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1. Die Klage wird abgewiesen. Die Berufung wird nicht zugelassen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 148,28 EURO festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit der Teilnahme an einer Veranstaltung im Rahmen der Betriebsratstätigkeit des Klägers.
3Der 1963 geborene Kläger ist seit dem 01.01.2000 bei der Beklagten am Standort C als Senior Administrator mit dem fachlichen Schwerpunkt Netzwerk- und Security-Administration tätig. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt 6.029 €.
4Die Beklagte ist ein mittelständischer IT-Dienstleister für IT-gestützte Prozesse und Technologien. Die Beklagte untersucht für ihre Kunden IT-gestützte Prozesse sowie Applikationen und Systeme mit dem Ziel, diese zu vereinfachen, zu integrieren und zu automatisieren. Die Beklagte beschäftigt insgesamt ca. 420 Mitarbeiter und unterhält 10 Niederlassungen bzw. Betriebe. In ihren Betrieben in I, C und C1 haben die Mitarbeiter Betriebsräte gewählt. Es besteht auch ein Gesamtbetriebsrat. Am Standort in C sind derzeit 39 Mitarbeiter tätig.
5Der Kläger ist seit dem 04.07.2012 Mitglied des bei der Beklagten am Standort C gebildeten dreiköpfigen Betriebsrats. Er ist zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Außerdem sind neben dem Kläger, I1 und Q gewählte Betriebsratsmitglieder. H ist Ersatzmitglied. Die Mitglieder des Betriebsrats und das Ersatzmitglied besuchten verschiedene Grundlagenschulungen (vgl. Seiten 2 und 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 12.02.2017.
6Bei der Beklagten bestehen Gesamtbetriebsvereinbarungen zu den Themen Erweiterung des SAP-Systems, Einführung von SAP, SAP Business By Design, Successfactors, Standardsoftware, Skype, Sharepoint und Datev Lodas.
7Im Monatsgespräch am 27.05.2015 zwischen dem Betriebsrat und dem Standortverantwortlichen in C teilte der Standortverantwortliche mit, dass die Geschäftsführung zukünftig darum bitte, auf die Seminarkosten zu achten.
8Der Betriebsrat fasste in der Sitzung am 28.04.2016 den Beschluss, dass alle Betriebsratsmitglieder und das Ersatzmitglied an der Veranstaltung „Zukunftsforum IT-Menschen, Maschinen und gute Arbeit 4.0?“ am 02.06.2016 bei der DASA in E teilnehmen. Die Veranstaltung war kostenfrei. Zentrale Fragen der Schulungsveranstaltung waren ausweislich der Ausschreibung (vgl. Anlage zur Klageschrift):
9• Wie wirken sich die Entwicklungen in der TK/IT-Branche auf die Beschäftigten aus?
10• Wie können Betriebsräte und andere Mitbestimmungsträger den Wandel im Sinne der Beschäftigten Mitgestalten?
11• Wie lassen sich Innovation und Gute Arbeit 4.0 miteinander verknüpfen?
12Die Schulungsveranstaltung hatte folgenden Programmablauf:
1310:00 Uhr Einführung und Begrüßung
1410:10 Uhr Impulsreferat – IT, Innovation und Gute Arbeit 4.0
1510:40 Uhr Im Auge des Sturms?! Digitale Arbeitsformen für eine digitale Industrie
1611:20 Uhr Pause
1711:30 Uhr IT-Branche im Umbruch – Qualifizieren für nachhaltige Beschäftigung, Gute Arbeit und Innovation
1812:30 Uhr: Mittagspause mit Besuch der Ausstellung „Die Roboter“
1914:30 Uhr: Arbeitswelt 2020 – Neue Arbeitsformen und –bedingungen mit Betriebsvereinbarungen gestalten - Flexible Arbeitszeiten und –orte
20- Mobiler Arbeits- und Gesundheitsschutz
21- Projekt-Frameworks
2215.30 Uhr Podiumsdiskussion
2316.30 Uhr Ende der Veranstaltung
24Der Betriebsrat teilte der Beklagten seinen Beschluss mit einer E-Mail vom
2528.04.2016 mit. Die Beklagte teilte mit einer E-Mail vom 03.05.2016 mit, dass sie die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung nicht für erforderlich halte. Der Betriebsrat erläuterte der Beklagten mit einer E-Mail vom 17.05.2016 die aus seiner Sicht bestehende Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme. Die Beklagte teilte mit einer E-Mail vom 17.05.2016 mit, dass sie eine Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme nicht erkennen könne.
26Der Kläger und I1 nahmen an der Schulungsveranstaltung teil. Q nahm nicht teil. Das Ersatzmitglied H nahm sich für diesen Tag Urlaub und nahm an der Schulungsveranstaltung teil.
27Die Beklagte kürzte die Vergütung des Klägers für den Monat Juni 2016 um 148,28 € brutto. Hierbei handelt es sich um die Vergütung für den 02.06.2016.
28Mit einem am 21.10.2016 beim Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht gegenüber der Beklagten die Vergütung für den 02.06.2016 in Höhe von 201,17 € brutto geltend.
29Der Kläger ist der Ansicht, dass er gemäß § 37 Abs. 6 und 2 BetrVG einen Anspruch auf die Vergütung für die Zeit der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung habe. Die Schulungsveranstaltung sei erforderlich gewesen. In der Schulungsveranstaltung seien Sachkenntnisse und methodische Lösungen für die Betriebsratsarbeit vermittelt worden, die in den Grundlagenschulungen nicht enthalten gewesen seien. Da die Beklagte Arbeitsformen wie Share Desks, Home-Office, Telearbeitsplätze, die Durchführung von Gruppenarbeit im Scrum sowie Cloud-Working nutze, handele es sich um für ihn erforderliches Wissen. Inhalt der Schulungsveranstaltung seien die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsformen im Arbeitsleben und die damit einhergehenden Probleme im Bereich der Arbeitssicherheit, des Gesundheitsschutzes, der Arbeitszeit sowie die Bedeutung von Betriebsvereinbarungen sowie die Handlungskompetenzen des Betriebsrats gewesen. Die Flexibilisierung der Arbeit durch veränderte Arbeitsformen habe eine Vielzahl von Auswirkungen auf die Beschäftigten. Die Digitalisierung der Kommunikationsstrukturen und damit die Schaffung von neuen bzw. geänderten Arbeitsformen hätten Auswirkungen auf Arbeitszeitregelungen, den Arbeitsschutz sowie den Gesundheitsschutz. Es seien in diesen Bereichen eine Vielzahl von Fragestellungen zu klären.
30Der Kläger meint, dass der Betriebsrat Kenntnisse darüber haben sollte, wie sich der digitale Fortschritt auf die Mitarbeiter der IT-Branche auswirke. Ebenso sollte er Kenntnisse darüber haben, wie er seine Mitbestimmungsrechte im Wandel der Technologien und Arbeitsformen sinnvoll wahrnehmen könne. Der Kläger ist der Ansicht, dass es einen konkreten betriebsbezogenen Anlass zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung gegeben habe. Es sei bei der Beklagten nicht geklärt, wie die Home-Office-Arbeitsplätze ausgestattet sein müssten, um den Vorschriften der Arbeitssicherheit zu genügen. Es gebe auch Fragen im Bereich Vertrauensarbeitszeit, Beschäftigtendatenschutz und Gesundheitsschutz. Außerdem berate der Betriebsrat derzeit die Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zum Thema „Arbeitszeit und Share
31Desks“. Hinzu kämen Fragen der Qualifizierung der Mitarbeiter im Hinblick auf die rasante Weiterentwicklung ihrer Arbeitsplätze. Auch durch die Arbeit im Scrum entstünden weitere Fragestellungen, insbesondere zur Arbeitszeit. Der Kläger behauptet, dass der Betriebsrat Fragestellungen zur Arbeitszeitregelung in mehreren Sitzungen beraten habe und die Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung berate.
32Der Kläger behauptet, dass die Schulungsveranstaltung in der Kürze der Zeit die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Arbeitsleben, insbesondere auf die Arbeitszeit und die neuen Qualifizierungsanforderungen, dargestellt habe. Dem Betriebsrat seien auch Lösungsmöglichkeiten, wie z.B. durch die Vorstellung von Betriebsvereinbarungen zum Share Desk, zum Home-Office und zur Schulung, aufgezeigt worden.
33Der Kläger meint, dass wegen der Komplexität zunächst hätten alle drei Betriebsratsmitglieder und das Ersatzmitglied teilnehmen sollen. Dabei sei berücksichtigt worden, dass es im Betriebsrat keine feste Aufgabenverteilung gebe und die Betriebsratsmitglieder jeweils in unterschiedlichen Bereichen arbeiteten. Der Kläger meint, dass die Kosten auch nicht unverhältnismäßig seien. Die Schulungsveranstaltung habe nur einen Tag gedauert und sei kostenfrei gewesen.
34Der Kläger ist der Ansicht, dass ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss hinsichtlich der Schulungsteilnahme vorliege. An der Betriebsratssitzung vom 28.04.2016 hätten die Betriebsratsmitglieder und H teilgenommen und über das streitige Seminar beraten. Es sei festgestellt worden, dass der Betriebsrat nicht über ausreichende Kenntnisse im Bereich Wandel der Technologien und Arbeitsformen verfüge. In der Betriebsratssitzung sei sodann einstimmig beschlossen worden, alle Mitglieder einschließlich des Ersatzmitglieds zur streitgegenständlichen Schulungsveranstaltung zu entsenden. Zu der Betriebsratssitzung am 28.04.2016 habe der Betriebsratsvorsitzende mit Schreiben vom 22.04.2016 ordnungsgemäß eingeladen.
35Der Kläger behauptet, dass in den Betriebsratssitzungen am 04.05.2016 und am 12.05.2016 die Stellungnahmen der Arbeitgeberin besprochen worden seien. Dabei sei auch erörtert worden, dass das Ersatzmitglied H auf eigene Kosten an der Veranstaltung teilnehme und dafür einen Tag Urlaub nehme.
36Dieses sei der Beklagten mit der E-Mail vom 17.05.2016 mitgeteilt worden.
37Der Kläger behauptet, dass die ablehnende Haltung der Beklagten verbunden mit der Befürchtung, dass für die streitige Veranstaltung keine Vergütung gezahlt werden würde, das Betriebsratsmitglied Q dazu bewogen habe, nicht mehr an der Schulungsveranstaltung teilzunehmen.
38Der Kläger beantragt,
39die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 148,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
40Die Beklagte beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Teilnahme des Klägers und der anderen Betriebsratsmitglieder einschließlich des Ersatzmitglieds an der Schulung nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG gewesen sei. Es bestehe kein Informationsdefizit, dass mit der Schulung hätte ausgeglichen werden können. Keines der Referate habe Wissen vermittelt, dass nicht bereits vorhanden sei. Es handele sich bei der Veranstaltung um eine Tagung zu einer Entwicklung in der Arbeitswelt, die vorrangig eine Einführung darstelle und grundsätzlich Positionen vertrete oder darstelle. Es sei jedoch nicht ihre Aufgabe, den Betriebsratsmitgliedern allgemein interessante Themen zu vermitteln. Sie, die Beklagte, betreibe ein Unternehmen in der IT-Branche und allen Beschäftigten seien die neueren Entwicklungen in diesem Bereich aus ihrer eigenen Tätigkeit bekannt.
43Die Beklagte behauptet, dass bei ihr keine Telearbeitsplätze eingerichtet seien. Es gebe nur Home-Office-Arbeitsplätze, die auf Wunsch der Mitarbeiter eingerichtet worden seien. Sie, die Beklagte, praktiziere flexible Arbeitszeiten und –orte, wo es von den Mitarbeitern gewünscht sei. Es existierten insoweit langjährige Gesamtbetriebsvereinbarungen zu den Aspekten Gesundheitsschutz und Arbeitszeit. Der Betriebsrat habe zudem die Problematik „Home-Office“ zu keinem Zeitpunkt konkret angesprochen. Zum Thema Arbeitszeit kenne sie keine Aktivitäten des Betriebsrates.
44Es liege auch keine Aufforderung zu Verhandlungen vor.
45Die Beklagte behauptet, dass die Aspekte der Digitalisierung und Cloudthemen seit mehreren Jahren zu ihren Fokusthemen gehörten. Hierzu gehörten auch die Themen
46„Industrie 4.0/IoT“ und „Cloud“. Es seien innerbetriebliche Mitarbeiter tätig, die schwerpunktmäßig mit diesen Themen betraut seien und allen Mitarbeitern bei Fragen zur Verfügung stünden.
47Die Beklagte behauptet, dass ihre Mitarbeiter in ihren Bereichen hoch spezialisiert seien. Es sei ihr ein Anliegen, dass ihre Mitarbeiter stets in den neusten Technologien ausgebildet und qualifiziert seien. Die Mitarbeiter könnten in jährlichen Mitarbeitergesprächen vorhandene Schulungswünsche äußern. Auch der Kläger sei in seiner Tätigkeit umfassend geschult. Er verfüge über verschiedenste Zertifizierungen und habe praktische Erfahrungen im Bereich SAP, Netzwerk, Datensicherung und weitere IT-Spezialthemen.
48Die Beklagte behauptet, dass zur Cloud in ihrem Betrieb umfangreiches Know-How vorhanden sei. Dem Gesamtbetriebsrat sei seinerzeit umfangreicher Sachverstand zu dieser Thematik vermittelt worden. Für den Themenbereich Scrum, den sie als agile Entwicklungsmethodik einsetze, habe sie eine Reihe zertifizierter Scrum-Master ausgebildet. Die Beklagte trägt vor, dass in den letzten Jahren eine Vielzahl von Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen worden seien, die jeweils auch konkrete Regelungen zur Qualifizierung und Schulung vorsähen.
49Die Beklagte behauptet, dass dem Betriebsrat bereits umfangreich mit sogenannten Grundlagenschulungen die erforderlichen Kenntnisse zur Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben vermittelt worden seien. Auch das Ersatzmitglied sei ausreichend geschult. Sie, die Beklagte, habe in kürzester Zeit nach der Neuwahl des Betriebsrats die Schulungswünsche, die zum Teil weit über die Erforderlichkeit hinausgegangen seien, erfüllt.
50Die Beklagte bestreitet eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats.
51Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
53I.
54Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung für den 02.06.2016 in Höhe von 148,28 € brutto.
55Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 611 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 und 6 BetrVG.
561.
57Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflicher Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats über die Entsendung des Betriebsratsmitglieds zur Schulungsveranstaltung abhängig, da § 37 Abs. 6 BetrVG nicht als Anspruch der einzelnen Betriebsratsmitglieder ausgestaltet ist. Diese Vorschrift räumt dem Betriebsrat das Recht ein, über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zu beschließen, deren Schulung für die Tätigkeit im Betriebsrat erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 - Juris; BAG, Urteil vom 07.05.2008 – 7 AZR 90/07 – Juris).
58Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erledigen kann. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. es ist zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderer Schulungsveranstaltungen zu unterscheiden. Durch die Vermittlung von Grundkenntnissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäߠ wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 – a.a.O.; BAG, Beschluss vom 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – Juris).
59Die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist grundsätzlich einheitlich zu bewerten. Die Aufteilung einer Schulung in einen für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen und einen nicht erforderlichen Teil kommt nur dann in Betracht, wenn die unterschiedlichen Themen so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zweitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist. Ist eine Schulungsveranstaltung und ein zweitweiser Besuch praktisch nicht möglich, entscheidet über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mehr als 50 % überwiegen (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 – a.a.O.; BAG, Urteil vom 07.05.2008 – 7 AZR 90/07 – a.a.O.).
60Die Schulung des entsandten Betriebsratsmitglieds ist nicht notwendig, wenn die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden sind. Allerdings ist der Betriebsrat weder verpflichtet, die anstehenden Aufgaben auf wenige kenntnisreiche Mitglieder zu konzentrieren, noch muss er sich bei der Aufgabenerfüllung auf die Information eines einzelnen Betriebsratsmitglieds verlassen. Auch wenn ein Mitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitzt, kann die sinnvolle Organisation der Betriebsratsarbeit es gebieten, auch andere Mitglieder mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Es hängt dabei maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie von der Geschäftsverteilung des Betriebsrats ab, ob und inwieweit eines oder mehrere Mitglieder über Spezialkenntnisse verfügen müssen (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 – a.a.O.; BAG, Beschluss vom 20.08.2014 – 7 ABR 64/12 – Juris).
61Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Er hat darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat die vergleichbaren Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 – a.a.O.; BAG, Beschluss vom 20.08.2014 – 7 ABR 64/12 – a.a.O).
62Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Das macht jedoch die Darlegung, weshalb das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse benötigt, damit das Gremium des Betriebsrats seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann, nicht entbehrlich (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14 – a.a.O.; BAG, Beschluss vom 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 – a.a.O.).
632.
64Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf die Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung für die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung am 02.06.2016 zu.
Vorliegend kann dahinstehen, ob der Entsendung des Klägers zu der Schulung am 02.06.2016 eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zugrunde liegt. Der Kläger hat vorgetragen, dass der Betriebsrat in der Sitzung am 28.04.2016, zu der mit Schreiben vom 22.04.2016 eingeladen worden sei, beschlossen habe, alle Betriebsratsmitglieder und das Ersatzmitglied zur Schulung zu entsenden. Die Beklagte hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung bestritten.
Die Teilnahme aller Betriebsratsmitglieder und des Ersatzmitglieds war nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG.
An dieser Stelle kann dahinstehen, ob die Schulungsteilnahme eines einzelnen Betriebsratsmitglieder erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG gewesen wäre. Der Betriebsratsbeschluss sieht die Teilnahme von allen Betriebsratsmitgliedern und dem Ersatzmitglied vor. Da eine ordnungsgemäße Beschlussfassung Voraussetzung für die Freistellung und damit für einen Vergütungsanspruch des Klägers ist, ist dieser Beschluss bei der Prüfung der Erforderlichkeit zugrunde zu legen. Zwar haben letztendlich nur zwei Betriebsratsmitglieder während ihrer Arbeitszeit an der Veranstaltung teilgenommen, einen dahingehend abweichenden Beschluss hat der Betriebsrat jedoch nicht getroffen. Vielmehr ist er von seinem Beschluss ohne weitere Beschlussfassung abgewichen.
Bei der Schulungsveranstaltung handelt es sich nicht um ein sogenanntes Grundlagenseminar, für das die Erforderlichkeit per se für jedes Betriebsratsmitglied anzunehmen ist. Vielmehr wurden spezielle Themen aus dem Bereich Digitalisierung der Arbeitswelt behandelt. Der Kläger hat sich auch nicht darauf berufen, dass es sich um ein sogenanntes Grundlagenseminar handelte.
Die Kammer musste nicht darüber befinden, ob die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse grundsätzlich für den Betriebsrat notwendig sind, damit er seine gegenwärtigen und in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Jedenfalls war die Teilnahme von allen drei Betriebsratsmitgliedern und dem Ersatzmitglied nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG.
70Dem Betriebsrat steht grundsätzlich bei seiner Entscheidung ob er eine Schulung für erforderlich hält, ein Beurteilungsspielraum zu. Dabei hat der Betriebsrat die Frage der Erforderlichkeit nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten; vielmehr muss er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebes einerseits und die des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats; unerheblich ist, ob aus späterer Sicht rückblickend betrachtet die Freistellung im objektiven Sinne erforderlich war. Die gerichtliche Kontrolle muss sich daher auf die Prüfung beschränken, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegebenen Umständen eine derartige Entscheidung getroffen hätte (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom
7122. Juli 2009 – 3 TaBV 13/09 –, Rn. 29, juris).
72Die Entscheidung alle drei Betriebsratsmitglieder und das Ersatzmitglied zu der Schulung am 02.06.2016 zu entsenden, hält sich nicht innerhalb des Beurteilungsspielraums des Betriebsrats. Ein vernünftiger Dritter hätte sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht zur Teilnahme des gesamten Betriebsrats inklusive des Ersatzmitglieds entschieden. Die Schulungsveranstaltung vermittelt nach der Ausschreibung einen Überblick über mögliche Probleme, die die Digitalisierung der Arbeitswelt mit sich bringt. Bei den Redebeiträgen kann es sich bereits aufgrund der Kürze der Zeit nur um Impulsreferate und erste Überblicke der Thematik handeln. Hier hätte die Teilnahme von einem Betriebsratsmitglied bzw. maximal zwei Betriebsratsmitgliedern vollkommen ausgereicht um die Problematiken des Themas zu erfassen und den anderen Betriebsratsmitgliedern zu berichten. Zwar muss sich der Betriebsrat bei seiner Aufgabenerfüllung nicht generell auf die Information eines einzelnen Betriebsratsmitglieds verlassen. Es hängt maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie der Geschäftsverteilung des Betriebsrats ab, ob und inwieweit eines oder mehrere Betriebsratsmitglieder über Spezialkenntnisse verfügen müssen. Auch wenn hier der Betriebsrat keine Aufgabenverteilung vorgenommen hat und sämtliche Mitglieder für alle Themenbereiche zuständig sind, bedeutet dieses nicht, dass auch alle Betriebsratsmitglieder in allen Bereichen zu schulen sind. Insbesondere da hier in der Schulungsveranstaltung nur ein Überblick über die Thematik vermittelt werden konnte, hätte ein verständiger Dritter nicht entschieden, dass der gesamte Betriebsrat und zusätzlich auch noch das Ersatzmitglied teilnimmt. Eine Multiplikation des Wissens durch ein Betriebsratsmitglied wäre hier problemlos möglich gewesen.
73Einen weiteren Beschluss, der die Teilnahme eines oder zwei namentlich bezeichneter Betriebsratsmitglieder legitimieren könnte, hat der Betriebsrat nicht gefasst.
74II.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
76Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde mit dem Wert der geltend gemachten Forderung bemessen.
77Die Berufung war nicht zuzulassen. Der Beschwerdegegenstand übersteigt nicht 600
78€, § 64 Abs. 2 b) ArbGG. Auch liegen keine Gründe vor, die Berufung dennoch zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG, es handelt sich um keine Rechtsstreitigkeit zwischen Tarifvertragsparteien und die Kammer ist nicht bei Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem bereits ergangenen Urteil abgewichen.