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Zustimmungsverweigerung zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung wegen Generierung und Auszahlung von „Mehrarbeit“ eines gemäß § 38 BetrVG vollständig freigestellten Betriebsratsmitglieds
Die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung des Beteiligten zu 3. wird ersetzt.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten um die Ersetzung zur Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung bzw. außerordentlichen Verdachtskündigung des zu 3.) beteiligten Betriebsratsvorsitzenden, die der Beteiligte zu 2. verweigert hat.
4Der Beteiligte zu 2. ist der für den Standort A der Antragstellerin und der C GmbH an deren Standort in A gewählte gemeinsame neunköpfige Betriebsrat.
5Der am 25.12.1970 geborene, verheiratete und keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Beteiligte zu 3. absolvierte in dem Betrieb der Antragstellerin beginnend ab dem 01.09.1987 zunächst eine Berufsausbildung als Energieanlagenelektroniker. Unter dem 20.12.1999 unterzeichneten die Beteiligten einen „Anstellungsvertrag“, nach dem der Beteiligte zu 3. ab dem 01.01.2000 als „Inbetriebnehmer“ für den Bereich Elektrowerkstatt für die Antragstellerin tätig werden sollte. Nach § 1 Abs. 2 des Vertrags sollten sich die Arbeitsbedingungen nach den jeweils gültigen tariflichen Bestimmungen in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes NRW richten. Der Beteiligte zu 3. war seinerzeit in die Gehaltsgruppe T4 eingestuft (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Vertrages Anlage 2 Bl. 291 ff d.A. verwiesen).
6Unter dem 04.09.2007 vereinbarten die Beteiligten eine Leistungszulage in Höhe von 300,00 € pro Monat. Am 10.09.2007 vereinbarten die Beteiligten rückwirkend ab 01.09.2007 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (IRWAZ) in Höhe von 40 Wochenstunden. Dies betraf neben dem Kläger auch andere „Leistungsträger“.im Betrieb der Antragstellerin.
7Der Beteiligte zu 3. wurde im März 2014 erstmals in den (damals noch 11köpfigen) gemeinsamen Betriebsrat der beiden Betriebe der Antragstellerin und der C GmbH an der B strasse in A gewählt. Dieser hat den Beteiligten zu 3. sogleich zu seinem Vorsitzenden gewählt. Er ist Mitglied des Konzernbetriebsrats und zahlloser Ausschüsse beider Gremien sowie ehrenamtlicher Richter am hiesigen Gericht.
8Der Beteiligte zu 3. ist seit 2014 nach § 38 BetrVG zur Ausübung seines Betriebsratsamtes von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung vollständig freigestellt.
9Unter dem 06.06.2014 schlossen die Antragstellerin und der Beteiligte zu 3. unter der Überschrift „Aktennotiz über die Entgeltsicherung des Beteiligten zu 3. bedingt durch eine Freistellung als Betriebsratsvorsitzender“ eine Vereinbarung über den Ausgleich der Mehrarbeitsstunden, die vor der Freistellung des Beteiligten 3., der häufig auf Montagen gegangen war, um Geräte in Betrieb zu nehmen, angefallen waren. Diese Aktennotiz lautet:
10„Herrn D ist es durch seine Wahl zum freigestellten Betriebsratsvorsitzenden nicht mehr (wie in der Vergangenheit) möglich etwaige Mehrarbeit zu leisten. Hierdurch wäre zukünftig eine Benachteiligung seines bislang erzielten Entgelts (mit regelmäßig angefallenen Überstunden) zu erwarten. Diese Benachteiligung durch die Wahrnehmung seines Betriebsratsmandats darf gemäß BetrVG nicht erfolgen. Aus diesem Grund erhält Herr D mit Wirkung ab April 2014 (Folgemonat nach der Betriebsratswahl und seiner Wahl zum Vorsitzenden und freigestellten Betriebsrat) eine monatliche außertarifliche Zulage in Höhe von 835,00 € brutto“.
11Im Folgenden wird dargestellt, wie die Antragstellerin und der Beteiligte zu 3. auf diesen Betrag gekommen sind. Der Beteiligte zu 3. hat ein Exemplar unter den Worten „mit dieser Regelung einverstanden“ unterzeichnet (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser Aktennotiz Anlage 16 Bl. 287 d.A. verwiesen). In der Folgezeit wurde entsprechend verfahren.
12Der Beteiligte zu 3. war mit diesem Betrag letztlich nicht einverstanden und strengte im Herbst 2015 eine Klage gegen die Antragstellerin an, mit der er eine höhere Mehrarbeitsstundenpauschale geltend machte. Unter dem 19.07.2017 schlossen die Parteien im Verfahren 1 Ca 2391/15 folgenden Vergleich:
13Die Beklagte verpflichtet sich, für den Zeitraum Februar 2015 bis einschließlich Januar 2017 zur Abgeltung offener Mehrarbeitsvergütung, Nachtschichtzuschläge, Sonntagszuschläge und Feiertagszuschläge etc. monatlich (für insgesamt 24 Monate rückwirkend) noch jeweils 1.073,52 € brutto zusätzlich zu der aufgrund der Vereinbarung der Parteien vom 06.06.2014 „Entgeltsicherung Herr D bedingt durch seine Freistellung als Betriebsratsvorsitzender" bereits erfolgten monatlichen Pauschalentlohnung an den Kläger zu zahlen und abzurechnen und den sich insgesamt für sämtliche Monate ergebenden Nettobetrag mit dem Abrechnungslauf für Februar 2017 auszuzahlen. Damit ist die gesamte Klageforderung für die Vergangenheit abgegolten.
In Bezug auf die in Ziffer 1. genannte Mehrarbeitsvergütung nebst den dort genannten Zuschlägen vereinbaren die Parteien für die Zukunft, dass man bei Berechnung einer ab Februar 2017 dem Kläger von der Beklagten fortan zu zahlenden monatlichen Pauschale aufgrund dessen Freistellung als Betriebsratsvorsitzender zukünftig von einer durchschnittlichen monatlichen Überstundenzahl der Arbeitnehmer E, F, G, H und I ausgehen wird. Diese gelten zukünftig für die Ermittlung der Mehrarbeitsvergütung als vergleichbare Arbeitnehmer i. S. des § 37 Abs. 4 BetrVG.
Die so ermittelten Mehrarbeitsstunden werden dann fortan mit dem jeweils aktuellen tariflichen Stundenlohn multipliziert.
18Die Beklagte plant eine Stellenbeschreibung „Entwickler Software" — die bereits mit dem Betriebsrat bei der Beklagten abgestimmt wurde — einzuführen und eine damit einhergehende Eingruppierung der betroffenen Mitarbeiter, wozu der Kläger zählen wird, in die Entgeltgruppe 14. Sobald diese geplante Maßnahme für einen der in Ziffer 2. genannten Mitarbeiter umgesetzt werden wird, wird die Beklagte den Kläger entsprechend der ab diesem Zeitpunkt zukünftig für den Kläger geltenden und mit dem Betriebsrat bereits abgestimmten Stellenbeschreibung „Entwickler Software" in die Entgeltgruppe 14 nach dem 36. Beschäftigungsmonat (auf Basis regelmäßig 174 Stunden monatlich ohne Mehr-/Überarbeit) der geltenden tariflichen Regelungen eingruppieren. Diese Eingruppierung des Klägers erfolgt jedoch spätestens mit dem Monat April 2017. Der Kläger erhält ab dem Zeitpunkt somit eine entsprechende Grundvergütung und nimmt an zukünftigen tariflichen Gehaltsentwicklungen dynamisch teil.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte dem Kläger hinzukommend ab dem Monat Februar 2017 eine Leistungszulage in Höhe von 15,15 % der unter Ziffer 3. genannten dynamischen Grundentgelts monatlich fortlaufend neben den übrigen vorgenannten Vergütungsbestandteilen — für die Zeit der Freistellung als Betriebsratsvorsitzender — zur Auszahlung bringen wird.
Die Parteien vereinbaren, dass die aufgrund des Schreibens vom 04.09.2007 in der Vergangenheit gezahlte übertarifliche Zulage in Höhe von 300,00 € brutto der Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 14 entfällt und nicht mehr gezahlt werden wird. Sie wird durch diese Vereinbarung ersetzt.
Sollte einer der unter Ziff. 2 genannten Mitarbeiter während der Freistellung des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten ausscheiden, so fällt dieser aus der unter Ziff. 2 genannten Berechnungsgrundlage heraus und es wird jeweils ein Durchschnittswert auf der Basis der übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer gebildet.
Die Vereinbarung der Parteien vom 06.06.2014 „Entgeltsicherung Herr D bedingt durch seine Freistellung als Betriebsratsvorsitzender" ist mit Abschluss dieses Vergleichs gegenstandslos und wird durch diesen ersetzt.
Damit ist der Rechtsstreit 1 Ca 2391/15 erledigt.
Aufgrund der Ziffer 1) des Vergleichs zahlte die Antragstellerin dem Beteiligten zu 3. insgesamt 25.764,48 € brutto nach (hierüber verhält sich die Gehaltsabrechnung Anlage 17 von Februar 2017 Lohnart 7320, Ablichtung Bl. 288 ff d.A.). Das Jahresgehalt des Beteiligten zu 3. belief sich wegen der Nachzahlung der Vorjahre auf 164.101,11 Euro.
31Aktuell ist der Beteiligte zu 3. in der Entgeltgruppe 14/4 (der höchsten tariflichen Entgeltgruppe für gewerbliche Arbeitnehmer) eingruppiert. Dies bedeutet einen monatlichen Bruttoverdienst von 6.281,50 Euro nebst einer Leistungszulage von 951,65 Euro monatlich.
32Der weiter freigestellte Beteiligte zu 3. erhielt auch in der Folgezeit aus Ziffer 2) des Vergleichs der Beteiligten vom 19.01.2017 eine pauschale Mehrarbeitsvergütung auf Grundlage des in dieser Ziffer des Vergleichs vereinbarten Berechnungsmodus. So erhielt in den Folgemonaten bis Januar 2018, also für die 12 folgenden Monate nach Abschluss des Vergleichs eine Überstundenvergütung in Höhe von insgesamt 71.477,37 € brutto auf Basis der Überstunden, die die Kollegen aus der Vergleichsgruppe jeweils gearbeitet hatten (wegen der Einzelheiten wird auf die Tabelle Bl. 9 des Schriftsatzes des Beteiligten zu 3. vom 18.07.2023 verwiesen). (Eine komplette Tabelle aller Zahlungen ist im Schriftsatz der Beteiligten zu 2. und 3. vom 09.08.2023 Bl. 495 d.A. enthalten).
33Die letzte Zahlung aus Ziff. 2 des Vergleichs erhielt der Beteiligte zu 3. im März 2020. Denn In der Zeit von April 2020 bis Dezember 2020 wurde in beiden Betrieben der Antragstellerin wegen Corona kurzgearbeitet, so dass bei den Kollegen aus der Referenzgruppe (fast) keine Überstunden anfielen.
34Die Antragstellerin hat errechnet, dass dem Beteiligten zu 3. in der Zeit danach aus der Ziff. 2 des Vergleichs aus seiner Referenzgruppe in der Zeit vom August 2020 bis März 2023 15.155,47 Euro Überstundenvergütung zugestanden hätten (laut Schriftsatz vom 09.08.2023, Tabelle aus Bl. 2/3 Bl. 775 d.A.). Warum die Antragstellerin diese Beträge nicht bezahlt hat, ist nicht bekannt.
35In den Entgeltabrechnungen 8/2020 bis 3/2023 wird dem Beteiligten zu 3.dagegen neben seinem festen Bruttoentgelt unter der Lohnart 1300 eine „Mehrarbeits – Grundvergütung“ abgerechnet.
36Mit Wirkung zum 01.07.2020 (zu dieser Zeit wurde in den beiden A Betrieben der Antragstellerin wegen Corona kurzgearbeitet) reduzierte die Antragstellerin die Arbeitszeit sämtlicher in den beiden Betrieben bislang über IRWAZ ausnahmsweise mit 40 Wochenstunden beschäftigten ca. 60 Arbeitnehmer wieder auf 35 Wochenstunden.
37Die Antragstellerin teilte auch dem Beteiligten zu 3. unter dem 18.03.2020 die Veränderung seiner individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (IRWAZ) gemäß § 9. 4 MTV von 40 auf 35 Stunden mit. In dem Schreiben heißt es weiter: „Ihr Arbeitsentgelt wird dementsprechend angepasst“ (Ablichtung dieses Schreibens Bl. 79 im Verfahren 2 Ca 992/23). Die Änderung auf 35 Stunden erfolgte einvernehmlich, man wollte den Beteiligten zu 3. als Betriebsratsvorsitzenden nicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern bevorteilen.
38In diesem Zusammenhang kündigte der Beteiligte zu 3. im Rahmen eines jour.fix zu diesem Thema im März 2020 an, dass bei ihm dann wohl dauerhaft Mehrarbeit anfallen werde, weil die Arbeit als Betriebsrat ja nicht weniger werde. Der Beteiligte zu 3. behauptet die Zustimmung der Arbeitgeberin zu seiner Bemerkung. Die Antragstellerin behauptet, diese Bemerkung sei von den Vertretern der Arbeitgeberin nicht kommentiert worden.
39Der Beteiligte zu 3. hat sich in der Zeit nach der Absenkung seiner Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Arbeitsstunden beginnend mit dem 01.07.2020, nicht bei der Antragstellerin darüber beklagt, er könne die Betriebsratsarbeit innerhalb der gekürzten Arbeitszeit nicht mehr ordnungsgemäß erbringen. Der Beteiligte zu 3. reklamierte weder Mehrarbeit (aus betriebsbedingten Gründen) und beantragte über den Beteiligten zu 2. auch keine weitere (Teil-)freistellung eines der übrigen Betriebsratsmitglieder.
40Das Jahresgehalt des Beteiligten zu 3. belief sich in 2018 auf 136.561,95 Euro, in 2019 auf 121.828,38 Euro, in 2020 auf 119.439,80 Euro, in 2021 auf 137.755,85 Euro und in 2022 auf 140.167,25 Euro.
41Im Betrieb der Antragstellerin wird in Gleitzeit gearbeitet (nur in einzelnen Abteilungen wird im Mehrschichtsystem gearbeitet). Dieses Arbeitszeitmodell gilt auch für den Beteiligten zu 3.). Vertrauensarbeitszeit gibt es nur für leitende Angestellte.
42Unter dem 14.11.2016 schlossen die Betriebsparteien in einer Einigungsstelle unter der Überschrift „Betriebsvereinbarung MB Nr. 58“ eine Betriebsvereinbarung „zur Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit“. Gegenstand der Regelung sollte die Festlegung und Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit einerseits in Form einer Arbeitszeitflexibilisierung und andererseits in Form einer Gleitzeitregelung für die vom Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer sein.
43In § 4.2 ist angeblich vereinbart, dass Stunden in der Rahmenarbeitszeit des § 6 nicht mit Zuschlägen i.S.v. § 4.5 vergütet werden. Nach dem Verständnis der Kammer ist dort geregelt, dass Stunden in der Rahmenarbeitszeit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
44Unter § 4.5 wurden Arbeitszeitkonten vereinbart. Dort heißt es u.a.: „AZK 2: Auf diesem Konto werden diejenigen Mehrarbeitsstunden gesammelt, die
45- Am Standort A außerhalb der Rahmenarbeitszeit
46- Durch Arbeitszeit an Samstagen
47- Auf externen Montagen/Dienstreisen (größer IRWAZ/5 geleistet werden
48…
49Die vorstehenden Stunden werden dort gesammelt, am Monatsende mit Zuschlägen versehen und dann auf das AZK 3 umgebucht“.
50…
51Dieses Konto ist daher zum Beginn des Folgemonats auf „Null“ gestellt.
52AZK 3:
53Dieses Konto wird zum einen zur Arbeitszeitsouveränität des Arbeitnehmers, zum anderen zur Arbeitszeitflexibilität des Arbeitgebers“.
54In § 7 haben die Betriebsparteien eine Kernarbeitszeit und einen Gleitzeitrahmen vereinbart. (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser Betriebsvereinbarung Anlage K2 im Verfahren 2 Ca 992/23 dort Seite 65 ff d.A. verwiesen).
55Im Betrieb der Antragstellerin können Mitarbeiter (bei Anwesenheit im Betrieb) ihre Arbeitszeiten über das lokale Zeiterfassungssystem (Stempeluhr) erfassen. Hierfür verwenden die Mitarbeiter ihre individuelle Chipkarte.
56Daneben besteht aufgrund der Pandemie ab März 2020 die zusätzliche Möglichkeit, dass Mitarbeiter unter dem Buchungstext „Mobiles Arbeiten“ ihre Arbeitszeit selbst manuell durch händische Eingabe direkt in das Zeiterfassungssystem eingeben können, (sog. „self service)“. Eine ggf. zugrundeliegende Betriebsvereinbarung haben die Beteiligten nicht zur Akte gereicht. Bei einer Eingabe der Arbeitszeit direkt in der Zeiterfassung wird vom System die Sollarbeitszeit pro Arbeitstag pauschal mit 7 Stunden (Wochenarbeitszeit geteilt durch 5) und beginnend ab 8 Uhr vorgegeben.
57Eine tägliche Arbeitszeit, die über sieben Stunden hinausgeht oder eine andere Lage der Arbeitszeit muss in der Zeiterfassung händisch eingegeben werden. Dabei müssen dann die Anfangs- und Endzeiten ohne Abzug der Pausenzeiten eingegeben werden. Die Pausenzeiten von 0,45 Stunden werden in beiden Fällen über eine systemseitige Korrektur abgezogen.
58Ob die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit selbst durch händische Eingabe im Zeiterfassungssystem dokumentieren, dies korrekt tun, wird von der Antragstellerin nur dann kontrolliert, wenn ein Verdachtsmoment für einen Missbrauch bei der Zeiterfassung besteht. Eine (mitbestimmte) Regelung, wonach beim mobilen Arbeiten keine Überstunden anfallen können, existiert in den Ar Betrieben der Antragstellerin offenbar nicht.
59Der Beteiligte zu 3. erfasste seine Arbeitszeiten bis 2020 per Stempelung vor Ort, per Ersatzbeleg bei Dienstreisen oder - ab 2020 – zunehmend unter mobilen Arbeiten direkt in der Zeiterfassung. Die erfassten Mehrarbeitsstunden in den Monaten Januar bis Juni 2020 (also vor der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit des Beteiligten zu 3.) beliefen sich auf 10,22, 2,78, 15,60, 28,42, 12,60 sowie 29,85 Mehrarbeitsstunden pro Monat (wegen der Einzelheiten wird auf die Tabelle Seite 16/31 in der Klageschrift im Verfahren 2 Ca 992/23 verwiesen).
60Im Zeitraum Oktober bis Dezember 2020 erfolgte beim Beteiligte zu 3. ein Wechsel zwischen mobiler Erfassung und Stempelung vor Ort (5 Tage im Mai, 10 Tage im Oktober, 9 Tage im November, 7 Tage im Dezember).
61Ab 2021 erfasste der Beteiligte zu 3. seine Zeiten ausschließlich über den Weg des „mobilen Arbeitens“ direkt in der Zeiterfassung, auch dann, wenn er im Betrieb arbeitete (mit Ausnahme von 3 Tagen Arbeitszeiterfassung im Betrieb).
62In der Zeit von März 2020 bis März 2023 erfasste der Beteiligte zu 3. laut Zeiterfassung in der Regel 10 Stunden pro Tag und monatlich zwischen in der Regel 190 bis 220 Stunden. Dabei zog er den systemseitig vorgegebenen Arbeitsbeginn von 8 Uhr händisch auf 7 Uhr vor. Als Arbeitszeitende gab er regelmäßig 17.45 Uhr an. Unter Abzug der werksseitig eingestellten Pausen von 45 Minuten dokumentierte er so eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden. (wegen der Arbeitszeiterfassung des Beteiligten zu 3. im Zeitraum von August 2020 bis März 2023 wird auf die sogenannten „Einzelergebnisse der Monate“, zusammengefasst in der Anlage 1 der Antragsschrift Bl. 33 ff d.A. verwiesen, im Übrigen: Schriftsatz vom 06.04.2023 Bl. 58ff. d.A.). Daneben wird auf die Tabelle Seite 3 des Schriftsatzes des Beteiligten zu 3. vom 18.07.2023 verwiesen und auf die Tabelle für die Zeit vom Januar 2021 bis März 2023 Anlage K1 in 2 Ca 992/23 mit Wiedergabe Bl. 5/31 der Klageschrift).
63Die sich aus dem Anlagenkonvolut 1 ergebenden Mehrarbeitsstunden für die Zeit ab August 2020 bis März 2023 liegen deutlich über den Stunden in der ersten Jahreshälfte 2020 (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Seite 4/31 der Klageschrift 2 Ca 992/23 verwiesen).
64Vor dem mobilen Arbeiten hat der Beteiligte 3. bei Mehrarbeit Zeitausgleich genommen (Bl. 496 d.A.), d.h. bis Juni 2020 hatte der Beteiligte zu 3. keine Stunden ausgezahlt erhalten.
65Mit Mail vom 14.07.2020 an den Personalleiter J der Antragstellerin in A beantragte der Beteiligte zu 3. die „Umstellung auf Auszahlung meiner AZK 3-Stunden“ (Anlage 18 im Verfahren 1 BV 31/23 Seite 290). Aufgrund der E-Mail des Beteiligten zu 3. vom 14.07.2020 wurde der Wunsch nach Auszahlung im System hinterlegt. Wegen des Abrechnungsprozesses über die C wird auf die Ausführungen in Bl. 17ff./31 der Klageschrift 2 Ca 992/23 verwiesen. Der Beteiligte zu 3. behauptet unter Bezugnahme auf Bl. 18 der Klageschrift 2 Ca 992/23, in K habe eine Kontrolle der Ansprüche stattgefunden.
66Insgesamt wurden dem Beteiligten zu 3. seit dieser Mail bis Anfang dieses Jahres 1.677,74 Überstunden in Höhe von insgesamt 112.388,71 Euro brutto ausgezahlt (Tabelle der Stunden Klageschrift S. 4/31 in 2 Ca 992/23), (wegen der monatlichen Beträge wird auf die Tabelle Bl. 19/31 verwiesen). Auf die Überstunden wurden entsprechend der Betriebsvereinbarung Nr. 58 bei Überschreiten von 75 Guthabenstunden auf dem Arbeitszeitkonto auch die entsprechenden Zuschläge auf die erfassten Mehrarbeitsstunden gezahlt (Einzelheiten ergeben sich aus der tabellarischen Übersicht Bl. 4/24 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 21.07.2023). Laut der Übersicht der beiden Vorjahre 2021 und 2022 hat die Anzahl der Mehrarbeitsstunden des Beteiligten zu 3. in einer Spanne zwischen 40 und 93 Stunden pro Monat geschwankt.
67Der Beteiligte zu 3. wird unter dem Namen M in einer separaten Kostenstelle geführt. Die Antragstellerin hat in der Antragsschrift auf den Seiten 12 ff./34 ausführlich dargestellt, wann und aufgrund welcher Umstände dies im Betrieb der Antragstellerin aufgefallen sein soll. Danach lag dem CFO und Prokuristen N am 07.02.2023 eine Übersicht mit den angefallenen Mehrarbeitsstunden pro Kostenstelle und der Anzahl der Mitarbeiter, die diese Mehrarbeitsstunden erfasst haben, vor.
68Nachdem die Antragstellerin juristisch u.a. von ihrem in K residierenden Syndikusrechtsanwalt O dahin beraten worden wurde, dass freigestellte Betriebsratsmitglieder grundsätzlich keinen Anspruch auf Auszahlung einer Mehrarbeitsvergütung haben, hat sie dann die Zeiterfassung des Beteiligten zu 3. für die Jahre 2021 und 2022 auf den Tag genau betrachtet.
69Sie hat außerdem die Arbeitszeit des Beteiligten zu 3. kontrolliert dann für die Tage 01.03.2023, 10.03.2023, 17.03.2023, 30. und 31.03.2023 festgestellt, dass die von ihr wahrgenommenen Arbeitszeiten des Beteiligten zu 3. (festgemacht an der Zeit, während der das KFZ des Beteiligten zu 3. auf dem Firmenparkplatz stand bzw. der Beteiligte zu 3. am 31.03.2023 in K an einem Verhandlungstermin des Konzernbetriebsausschusses „Neue Medien“ teilgenommen hatte), andere waren, als die, die der der Beteiligte zu 3. in der Zeiterfassung von 7.00 Uhr bis 17.45 Uhr weiter händisch eingegeben hat. Der Beteiligte zu 3 behauptet in diesem Zusammenhang, er habe auch außerhalb des Betriebes in A oder K Betriebsratsarbeit geleistet.
70Die Arbeitgeberin hat am 06.04.2023 um 12.40 Uhr, zu Händen des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Herrn P, dem Betriebsrat einen vom gleichen Tag datierenden Antrag auf Zustimmung gemäß § 103 BetrVG zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. übergeben.
71In diesem Anhörungsschreiben stellt die Antragstellerin eine Verbindung zwischen der Ankündigung der Absenkung der IRZWAZ von 40 auf 35 Wochenstunden zum 01.07.2020 und der seitdem fast durchgängig vom Antragsteller praktizierten händischen Eingeben von Arbeitsbeginn und Arbeitsende unter Ausschöpfung der 10 Stunden maximaler tägliche Arbeitszeit in der Zeit von 7.00 Uhr bis 17.45 Uhr (abzüglich der dreiviertel Stunde Pausen10 Stunden Arbeitszeit).
72Für sie sei nicht erkennbar, dass die vom Beteiligten zu 3. angegebene Mehrarbeit tatsächlich angefallen ist. Damit habe der Beteiligte zu 3. gegen die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes in §§ 37 und 38 BetrVG verstoßen. Sie sieht den Beteiligten zu 3. verpflichtet, seine außerhalb der regulären Arbeitszeit aufgrund von Betriebsratstätigkeit angesammelten Zeitguthaben gegenüber der Antragstellerin darzulegen und ihr nachzuweisen, dass ein Zeitausgleich betriebsbedingte nicht möglich war. Durch die Umgehung dieser Vorschriften habe der Beteiligte zu 3. seit Januar 2021 eine Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 99.407,00 € erzielt. Mit der Erfassung von 10 Arbeitsstunden täglich, d.h. rund drei Mehrarbeitsstunden pro Werktag, habe er sein Einkommen „optimiert“ (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Anhörungsschreibens Anlage K2 Bl. 57 ff der Akte verwiesen).
73Mit Schreiben vom 11.04.2023, der Arbeitgeberin am gleichen Tag um 15.27 Uhr übergeben, hat das Betriebsratsgremium der beabsichtigten außerordentlichen fristlosen (nach seiner Bezeichnung Verdachts)- Kündigung widersprochen (Anlage 3 Bl. 100 ff d.A.). Diese Zustimmungsverweigerung ist Gegenstand des Beschlussverfahrens
741 BV 31/23, Antragseingang 17.04.2023.
75Parallel zur Übergabe dieses Anhörungsschreibens an den Betriebsrat hat sie dem Beteiligten zu 3. am 06.04.2023 ein Anhörungsschreiben zum Verdacht des Arbeitszeitbetruges ausgehändigt. Wegen des Anhörungsschreibens, das die Antragstellerin dem Beteiligten zu 3. ausgehändigt hat, wird auf dessen Ablichtung Anlage AST 2 im Verfahren 1 BV 35/23 Seite 110 ff d.A. verwiesen. Dort heißt es:
76„Damit haben Sie seit Januar 2021 – so unser Verdacht – an nahezu jedem Arbeitstag, an denen Sie keinen Urlaub hatten oder an Seminaren teilgenommen haben, einen Arbeitszeitbetrug begangen und unserer Gesellschaft einen Schaden in Höhe des auf die Gesamtzahl der Überstunden entfallenen Lohnes in Höhe von 99.407,55 € für die Jahre 2021, 2022 und anteilig für Januar bis März 2023 verursacht.“
77Der Beteiligte zu 3. hat daraufhin mit einer Stellungnahme vom 13.04.2023 (Anlage AST 3 Bl. 118 ff d.A.) erwidert. Darin weist er die Verknüpfung der Stundenreduzierung von 40 auf 35 Wochenstunden mit Schreiben vom 18.03.2020 durch die Antragstellerin und der Zeiterfassung „mobiles Arbeiten“ zurück. Diese Art der Zeiterfassung sei genau zu diesem Zeitpunkt – der Corona Pandemie geschuldet – eingeführt worden und habe mit irgendwelchen Vertragssituationen (sprich: Arbeitszeitabsenkung) nichts zu tun.
78Er verweist weiter darauf, dass der Antragstellerin die Arbeitszeiteintragungen jederzeit bekannt waren. Wenn die Antragstellerin es vorgezogen hätte, dass der Bet. zu 3. die Überstunden abfeiere, hätte sie ihn ja darauf ansprechen können.
79Wenn er Arbeiten auf andere Betriebsratsmitglieder delegiert hätte, wären die entsprechenden Kosten (einer Teilfreistellung) dort angefallen, so dass die Gesamtbelastung der Antragstellerin ein „Nullsummenspiel“ darstelle.
80Mit Schreiben vom 14.04.2023, dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden P, und dem Betriebsratsmitglied R am gleichen Tag um 10.00 Uhr persönlich ausgehändigt, hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat gemäß § 103 BetrVG zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung angehört (dort Anlage Ast1 Bl. 69 ff d.A.). Der Betriebsrat hat den Empfang dieses Schreibens unter dem 14.04.2023 (Ablichtung Bl. 82 d.A.) bestätigt.
81Der Beteiligte zu 2. hat zu diesem Antrag keine Stellungnahme abgegeben.
82Daraufhin hat die Antragstellerin unter dem 21.04.2023 das vorliegende Beschlussverfahren 1 BV 35/23 beim erkennenden Gericht eingereicht.
83Parallel zur Übergabe dieses Anhörungsschreibens an den Betriebsrat am 06.04.2023 und der Übergabe eines Anhörungsschreiben zum Verdacht des Arbeitszeitbetruges an den Beteiligten zu 3 hat die Antragstellerin von dem Beteiligten zu 3. die Herausgabe des Betriebsratscomputers (Laptop) verlangt und ihm ein Hausverbot ausgesprochen.
84Dieses Hausverbot war Gegenstand einer einstweiligen Verfügung zunächst vor der 4. Kammer des erkennenden Gerichts und dann vor dem LAG Hamm. Jenes hat unter dem Aktenzeichen 7 TaBVGa 3/23 den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 21.04.2023 4 BVGa 4/23 abgeändert und den Arbeitgeberinnen aufgegeben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den Beteiligten zu 4. zur Ausübung seines Amtes als Betriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzenden ungehindert Zugang zum Betrieb an der B straße 10 bis 16 in XXXXX A zu gewähren.
85Mit Schreiben vom 25.04.2025 forderte die Antragstellerin den Beteiligten zu 3. auf, eine Mehrarbeitsvergütung i.H.v. 112.388,71 Euro brutto bis zum 05.05.2023 an sie zurückzuzahlen (Ablichtung Anlage K6). Nach Fristablauf reichte sie am 16.05.2023 beim erkennenden Gericht Klage auf Zahlung gegen den Beteiligten zu 3. ein (2 Ca 992/23).
86Die Antragstellerin meint, es liege ein Verhalten vor, das „an sich“ eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtfertige.
87Angesichts der Schwere der Vorfälle und des dadurch zerstörten Vertrauensverhältnisses sei eine Abmahnung des Beteiligten zu 3. vorliegend entbehrlich gewesen.
88Auch die Abwägung der wechselseitigen Interessen führe im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.
89Die Antragstellerin meint, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Es handele sich beim Verhalten des Beteiligten zu 3. um einen „Dauertatbestand“, der bis April 2023 reichte.
90Sie beantragt vor diesem Hintergrund,
91die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu ersetzen.
92Der Beteiligte zu 2. verhandelt mit dem Abweisungsantrag.
93Die Beteiligten zu 2. und 3. haben sich von dem gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen.
94Sie verweisen auf Gespräche zwischen den Betriebsparteien zur Erfassung der Arbeitszeit beim „mobilen Arbeiten“. Man sei sich hierbei einig gewesen, dass Unterbrechungen der Arbeitszeit nicht dokumentiert werden müssten, die Verletzung von Kernarbeitszeiten im System nicht als Freizeit aus den Arbeitszeitkonten beantragt und gewährt werden mussten oder beim Arbeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit von 6 bis 20.00 Uhr die Arbeitszeit im Vorfeld beim Betriebsrat beantragt werden musste.
95Wenn über die tägliche regelmäßige Arbeitszeit hinaus gearbeitet worden sei, sei es betriebsüblich, dass man eine „entsprechende“ Anfangs- und Endzeit eingebe, die im Ergebnis der Dauer der geleisteten Arbeitszeit entspreche unter Berücksichtigung des Abzuges von 45 Minuten Pausen pro Arbeitstag. Es sei betriebliche Praxis, dass nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit erfasst werde und nicht die vielen zwischenzeitlichen Unterbrechungen und auch nicht die konkrete Lage der Arbeitszeit. Wenn man mehr Stunden erfassen möchte als die durchschnittliche Sollarbeitszeit, gebe man als Anfangszeit beispielsweise 7.00 Uhr ein, und nicht die betriebsübliche Zeit des Arbeitsbeginns um 8.00 Uhr, und zum Beispiel bei einer Erfassung von 8 Stunden dann 15.45 Uhr, weil die Pausenzeit automatisch in Abzug gebracht wird.
96Beim Beteiligten zu 3. (der sich als „workoholic“ bezeichnet, sei es so gewesen, dass er seine täglich gearbeiteten Arbeitszeiten aufaddiert und dann mit einer einheitlichen Dauer der täglichen Arbeitszeit erfasst habe. Sofern die Arbeitszeit mehr als 10 Stunden täglich betragen habe, habe er eine Arbeitszeit grundsätzlich nur in dieser Maximalhöhe aufgezeichnet. Hierdurch habe sich der Beteiligte zu 3. selbst und der Personalabteilung die Diskussion über die vermeintliche Verletzung der 10 Stundengrenze ersparen wollen. Tatsächlich habe er fast jeden Tag mehr als 10 Stunden Arbeit für den örtlichen Betriebsrat und den Konzernbetriebsrat verrichtet und diese Tätigkeiten quasi „gedeckelt“ auf 10 Stunden in den Arbeitszeitaufzeichnungen vermerkt. (Der Personalleiter J sei ebenfalls so vorgegangen, insoweit wird auf die von den Beteiligten zu 2. und 3. dargelegten Arbeitszeiterfassungen des Personalleiters Seite 26 ff des Schriftsatzes vom 18.07.2023 verwiesen).
97Im Übrigen gelte, dass die Arbeitszeit als mobile Arbeitszeit erfasst werde, auch wenn ein Teil der Arbeitszeit im Betrieb verbracht worden sei. Da der Beteiligte zu 3. jeden Tag entweder morgens vor seiner Tätigkeit im Betrieb oder abends nach seiner Tätigkeit im Betrieb Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte verrichtet habe, sei mobiles Arbeiten seine fast ausschließliche Arbeitsform gewesen.
98Die Auszahlung der Stunden aus dem Arbeitszeitkonto 3 habe er „ohne jeden Argwohn“ beantragt. Ihm sei dabei nicht bekannt gewesen, dass es entgegen den Regelungen aus der Betriebsvereinbarung in den Arbeitszeitkonten für freigestellte Betriebsratsmitglieder ggfls. gesetzliche Sonderregelungen geben könnte, die entgegen der geltenden Betriebsvereinbarung den Grundsatz der Freistellung als vorrangig vor der Auszahlung von Arbeitsstunden auf den Arbeitszeitkonten ansehen könnte. Er sei davon ausgegangen, dass er wie jeder andere Arbeitnehmer behandelt werde.
99Bezeichnend sei, dass sich die Antragstellerin in Person des Geschäftsführers S und des Personalleiters J und auch des Volljuristen O die rechtliche Frage hinsichtlich des § 37 Abs. 3 BetrVG nicht beantworten konnten und sich dazu erstmal ein Rechtsgutachten erstellen lassen mussten. Andererseits erwarteten sie vom Beteiligten zu 3., dass er Kenntnis über die rechtlichen Rahmenbedingungen habe.
100Im Übrigen habe die Antragstellerin die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Spätestens am 08.03.2023 nach der Prüfung durch den Syndikusrechtsanwalt O hätten die Kündigungsberechtigte Kenntnis von den relevanten Sachverhalten erlangt (Bl. 40 ff des Schriftsatzes vom 18.07.2023).
101Vor diesem Hintergrund habe die Antragstellerin das Betriebsratsgremium nach § 103 BetrVG fehlerhaft angehört (Ausführungen ab Seite 41 des Schriftsatzes vom 18.07.2023).
102Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, deren Anlagen und die Protokollerklärungen verwiesen.
103Die Akten der Verfahren 1 Ca 2391/15, 2 Ca /23, 4 BVGa 4/23 = 7 TaBVGa 3/23 vor dem erkennenden Gericht waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
104Die beiden Verfahren 1 BV 31 und 35/23 wurden von der IG Metall und dem Büro des Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 2. und 3. umfangreich medial begleitet (Pressekonferenz, Seminar zum Thema „Union Busting“, Bericht in der „Lokalzeit“ des WDR, Radio A und wiederkehrende Berichte in den beiden lokalen Tageszeitungen).
105Schließlich haben ca. 35 Betriebsräte aus dem Organisationsbereich der IG Metall die mündliche Verhandlung vor der Kammer verfolgt.
106II.
107Dem Antrag der Arbeitgeberin zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung ist stattzugeben.
108Die Arbeitgeberin hat ihren Antrag in der zutreffenden Verfahrensart anhängig gemacht, § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.
109Im vorliegenden Fall waren neben den Betriebsparteien der Beteiligte zu 3. Zu beteiligen, § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG.
110Nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG i.V. m. § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG kann der Arbeitgeber die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds dieses Gremiums verlangen, wenn die Maßnahme unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist.
111Bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 103 Abs. 2 BetrVG sind in der Regel die möglichen kollektiven Interessen der Belegschaft an diesem Arbeitnehmer mit seiner betriebsverfassungsrechtlichen Funktion nicht gesondert in die Betrachtung einzubeziehen, weil dies bereits mit dem Zustimmungserfordernis aus § 103 Abs. 1 BetrVG hinreichend sichergestellt wird (BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17 Rn. 39).
112Dies bedingt wiederum, dass die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB gegeben sind. Danach kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Außerdem muss die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten sein.
113a)
114Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen „wichtigen Grund“ i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne besondere Umstände des Einzelfalls als (insbesondere verhaltens- oder personenbedingten) Kündigungsgrund „an sich“ geeignet ist.
115Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch zumutbar ist. Ist diese Zumutbarkeit nicht gegeben, so liegt ein wichtiger Grund vor.
116aa)
117Der wichtige Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB setzt kein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus (argumentum aus § 314 BGB, vgl. Erfurter Kommentar Niemann 20. Aufl, § 626 BGB Rn. 40, BAG v. 21.01.1999 – 2 AZR 665/98 Rn. 19). Denn die Kündigung ist keine Sanktion, sondern soll lediglich künftige Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses verhindern. Fehlendes Verschulden kann jedoch im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers von Bedeutung sein.
118Stützt der Arbeitgeber den wichtigen Grund bei einem Betriebsratsmitglied auf dessen Verhalten, muss dieses sich als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen (BAG vom 13.05.2015 – 2 ABR 38/14 Rn. 18 m w. N.).
119Im Beschlussverfahren trifft die objektive Beweislast für diejenigen Umstände, die als wichtiger Grund geeignet sein können, aber auch für das Nichtvorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen, soweit sich solche im Laufe des Verfahrens hinreichend konkret abzeichnen den Arbeitgeber (eine gestufte Darlegungs- und Beweislast gibt es im Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht).
120bb)
121Bei Anwendung dieser Grundsätze war hier vom Verdacht des Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB auszugehen.
1221)
123In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass Eigentums- und Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers bereits ab dem Versuchsstadium und schon im Bagatellbereich grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (vgl. BAG v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 Rn. 26, Fall „Emmely“). Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist jedoch weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist ein Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch.
124Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG v. 10.06.2010 a.a.O. Rn. 30).
125Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG für die verschiedenen Konstellationen der Zeiterfassung, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete und vom Arbeitgeber nur schwer kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso, wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare oder unzutreffende Angaben in einer Zeiterfassungssoftware. Erfasst der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit in der vom Arbeitszeiterfassungssystem gestellten Maske wissentlich und vorsätzlich falsch, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe eines Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren und hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Auch hier kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Denn der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der im Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können.
126Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Arbeitgeberin unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Datenerfassung über den Buchungstext „mobiles Arbeiten“ von ihr in aller Regel nicht kontrolliert wird, obwohl es eine Betriebsvereinbarung gibt, die eine „Kappung“ von über die normale vertragliche Arbeitszeit hinausgehenden Stunden vorsieht. Dies dürfte den Beteiligten zu 3) auch in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender bekannt gewesen sein. Er hat jedenfalls nicht bestritten, dass es seit der Einführung der Arbeitszeiterfassung über den Buchungstext „mobiles Arbeiten“ keine arbeitgeberseitige Kontrolle der Arbeitszeiten der im gemeinsamen Betrieb der Antragstellerin in A beschäftigten Arbeitnehmer gegeben hat. Der Vortrag gilt daher als zugestanden.
127Der Arbeitnehmer verletzt mit einer unzutreffenden Arbeitszeiterfassung in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB (vgl. dazu nur BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 Rn. 17; BAG v. 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 Rn. 14) sowie LAG Hamm vom 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22, Rnr. 48).
128Die Beteiligten haben in diesem Zusammenhang vorgetragen, die Betriebsparteien seien darüber einig gewesen, dass Arbeitszeitunterbrechungen und Verletzungen der Kernarbeitszeit nicht minutiös erfasst werden sollten. Dies betrifft nach dem Verständnis der Kammer aber nur die Lage der Arbeitszeit, nicht deren Dauer.
1292)
130Nach der Rechtsprechung des BAG kann nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder eine erwiesene Vertragsverletzung eines Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht, dieser habe eine strafbare Handlung oder eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass er einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss insbesondere dringend sein und sich auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung beziehen.
131Auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB bilden. Eine auf ihn gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber eine zumutbare Anstrengung zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, in der Regel eine Woche ab Bekanntwerden der Anhaltspunkte (BAG v. 27.06.2019 – 2 ABR 2/19 Rn. 23). Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggfls. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein, die dem Arbeitnehmer in der Regel im Rahmen der Anhörung zur Stellungnahme bekannt zu geben sind (BAG v. 25.04.2018 – 2 AZR 611/17 Rn. 32). Der Verdacht muss ferner dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße Verdächtigungen, die auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützt sind, reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG v. 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 Rn. 22 sowie BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12 Rn. 14 m. w. N.).
132Weil auch bei der Verdachtskündigung diejenigen Umstände entscheidungserheblich sind, die objektiv zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (bzw. hier: des Einreichens des Zustimmungsersetzungsantrages beim erkennenden Gericht) vorlagen, können die zunächst bestehenden Verdachtsmomente im Laufe des Rechtsstreits durch später bekannt gewordene Umstände, die objektiv bereits im maßgeblichen Zeitpunkt vorlagen, abgeschwächt oder auch verstärkt werden. Ausnahmsweise können hier auch neue Vorgänge zu berücksichtigen sein, wenn sie mit den alten Gründen einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13 Rn. 21 f. sowie BAG v. 06.11.2003 – 2 AZR 631/02 Rn. 33).
1333)
134Die Besonderheiten des vorliegenden Falles, nämlich, dass es sich bei den Beteiligten zu 3) um einen nach § 38 BetrVG von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitszeit vollständig freigestelltes Betriebsratsmitglied handelt, führen zu keiner anderen Betrachtungsweise.
135Dass die Verpflichtung zur korrekten Arbeitszeiterfassung auch freigestellte Betriebsratsmitglieder gem. § 38 BetrVG trifft, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Das Betriebsratsmitglied, auch das freigestellte Betriebsratsmitglied, soll nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein, als wenn es das Betriebsratsamt nicht angenommen hätte. Freigestellte Betriebsratsmitglieder haben daher grundsätzlich die betrieblichen Kontrolleinrichtungen, z.B. Arbeitszeitkontrollgeräte zu benutzen (vgl. nur so BAG vom 10.07.2013 – 7 ABR 22/12 Rdnr. 18, ebenso die Vorinstanz LAG München vom 02.02.2012 – 3 TaBV 56/11).
136Die Kammer geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass das Arbeitszeitkonto 3 nicht den tatsächlichen Stand der Stunden dokumentiert, die der Beteiligte für Betriebsratsarbeit aufgewandt hat, also nicht nur eine falsche Lage, sondern auch eine unzutreffende Dauer der täglichen Arbeitszeit dokumentiert. Der Beteiligte zu 3) hat zwar verschiedentlich vorgetragen, welche umfangreichen Tätigkeiten ab der zweiten Jahreshälfte 2020 als freigestellter Betriebsratsvorsitzender für die Antragstellerin erbringen musste. Die von ihm erfasste Dokumentation der Arbeitszeiten (hier: der Zeiten, die der Beteiligte zu 3) für Betriebsratsarbeit aufgewandt haben will) ist jedoch nicht geeignet, den Stundenaufbau im Arbeitszeitkonto 3 zu rechtfertigen. Das heißt, die Kammer geht nicht davon aus, dass das Arbeitszeitkonto 3 in der Fassung der Betriebsvereinbarung MB 58 die Stunden korrekt dokumentiert, die der Beteiligte zu 3) für Betriebsratsarbeit aufgewandt hat.
137Der Beteiligte zu 3) hat selbst vorgetragen, dass er durchgängig regelmäßig als Arbeitszeit 10 Stunden erfasst hat, indem er die systemseitigen Vorgaben der Arbeitszeiterfassung so abgeändert hat, dass ein fiktiver Beginn der Arbeitszeit um 07:00 Uhr morgens zugrunde gelegt wurde und ein fiktives Ende der Arbeitszeit um 17:45 Uhr, was aufgrund des systemseitigen Abzugs der Pausen dann 10 Stunden täglicher Arbeitszeit beinhaltet.
138Die Kammer geht davon aus, dass damit nicht nur die Lage der täglichen Arbeitszeit unzutreffend erfasst worden ist, sondern auch die Dauer der Arbeitszeit. Es kann nicht angehen, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen jeden Tag exakt 10 Stunden vom Beteiligten zu 3) für Betriebsratstätigkeit aufgewandt worden ist. Denn das Gesetz geht davon aus, dass einmal mehr und einmal weniger Betriebsratsarbeit anfällt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Betriebsratsarbeit an jedem Wochentag gleichförmig anfällt. Es ist gerichtsbekannt, dass in weiten Bereichen des deutschen Arbeitslebens zumindest ab Freitagnachmittag, nicht gearbeitet wird. Es würde die Kammer verwundern, wenn dies beim Betriebsrat der Antragstellerin anders wäre.
139Sofern der Beteiligte zu 3) die gleichförmige Dauer und Lager der Arbeitszeit damit zu rechtfertigen sucht, dass er „in Wirklichkeit“ sogar mehr als 10 Stunden am Tag gearbeitet hat, hält die Kammer dies für eine reine Schutzbehauptung. Sie geht davon aus, dass dem Betriebsratsvorsitzenden die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Arbeitszeitgesetzes einschließlich der Pausenzeiten der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten bekannt sind und dass ihm bekannt ist, dass er nach § 80 Abs. 1 BetrVG auch über die zugunsten der im Betrieb der Antragstellerin beschäftigten Arbeitnehmer geltenden Vorschriften zu wachen hat. Die Kammer will nicht ausschließen, dass es Arbeitnehmer im Betrieb der Antragstellerin gibt, die gelegentlich die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden überschreiten und dies nicht dokumentieren. In diesem Fall wären nach Ansicht der Kammer das Betriebsratsgremium und auch der Beteiligte zu 3) verpflichtet gewesen, sich schützend vor die Belegschaft zu stellen und die Arbeitgeberin zu einem gesetzeskonformen Vorgehen anzuhalten, ggfls. unter Einschaltung der entsprechenden Aufsichtsbehörden in T.
140Ein Betriebsratsvorsitzender, der die von ihm vorgetragenen Arbeitszeiten in seinem Betrieb wissentlich duldet und nicht im Interesse der Arbeitnehmer aktiv geworden ist, der aber auf der anderen Seite für die Dauer von 3 Jahren einen fast sechsstelligen Geldbetrag erlangt, der ihm jedenfalls nach rechtlichen Kriterien – unabhängig von dem Verhalten der Antragstellerin – objektiv nicht zusteht, muss sich nach Ansicht der Kammer eher den gegenteiligen Vorwurf gefallen lassen, nämlich, dass er bei Gesetzesverstößen im Betrieb bewusst die Augen zu macht.
141Hätte der Beteiligte zu 3. „nur“ seine Arbeitszeit falsch erfasst, hätte man über eine Abmahnung nachdenken können. Hier besteht jedoch der dringende Verdacht, dass sich der Beteiligte zu 3. durch den Antrag auf Auszahlung des Arbeitszeitkontos ein ihm nicht zustehendes Zusatzeinkommen verschafft hat. Mit der Mail vom 14.07.2020 hat der Beteiligte zu 3. versucht, sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, der ihm nicht zusteht.
142Das Gesetz geht für freigestellte Betriebsratsmitglieder gemäß § 38 BetrVG hinsichtlich etwaiger Mehrarbeit davon aus, dass auf das einzelne freigestellte Betriebsratsmitglied einmal mehr und ein anderes Mal weniger Betriebsratstätigkeit zukommt. Dies ergibt sich aus der pauschalen Regelung der Freistellung in § 38 Absatz 1 BetrVG.
143Der Gesetzgeber geht damit notwendig nicht stets von einer sich mit der betrieblichen Arbeitszeit voll deckenden Betriebsratstätigkeit für einzelne freigestellte Betriebsratsmitglieder aus. Vielmehr nimmt er – auch im Hinblick auf das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 78 Absatz 2 BetrVG in Kauf, dass für das einzelne Betriebsratsmitglied auch einmal „Mehrarbeit“ notwendig werden kann oder ein anderes Mal auch weniger Betriebsratstätigkeit anfällt. Auch die normalen Fehlzeiten (Urlaub, Krankheit) der ständig freigestellten Betriebsratsmitglieder sind bei der Aufstellung der Staffel für Freistellungen gem. § 38 Abs. 1 BetrVG mitberücksichtigt (BAG vom 21.05.1974 – 1 AZR 477/73 Rdnr. 17 unter Verweis auf BAG vom 22.05.1973 – 1 ABR 26/72).
144Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut handelt es sich bei der Regelung des § 38 Absatz 1 Satz 2 und 3 BetrVG um die Zahl der mindestens freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Sollte das freigestellte Betriebsratsmitglied innerhalb seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit die notwendige Betriebsratsarbeit nicht (oder durch die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 35 Wochenstunden im Rahmen der IRWAZ nicht mehr) leisten können, muss der Betriebsrat weitere (Teil-) Freistellungen bei der Arbeitgeberin beantragen. Im Falle einer dauerhaften Überlastung des Beteiligten zu 3. aufgrund dessen vertraglicher Arbeitszeit oder längeren Arbeitszeiten wegen der Corona Pandemie hätte der Betriebsrat eine weitere anteilige oder volle Freistellung über die Mindeststaffel des § 38 BetrVG hinaus reklamieren müssen.
145In diesem Zusammenhang ist nach Ansicht der Kammer deutlich darauf hinzuweisen, dass das Betriebsratsamt entgegen der Argumentation des Beteiligten zu 3. keineswegs eine „One-Man-Show“ ist. Die betriebliche Mitbestimmung wird in einer Demokratie durch das Gremium und nicht durch den Vorsitzenden ausgeübt. In diesem Zusammenhang ist der Vorsitzende verpflichtet, Betriebstatstätigkeit auch auf andere Betriebsratsmitglieder zu delegieren, ob diese dies wollen oder nicht.
146Die in § 37 Absatz 3 BetrVG zur Mehrarbeit von Betriebsratsmitgliedern getroffene Regelung geht wegen des Ehrenamtsprinzips des § 37 Abs. 1 BetrVG („führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt“) vom Vorrang des Freizeitausgleichs vor dessen Abgeltung durch einen Vergütungsanspruch aus. Damit soll insbesondere im Interesse der persönlichen Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern verhindert werden, dass Betriebsratsmitglieder entgegen dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG durch ihre Betriebsratstätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben (BAG vom 12.12.2009 – O AZR 508/99 Rn. 27 m. w. N.).
147Diese Grundsätze waren dem Beteiligten zu 3. bekannt. Da sich die Betriebsparteien zunächst einmal unmittelbar nach der Wahl des Beteiligten zu 3. zum Betriebsratsvorsitzenden und zum freigestellten Betriebsratsmitglied und sodann ab Ende 2015 noch einmal 1 ½ Jahre in dem Verfahren vor der erkennenden Kammer 1 Ca 2191/15 intensiv mit der Entgeltsicherung des Beteiligten zu 3. als freigestelltem Betriebsratsvorsitzenden beschäftigt haben, unterstellt die Kammer, dass beiden Betriebsparteien nicht nur § 37 Abs. 4 BetrVG, sondern auch der § 38 BetrVG geläufig ist.
148Das Argument des Beteiligten zu 3., dass im Falle der Delegation von Betriebsratsarbeit auf andere Mitglieder die daraus resultierende Vergütung für Betriebsratsarbeit an jene ebenfalls Kosten angefallen wären, ist richtig, aber von Gesetzgeber ausdrücklich gewollt und vermag den Beteiligten zu 3. daher nicht zu entlasten.
149Wenn ein Betriebsratsmitglied gem. § 38 BetrVG bereits vollständig von der Erbringung von der Arbeit freigestellt ist, kommt eine Arbeitsbefreiung – wie im Rahmen des § 37 BetrVG – durch den Arbeitgeber nicht in Betracht. Nimmt ein freigestelltes Betriebsratsmitglied – wie hier der Beteiligte zu 3. - an der Erfassung seiner Arbeitszeit im Rahmen eines Gleitzeitsystems teil, kann es eine etwaige Überschreitung der persönlichen Arbeitszeit dann, wenn die Betriebsratstätigkeit innerhalb des Gleitzeitrahmens erbracht wird, grundsätzlich im Rahmen des vorgegebenen Arbeitszeitrahmens ausgleichen, ohne dass es einer besonderen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs bedarf (BAG v. 28.09.2016 Rdnr. 32). Das Betriebsratsmitglied kann also selbst bestimmen, wann es den Freizeitausgleich vornimmt (vgl. dazu nur GK-Weber Betriebsverfassungsgesetz, Gemeinschaftskommentar 11. Aufl, 38, Rn. 101 m. w. N.). Nach analoger Anwendung des § 37 Abs. 2 S. 3 BetrVG hat das freigestellte Betriebsratsmitglied den Freizeitausgleich innerhalb eines Monats vorzunehmen (GK-Weber Rn. 102). So haben es die Betriebsparteien dies bis zur Mail des Beteiligten vom 04.07.2020 zu 3) an Herrn J auch gehandhabt.
1505)
151Ein Verständnis der Betriebsvereinbarung MB 58 über die Arbeitszeit, wonach das Führen von Arbeitszeitkonten und die Auszahlung von Stunden aus dem Arbeitszeitkonten auch auf Zeitguthaben aus Betriebsratsarbeit anwendbar ist, die sich aus der Erfassung der Anwesenheitszeiten freigestellter Betriebsratsmitglieder ergeben, ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht gesetzeskonform. Denn damit würden die zwingenden Vorgaben des § 37 Abs. 3 BetrVG umgangen (so auch BAG vom 28.09.2016 – 7 AZR 312/14, Rn. 25, 26 u. 31). Dies war dem Beteiligten zu 3. auch bekannt.
152Ist der Zeitausgleich am Ende eines Ausgleichszeitraums nicht vollständig erfolgt, sondern besteht zu diesem Zeitpunkt ein positiver Stundensaldo aufgelaufen, steht fest, dass das Betriebsratsmitglied durch die Erbringung von Betriebsratstätigkeit seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit im Bezugszeitraum überschritten hat. Im Fall des vollständig von der Arbeitszeit freigestellten Betriebsratsmitglieds kann ein dann bestehender positiver Saldo nur auf Betriebsratstätigkeit beruhen. Dann ist die Betriebsratstätigkeit insoweit als „außerhalb der Arbeitszeit“ im Sinne von § 37 Absatz 3 BetrVG erbracht anzusehen (BAG aaO).
153§ 37 Absatz 3 BetrVG sieht einen Anspruch auf entsprechende Arbeitszeitbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts als Ausgleich für die Betriebsratstätigkeit, die außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, nur dann vor, wenn die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten, nicht betriebsratsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurde. Eine Vergütung der außerhalb der Arbeitszeit aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit setzt zudem nach § 37 Absatz 3 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG voraus, dass die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war (BAG aaO Rdnr. 33).
154Um zu einer „erhöhten“ Vergütung, wie hier aufgrund der Mail vom 06.04.2023, durch eine Auszahlung von Stunden aus dem Arbeitszeitkonto 3 zu kommen, müsste der Beteiligte zu 3) zum einen vortragen, dass die Plusstunden, die er durch die regelmäßige Erfassung der täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden für einer erforderlichen Betriebsratstätigkeit aufgewandt hat und zum zweiten, dass diese nicht aus betriebsratsbedingten, sondern aus betriebsbedingten Gründen angefallen sind. Schließlich muss er vortragen, dass ein Abbau des Stundenguthabens bis zum Ende des Bezugszeitraums aus bedingten Gründen nicht möglich gewesen ist (BAG, a. a.O. Rn. 39).
155Von diesen Vorgaben hat sich der Beteiligte zu 3. nach eigener Angabe „ohne jeden Argwohn“ befreit, indem er schlicht die Auszahlung von Überstunden aus dem Arbeitszeitkonto 3 von der Antragstellerin begehrt hat. Dies glaubt die Kammer nicht. Sie meint, mit der Mail vom 14.07.2020 habe der Beteiligte zu 3) versucht, sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, der ihm nicht zusteht. Jedenfalls besteht diesbezüglich ein dringender Verdacht.
156Die Kammer kann dem Beteiligten zu 3. nicht in den Kopf gucken und weiß vor diesem Hintergrund nicht, ob dem Beteiligten zu 3. sein vorsätzliches gesetzeswidriges Handeln bewusst gewesen ist. Von daher lehnt die Kammer den Antrag der Antragstellerin auf Zustimmung zu einer Tatkündigung ab.
157Die Kammer meint jedoch, dass ein schwerwiegender und dringender Verdacht vorliegt, dass der Beteiligte zu 3. wusste, dass er durch die beantragten Auszahlungen vom Arbeitszeitkonto 3 Geldleistungen bezogen hat, die ihm nach dem objektiv geltenden Regularien des Betriebsverfassungsgesetzes und den tragenden Grundsätzen des Ehrenamtsprinzips nicht zustanden. Dafür sprechen nach Ansicht der Kammer vor allem drei Umstände:
158Zum einen handelt es sich bei dem Betriebsratsvorsitzenden um einen zwar nicht juristisch ausgebildeten, aber juristisch versierten Betriebsrat, der an einer großen Zahl von Verhandlungen auf betrieblicher und auf der Eben des Konzernbetriebsrats Vereinbarungen unter Zuhilfenahme von Juristen und juristisch erfahren Einigungsstellenvorsitzenden ausgehandelt hat, der seine Kenntnisse auch im Betriebsverfassungsrecht regelmäßig durch Schulungen vertieft hat und durch seine Tätigkeit am erkennenden Gericht als ehrenamtlicher Richter weitere Einblicke in die betriebliche Praxis und den daraus resultierenden juristischen Probleme erlangt hat.
159Zum zweiten zeigt auch der Umstand, dass die Betriebsparteien sich bereits kurz nach der Wahl des Beteiligten zu 3. zum Betriebsratsvorsitzenden und nach dessen Freistellung darüber ausgetauscht haben, wie eine Benachteiligung des Beteiligten zu 3. zu verhindern sei, dass der Beteiligte zu 3. ein Interesse an betriebsverfassungsrechtlichen Themen auch rund um die beiden §§ 37 u. 38 BetrVG hat. Dies wird dadurch gestützt, dass er die ursprünglich erzielte Einigung einige Zeit später aufgekündigt hat und mit der Antragstellerin 1 ½ Jahre über eine „gerechte“ zusätzliche Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Einkommenseinbußen durch den Wechsel von der überstundenträchtigen Montagetätigkeit in die Freistellung vor der erkennenden Kammer gestritten hat. Dabei ist nicht zu verkennen, dass der Beteiligte zu 3. in jenem Verfahren mit anderen Zahlen gestartet war. Das bedeutet für die Kammer, dass sich die Beteiligten seinerzeit intensiv über Fragen eines notwendigen, aber auch nicht überkompensatorischen Ausgleichs von Einbußen des Beteiligten zu 3. ausgetauscht und final geeinigt haben. Spätestens in diesem Verfahren wird der Beteiligte zu 3. gelernt haben, dass hinsichtlich seiner Bezüge das Ehrenamtsprinzip gilt.
160Schließlich ist, soweit folgt die Kammer dem Vortrag der Antragstellerin, nicht zu übersehen, dass der Umstand, dass der Beteiligte zu 3. seine Arbeitszeit im Jahre 2020 zunehmend über die Bezeichnung „mobiles Arbeiten“ erfasst hat, nicht nur der Corona-Pandemie geschuldet ist, die sicherlich auch im Betrieb der Antragstellerin dafür gesorgt hat, dass – wenn irgend möglich – nicht im Betrieb gearbeitet wurde. Dies erklärt aber nicht, dass im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen der Beteiligte zu 3. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden im Großen und Ganzen „gut auskam“, nunmehr wöchentliche Arbeitszeiten von knapp 50 Wochenstunden generiert wurden. Dies hat nach Ansicht der Kammer nichts mehr mit der Corona-Pandemie und den daraus sicherlich vorübergehenden resultierenden Belastungen auch für die Betriebsratstätigkeit zu tun. Denn dieser Arbeitszeitumfang von knapp 50 Wochenstunden hat sich bis im Frühjahr dieses Jahres fortgesetzt. Die Kammer geht davon aus, dass hierfür andere Umstände maßgeblich waren, nämlich die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden sowie zur gleichen Zeit der vollständige Wegfall der pauschalen Überstunden als Ausgleich für den Wechsel in die Freistellung, dadurch bedingt, dass die Kollegen seiner Referenzgruppe nunmehr in Kurzarbeit waren und ebenfalls keine Überstunden mehr erarbeiteten. Beides zusammen führte im Falle des Beteiligten zu 3. insgesamt zu einer monatlichen Gehaltseinbuße von mehreren tausend Euro (Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden und der Wegfall einer pauschalen zwar schwankenden, aber in der Regel um 2.000,00 € sich bewegenden Überstundenpauschale).
161Die Kammer hält diesen Verdacht der Kompensation von Vermögenseinbußen durch die Generierung und Auszahlung von nicht geleisteten Stunden anhand der Umstände auch für dringend. Sie meint also, dass der Beteiligte zu 3. mit einer nicht korrekten Erfassung der Betriebsratstätigkeit und der Mail vom 14.07.2020 an den Personalverantwortlichen J unter Verstoß gegen die oben geschilderten betriebsverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen sich ein nicht zustehendes Zusatzeinkommen von knapp 100.000,00 € im Zeitraum von 2020 bis zum ersten Quartal 2023 erwirtschaftet hat.
162Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Er ist daher insbesondere verpflichtet, den Arbeitnehmer anzuhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.04.2023 getan. Der Beteiligte zu 3. hat zu den Fragen der Antragstellerin seinerseits mit Schreiben vom 13.04.2023 geantwortet. Die Einlassungen des Beteiligten zu 3. sind nach Ansicht der Kammer nicht dazu geeignet, den Verdacht der Antragstellerin zu entkräften. Auf die diesbezüglichen Argumente wurde vorstehend eingegangen.
163Auch die Interessenabwägung im Einzelfall geht zu Lasten des Beteiligten zu 3. aus. Es mag sein, dass die Antragstellerin es dem Beteiligten zu 3. leicht gemacht hat, sich den ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu verschaffen, in dem sie wenig kontrolliert hat. Die (angeblich) mangelnde Kenntnis der Antragstellerin vom Betriebsverfassungsrecht lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass auch der Beteiligte zu 3. mangelhafte Kenntnisse hatte.
1643.
165Die im Rahmen des § 103 Abs. 2 BetrVG zu prüfende Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB wurde gewahrt.
166a)
167Hierfür war erforderlich, dass ein zulässiger, d. h. nach Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat gestellter Ersetzungsantrag im Sinne des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungsgrund beim Arbeitsgericht eingeht (vgl. BAG vom 23. Okt. 1996 – 2 AZR 3/96 Rn. 11 m. w. N.).
168b)
169Der Antrag der Antragstellerin ging am 21.04.2023 beim erkennenden Gericht ein. Eine abschließende und vollständige Kenntnis vom Kündigungsgrund erlangte die Antragstellerin in Person ihres Kündigungsberechtigten Personalleiters spätestens am 13.04.2023 nach Anhörung des Beteiligten zu 3., die noch binnen einer Woche nach Ermittlung des Vorfalls vom 06.04.2023 erfolgte.
1704.
171Der Betriebsrat wurde vorliegend ordnungsgemäß angehört.
172a)
173Der Arbeitgeber kann sich auch im Zustimmungsersetzungsverfahren nur auf diejenigen Kündigungsgründe berufen, zu denen der Betriebsrat entsprechend § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG vollständig und unter Wahrung der dreitägigen Stellungnahmefrist entsprechend § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG angehört wurde.
174b)
175Die Anhörung des Betriebsrats war mit Schreiben der Antragstellerin vom 14.04.2023 am selben Tag einen Tag nach der Stellungnahme des Beteiligten zu 3. ordnungsgemäß eingeleitet worden. Der Betriebsrat hat sich verschwiegen.
176Dem Anhörungsschreiben nebst Anlagen ließen sich die Sozialdaten des Beteiligten zu 3), soweit er der Antragstellerin bekannt war, entnehmen.
177Auch die Anhörung des Betriebsrates auf den Tatvorwurf bzw. die auch auf den danebenstehenden Kündigungsgrund des Tatverdachts einer unzutreffenden Arbeitszeiterfassung und der dadurch erlangten, dem Beteiligten zu 3) materiell-rechtlich nicht zustehenden finanziellen Zahlungen, wird angeführt.
Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 2) und 3) Beschwerde eingelegt werden.
179Für die Arbeitgeberseite ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
180Die Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
181Landesarbeitsgericht Hamm
182Marker Allee 94
18359071 Hamm
184Fax: 02381 891-283
185eingegangen sein.
186Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 80 Abs. 2 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Beschwerde ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
187Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite www.justiz.de.
188Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
189Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1901. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
195* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.