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1 . Der Antrag des Antragstellers vom 11.05.2024 auf Durchführung eines
selbständigen Beweisverfahrens wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 2.250,00 Euro festgesetzt.
G rü n d e :
2l.
3Der Antragsteller begehrt die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens durch Vernehmung des ehemaligen Geschäftsführers der Antragsgegnerin als Zeugen.
4Der Antragsteller war in der vom 01.10.1977 bis zum 30.06.2010 bei der Antragsgegnerin zuletzt als stellvertretender Geschäftsführer und Bereichsleiter der kaufmännischen Verwaltung tätig. Seit dem 01.07.2010 erhält er von der Antragsgegnerin Versorgungsbezüge nach Maßgabe des Ergänzungsvertrages vom 03.02.1983 zum Dienstvertrag vom 16.3.1977 (BI. 20 f. d. A.), auf den Bezug genommen wird. Er begehrt von der Antragsgegnerin eine Anpassung seiner Versorgungsbezüge für den Zeitraum von Juni 2023 bis einschließlich Februar 2024 in Höhe von insgesamt
52.250,00 Euro.
Er behauptet, durch Aussage des ehemaligen Geschäftsführers werde nachgewiesen, dass sich die Parteien mit der Versorgungsregelung vom 03.02.1983 grundsätzlich einig waren, dem Antragssteller eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Anlehnung an die Alters- und Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst (ohne Beihilfeleistungen) zu gewähren. Hinsichtlich der Formulierung zur Anpassung der Versorgungsbezüge in S 2 Satz 2 des Versorgungsvertrages vom 03.02.1983 (BI. 20 f. d.
7A.) seien sich die Parteien einig gewesen, den Antragsteller bei der Anpassung der Versorgungsbezüge so zu stellen, wie er unter analoger Betrachtung in gleicher Situation als Versorgungsempfänger des Bundes stehen würde.
8Mit den Beweisfragen an den derzeit 95 Jahre alten ehemaligen Geschäftsführer der Antragsgegnerin sei Klarheit darüber zu erlangen, was die Parteien - insbesondere die Antragsgegnerin - seinerzeit beim Abschluss des Versorgungsvertrages mit dem Antragssteller (grundsätzlich) erreichen und regeln wollten. Das mittlerweile hohe Lebensalter des ehemaligen Geschäftsführers begründe die Besorgnis, dass das Beweismittel durch plötzlichen und unerwarteten Tod oder durch schwere Erkrankung verloren gehe oder eine erschwerte Benutzung im schweren Erkrankungsfall desselben eintrete. Daher sei die Sicherung des Beweises durch ein selbständiges Beweisverfahren gerechtfertigt.
9Er habe auch ein rechtliches Interesse daran, dass alsbald darüber Beweis erhoben werde, was faktischer Wille der Antragsgegnerin bei Abschluss des Versorgungsvertrages gewesen ist. Er hoffe und gehe im Übrigen davon aus, dass sich durch das angestrebte selbständige Beweisverfahren ein ansonsten erforderlich werdender
10Rechtsstreit erübrige,
Der Antragsteller beantragt:
12Im Wege der Beweissicherung wird ohne mündliche Verhandlung die Zeugenvernehmung des inzwischen mit 95 Lebensjahren hochbetagten ehemaligen Geschäftsführers der Antragsgegnerin Herrn Rechtsanwalt Dr. A,
B straße XX, XXXXX C, zur Beantwortung folgender Fragen beschlossen:
1. Hat die Antragsgegnerin bei der arbeitsvertraglichen Begründung der Versorgungsregelung für den Antragssteller mit Ergänzungsvertrag vom 03.02.1983 grundsätzlich gewollt, dem Antragssteller eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Anlehnung an die Alters- und Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst zu gewähren, jedoch ohne Anspruch auf eine Beihilferegelung?
142. Hat die Antragsgegnerin mit der im Versorgungsvertrag vom 3.2.1983 gewählten Formulierung
15, Werden die Bezüge der Versorgungsempfänger des Bundes, die Ortzuschlag erhalten, den allgemeinen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst, so wird das Bruttoarbeitseinkommen eines jeden der drei maßgeblichen Kalenderjahre entsprechend erhöht oder vermindert. '
gewollt, den Antragsteller als ihren Versorgungsempfänger im Fall der Versorgungsanpassung wirtschaftlich so zu stellen, wie er in gleicher Situation als Versorgungsempfänger des Bundes stehen würde, jedoch ohne Beihilfeanspruch?
17Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
19
Sie hält den Beweissicherungsantrag bereits für unzulässig. Zum einen fehle es dem Antragsteller an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Zum anderen handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Es bleibe unklar, aus welchem
konkreten Lebenssachverhalt sich das vom Antragsteller behauptete Beweisergebnis ergeben soll. Dem darlegungs- und beweisbelasteten Antragsteller obliege es, zu den konkreten Tatsachen vorzutragen. Eine Beweiserleichterung komme ihm nicht zu. Der Antragsgegnerin sei es mangels substantiierten Sachvortrages des Antragstellers nicht möglich, dessen Behauptungen zu überprüfen, geschweige denn konkrete Gegenfragen an ihren ehemaligen Geschäftsführer zu richten. Schließlich sei auch die Beantwortung der vom Antragsteller angeführten Fragen insgesamt ungeeignet, die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu begründen.
Für das weitere Vorbringen wird auf die wechselseitigen und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21Der Antrag des Antragstellers ist zurückzuweisen, da die Voraussetzungen des § 485
22ZPO nicht vorliegen.
231 .
24Nach S 46 Abs. 2 ArbGG sind die Regelungen der ZPO über die Beweissicherung auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren anwendbar (BAG, Beschluss vom
2530.09.2008 - 3 AZB 47/08, juris).
262.
27Gemäß S 485 Abs. 1 ZPO kann während oder außerhalb eines Streitverfahrens auf
28Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen
29oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Nach S 485 Abs. 2 ZPO kann, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse an den im Gesetz genannten
30Feststellungen hat.
313. Ein selbständiges Beweisverfahren gemäß S 485 Abs. 1 ZPO oder § 485 Abs. 2 ZPO dient nicht der Klärung von Rechtsfragen, sondern kann nur Tatsachenfragen klären (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.06.2021 — 9 W 29/21, juris). Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten, S 373 ZPO. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Die Zeugenaussage bezieht sich dagegen nicht auf Werturteile, Rechtsbegriffe oder Schlussfolgerungen (vgl. Huber/Rößl in: MusielaW0it, ZPO, 21. Auflage 2024, § 373 Rdn. 2).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den gestellten Anträgen ausschließlich um Rechtsfragen im o.g. Sinne, die insgesamt nicht Gegenstand eines zulässigen Antrags gemäß S 485 ZPO sein können. Weder die Anträge des Antragstellers noch seine Antragsbegründung beziehen sich auf die Wahrnehmung des ehemaligen Geschäftsführers von konkreten (vergangenen) Tatsachen, die ggf. auf einen entsprechenden Willen schließen lassen könnten. Allein diese könnten Gegenstand einer Zeugenvernehmung sein. Vielmehr beziehen sich die Anträge des Antragsstellers ausschließlich auf die Frage, was die Parteien seinerzeit bei Abschluss der streitgegenständlichen Verträge „(grundsätzlich) gewollt" haben bzw. was letztlich Inhalt der getroffenen Einigung ist. Hierbei handelt es sich um keine Tatsachen im o.g. Sinne. Der Wille der Parteien bei Abschluss der Verträge und sein konkreter Inhalt ist ausschließlich eine Rechtsfrage, deren Beantwortung nicht die Aufgabe eines Zeugen, sondern Aufgabe des Gerichts - ggf. durch Auslegung der relevanten Verträge nach SS 133, 157 BGB - ist. Die gesetzliche Bestimmung des S 485 ZPO dient nach ihrem Sinn und Zweck nicht dazu, die Beantwortung derartiger Rechtsfragen in das selbständige Beweisverfahren zu verlagern.
33Die Kostenentscheidung folgt aus S 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. S 91 ZPO. Hiernach hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
342.
Der Wert des Beweissicherungsverfahrens war auf 2.250,00 Euro festzusetzen. Dies entspricht dem Wert der begehrten Anpassung der Versorgungsbezüge des Antragstellers, deren Durchsetzung das selbständige Beweisverfahren nach seiner Vorstellung dienen soll.
Gegen diesen Beschluss kann von der Antragstellerseite sofortige Beschwerde eingelegt werden.
37Für die Antragsgegnerseite ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
38
Die sofortige Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von zwei Wochen entweder beim Arbeitsgericht Bochum, Josef-Neuberger-Straße 1, 44787 Bochum,
Fax: 0234 967-4905 oder beim Landesarbeitsgericht Hamm, Marker Allee 94, 59071 Hamm, Fax: 02381 891-283 eingelegt werden. Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses.
Die Beschwerde kann schriftlich oder in elektronischer Form eingelegt oder zu Protokoll der Geschäftsstellen erklärt werden.
40Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. 46g Satz 1 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Beschwerde ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach S 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß S 46c ArbGG' nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite www.justiz.de
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.