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Die Worte "jebem ti mater" stellen eine an einen Arbeitskollegen gerichtete arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die abgemahnt werden kann.
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung mit Schreiben vom 06.12.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.265,33 festgesetzt.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Entfernung von zwei Abmahnungen vom 06.12.2006 und vom 25.05.2007 aus der Personalakte des Klägers.
3Der Kläger ist bei der Beklagten, die ausweislich ihrer Firma eine Fleischwarenfabrik betreibt, seit dem 13.06.1988 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Er hat im Jahre 2006 31.592,00 verdient.
4Der Kläger wird seit zwei bis drei Jahren im Betrieb der Beklagten aus gesundheitlichen Gründen mit Reinigungsarbeiten betraut.
5Der Kläger hat ca. zwei bis drei Monate vor dem 28.11.2006 den Zeugen M3 mit den Worten "Jebem ti mater" beleidigt. Dies bedeutet auf Deutsch übersetzt: "Ficke deine Mutter". Nachdem der Zeuge M3 sich hierüber erregt hatte und eine Entschuldigung verlangt hatte, hatte sich der Kläger seinerzeit bei Herrn M3 entschuldigt.
6Der Zeuge M3, der am 28.11.2006 die schmutzigen Wurstspieße zum Reinigen mit der Reinigungsspritze aufgestellt hatte, stellte fest, dass der Kläger, der die Spieße mit der Reinigungsspritze reinigen sollte, diese nicht richtig abgespritzt hatte. Es hingen noch Reste von Wurstmasse an den Spießen. Daraufhin ermahnte Herr M3 den Kläger, er solle die Spieße richtig reinigen und zeigte ihm, wo noch gereinigt werden musste. Herr M3 ist für die richtige Reinigung der Spieße verantwortlich. Es lag deswegen in seinem Aufgabenbereich, dies dem Kläger mitzuteilen, da sonst die nötige Reinigungsqualität nicht erreicht wird und mit einem Prämienabzug zu rechnen ist.
7Der Kläger war zu einer Nachbesserung nicht bereit. Er ärgerte sich über die Anweisung des Hern M3, da er der Ansicht war, dass Herr M3 ihm nichts zu sagen habe. Es kam zu einer Meinungsverschiedenheit. Der Kläger sagte dann "Jebem ti mater".
8Der Zeuge M3 beschwerte sich daraufhin bei seinem Vorgesetzten, Herrn L1 D2 F4, der etwa drei Meter vom Kläger (und vom Zeugen M3) entfernt stand.
9Der Vorgesetzte, Herr D2 F4 wandte sich dann an den Kläger. Als eine rasche Aufklärung/Einigung nicht möglich war, nahm er den Kläger und den Zeugen M3 in das Gefahrgutlager außerhalb der Halle, um ungestört den Vorfall mit beiden besprechen zu können, da der Zeuge M3 sehr aufgebracht war.
10Der Kläger war auch nach mehrmaligem Bemühen Seitens des Herrn D2 F4 und des Herrn M3 nicht bereit, sich für die Beleidigung des Zeugen M3 zu entschuldigen. Daraufhin meldete Herr D2 F4 den Vorfall der Personalabteilung.
11Die Beklagte hat wegen des oben genannten Vorfalls am 01.12.2006 ein Personalgespräch geführt, an dem neben dem Kläger dessen Vorgesetzter Herr D2 F4, der stellvertretene Betriebsratsvorsitzender Herr K6 K7, der Zeuge P2 in seiner Eigenschaft als Personalleiter und der Zeuge M3 teilgenommen haben. In diesem Gespräch wurde die Beleidigung durch den Kläger erörtert (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom 12.01.2007 datierende Aktennotiz Anlage A1, Bl. 44 d. A. verwiesen).
12Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 06.04.2006 eine schriftliche Abmahnung, die sie auch zur Personalakte des Klägers nahm. In diesem Schreiben heißt es unter anderem: "Am 28.11.2006 hatten Sie wegen der Arbeitsausführung mit ihrem Arbeitskollegen S4 M3 einen Disput, der mit den gröbsten Beleidigungen gegenüber Herrn M3 und dessen Familie endeten... Wir geben diese beleidigenden Sätze und Worte nicht wieder, da Sie wissen worum es geht..." (wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreibens Anlage 1, Bl. 7 d. A. verwiesen).
13Mit Schreiben vom 22.12.2006 wandte sich Herr Rechtsanwalt D3 S3, den der Kläger ursprünglich manndatiert hatte, an die Beklagte. In diesem Schreiben heißt es: "Inhaltlich ist diese Abmahnung nicht korrekt. Mein Mandant bestreitet ganz entschieden, in irgend einer Form Herrn M3 beschimpft oder beleidigt zu haben. Richtig ist, dass mein Mandant wegen einer akuten Arbeitsüberlastung vor sich hin geschimpft hat. Er wurde von Herrn M3 darauf angesprochen, warum er (mein Mandant) ihn (Herrn M3) beleidige. Mein Mandant hat sofort klargestellt, dass er Herrn M3 überhaupt nicht gemeint hat und ihn keinesfalls beleidigen wollte und das auch nicht getan hat." Hierauf erwiderte der Arbeitgeberverband mit Schreiben vom 10.01.2007, die Beklagte halte an der Abmahnung fest und werde das Schreiben vom 22.12.2006 zur Personalakte nehmen (Ablichtung Anlage A3, Bl. 11 d. A.).
14Mit Klageschrift vom 14.02.2007, am darauf folgenden Tag beim erkennenden Gericht eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben. Er habe weder am 28.11.2006, noch an irgendeinem anderen Tag seinen Arbeitskollegen S4 M3 in irgendeiner Form beleidigt. Er habe wegen einer akuten Arbeitsüberlastung vor sich hin geschimpft. Er sei von Herrn M3 darauf angesprochen worden, warum der Kläger Herrn M3 beleidige. Der Kläger habe daraufhin sofort klargestellt, dass er Herr M3 überhaupt nicht gemeint habe und ihn keinesfalls beleidigen wollte und das auch nicht getan habe.
15Herr Rechtsanwalt D3 S3 hat im Verlaufe des Gütetermins, nachdem der einen Vergleichsvorschlag des Gerichts mit dem Kläger auf dem Gerichtsflur beraten hatte, spontan sein Mandat niedergelegt: Er müsse sich von einem Mandanten nicht beleidigen lassen.
16Der sodann vom Kläger mandatierte Prozessbevollmächtigte verwies mit Schreiben vom 18.04.2007 darauf, dass die Abmahnung vom 06.12.2006 schon formell nicht haltbar sei. Dem Kläger werde sein Fehlverhalten nicht konform der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Abmahnung vor Augen gehalten. Hierzu hätte es zur Wiedergabe des konkreten Wortlautes bedurft, welchen der Kläger gegenüber dem Zeugen M3 angeblich behauptet hat. Der Kläger bestreitet weiter, gegenüber dem Zeugen M3 beleidigende Sätze bezüglich dessen Familie ausgesprochen zu haben. Die Angelegenheit stelle sich für den Kläger so dar, dass Herr M3 offenbar nicht zuletzt auch wegen des Lärms in der Produktion der Beklagten den Kläger schlicht missverstanden habe bzw. die vom Kläger geäußerten Sätze in der Bevölkerung des muslimischen Glaubens eine maßgeblich unterschiedliche Bedeutung haben, als dies vom Kläger gemeint gewesen sei.
17Die Beklagte hat dem Kläger unter dem 25.05.2007 eine weitere Abmahnung erteilt. In dieser heißt es: "... am 28.11.2006 haben Sie während der Arbeitszeit gegen 11:00 Uhr in der Gerätewaschhalle, in der Nähe der Waschmaschine, wo die schmutzigen Wurstspieße zum Reinigen abgestellt sind, zu Ihrem Arbeitskollegen Herrn S4 M3 auf serbokroatisch gesagt "Jebem ti mater". Dadurch haben Sie Ihren Kollegen beleidigt und damit Ihre arbeitsvertragliche Pflicht, Mitarbeiter/innen des Unternehmens nicht zu beleidigen, verletzt" (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser Abmahnung Bl. 63. d. A. verwiesen).
18Der Kläger hat zuletzt beantragt:
19Die Beklagte bittet darum,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte behauptet, der Kläger habe seinen Arbeitskollegen, den Zeugen M3 am 28.11.2006 mit den Worten "Jebem ti mater" grob beleidigt. Es sei nicht zutreffend, dass dieser Ausspruch eine andere, nicht beleidigende Übersetzung bzw. Bedeutung habe. Zumindest müsse der Kläger dessen Vortrag, dass dieser Ausspruch verschiedene Bedeutungen habe unterstellt - diese berücksichtigen und dürfe nicht eine beleidigende Wirkung in Kauf nehmen. Die Beklagte bleibe aber bei ihrer Auffassung, dass diesem Ausspruch auf jeden Fall eine gröbste Beleidigung bedeute. Jedenfalls habe sich der Zeuge M3 auf das gröbste beleidigt gefüllt. Im islamischen Glaubenskreis habe die Mutter eine hohe Bedeutung; der Ausspruch des Klägers sei für diesen Personenkreis eine der schlimmsten Beleidigungen.
24Im Übrigen habe der Kläger am 01.12.2006 zugegeben, dass er am 28.11.2006 die Worte "Jebem ti mater" im Rahmen einer Meinungsverschiedenheit mit dem Zeugen M3 ausgesprochen habe und dass diese Worte die oben genannte deutsche Bedeutung besäßen. Wenn der Kläger dann im Personalgespräch ausgeführt habe, dass diese Worte für ihn ein "gebräuchliches Schimpfwort" darstellten, sei dies als reine Schutzbehauptung zu werten. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Zeuge M3 angesichts des Lärms die Worte missverstanden habe. Das Personalgespräch am 01.12.2006, in dem der Kläger zugestanden habe, dass er die Worte "Jebem ti mater" gesagt habe, zeige, dass der Zeuge M3 den Kläger gerade richtig verstanden habe. Der Kläger habe sich erst im Personalgespräch vom 01.12.2006 dahingehend eingelassen, dass er diese Worte nicht gegenüber dem Kläger gerichtet gesagt habe. Dies sei als Schutzbehauptung zu werten.
25Herr M3 habe glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger ihn mit der Beleidigung gemeint habe. Wenn diese Beleidigung für den Kläger ein gewöhnliches Schimpfwort darstelle, so sei dies äußerst ungewöhnlich und jedenfalls für die Zusammenarbeit mit der Beklagten nicht hinnehmbar.
26Der Kläger habe sich in dem Gespräch mit Herrn D2 F4 und dem Zeugen M3 auch nicht dazu bereit erklärt, sich beim Kläger zu entschuldigen.
27Der Personalleiter Herr P2 habe den Kläger im Personalgespräch vom 01.12.2006 mündlich abgemahnt. Im Zusammenhang mit den mündlichen Ausführungen über die schriftliche Abmahnung vom 06.12.2006 genüge dies den formalen Anforderungen, weil der Personalleiter dem Kläger den genauen, gerügten Wortlaut der Beleidigung am 01.12.2006 hinreichend konkret vor Augen geführt habe.
28Mit dem ihm vorgeworfenen Beleidigung habe der Kläger gegenüber seinen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen. Die Beklagte als Arbeitgeberin sei allen anderen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese insbesondere keinen Beleidigungen ausgesetzt seien und habe die Würde der Arbeitnehmer vor Angriffen von Kollegen zu schützen. Zu diesem Zweck sei es auch aus betriebsdisziplinarischen Gründen notwendig, deutlich zu machen, dass Beleidigungen im Betrieb nicht geduldet würden.
29Der Kläger hält die Abmahnung wegen des Vorfalls vom 28.11.2006 mit Schreiben vom 25.05.2007 für verwirkt.
30Die Kammer hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen S4 M3 und E2 P2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.08.2007 verwiesen.
31Der Kläger ist seit Ausspruch der Abmahnung vom 06.12.2006 durchgehend arbeitsunfähig krank. Er ist aus einer Kur als arbeitsunfähig entlassen worden. Eine Genesung ist derzeit nicht abzusehen.
32Wegen des weiteren hier gemäß § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO knapp zusammengefassten Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.
33Entscheidungsgründe:
34Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
35Der Kläger hat lediglich einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die streitbefangene Abmahnung vom 06.12.2006 aus der Personalakte des Klägers entfernt. Hinsichtlich der zweiten Abmahnung vom 25. Mai 2007 ist der Entfernungsanspruch des Klägers unbegründet.
36I.
37Die Klage ist zulässig. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist ganz überwiegend anerkannt, dass ein Arbeitnehmer sich gegen die aus seiner Sicht unberechnete Abmahnung auch durch Erhebung einer Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zur Wehr setzen kann. Eine derartigen Klage fehlt nicht das erforderliche Rechtschutzbedürfnis. Die Zulässigkeit einer solchen Klage ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, eine Gegendarstellung zur Personalakte abzugeben und über die Berechtigung einer Abmahnung in einem späteren Kündigungsschutzprozess nachprüfen zu lassen. Das Rechtschutzinteresse an der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist daran zu sehen, dass eine unberechtigte Abmahnung die Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein kann und eine solche Gefahr seit ihrer Einfügung in die Personalakte besteht (BAG Urteil vom 05.08.1992 in: AP Nr. 8 zu § 611 BGB Abmahnung; BAG Urteil vom 15.07.1992 in: AP Nr. 9 zu § 611 BGB Abmahnung; BAG Urteil vom 14.09.1994 in: AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung; BAG Urteil vom 15.04.1999 in: AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abmahnung; BAG Urteil vom 11.12.2001 in: AP Nr. 8 zu § 611 BGB Nebentätigkeit; KR/Fischermeyer, 8. Auflage, 626 BGB, Randziffer 282 f.; APS/Dörner, 2 Auflage, § 1 KSchG Randziffer 415; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Auflage, Randziffer 10; ErfK/Dieterich, 7. Auflage, Artikel 2 GG, Randziffer 102 mit weiteren Nachweisen).
38Ob der Arbeitnehmer darüber hinaus einen Anspruch auf Rücknahme einer Abmahnung hat, ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 15.06.2007 11 Sa 243/07 - ) darauf erkannt, dass ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Rücknahme und Beseitigung einer Abmahnung aus seiner Personalakte hat, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine ungerechtfertigte Abmahnung erteilt.
39Die erkennende Kammer folgt dieser Auffassung, soweit die "Rücknahme der Abmahnung" identisch ist mit der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Dass das LAG Köln in seiner vorgenannten Entscheidung dies so verstanden hat, ergibt sich aus dem Verweis auf die Entscheidung des LAG Köln, Urteil vom 17.01.2007 7 Sa 526/06 -.
40II.
41Die Klage ist nur teilweise begründet.
42Ein Entfernungsanspruch ist immer dann gegeben, wenn die Abmahnung nach Form und Inhalt geeignet ist, den Arbeitnehmern seiner Rechtstellung zu beeinträchtigen. Eine Abmahnung muss dann aus der Personalakte entfernt werden, wenn sie Behauptungen enthält, die den Arbeitnehmern in seiner Rechtstellung und in seinem beruflichen Fortkommen unzulässig beeinträchtigen. Damit liegt ein objektiv rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor, der dem Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB den Beseitigungsanspruch einräumt.
43Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung kann darauf beruhen, dass der Arbeitgeber von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgeht, in dem die vom Arbeitgeber angenommene Pflichtverletzung der Sache nach zwei Abmahnungen würdig ist, der Arbeitnehmer aber diese Pflichtverletzung nicht begangen hat. Die Rechtswidrigkeit kann weiterhin auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber beruhen, der Arbeitnehmer, also das beanstandende Verhalten nachweislich begangen hat, dieses aber entgegen der Auffassung des Arbeitgebers vertragsgemäß ist. Die Abmahnung kann deshalb rechtswidrig sein, weil sich der Arbeitgeber mit ihrem zu seinem übrigen Verhalten, aus dem der Arbeitnehmer entnehmen konnte, der Arbeitgeber werde über seine Handlungsweise hinwegsehen, in einer gegen Treue und Glauben verstoßenen Weise in Widerspruch setzt.
441.
45Die Klage des Klägers gegen die Abmahnung mit Schreiben vom 06. Dezember 2006 ist begründet. Aus der Funktion der Abmahnung, ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zu rügen und es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, zu einem vertragskonformen Verhalten zurückzukehren, ergibt sich, dass die streitbefangene Abmahnung vom 06. Dezember 2006 den Kläger in seinen Persönlichkeitsrechte verletzt. Denn aus dem Abmahnungsschreiben vom 06.12.2006 ergibt sich nicht konkret, welches vertragswidriges Verhalten dem Kläger konkret vorgeworfen wird. In dem Abmahnungsschreiben vom 06.12.2006 wird auf "gröbste Beleidigungen" gegenüber dem Arbeitskollegen M3 und dessen Familie verwiesen. Damit ist für einen außenstehenden Leser dieses Schreibens nicht klar, welche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung die Beklagte dem Kläger konkret vorwirft. Ein derartiges Abmahnungsschreiben gibt dem Kläger vielfältige Möglichkeiten der Interpretation, wie er dies im vorliegenden Fall auch getan hat, indem er beispielsweise behauptet, er habe nur ein "Schimpfwort" benutzt und keine beleidigenden Äußerungen getan, Äußerungen seien lediglich vor sich hin gemurmelt worden und hätten sich nicht gegen den Arbeitskollegen, den Zeugen M3 gerichtet. Es handele sich um eine Äußerung, die verschieden übersetzt werden könne und in verschiedenen Kulturkreisen eine verschiedene Bedeutung besäße usw.
46Unerheblich ist, dass der Wortlaut der Abmahnung im Personalgespräch am 01.12.2006 erörtert worden ist. Denn dies verdeutlicht für einen außenstehenden Dritten nicht, was dem Kläger konkret vorgeworfen wird.
472.
48Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der streitbefangenen Abmahnung vom 25.05.2007. Diese Abmahnung ist hinreichend konkret. Das Geschehen wird nach Datum, Uhrzeit und Ort lokalisiert. Dem Kläger wird ein konkret genanntes arbeitsvertragliches Fehlverhalten vorgeworfen.
49Diese Abmahnung enthält keine Behauptungen, die den Kläger in seiner Rechtstellung und in seinem beruflichen Fortkommen unzulässig beeinträchtigen.
50Die Beklagte geht von einer zutreffenden Tatsachengrundlage aus. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Vertragsverletzung begangen. Dies ergibt sich für die Kammer zweifelsfrei aus der Zeugenaussage des Zeugen M3. Dieser hat bekundet, dass der Kläger gegenüber unmittelbar Angesicht zur Angesicht die Worte "Jebem ti mater" ausgesprochen hat, nachdem der Zeuge M3 eine nachlässige Arbeitsweise des Klägers moniert hatte. Die Kammer ist sowohl davon überzeugt, dass die Worte " Jebem ti mater" vom Kläger ausgesprochen worden sind als auch, dass diese Worte direkt gegenüber dem Kläger geäußert worden sind. Dass der Kläger die Worte "Jebem ti mater" ausgesprochen hat, ergibt sich bereits aus seiner eigenen Einlassung anlässlich des Personalsgesprächs vom 01.12.2006, die der Kläger unterschiedlich versucht hat abzuschwächen, letzten Endes aber nicht in Abrede gestellt hat. Wenn aus dem Klägervortrag sich die Behauptung ergeben sollte, der Kläger habe im Personalgespräch vom 01.12.2006 den Gebrauch dieser Worte in Abrede gestellt, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger im Personalgespräch vom 01.12.2006 den Gebrauch der Worte " Jebem ti mater" eingeräumt hat. Dies ergibt sich für die Kammer zweifelsfrei aus der Zeugenaussage des Zeugen P2.
51Der Kläger hat die Worte "Jebem ti mater" auch dem Zeugen M3 von Angesicht zur Angesicht geäußert. Nach dem ganzen Geschehensablauf muss der Zeuge M3 die Worte "Jebem ti mater" auf sich selbst bzw. seine Familie beziehen. Die Kammer glaubt auch insoweit den Bekundungen des Zeugen M4, wonach der Kläger ihm diese Beleidigung "ins Gesicht gesagt hat".
52Die Zeugen M3 und P2 haben auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Ihre Aussagen waren flüssig, in sich geschlossen und wiederspruchsfrei. Sie konnten sich beide noch gut an das streitbefangene Geschehen erinnern, obwohl dieses mittlerweile ein ¾ Jahr zurück liegt. Dem Zeugen M3 konnte auch keine Belastungstendenz zu Lasten des Klägers entnommen werden. Er hat seine Aussage in freundlichem und verbindlichem Ton getätigt. Gleiches gilt für den Zeugen P2. Die Zeugenaussagen der Zeugen M3 und P2 sind auch glaubhaft. Der Zeuge M3 hat der Kammer einen "runden Geschehensablauf" vermittelt. Danach war die Beleidigung eine Reaktion auf die Kritik der nachlässigen Arbeitsweise des Klägers. Auch auf Nachfrage hat er sich nicht in Widersprüche verwickelt. Gleiches gilt für den Zeugen P2, der das Protokoll des Personalgesprächs vom 01.12.2007 handschriftlich angefertigt hatte (welches am 12.01.2007 in maschinenschriftliche Form übertragen wurde).
53Insgesamt haben beide Zeugen die Kammer so überzeugt, dass eine weitere Einvernahme weiterer Zeugen nach Beratung der Kammer nicht als erforderlich erschien.
54Der Kläger seinerseits hat den Zeugen keinerlei Vorhaltungen gemacht. Seine eigenen Einlassungen vor der Zeugeneinvernahme waren in sich widersprüchlich. Die Kammer hat dies letzten Endes so verstanden, dass er eingeräumt hat, die streitbefangenen Worte "Jebem ti mater" ausgesprochen zu haben, dem beleidigenden Charakter dieser Worte jedoch geleugnet hat, bzw. erklärt hat, er habe damit nicht konkret den Zeugen M3 beleidigen wollen.
55Wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweifelsfrei feststeht, dass der Kläger diese Worte geäußert hat und dass er sie auch in Bezug auf den Zeugen M3 geäußert hat, war die Beklagte berechtigt, dieses Verhalten des Klägers abzumahnen.
56Der Kammer erschließt sich auch nicht, dass der Satz "Jebem ti mater" in der Bevölkerung muslimischen Glaubens eine maßgeblich andere Bedeutung hat, als in anderen Kulturkreisen. Jedenfalls zeigt der Umstand, dass der Kläger sich für diese Worte einmal entschuldigt hat, dass sie nach Ansicht der Kammer in allen Kulturkreisen eine beleidigende Bedeutung haben. Der Kläger kann nicht erwarten, dass sein pöbelhaftes Verhalten von anderen geduldet wird.
57Es bedarf nach Ansicht der Kammer keiner weiteren Erörterungen, dass es sich bei den Worten "Jebem ti mater" (deutsch: "Ficke deine Mutter") um eine grobe Beleidigung handelt. Wenn der Kläger den beleidigenden Charakter dieser Worte in Abrede stellt, ist diese Abmahnung notwendig und zwingend, um dem Kläger vor Augen zu führen, dass derartige Worte unter Arbeitskollegen nicht verwendet werden dürfen.
58Nach Ansicht der Kammer bedarf es keiner vertieften Ausführungen darüber, dass es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Arbeitnehmers auch gehört, den Betriebsfrieden zu wahren und seine Kollegen nicht zu beleidigen. Da der Kläger eben dies getan hat, war die Beklagte berechtigt, dieses Verhalten des Klägers abzumahnen.
59Zuudem hat der Zeuge M4 recht: Kein Arbeitnehmer muss sich dafür beleidigen lassen, dass er einen nachlässigen Arbeitnehmer dazu anhält, ordentlich zu arbeiten.
60Das Recht der Beklagten, den Kläger abzumahnen, ist auch nicht verwirkt. Weder das Zeitmoment, noch das Umstandsmoment sind erfüllt.
61Dem Kläger ist zu raten, sich die Abmahnung zu Herzen zu nehmen und zukünftig von derartigen verbalen Entgleisungen Abstand zu nehmen, wenn ihm sein Arbeitsplatz lieb ist.
62Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 495 und § 92 ZPO. Nach der letztgenannten Vorschrift sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen oder gegeneinander aufzuheben, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt wie hier -.
63Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 160 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Die Höhe des Streitwerts hat die Kammer für jede Abmahnung in Übereinstimmung mit der bisherigen ständigen Rechtsprechung des LAG Hamm mit einem Bruttomonatsgehalt beziffert, wobei hier die Entscheidung der 6. Kammer, 6 Ta 49/07 vom 19.04.07 durchaus geläufig ist. Danach ist für eine Abmahnung grundsätzlich ein Drittel des Regelwertes einer Bestandschutzklage zugrundezulegen. In Ausnahmefällen können jedoch auch bis zu zwei Drittel des Regelwertes von § 42 Abs. 4 GKG zugrundegelegt werden.
64Kleveman