Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 274,20 festgesetzt.
4. Die Berufung für den Kläger wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Zahlung eines tariflichen Leistungsentgelts für das Jahr 2007 gemäß § 18 TVöD-VKA i. V. m. der Protokollerklärung Nr. 1 S. 6 zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA.
3Der Kläger ist seit 1972 bei der Beklagten als Vermessungsgehilfe im Außendienst tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-VKA Anwendung. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 6 Stufe 6 eingruppiert und erhält ein Tabellenentgelt von 2.285,- brutto.
4In § 18 TVöD-VKA heißt es:
5"(4) Das Leistungsentgelt wird zusätzlich zum Tabellenentgelt als Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage gewährt; [...].
6[...]
7(6) Das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung wird betrieblich vereinbart. [...]"
8In der Protokollerklärung zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA heißt es:
9"1. Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die zeitgerechte Einführung des Leistungsentgelts sinnvoll, notwendig und deshalb beiderseits gewollt ist. Sie fordern deshalb die Betriebsparteien dazu auf, rechtzeitig vor dem 01. Januar 2007 die betrieblichen Systeme zu vereinbaren. [...] Für das Jahr 2007 erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2007 12 v.H. des für den Monat September 2007 jeweils zustehenden Tabellenentgelts ausgezahlt, insgesamt jedoch nicht mehr als das Gesamtvolumen gemäß Abs. 3 Satz 1, wenn bis zum 31. Juli 2007 keine Einigung nach Satz 3 zustande gekommen ist."
10Bei der Beklagten kam keine betriebliche Regelung i. S. v. § 18 TVöD-VKA zustande.
11Der Kläger war seit dem 05.10.2006 bis 09.03.2007 (oder 11.03.2007) arbeitsunfähig erkrankt und bezog zumindest vom 01.01.2007 bis 09.03.2007 (oder 11.03.2007) keine Entgeltfortzahlung, sondern Krankengeld. Weiterhin war er vom 19.06.2007 bis 30.09.2007 aufgrund einer anderen Erkrankung arbeitsunfähig. Er erhielt bis zum 30.07.2007 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Danach, auch im ganzen September 2007 bezog er Krankengeld und erhielt keine Vergütung von der Beklagten.
12Im Rundschreiben der VKA vom 13.06.2007 R 164/07 betr. Leistungsentgelt nach § 18 TVöD (vgl. Bl. 19 d. A.) heißt es:
13"VII. Protokollerklärung Nr.1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (sog. Verspätungsklausel)
14[..]
15Die ausnahmsweise undifferenzierte Auszahlung bemisst sich nach den Voraussetzungen der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD:
16Das Beschäftigungsverhältnis muss im Monat September bestanden und der Beschäftigte muss für den Monat September ein Tabellenentgelt tatsächlich erhalten haben. [...]
17Dem Tabellenentgelt stehen die Fälle der tariflichen Entgeltfortzahlung nach § 6 Abs. 3 Satz 1, § 22 Abs. 1 (ohne Krankengeldzuschuss), § 26, § 27 und § 29 TVöD gleich. [...]"
18Im Rundschreiben "TS berichtet" der Gewerkschaft ver.di vom 05.12.2007 (Nr. 63/07) (Bl. 26 ff. d. A), auf das ergänzend Bezug genommen wird, heißt es (zunächst zum TV-L mit späterem Verweis auf den hier streitgegenständlichen TVöD-VKA):
19"§ 18 Absatz 5 TV-L
20[...]
21Bisher sind noch keine landesbezirklichen Tarifverträge abgeschlossen worden. Daher wird das Leistungsentgelt in Höhe von 12 v. H. des jeweiligen Tabellenentgelts im Dezember ausgezahlt. Voraussetzung für die Zahlung des Leistungsentgelts in 2007 ist,
22? Entgeltzahlung im September 2007 und
23? Entgeltzahlung im Dezember 2007.
24Aus dieser "Stichtagsregelung" ergeben sich Konsequenzen für die Beschäftigten. Es wurde keine Zwölftelregelung vereinbart.
25Zum Beispiel:
26? Beschäftigungsbeginn im August 2007, Zahlung erfolgt in Höhe von 12 v.H. Des Tabellenentgelts für den Monat September
27? Beschäftigungsbeginn im Oktober 2007, es erfolgt keine Zahlung
28? Keine Entgeltzahlung im September 2007, es erfolgt keine Zahlung
29? Keine Entgeltzahlung im Dezember 2007, es erfolgt keine Zahlung
30Die Höhe des Leistungsentgelts beträgt 12 v.H. des Tabellenentgelts des Monats September 2007. Auch hier wurden keine weitergehenden Regelungen vereinbart.
31Das heißt:
32? Beschäftigungsbeginn am 15. September 2007, die Zahlung erfolgt anteilig
33? Entgeltzahlung nur für einen Teil des September 2007, die Zahlung erfolgt anteilig
34[...]
35Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA)
36[...]
37Diese Regelung ist inhaltsgleich mit § 18 Abs. 5 TV-L. Aus diesem Grund verweisen wir auf die Ausführungen zu § 18 Abs. 4 TV-L."
38Der Kläger machte die Auszahlung des vollen Leistungsentgelts mit Schreiben vom 18.12.2007 geltend. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 27.12.2007 (Bl. 7 f. d. A.) ab, weil für den Kläger im September 2007 kein Gehaltsanspruch bestand.
39Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe mit dem Entgelt für den Monat Dezember 2007 ein Leistungsentgelt in Höhe von 12 von 100 seines Tabellenentgelts des Monats September 2007 zu.
40Die tarifliche Regelung setze nicht voraus, dass für den Monat September 2007 tatsächlich ein Tabellenentgelt zur Auszahlung gekommen sei. Vielmehr hätten die Tarifvertragsparteien den Monat September 2007 lediglich als Definitionsmonat und Berechnungsgrundlage für das Leistungsentgelt gewählt. Mit der Protokollerklärung solle nicht bewirkt werden, dass bei Nichtzahlung eines Tabellenentgelts im Monat September 2007 überhaupt kein Leistungsentgelt gezahlt werden muss.
41Selbst wenn die Tarifvertragsparteien die vorliegende Problematik nicht gesehen hätten, führe das zu keinem anderen Ergebnis. Eine unbewusste Regelungslücke sei durch die Rechtsprechung zu schließen, wenn davon auszugehen sei, dass sich die Tarifvertragsparteien einer zwingend gebotenen Regelung nicht entzogen hätten. Die hier einzige billigem Ermessen entsprechende Regelung sei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kürzung eines 13. Monatsgehalts zu entnehmen. Bei dem Leistungsentgelt handele es sich offensichtlich um im Austauschverhältnis stehende Arbeitsvergütung. Eine Kürzung sei nur bei Suspendierung der Hauptleistungspflichten möglich, was bei Krankheit nur vorübergehend der Fall sei. Ein vollständiges Entfallen des Leistungsentgelts komme nur dann in Betracht, wenn im ganzen Kalenderjahr überhaupt keine Leistungspflicht bestanden habe. Eine Kürzung des Leistungsentgelts sei demnach höchstens für die Monate Januar und Februar sowie August und September 2007 möglich, so dass er jedenfalls einen Anspruch auf 08/12 des vollen Leistungsentgelts für das Jahr 2007 habe.
42Der Kläger behauptet, die Gewerkschaft ver.di habe in "TS-berichtet" Nr. 63/07 lediglich eine nachträgliche Ansicht hinsichtlich des Verständnisses der hier streitgegenständlichen Tarifnorm wiedergegeben. Die Frage, wie zu verfahren ist, wenn im Monat September kein Entgelt fließt, sei nicht Thema der Verhandlungen zum TVöD gewesen. Da die Problematik von beiden Tarifvertragsparteien nicht gesehen worden sei, handele es sich um eine unbewusste Regelungslücke.
43Der Kläger beantragt,
44die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Leistungsentgelt in Höhe von 274,20 brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen.
45Die Beklagte beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung des Tabellenentgelts, weil er auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Tabellenentgelts für den Monat September 2007 hatte. Das Leistungsentgelt werde nach einer Stichtagsregelung bemessen. Da zum maßgeblichen Stichtag kein Vergütungsanspruch bestand, bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung des Leistungsentgelts.
48Auch ein Anspruch auf Zahlung des anteiligen Leistungsentgelts für acht von zwölf Monaten bestehe nicht, denn die tarifliche Regelung sehe eine anteilige Zahlung nicht vor, obwohl diese, wie z. B. in § 20 Abs. 4 TVöD üblicherweise ausdrücklich vereinbart werde. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien diese Fallgestaltung übersehen hätten. Eine Regelungslücke sei nicht erkennbar.
49Selbst wenn die hier streitige Problematik von den Tarifvertragsparteien nicht gesehen worden sei, komme kein Zahlungsanspruch des Klägers in Betracht. Bei der Schließung einer unbewussten Regelungslücke sei darauf abzustellen, wie die Tarifvertragsparteien die betreffende Frage bei objektiver Betrachtung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages voraussichtlich geregelt hätten, wenn sie das Regelungsbedürfnis bedacht hätten. Es seien vorliegend aber keine hinreichenden und sicheren Anhaltspunkte im Tarifvertrag zu finden, wie die Tarifvertragsparteien eine Regelung vorgenommen hätten. Neben der vom Kläger vertretenen Auffassung sei auch die der Beklagten möglich. Eine Lückenschließung durch die Rechtsprechung stelle einen unzulässigen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien dar.
50Weiterhin sei auf eine Protokollerklärung Nr. 2 zu Abs. 4 des § 18 TVöD a. F. hinzuweisen, wonach die Tarifvertragsparteien in der Entgeltrunde 2008 die Umsetzung des § 18 TVöD analysieren und ggf. notwendige Folgerungen ziehen wollten. Die Tatsache, dass § 18 TVöD auch nach Abschluss der Entgeltrunde 2008 unverändert geblieben ist, spreche gegen das Vorliegen einer unbewussten Regelunglücke.
51Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der geäußerten Rechtsansichten wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
52Das Gericht hat eine Auskunft der Tarifvertragsparteien zur Auslegung der Protokollerklärung Nr. 1 Satz 6 zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA eingeholt. Auf die Stellungnahmen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 05.11.2008 (Bl. 44 ff. d. A.) und 05.01.2009 (Bl. 62 ff. d. A.) und der Gewerkschaft ver.di vom 21.11.2008 (Bl. 48 ff. d. A.) wird Bezug genommen.
53Entscheidungsgründe
54Die zulässige Klage ist unbegründet und hat keinen Erfolg.
551.
56Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Leistungsentgelts für das Jahr 2007 aus der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA.
57Die Protokollerklärung ist wie ein Tarifvertrag anzuwenden und auszulegen, da die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung normativ wirkende Regelung, wie z. B. die hier streitgegenständliche Anspruchsgrundlage auf Zahlung des Leistungsentgelts, niedergelegt haben.
58Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, 07.07.2004 4 AZR 433/03 - AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Verkehrsgewerbe) den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 30. Mai 2001 4 AZR 269/00 AP Nr. 4 zu BAT § 23b m. w. N.)
59Die Kammer vermag einen solchen Anspruch nach Auslegung der Protokollerklärung nicht festzustellen, denn das Leistungsentgelt soll nur derjenige Arbeitnehmer zu beanspruchen haben, der auch im September 2007 Anspruch auf Auszahlung des Tabellenentgelts hat (vgl. im Ergebnis ebenso zu § 18 Abs. 5 TV-L Arbeitsgericht Hamburg vom 26.08.2008 - 20 Ca 74/08).
60a.
61Ausgehend vom Wortlaut der Protokollerklärung bleibt nach Auffassung der Kammer offen, ob die Tarifvertragsparteien eine Berechnungsgrundlage für das Leistungsentgelt oder eine Stichtagsregelung vereinbaren wollten. Mit dem für den Monat September 2007 jeweils zustehenden Tabellenentgelt kann sowohl das tatsächlich gezahlte als auch das nach der im September 2007 maßgeblichen Eingruppierung geschuldete unabhängig von einem tatsächlichen Zahlungsanspruch gemeint sein.
62b.
63Unter Berücksichtigung des Willens der Tarifvertragsparteien steht für die Kammer aber fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung des Leistungsentgelts zusteht. Dabei vermag die Kammer nicht abschließend festzustellen, ob es im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen einen übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien zu der Frage gab, ob eine Bemessungsgrundlage oder eine Stichtagsregelung vereinbart werden sollte oder ob hierüber nicht ausdrücklich gesprochen wurde. Hierauf kommt es aber im Ergebnis auch nicht an.
64aa.
65Ein übereinstimmender Wille der Tarifvertragsparteien, eine Stichtagsregelung zu vereinbaren, stünde einem Anspruch des Klägers entgegen, denn dieser Wille wäre im Wortlaut der Protokollerklärung ausreichend niedergelegt. Der Kläger hat unstreitig zu dem dann maßgeblichen Stichtag kein Tabellenentgelt bezogen und kann damit auch kein Leistungsentgelt verlangen. Für einen solchen übereinstimmenden Willen spricht die Tatsache, dass beide Tarifvertragsparteien in den vorgelegten Rundschreiben an ihre Mitglieder von einer Stichtagsregelung ausgehen. Allerdings lässt die Tatsache, dass auch ver.di in ihrem Rundschreiben nach Abschluss der tariflichen Regelung von einer Stichtagsregelung ausgeht, nicht den zwingenden Schluss zu, dass insoweit auch im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen ein übereinstimmender Wille bestanden hat. Insoweit sind die Tarifauskünfte der Tarifvertragsparteien ergebnislos geblieben, da keine Tarifvertragsparteien konkrete Angaben zum Ablauf der Verhandlungen macht.
66bb.
67Auch wenn über die Frage, ob eine Stichtagsregelung oder eine Bemessungsgrundlage vereinbart werden sollte, zwischen den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich gesprochen wurde, kommt ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des Leistungsentgelts nicht in Betracht, denn dann würde eine unbewußte Regelungslücke vorliegen, die die Rechtsprechung nicht zu schließen berechtigt ist.
68Dafür, dass es im Rahmen der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien keine ausdrücklichen Gespräche über die hier streitgegenständliche Frage gab, ob eine Stichtagsregelung oder eine Bemessungsgrundlage vereinbart werden soll, sprechen die Auskünfte der Tarifvertragsparteien. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände nimmt zwar umfangreich zur Auslegung der Protokollerklärung Nr. 1 Satz 6 zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA Stellung, lässt die Fragen des Gerichts, ob über die hier streitgegenständliche Frage gesprochen wurde, ob es einen übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien gab und dieser anhand konkreter Verhandlungsergebnisse oder Unterlagen nachvollzogen werden kann, letztlich unbeantwortet. Auch die Gewerkschaft ver.di nimmt zur Auslegung Stellung. In ihrer Stellungnahme heißt es:
69"Die Gespräche mit an den Verhandlungen beteiligten ergaben darüber hinaus, dass die von den Arbeitgebern publizierte und vorgetragene Position weder von einer der beiden Tarifvertragsparteien während der Verhandlungen zum Ausdruck gebracht wurde, noch dass sie eindeutiger gemeinsamer Wille der Tarifvertragsparteien war."
70Folgt man der Auskunft der Tarifvertragsparteien, kann ein übereinstimmender Wille bei Tarifabschluss nicht festgestellt werden. Vielmehr wäre mit der Auskunft von ver.di davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien die hier streitgegenständliche Problematik weder gesehen, noch in die eine oder andere Richtung geregelt haben.
71Die Kammer kann diese unbewusste Regelungslücke nicht schließen, denn dann läge ein unzulässiger Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien vor.
72Die Schließung einer unbewussten Regelungslücke eines Tarifvertrages durch die Rechtsprechung ist nur in engen Grenzen möglich. In die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie darf nicht eingegriffen werden (vgl. zum Streitstand BAG, 15.11.2005 - 3 AZR 520/04 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Krankenanstalten). Wenn verschiedene Möglichkeiten der Lückenfüllung bestehen, bleibt es den Tarifvertragsparteien überlassen, eigenständig über die ihnen angemessen erscheinende Lösung zu entscheiden (vgl. ua. BAG 20. Juli 2000 - 6 AZR 347/99 - AP BMT-G II SR 2g § 2 Nr. 1, zu II 3 a der Gründe; 27. April 2004 - 9 AZR 18/03 - BAGE 110, 208, 216, zu I 4 b bb der Gründe jeweils mwN). Die Gerichte haben nur dann die Möglichkeit und die Pflicht, eine unbewusste Regelungslücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (vgl. ua. BAG 3. November 1998 - 3 AZR 432/97 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 31, zu I 2 a der Gründe; 10. Juli 2003 - 6 AZR 344/02 - zu 1 c cc der Gründe, jeweils mwN).
73Es sind vorliegend verschiedene Möglichkeiten der Lückenschließung vertretbar, was schon aus dem Streitstand dieses Rechtsstreits folgt. Zum einen ist die Lösung der Beklagten denkbar, eine Stichtagsregelung festzuschreiben, was einen Anspruch des Klägers ausschließen würde. Zum anderen käme in Betracht, dem Kläger ohne weitere Voraussetzungen einen Anspruch auf Zahlung des vollen Leistungsentgelts zuzusprechen. Letztlich käme auch eine Zwölftelungsregelung in Betracht, wobei ein Anspruch auf das Leistungsentgelt in der Höhe besteht, in der im Kalenderjahr tatsächlich eine Arbeitsvergütung bezogen worden ist.
74Die Kammer ist zwar der Auffassung, dass eine anteilige Zahlung des Leistungsentgelts in dem Umfang, in dem tatsächlich in dem Kalenderjahr Arbeitsentgelt bezogen wurde, dem Sinn und Zweck eines Leistungsentgelts am nächsten kommt. Allerdings ist auf Grundlage der Protokollerklärung und der Auskunft der Tarifvertragsparteien gerade diese Lösung vorliegend nicht vertretbar, denn es finden sich weder Anhaltspunkte hierfür im Tarifvertrag noch haben die Tarifvertragsparteien einen entsprechenden Willen, unabhängig von einer Niederlegung in der tariflichen Regelung mitgeteilt.
75Dabei darf auch nicht verkannt werden, dass Sinn und Zweck der Ausschüttung nach dem Gießkannenprinzip gerade nicht die leistungsgerechte Vergütung ist. Eine solche sollte vielmehr durch die Einführung entsprechender betrieblicher Systeme erreicht werden. Die Anwendung der hier streitgegenständlichen Übergangsregelung war durch die Tarifvertragsparteien nur als Auffangtatbestand gewollt, entsprach aber nicht ihrer erklärten Zielsetzung. Insoweit erscheint es auch nachvollziehbar, dass die Tarifvertragsparteien eine möglichst einfache Regelung, sei es eine Stichtagsregelung oder eine Bemessungsgrundlage gewählt haben, um den Verwaltungsaufwand gering zu halten.
76c.
77Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des vollen Leistungsentgelts folgt auch nicht aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
78Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Hamburg (Urt. v. 26.08.2008 20 Ca 73/08 ) zu § 18 Abs. 5 TV-L und nimmt auf die den Parteien bekannte Entscheidung Bezug.
79Der durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Gleichheitssatz verbietet, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt dann vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender Grund nicht finden lässt und eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich erscheinen lässt.
80Der Gleichheitssatz wird durch die hier in Frage stehende Protokollerklärung nicht verletzt. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG folgt eine Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Den Tarifvertragsparteien steht ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zu, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der zu treffenden Regelung geht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, zu überprüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben. Der Kompromisscharakter von Tarifverträgen als Verhandlungsergebnis divergierender Interessen muss in dem Sinne berücksichtigt werden, dass an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Im Interesse praktikabler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen dürfen die Tarifvertragsparteien typisierende Regelungen, insbesondere Stichtagsregelungen treffen. Vor diesem Hintergrund ist bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Tarifvertragsparteien unmittelbar an den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder eine solche Wirkung auf der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte beruht (BAG, 25.06.2003 - 4 AZR 405/02 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Beschäftigungssicherung). Eine den Tarifvertragsparteien verbotene Ungleichbehandlung liegt vor, wenn für die Ungleichbehandlung ein vernünftiger aus der Natur der Sache folgender oder sonst einleuchtender Grund fehlt. Bei der Umstellung eines Vergütungssystems hindert der Gleichheitssatz die Tarifvertragsparteien nicht, stichtagsbezogene Regelungen für die Einführung neuer Vergütungsbestandteile zu treffen. Die damit verbundenen Härte zur Abgrenzung eines begünstigten oder belasteten Personenkreises ist hinzunehmen, wenn sich die Wahl des Stichtages an dem zu regelnden Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst (BAG, 18.03.2004 - 6 AZR 670/02 juris; LAG Baden-Württemberg, 08.05.2007 14 Sa 54/06 - EzTöD 320 § 11 Abs 1 TVÜ-VKA Nr. 8).
81Ein einleuchtender Grund für die Vereinbarung einer Stichtagsregelung ist vorliegend, eine möglichst einfache Berechnung des nach dem Gießkannenprinzip ausgezahlten Leistungsentgelts zu ermöglichen. Die Betriebsparteien sollen den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Einführung betrieblicher Systeme zur leistungsbezogenen Verteilung richten. Es erscheint hinnehmbar, für die nach ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien zu vermeidenden und jedenfalls möglichst kurz zu haltenden Übergangszeit von einer detailierten Regelung, welche eine möglichst große Einzelfallgerechtigkeit erreicht, abzusehen.
822.
83Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die unterlegene Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
84Der Streitwert war in Höhe des Zahlungsanspruchs im Urteil festzusetzen, § 61 Abs. 1 ArbGG.
853.
86Die Berufung für den Kläger war zuzulassen, § 64 Abs. 3a S. 1 ArbGG. Die Parteien streiten über die Auslegung des TVöD-VKA, eines Tarifvertrages, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, § 64 Abs. 3 Nr. 2 b. ArbGG.