe, dass und in welchem Umfang sich die versicherten Interessen und Gefahren überschneiden.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Ansicht, nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet zu sein.
17Die Voraussetzungen des § 77 VVG seien nicht erfüllt. Die Vorschrift gehe davon aus, dass eine Person bei mehreren Versicherern versichert sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Im Übrigen habe der ehemalige Mitarbeiter T.. keine Auskunftsansprüche, da er bislang nicht von der Klägerin wegen des Unfallgeschehens in Anspruch genommen worden sei. Und selbst wenn Herr T.. in Anspruch genommen würde, hätte er allenfalls einen Regressanspruch, nicht jedoch einen Auskunftsanspruch, da es sich nur um eine freiwillige Versicherung handeln würde.
18Überdies sei der Anwendungsbereich der von der Beklagten unterhaltenen Versicherung nicht eröffnet. Der Unfall habe sich nicht im Rahmen einer gewerblichen Überführungsfahrt ereignet. Der Beklagte habe die Annahme eines Reparaturauftrages abgelehnt. Da der Zeuge X.. nicht gewusst habe, wie er das Fahrzeug wieder vom Gelände der Beklagten wegbewegen könne, habe er den anwesenden Herrn T.. um einen privaten Gefallen gebeten, ob er das Fahrzeug zu einem anderen Reparaturbetrieb verbringen könne. Hiernach sei die Unfallfahrt nicht im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit erfolgt, so dass die Versicherung für die gewerbliche Tätigkeit nicht greife.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen X... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.08.2019 verwiesen.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage ist zulässig und begründet.
23I.
24Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrte Auskunftserteilung aus abgetretenem Recht zu.
25Dem ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten T.. steht ein Auskunftsanspruch gegen seinen damaligen Arbeitgeber aus Treu und Glauben zu. Nach ständiger Rechtsprechung steht dem Arbeitnehmer ein Auskunftsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis zu, wenn der Arbeitnehmer in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchführung des Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und sein Arbeitgeber, von dem Auskunft begehrt wird, die Auskunft unschwer, d.h. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (Vgl. BAG, Urteil vom 19.04.2005, 9 AZR 188/04, juris).
26Herr T.. verfügt als ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten nicht über die Informationen zur Kfz-Versicherung, die von der Beklagten abgeschlossen worden ist und über die er mitversichert ist. Umgekehrt ist es der Beklagten unschwer möglich, ihm die erforderlichen Auskünfte zur Verfügung zu stellen.
27Für den hier geltend gemachten Auskunftsanspruch, der einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 78 VVG ermöglichen soll, kommt es dabei nicht darauf an, ob Herr T.. von der hiesigen Klägerin anlässlich des Verkehrsunfalls am 04.08.2017 in Regress genommen worden ist.
28Es bestanden Ansprüche des Geschädigten N.. gegen Herrn T.. als Fahrzeugführer aus den § 18 StVG, § 823 Abs.1 BGB, welche gegenüber der Klägerin gemäß § 115 Abs.1 VVG geltend gemacht wurden und welche diese reguliert hat. Auch ohne persönliche Inanspruchnahme bestehen in solchen Fällen nach den §§ 7,18 StVG, 823 Abs.1 BGB Schadensersatzansprüche gegenüber Fahrer und Halter, die dann vom Versicherer aufgrund der Regelung in § 115 Abs.1 VVG erfüllt werden.
29Seinen Auskunftsanspruch hat Herr T.. wirksam an die Klägerin abgetreten, § 398 BGB.
30Im Einzelnen:
311.
32Herr T.. war zum Unfallzeitpunkt mitversicherte Person im Rahmen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk, mithin einer Versicherung im Sinne von § 77 Abs.1 VVG.
33a) Weder der Wortlaut der Vorschrift noch Sinn und Zweck gebieten es, unter den Anwendungsbereich der Vorschrift nur Pflichtversicherungen fallen zu lassen. Überdies können nach § 115 Abs.1 Nr.2 und 3 auch Direktansprüche gegenüber einer privaten Haftpflichtversicherung bzw. einer Betriebshaftpflichtversicherung bestehen.
34b) Darüber hinaus ist auch der Anwendungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk eröffnet.
35Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass Herr T.. die Überführungsfahrt in Erfüllung des von Herrn X.. gegenüber der Beklagten erteilten Reparaturauftrages durchgeführt hat, mithin aus betrieblicher Veranlassung und nicht im Rahmen einer Gefälligkeitsfahrt.
36Der Zeuge X.. hat überzeugend dargelegt, dass er die Beklagte mit der Beseitigung der infolge Feuchtigkeitseintritt entstandenen Elektronikprobleme beauftragt hat. Darüber hinaus hat der Zeuge X.. ausgeführt, dass er mit dem Geschäftsführer der Beklagten U... vereinbart habe, dass das Fahrzeug ggf. weiter zur Firma C verbracht wird. Im Zuge dieses Auftrages ist das Fahrzeug des Zeugen X.. zur Firma C gebracht und wieder zurück transportiert worden. Der Zeuge X.. hat ausdrücklich verneint, mit Herrn T.., der ihm persönlich nicht näher bekannt ist, private Absprachen getroffen zu haben. Die Aussage des Zeugen war widerspruchsfrei und sachlich. Belastungstendenzen zulasten der Beklagten vor dem Hintergrund, dass der Zeuge durch die Beklagte erst im Nachgang und nur auf eigene Nachfrage über das Unfallgeschehen informiert worden ist, konnten durch das Gericht nicht festgestellt werden. Hiernach war für die erkennende Kammer davon auszugehen, dass die Überführungsfahrt betrieblich veranlasst war und der Deckungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk eröffnet ist.
372.
38Es liegt auch eine Doppelversicherung vor.
39Der BGH hat mit Urteil vom 31.03.1976 (IV ZR 29/75) zum inhaltsgleichen § 59 Abs.2 VVG alte Fassung ausgeführt:
40„Hat ein Versicherer aufgrund einer Haftpflichtversicherung für Handel und Handwerk für einen im Betrieb eines Kundenfahrzeugs verursachten Unfallschaden Ersatz zu leisten und ist für den gleichen Unfall auch der Haftpflichtversicherer des Halters des Kundenfahrzeugs ersatzpflichtig, so liegt eine Doppelversicherung vor, bei der die Versicherer im Verhältnis zu einander zur Ausgleichung nach § 59 Abs.2 VVG verpflichtet sind.“
41Weiter hießt es in dem Orientierungssatz der Entscheidung: „Für den Begriff der Doppelversicherung ist erforderlich, aber ausreichend die Identität des mit mehreren Verträgen versicherten Interesses. Dagegen ist es nicht notwendig, dass derselbe Versicherungsnehmer die mehreren Versicherungsverträge geschlossen hat; auch beim Zusammentreffen mit einer Fremdversicherung kann daher eine Doppelversicherung vorliegen“.
42Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer für den inhaltsgleichen § 77 VVG vollumfänglich an. So findet sich auch im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, Bundestagsdrucksache 16/3945 vom 20.12.2006, Seite 79 der Hinweis zu § 77 Abs.1 VVG: „Die Regelung stimmt sachlich mit dem bisherigen § 58 VVG überein. § 58 Abs.2 VVG ist in Absatz 1 als Satz 2 angefügt“. ZU § 78 VVG heißt es: „Die Vorschriften stimmen sachlich mit dem bisherigen § 59 Abs.1 und Satz 2 VVG überein. Der bisherige Begriff „Doppelversicherung“ wird durch den präziseren Begriff „Mehrfachversicherung“ ersetzt.“.
43Hiernach handelt es sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung des Herrn X.. und der Kfz-Hapftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk um eine Doppelversicherung im Sinne des § 77 VVG. Herr T.. war zum Unfallzeitpunkt sowohl mitversicherte Person im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Hand und Handwerk als auch mitversicherte Person im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung.
443.
45Die Auskunftsverpflichtung nach § 77 Abs.1 VVG trifft sowohl den Versicherungsnehmer als auch die mitversicherte Person (Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrechts-Kommentar, zu § 78 VVG, Randnummer 25). Da Herr T.. aufgrund eigener Kenntnis die Angaben nach § 77 Abs.1 VVG nicht tätigen kann, steht diesem aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten der Anspruch gegenüber der Beklagten zu, Auskunft entsprechend § 77 Abs.1 VVG zu erteilen. Dieser Auskunftsanspruch ist im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen.
46II.
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Beklagte hat als die im Prozess unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
48Für den Streitwert wurde im Hinblick darauf, dass bislang eine Regulierung in Höhe von ca. 15.000 € stattgefunden hat und es vorliegend nur um einen Auskunftsanspruch über einen anteiligen Ausgleich geht, 1/6 des Schadensbetrages zugrunde gelegt.
49-