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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.659,46 € (in Worten: tausendsechshundertneunundfünfzig 46/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 414,25 € seit dem 1.8.2010, aus 956,67 € seit dem 1.9.2010 und aus 288,54 € seit dem 1.10.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 1.718,26 € festgesetzt.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche, die die Klägerin vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) auf §§ 9 Ziff. 2, 10 Absatz 4 AÜG stützt (BAG Beschluss vom 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 – DB 2011, 591).
3Die Klägerin war vom 06.07.2010 bis zum 03.09.2010 bei der Beklagten als Leiharbeitnehmerin auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.07.2010 (vgl. Arbeitsvertrag S. 4 – 11 d. A.) beschäftigt. § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages enthält einen Verweis auf Tarifverträge. Diese Regelung hat folgenden Wortlaut:
4"§ 2 Anwendbare Tarifverträge
5Die Klägerin wurde von der Beklagten bei zwei verschiedenen Entleihern eingesetzt. Vom 06.07. bis 09.07.2010 war die Klägerin insgesamt 35 Stunden im Betrieb C1 P1 A1 GmbH in R1 eingesetzt. Danach war die Klägerin nur noch bei der Firma K1 K2 M1 GmbH in M1 eingesetzt.
7Im Juli 2010 arbeitete die Klägerin mindestens 35 Stunden im Betrieb der C1 P1 A1 GmbH und mindestens 35 Stunden bei der Firma K1 K2 M1 GmbH & Co. KG. Insgesamt arbeitete die Klägerin im Juli 2010 also jedenfalls 70 Stunden. Weitere 2,5 Stunden wurden ausweislich der Abrechnung für Juli 2010 auf einem Zeitarbeitskonto gutgeschrieben.
8Für Juli 2010 rechnete die Beklagte für 70 Stunden 518,25 € brutto ab. Im August 2010 waren es 1.215,27 € brutto für 154 Stunden. Im September 2010 schließlich rechnete die Beklagte 341,44 € brutto für 45,75 Stunden ab, wobei ausweislich der Septemberabrechnung insoweit 10,75 Stunden die Auszahlung des Arbeitszeitkontos und 14 Stunden die Urlaubsabgeltung betrafen. Die Beklagte ging in ihren Abrechnungen stets von einem Stundenlohn vom 7,35 € brutto aus. Lediglich bei der Urlaubsabgeltung wurden 7,72 € brutto zugrunde gelegt. Außerdem berücksichtigte die Beklagte Nachtarbeitszuschläge und Prämien.
9In der Abrechnung für August 2010 wurde darüber hinaus vermerkt, dass 8 Stunden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wurden.
10Mit Beschluss vom 14.12.2010 bestätigte das BAG eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009, nach der die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist (vgl. BAG Beschluss v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 – DB 2011, 2011, 593; LAG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 07.12.2009 – 23 TaBV 1016/09 – bei JURIS).
11Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung begehrt die Klägerin nach außergerichtlicher Geltendmachung ihrer Ansprüche im September 2010 mit ihrer am 04.11.2010 bei Gericht eingegangenen Klage eine Nachzahlung.
12Sie behauptet, die Beklagte habe im August 2010 acht Stunden zu wenig abgerechnet. Sie habe am 23.08.2010 von 22 Uhr abends bis 6 Uhr am nächsten Morgen gearbeitet. Diese acht Stunden seien bei der Berechnung des Gehaltes nicht berücksichtigt worden.
13Vor allem aber sei sie schlechter vergütet worden als die Stamm-Mitarbeiter der beiden Entleiherbetriebe, in denen sie eingesetzt gewesen sei.
14Auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der C1 P1 A1 GmbH fänden die Tarifverträge der IG BCE NRW Anwendung. Der niedrigste Tariflohn je Stunde sei daher mit 12,88 € brutto zu beziffern.
15Auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der Firma K1 K2 M1 GmbH & Co. KG fände der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Diese sehe als niedrigsten Stundenlohn einen Betrag in Höhe von 12,52 € brutto zuzüglich 10 % Leistungszulage, mithin 13,77 € je Stunde brutto vor.
16Daher hätte die Beklagte für Juli 35 Stunden zu 12,88 € brutto, mithin insgesamt 450,80 € brutto und 35 Stunden zu 13,77 €, mithin 481,95 € brutto vergüten müssen. Insgesamt hätte daher für Juli 2010 ein Bruttogehalt in Höhe von 932,75 € brutto gezahlt werden müssen.
17Unter Berücksichtigung der 8 Stunden, die die Beklagte im Monat August 2010 nicht berücksichtigt habe, hätte die Beklagte für diesen Monat für 162 Stunden bei einem Stundenlohn von 13,77 € brutto insgesamt 1.230,74 € brutto zahlen müssen.
18Im September hätte die Beklagte für 45,75 Stunden bei einem Stundensatz von 13,77 € brutto 679,98 € brutto zahlen müssen.
19Insgesamt seien daher für die Monate Juli bis September 2010 Gehälter in Höhe von 3.793,47 € brutto geschuldet gewesen. Abzüglich gezahlter 2.074,96 € brutto ergebe sich der eingeklagte Betrag.
20Nach Auffassung der Klägerin verfügt keine der in § 2 des Arbeitsvertrages für die Arbeitnehmerseite genannten Einzelorganisationen über die erforderliche soziale Mächtigkeit, um als Gewerkschaft Tarifverträge abschließen zu können. Zudem sei vorliegend kein Wirtschaftszweig betroffen, für den die verschiedenen Einzelgewerkschaften zuständig seien.
21Die Beklagte verweist insoweit auf die genannte Entscheidung des BAG, nach der die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen nicht tariffähig sei. Die Zuständigkeit der Christlichen Gewerkschaft Metall beschränke sich auf den Bereich der metallerzeugenden und verarbeitenden Industrie, das Metallhandwerk, die Elektroindustrie und sonstige Metallbetriebe. Die DHV gelte nur für kaufmännische und verwaltende Berufe. Auch der Beschäftigungsverband Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen sei nicht zuständig. Diese sei nur zuständig, sofern keine speziellere Gewerkschaft im Tarifverbund der christlichen Gewerkschaften bestehe. Vorliegend kämen jedoch die Christliche Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie und die Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung im Christlichen Gewerkschaftsbund in Betracht, die beide im Arbeitsvertrag nicht genannt seien. Offensichtlich seien der Arbeitnehmerverband für land- und ernährungswirtschaftliche Berufe und die auf das Gesundheitswesen beschränkte Medsonet ebenfalls nicht zuständig.
22Damit sei kein Tarifvertrag, auf den der Arbeitsvertrag Bezug nehme, anzuwenden. Es liege dementsprechend kein Tarifvertrag im Sinne des § 9 Ziff. 2, 2. Halbsatz AÜG vor. Da die Beklagte geringere Stundensätze gezahlt habe als die Arbeitnehmer der Stammbelegschaften in den Entleiherbetrieben erhalten hätten, sei das Equal -Pay-Prinzip des § 9 Ziff. 2 AÜG verletzt worden.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.718,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 414,25 € seit dem 01.08.2010, aus 1.015,47 € seit dem 01.09.2010 und aus 288,54 € seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Hinsichtlich der streitigen 8 Stunden im August 2010 verweist die Beklagte auf die Abrechnungen für August und September 2010, nach denen der Klägerin im August 2010 acht Stunden auf das Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden seien, die im September im Auszahlungsbetrag hinsichtlich des Arbeitszeitkontos enthalten seien. Die Arbeitszeit, die aufgrund der Tätigkeit der Klägerin in der Nacht vom 23.08.2010 zum 24.08.2010 zu berücksichtigen sei, sei daher vergütet worden.
28Einen Nachzahlungsanspruch auf Grundlage einer Verletzung des Equal-Pay-Prinzip des § 9 Ziff. 2 AÜG habe die Klägerin nicht.
29Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei den von der Klägerin behaupteten Arbeitsentgelten bei den Entleihern um solche für vergleichbare Mitarbeiter in den entliehenen Betrieben handele.
30Bei der Entscheidung des BAG zur Tariffähigkeit der CGZP handele es sich um eine Einzelfallentscheidung, die keinesfalls rückwirkende Bedeutung habe. Außerdem verweise der Arbeitsvertrag nicht nur auf Tarifverträge mit der CGZP, sondern auch auf die Tarifverträge, die der Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister mit den verschiedenen im Arbeitsvertrag genannten Einzelgewerkschaften geschlossen habe. Aus der Anwendung der Tarifverträge ergebe sich der vereinbarte Stundenlohn in Höhe von 7,35 € brutto.
31Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlungen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 313 Abs. 2 ZPO.
32Entscheidungsgründe:
33Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.
34I.
35Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. a ArbGG eröffnet, da die Parteien über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis streiten. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes Arnsberg folgt aus § 48 Abs. 1 a ArbGG. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen im Übrigen nicht.
36II.
37Soweit die Klägerin die Vergütung weiterer 8 Stunden begehrt, ist die Klage unbegründet. Im Übrigen war jedoch dem Klageantrag zu entsprechen.
381.
39Die Klägerin hat keinen Anspruch auf begehrte die Vergütung weiterer 8 Stunden für den Monat August 2010. Zwar wurden im Monat August 2010 unstreitig die Arbeitsstunden nicht berücksichtigt, die in der Nachtschicht in der Nacht vom 23.08.2010 zum 24.08.2010 angefallen waren. Die Beklagte hat jedoch ausweislich der Abrechnungen für August 2010 und September 2010 im August 2010 der Klägerin 8 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und diese sodann mit 2,75 weiteren Stunden auf dem Arbeitszeitkonto im September 2010 zur Auszahlung gebracht. Im Ergebnis sind die von der Klägerin geltend gemachten 8 Arbeitsstunden also vergütet worden. Ob die 8 Stunden einen Monat zu spät zur Auszahlung gebracht wurden oder das Arbeitszeitkonto auf einer wirksamen Rechtsgrundlage geführt wurde, kann dahingestellt bleiben.
40Da die für August geltend gemachten 8 Arbeitsstunden mithin bereits ausbezahlt und bei den Abrechnungen zu einem Stundensatz von 7,35 € brutto berücksichtigt wurden, stehen der Klägerin 58,80 € brutto (8 x 7,35 € brutto) weniger als eingeklagt zu. Dieser Betrag war daher von den eingeklagten 1.718,26 € brutto abzuziehen.
412.
42Im Übrigen ist die Klage begründet, da die Klägerin auf Grundlage der §§ 9 Abs. 1 Ziff. 2, 10 Abs. 4 AÜG zu den geltend gemachten Stundensätzen von 12,88 € brutto bzw. 13,77 € brutto zu vergüten war.
43Gemäß § 9 Ziff. 2 AÜG sind Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer schlechtere Arbeitsbedingungen als für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers vorsehen. Ausdrücklich verweist § 9 Abs. 1 Ziff. 2 AÜG insoweit auch auf das Arbeitsentgelt. Werden unter Verstoß gegen diese Vorschrift doch schlechtere Arbeitsbedingungen vereinbart, kann der Leiarbeitnehmer die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen gem. § 10 Abs. 4 AÜG verlangen. Etwas anderes gilt allerdings gem. § 9 Abs. 1 Ziff. 2 AÜG, wenn ein Tarifvertrag Anwendung findet.
44Die Klägerin hat folglich einen Anspruch auf den begehrten Differenzlohn, wenn die mit ihr vergleichbaren Leiharbeitnehmer in den Entleiherbetrieben besser vergütet wurden als sie und die geringere Vergütung nicht auf einen Tarifvertrag gestützt werden kann.
45Genau davon muss ausgegangen werden. Die Klägerin hat im Einzelnen dargestellt, aufgrund welcher in den Betrieben der Entleiher anwendbaren Tarifverträge welche Stundensätze bezahlt worden seien, nämlich 12,88 € im Betrieb der Firma C1 P1 A1 GmbH und 13,77 € im Betrieb Firma K1 K2 M1 GmbH & Co. KG.
46Diesen präzisen Sachvortrag hat die Beklagte nicht substantiiert, sondern nur pauschal bestritten. Die Beklagte hat lediglich in allgemeiner Form behauptet, dass es nicht richtig sei, dass die von der Klägerin behaupteten Arbeitsentgelte solche für vergleichbare Mitarbeiter in den entliehenen Betrieben seien (vgl. Schriftsatz d. Beklagten v. 07.01.2011, S. 33 d. A. und Schriftsatz d. Beklagten vom 14.02.2011, S. 58 d. A.).
47Damit konnte sie nicht gehört werden, da die Beklagte sich nicht gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 138 Abs. 2 ZPO ausreichend zu den von der Klägerin behaupteten Tatsachen erklärt hat. Die Erklärungspflicht nach dieser prozessualen Bestimmung ist Teil der beide Parteien treffenden prozessualen Förderungspflicht (Baumbach/Lauterbach, Zivilprozessordnung, 66. Auflage, § 138, Rn. 31).
48Grundsätzlich hat sich jede Partei so substantiiert zum gegnerischen Vorbringen zu erklären, wie die Gegenseite ihren Vortrag präzisiert hat. Eine pauschale Behauptung darf daher pauschal bestritten werden. Ein präzisier Sachvortrag muss hingegen entsprechend detailliert erörtert werden (BGH, Urteil v. 01.06.2005 – XII ZR 275/02 – NJW 2005, 1536).
49Die Beklagte hat vorliegend keinerlei Darstellung dazu vorgenommen, welche Stundenlöhne ihrer Meinung nach bei den beiden Entleiherbetrieben, in denen die Klägerin eingesetzt war, bezahlt wurden. Den nach den verschiedenen Entleiherbetrieben differenzierenden Sachvortrag der Klägerin hat die Beklagte daher keinen vergleichbar dezidierten Sachvortrag entgegengesetzt.
50Da die Klägerin hier nicht nur pauschal einen höheren Lohn behauptet hat, sondern im Einzelnen begründet hat, aufgrund welcher tarifvertraglichen Bestimmungen ihr 12,88 € bzw. 13,77 € brutto in der Stunde zustünden, hätte sich die Beklagte im Rahmen ihrer prozessualen Förderungspflicht dazu erklären müssen, welches Gehalt bei den Entleihern ihrer Auffassung nach für die Tätigkeit der Klägerin gezahlt wurde. Auch vor dem Hintergrund der Sachnähe gilt insoweit vorliegend nichts anderes. Die Beklagte hat aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu den Entleihern mindestens genauso gute, wenn nicht sogar bessere Möglichkeiten, den Sachverhalt zu recherchieren und darzustellen, welche Stundenlöhne bei den Entleihern gezahlt werden.
51Die Beklagte hat sich auch nicht dazu geäußert, ob bei den Entleihern ihrer Auffassung nach überhaupt Tarifverträge zur Anwendung kommen, obwohl die Klägerin zwei Tarifverträge genau bezeichnet hat.
52Damit ist sie auf den Sachvortrag der Klägerin überhaupt nicht eingegangen. Das pauschale Bestreiten der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin zu den Stundenlöhnen in den Entleiherbetrieben war daher nicht zu berücksichtigen. Vielmehr war von Stundensätzen von 12,88 € bzw. 13,77 € bei den Entleihern auszugehen.
53Dementsprechend musste angenommen werden, dass die Klägerin eine geringere Stundenvergütung erhalten hat als die Mitarbeiter der Entleiherbetriebe.
543.
55Die Beklagte durfte die Klägerin auch nicht im Hinblick auf einen Tarifvertrag im Sinne de § 9 Ziff. 2 2. Halbsatz AÜG schlechter vergüten als vergleichbare Mitarbeiter in den Entleiherbetrieben.
56Nach dieser Bestimmung darf ein Tarifvertrag in Durchbrechung des oben dargestellten Equal-Pay-Prinzips für Leiharbeitnehmer Vergütungsregelungen vorsehen, die Leiharbeitnehmer schlechter stellen als Mitarbeiter der Stammbelegschaften der Entleiher. Auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen die Anwendung solcher tariflicher Regelungen gem. § 9 Ziff. 2, 3. Halbsatz AÜG vereinbaren.
57Vorliegend sieht § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages zwar einen Verweis auf Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche vor. Dieser arbeitsvertragliche Verweis ist allerdings unwirksam. Außerdem ist nicht erkennbar, dass vorliegend überhaupt ein Tarifvertrag vorliegt, auf den wirksam Bezug genommen werden konnte.
58a)
59Die vertragliche Bestimmung des § 2 Ziff 1. des Arbeitsvertrages entfaltet im Hinblick auf § 305 c Abs. 2 BGB keine Wirkungen.
60Gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders.
61Da der hier verwendete Formulararbeitsvertrag offensichtlich für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen Anwendung finden sollte, liegen offensichtlich allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB vor.
62Dementsprechend muss § 2 Ziff. des Arbeitsvertrages ausreichend bestimmt formuliert sein, um – ohne Zweifel bei der Auslegung mit sich zu bringen – einen wirksamen Verweis auf bestimmte Tarifverträge zu enthalten.
63In § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages wird jedoch auf sämtliche Tarifverträge verwiesen, die zwischen dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister e. V. einerseits und einer ganzen Reihe verschiedener christlicher Gewerkschaften unterschiedlicher Branchen andererseits geschlossen wurde. Es bleibt dementsprechend völlig unklar, welche Tarifverträge welcher Gewerkschaft letztlich Anwendung finden sollen.
64Zwar ist naheliegend, dass gemeint war, dass die Tarifverträge Anwendung finden sollten, die von allen in § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages genannten Christlichen Gewerkschaften und der CGZP als ihrer Spitzenorganisation wirksam unterzeichnet wurden.
65Aus der Bestimmung des § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages ergibt sich dies jedoch nicht ohne Weiteres. Genauso gut ist denkbar, dass auf alle Tarifverträge Bezug genommen werden soll, die irgendeine der im Arbeitsvertrag genannten Einzelgewerkschaften oder der CGZP mit dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister e.V. geschlossen haben.
66Schließlich ist vorstellbar, dass sich der Verweis auf alle Tarifverträge bezieht, die entweder die CGZP oder die für das konkrete Arbeitsverhältnis branchenzuständige christliche Gewerkschaft mit dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister e.V. geschlossen hat.
67Weiter bleibt unklar, welcher Tarifvertrag eigentlich für den Fall Anwendung finden soll, dass die verschiedenen Christlichen Gewerkschaften unterschiedliche, einander widersprechende Tarifverträge mit dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister abschließen. Ob es solche Schwierigkeiten tatsächlich gibt, ist unbeachtlich.
68Im Hinblick auf diese Unklarheiten ist die Verweisungsklausel gemäß § 305 c Abs. 2 ZPO unwirksam. Im Arbeitsvertrag ist daher kein wirksamer Verweis auf einen Tarifvertrag enthalten, so dass sich die Beklagte nicht auf die Bestimmung des § 9 Ziff. 2, 3. Halbsatz AÜG berufen kann, d. h. eine Ausnahme vom Eqal-.pay-Grundsatz im Hinblick auf einen anzuwendenden Tarifvertrag liegt nicht vor.
69b)
70Selbst wenn der Arbeitsvertrag vom 05.07.2010 allerdings wirksam auf den Manteltarifvertrag vom 15.03.2010 und die weiteren von der CGZP und allen Einzelgewerkschaften unterzeichneten Tarifverträge verweisen sollte, kann vorliegend von keinen Tarifverträgen ausgegangen werden, auf die wirksam verwiesen werden konnte.
71(1)
72Soweit die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen den Manteltarifvertrag und ggf. weitere Tarifverträge unterzeichnet hat, ist darauf zu verweisen, dass das BAG mit dem Beschluss vom 14.12.2010 festgestellt hat, dass die CGZP keine tariffähige Spitzenorganisation im Sinne des § 2 Abs. 3 TVG ist. Ein solcher Beschluss wirkt nicht nur für und gegen die Beteiligten in dem vom BAG entschiedenen Beschlussverfahren, sondern für und gegen alle (BAG, Urteil v. 15.11.2006 – 10 AZR 665/05 – bei JURIS Rn. 21). Wollte man annehmen, dass eine rechtskräftige Entscheidung gemäß § 97 ArbGG nur zwischen den Beteiligten in dem jeweiligen Beschlussverfahren wirkte, machte die Regelung des § 97 Abs. 5 ArbGG offensichtlich keinen Sinn, wonach Verfahren, in denen es auf die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation ankommt, bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens auszusetzen sind.
73Auch handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei der Entscheidung des BAG um eine Feststellungs- und keine Gestaltungsentscheidung in Beschlussform. Der CGZP fehlte folglich bereits bei Abschluss der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge die Tariffähigkeit; die Tariffähigkeit wurde der CGZP nicht erst durch das Urteil des BAG vom 14.12.2010 entzogen.
74Die CGZP war mithin nicht befugt, Tarifverträge zu unterzeichnen, da sie keine Tariffähigkeit besaß. Ein Verweis im Sinne des § 9 Ziff. 2, 3. Halbsatz AÜG auf einen arbeitnehmerseits von der CGZP unterzeichneten Tarifvertrag ist daher unbeachtlich.
75(2)
76Insofern weitere Christliche Gewerkschaften den Manteltarifvertrag und weitere Tarifverträge unterzeichnet haben, steht die Tarifunfähigkeit der Einzelgewerkschaften zwar nicht fest. Ein Verweis auf die von diesen Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge ist jedoch ebenfalls nicht möglich, da ein Tarifvertrag im Sinne des § 9 Ziff. 2 2. Halbsatz AÜG nur ein Tarifvertrag sein kann, der spezifisch für die Zeitarbeitsbranche geschlossen wurde. Die Zuständigkeit einer der in § 9 Abs.1 Ziff. 2 2. Halbsatz AÜG genannten Einzelgewerkschaften für die Zeitarbeitsbranche ist aber nicht erkennbar.
77aa)
78Ein Tarifvertrag im Sinne des § 9 Ziff. 1 2. Halbsatz AÜG kann nur ein solcher für die Zeitarbeitsbranche sein. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz der genannten Regelung und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
79Systematisch stellt die im zweiten Halbsatz des § 9 Ziff. 2 AÜG genannte Möglichkeit, durch Tarifvertrag zu Ungunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Grundregel abzuweichen, eine Ausnahme zum ersten Halbsatz dar, in dem der Equal-Pay-Grundsatz festgeschrieben wird. Diese Ausnahme erklärt sich vor dem Hintergrund, dass nach der gesetzlichen Grundregel einem Leiharbeitnehmer stets das Gehalt gezahlt werden muss, das in dem jeweiligen Entleiherbetrieb gezahlt wird, indem er gerade eingesetzt wird (vgl. Erfurter-Kommentar – Wank, 11. Auflage, § 3 AÜG, Rn. 13 ff). Wird ein Leiharbeitnehmer nun in kurzer zeitlicher Abfolge bei verschiedenen Entleihern verschiedener Branchen eingesetzt (wie etwa vorliegend auch die Klägerin), so führt dies dazu, dass bei Berechnung des Arbeitsentgelts nach der gesetzlichen Grundregelung des § 9 Ziffer 2, 1. Halbsatz AÜG ganz unterschiedliche Stundenlöhne und Tarifwerke beachtet werden müssen. Dies führt zu einem erheblichen Aufwand bei der Administration der Arbeitsverhältnisse für den Arbeitgeber und zu einem ggf. stark schwankenden Entgelt. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit gegeben speziell für die Arbeitnehmerüberlassungsbranche einheitliche Arbeitsbedingungen festzulegen, die unabhängig von den Regelungen bei den Entleihern gelten. Der Gesetzgeber hat insoweit darauf vertraut, dass die Tarifvertragsparteien insgesamt angemessene Arbeitsbedingungen vereinbaren.
80Was in diesem Sinne angemessene Arbeitsbedingungen sind, lässt sich jedoch nur unter Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse in der Zeitarbeitsbranche beurteilen. Auch die Tarifvertragsparteien können angemessene Lösungen insoweit nur vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Verhältnisse in der Zeitarbeitsbranche finden.
81Daraus folgt aber, dass die in § 9 Ziffer 2, 3 Halbsatz vorgesehene Möglichkeit für nicht-tarifgebundene Parteien, die Anwendung eines Tarifvertrages im Sinne des § 9 Ziffer 2, 2. Halbsatz zu vereinbaren, nur meinen kann, dass ein Tarifvertrag in Bezug genommen werden darf, der spezifisch für die Zeitarbeitsbranche abgeschlossen wurde.
82Sinn und Zweck des § 9 Ziffer 2, 3. Halbsatz AÜG ist ersichtlich nicht, einem Verleiher die Möglichkeit zu geben, durch Formulararbeitsvertrag einen für ihn möglichst günstigen Tarifvertrag irgendeiner Branche in Bezug zu nehmen. Vielmehr ist vor dem Hintergrund der obigen Überlegungen ersichtlich nur der Verweis auf einen Tarifvertrag für die Zeitarbeitsbranche gemeint.
83Auch wenn grundsätzlich in einem Arbeitsvertrag der Verweis auf einen branchenfremden Tarifvertrag möglich sein mag, ist der in § 9 Ziffer 2, 2. Halbsatz vorgesehene Equal-Pay-Grundsatz nur im Hinblick auf Tarifverträge tarifdispositiv, die die spezifisch für die Zeitarbeitsbranche geschlossen wurden.
84bb)
85Es ist jedoch nicht erkennbar, dass auch nur eine der im Arbeitsvertrag aufgeführten Gewerkschaften für die Zeitarbeitsbranche satzungsgemäß zuständig war. Die Beklagte hat die von der Klägerin insoweit gemachten substantiierten Ausführungen zu den Zuständigkeiten der Einzelgewerkschaften nicht in Frage gestellt (Schriftsatz der Klägerin vom 20.01.2011, S. 3, S. 53 d. A.).
86Es wäre vor dem Hintergrund des Sachvortrages der Klägerin für die Beklagte aber geboten gewesen, im Einzelnen darzustellen, welche Christliche Einzelgewerkschaft aufgrund welcher satzungsgemäßen Bestimmung vorliegend berechtigt gewesen sein sollte, einen Tarifvertrag in der Zeitarbeitsbranche zu schließen.
87Vorliegend dürfte die Zuständigkeit einer der im Arbeitsvertrag genannten Einzelgewerkschaften für die Zeitarbeitsbrache auch deshalb nicht gegeben sein, da im Falle einer solchen Zuständigkeit offensichtlich keine Spitzenorganisation im Sinne des § 2 Abs. 3 TVG gegründet worden wäre.
88(3)
89Der Verweis auf die in § 2 des Arbeitsvertrages genannten Tarifverträge ist daher nicht nur im Hinblick auf § 305c Absatz 2 BGB unwirksam, sondern auch weil die CGZP nicht tariffähig ist und die im Arbeitsvertrag genannten Einzelgewerkschaften nicht der Zeitarbeitsbranche zuzuordnen sind und daher den Equal-Pay-Grundsatz des § 9 Ziffer 2, 1. Halbsatz AÜG nicht tarifvertraglich abbedingen durften.
903.
91Da die Beklagte sich nicht auf einen Tarifvertrag im Sinne des § 9 Ziff. 2 2. Halbsatz AÜG berufen kann und von Stundenlöhnen in Höhe von 12,88 Euro brutto bzw. 13,77 Euro brutto auszugehen war, war der Klage unter Berücksichtigung des Abzuges des zu Unrecht geltend gemachten Gehaltes für die 8 Stunden im August stattzugeben.
92III.
93Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zu tragen, da die unterlegende Partei die Kostentragungspflicht trifft und die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig gering im Sinne der vorgenannten Vorschrift war.
94Der gem. § 61 Absatz 1 ArbGG festzusetzende Urteilsstreitwert, der hier mit dem Gesamtstreitwert identisch ist, entspricht dem eingeklagten Betrag.