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Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, dem Kläger 134 rückständige Urlaubstage (per 31.12.2008) zu gewähren und ihm einhergehend mit der Gewährung dieses rückständigen Urlaubs Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der zu Kläger 63 % und die Beklagte zu 2 zu 37 %.
Der Streitwert wird auf 66.620,30 € festgesetzt.
Tatbestand :
2Die Parteien streiten um Zahlungs- und Urlaubsansprüche.
3Der Kläger ist am 14.04.1965 geboren und ledig. Er war seit dem 01.08.1981 bei der Beklagten zu 1 beschäftigt. Die Beklagte zu 1 stellte Aufzugsanlagen her und war zudem mit der Wartung von Aufzugsanlagen befasst. Insofern verfügte sie einerseits über einen Bereich Produktion/Neuanlagen sowie andererseits über einen Bereich Wartung/Technisches Büro/Neubaumontage/Büro. Der Kläger war im Bereich Wartung/Technisches Büro/Neubaumontage/Büro tätig.
4Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 27.07.1984. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Arbeitsvertrag (Bl. 100 ff d. A.) Bezug genommen.
5Bei der Beklagten zu 1 bestand eine Praxis, dass im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaubstage unbegrenzt auf die Folgejahre übertragen wurden. Diese Praxis wurde auch in den Lohnabrechnungen dokumentiert. So verfügte der Kläger Ende 2004 über 81,5 Resturlaubstage, Ende 2005 über 105 Resturlaubstage, Ende 2006 über 108 Resturlaubstage, Ende 2007 über 120 Resturlaubstage sowie Ende 2008 über 134 Resturlaubstage. Insofern wird auch auf die vom Kläger eingereichten Lohnabrechnungen für die Monate Dezember 2005, 2006, 2007 und 2008 (Bl. 7 f. bzw. Bl. 13 ff. d. A.) Bezug genommen.
6Weiterhin wurde bei der Beklagten zu 1 einhergehend mit der Urlaubsgewährung ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns gezahlt. Insofern wird exemplarisch auf die Lohnabrechnung für den Monat Dezember 2005 (Bl. 13 d. A.) Bezug genommen.
7Bei der Beklagten zu 1 wurde zudem in der Vergangenheit Mehrarbeit geleistet. Mehrarbeitsstunden wurden ebenfalls in den Lohnabrechnungen dokumentiert. Insofern wird auf die vorgelegten Lohnabrechnungen (Bl. 7 f. bzw. Bl. 13 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte zu 1 vergütete Überstunden mit einem Überstundenzuschlag von 25 %. Außerdem führte die Beklagte zu 1 hinsichtlich der Überstunden ein Arbeitszeitkonto. Der Kläger verfügte Ende 2008 auf seinem Arbeitszeitkonto über ein Arbeitszeitguthaben von 80 Stunden.
8Am 20.11.2008 beschloss die Beklagte zu 1 mit ihrem Betriebsrat eine Vereinbarung (Bl. 117 d. A.), die den nachfolgenden Inhalt hatte:
9Betriebsvereinbarung
10Geschäftsleitung und Betriebsrat vereinbaren, daß Urlaubsansprüche von Mitarbeitern aus der Übertragung von Vorjahren unverfallbar sind und spätestens beim Ausscheiden eines Mitarbeiters vergütet oder gewährt werden.
11Urlaubsansprüche, die ab 2006 entstanden sind, sind spätestens bis zum 31.03. des Folgejahres zu nehmen.
12Ausgenommen sind nur Fälle, in denen aufgrund betrieblicher Erfordernisse der Urlaub nach Genehmigung durch den Meister bzw. Abteilungsleiter übertragen werden kann.
13M1, 20.11.2008
14……………………………… …………………………..
15Geschäftsleitung Betriebsrat
16Ende des Jahres 2008 geriet die Beklagte zudem in wirtschaftliche Schwierigkeiten.
17Zur Sanierung des Unternehmens legte die Beklagte zu 1 ihren Mitarbeitern Vereinbarungen vor, ausweislich derer die Mitarbeiter insbesondere auf Resturlaubsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2007 sowie auf Mehrarbeitsvergütung bezogen auf die Zeit bis zum 31.12.2007 verzichten sollten. Wegen der Einzelheiten wird auf den vom Kläger vorgelegten Entwurf einer solchen Vereinbarung (Bl. 9 d. A.) Bezug genommen.
18Der Kläger unterzeichnete die ihm vorgelegte Vereinbarung nicht.
19Zum Zwecke der Sanierung des Unternehmens schloss die Beklagte sodann am 17.01.2009 mit der IG Metall einen Sanierungsvertrag. Dieser enthielt in § 3 die nachfolgende Bestimmung
20Aus den in der Präambel genannten Gründen wird auf 50 % des Lohnes bzw. des Gehaltes für den Monat Dezember 2008, sowie die Ansprüche auf Leistungen aus Urlaubs- und Arbeitszeitkonten, soweit diese bis einschließlich 31.12.2007 entstanden sind, verzichtet.
21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Sanierungstarifvertrag (Bl. 40 ff. d. A.) Bezug genommen.
22Mit Schreiben vom 14.01.2009 ließ der Kläger aus seiner Sicht rückständige Mehrarbeitsvergütungs- und Urlaubsvergütungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 geltend machen (Bl. 10 ff. d. A.).
23Im Frühjahr 2009 traf die Beklagte zu 1 den Entschluss, den Bereich Wartung/Technisches Büro/Neubaumontage/Büro, das heißt das sogenannte operative Geschäft abzuspalten und es mit Wirkung zum 01.08.2009 an die Beklagte zu 2 zu übertragen.
24Mit der Lohnabrechnung für den Monat Juli 2009 (Bl. 130 d. A.) leistete die Beklagte zu 1 eine Nachzahlung im Hinblick auf die noch rückständige halbe Dezembervergütung sowie im Hinblick auf noch 80 offene Stunden aus dem Arbeitszeitkonto in einer Gesamthöhe von 3.395,70 €. Diese Nachzahlung wurde in der Lohnabrechnung ausgewiesen mit "NZ ant.Lohnverz. und ZK".
25Mit Wirkung zum 01.08.2009 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2 über.
26Mit seiner am 27.04.2009 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 22.900,61 € sowie Urlaubsvergütung für 134 Urlaubstage begehrt. Er hat seine Klage sodann hinsichtlich der Mehrarbeitsvergütung auf den Umfang der 80 unstreitigen Mehrarbeitsstunden, d.h. konkret auf einen Betrag in Höhe von 1.616,80 € reduziert. Er meint, die 80 Mehrarbeitsstunden seien noch zu vergüten. Er ist insofern der Ansicht, die Erteilung einer Lohnabrechnung für den Monat Juli 2009 belege nicht die Erfüllung der streitigen Forderung.
27Hinsichtlich der Urlaubsproblematik vertritt der Kläger die Ansicht, ihm stünden noch 134 Urlaubstage aus der Zeit bis zum 31.12.2008 zu. Die Beklagten seien als Gesamtschuldner verpflichtet, für diesen Urlaub eine Geldentschädigung zu zahlen. Der Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung ergebe sich hier gemäß § 250 BGB. Die Urlaubsansprüche seien außergerichtlich unter Fristsetzung geltend gemacht worden. Sie seien aber von der Beklagten weder in Natur noch durch Geldzahlung erfüllt worden. Spätestens seit Klageerhebung bestehe infolgedessen ein Anspruch auf Geldersatz.
28In diesem Zusammenhang sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger pro Urlaubstag 161,70 € als Urlaubsvergütung zu zahlen. Insofern sei der Stundenlohn von 16.71 € mit 10 Arbeitsstunden pro Tag zu multiplizieren. In der Vergangenheit habe die Beklagte Urlaubstage und auch Feiertage jeweils mit 10 Stunden pro Tag abgerechnet. Zusätzlich sei die Beklagte verpflichtet, 50 % des Urlaubsentgelts als zusätzliches Urlaubsgeld zu zahlen. Insofern errechnet der Kläger einen Gesamtabgeltungsanspruch in Höhe von 32.501,70 €.
29Für den Fall, dass ein Zahlungsanspruch nicht besteht, begehrt der Kläger von den Beklagten die Gewährung von 134 bis zum 31.12.2008 aufgelaufenen Urlaubstagen. Im Hinblick auf den Betriebsübergang sieht er insofern zunächst die Beklagte zu 2 verpflichtet. Hilfsweise nimmt er auch die Beklagte zu 1 in Anspruch. Er verweist darauf, dass einhergehend mit der Gewährung dieser Urlaubstage auch das zusätzliche Urlaubsgeld zu zahlen sei.
30Der Kläger beantragt,
31die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 34.118,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 18.941,04 € seit dem 04.05.2009 und auf 15.177,46 € seit dem 23.11.2009 zu zahlen.
32Er beantragt hilfsweise,
33die Beklagte zu 2 zu verurteilen, ihm 134 rückständige Urlaubstage (per 31.12.2008) zu gewähren und ihm einhergehend mit der Gewährung dieses rückständigen Urlaubs Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns zu zahlen,
34Er beantragt weiter hilfsweise,
35die Beklagte zu 1 zu verurteilen, ihm 134 rückständige Urlaubstage per 31.12.2008 zu gewähren und ihm einhergehend mit der Gewährung dieses rückständigen Urlaubs Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns zu zahlen.
36Die Beklagten beantragen,
37die Klage abzuweisen.
38Sie sind der Ansicht, Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung bestünden nicht. Die zuvor zugunsten des Klägers begründeten Mehrarbeitsvergütungsansprüche für 80 Mehrarbeitsstunden aus dem Arbeitszeitkonto seien im Juli 2009 vergütet worden. Weitere Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung bestünden nicht.
39Im Übrigen bestünden auch rückständige Urlaubsansprüche aus verschiedenen Gründen nicht.
40Zunächst einmal seien die Urlaubsansprüche des Klägers gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen.
41Zudem sei ein Verfall auch nach tarifvertraglichen Vorschriften eingetreten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde der einheitliche Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. Auch gemäß § 11 EMTV seien die dem Kläger zustehenden Urlaubsansprüche spätestens drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen.
42Im Übrigen seien die Ansprüche nach § 3 des Sanierungstarifvertrags vom 17. Januar 2009 in Wegfall geraten. Der von der Gewerkschaft vereinbarte Verzicht gelte auch für den Kläger. Der Verzicht stelle auch keinen Verstoß gegen das Bundesurlaubsgesetz dar, da auch nach dem Bundesurlaubsgesetz die Mindesturlaubsansprüche eines Jahres nach dem 31.03. des Folgejahres verfallen. Der Verzicht sei auch in der Sache ausgewogen. Er werde dadurch kompensiert, dass betriebsbedingte Kündigungen im Sanierungstarifvertrag ausgeschlossen worden seien.
43Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe :
45I.
46Die Klage ist im stattgegebenen Umfang begründet.
471.)
48Die Klage ist allerdings unbegründet, insofern der Kläger von den Beklagten Zahlung begehrt. Denn Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagten bestehen hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderungen nicht.
49a)
50Dies gilt zunächst, insofern der Kläger von den Beklagten Leistung rückständiger Mehrarbeitsvergütung begehrt.
51Insofern stehen zwischen den Parteien nach der Klagerücknahme des Klägers nur noch 80 Mehrarbeitsstunden im Streit. Dem Kläger ist zuzugeben, dass nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien der Kläger Ende 2008 noch über 80 Mehrarbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto verfügte.
52Diesen Mehrarbeitsvergütungsanspruch hat die Beklagte allerdings mit der Zahlung der Vergütung für den Monat Juli 2009 erfüllt.
53Die Beklagte hat dargelegt, dass sie dem Kläger mit der Vergütung für den Monat Juli eine Nachzahlung bezogen auf die halbe Vergütung des Monats Dezember 2008 sowie auf 80 Überstunden in einer Gesamthöhe von 3.395,70 € brutto geleistet hat.
54Damit hat sie plausibel die Erfüllung der streitigen Mehrarbeitsvergütungsansprüche des Klägers dargelegt. Denn der Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für 80 Mehrarbeitsstunden beläuft sich entsprechend den Berechnungen des Klägers unter Berücksichtigung eines 25 %igen Überstundenzuschlags auf etwa 1.616,80 € brutto. Werden andererseits für die halbe Vergütung des Monats Dezember 100 Arbeitsstunden à 16,17 € zu Grunde, so ergibt sich ein weiterer Betrag in Höhe von 1.617,-- €. Unter Berücksichtigung dieses Zahlenwerks erscheint es für das Gericht plausibel, dass die Beklagte mit der Nachzahlung in Höhe von 3.395,70 € sowohl die Nachzahlungsansprüche für den halben Monat Dezember als auch die streitigen Mehrarbeitsvergütungsansprüche in vollem Umfang befriedigt hat.
55In der gegebenen Situation hätte es dem Kläger oblegen, substantiiert zum Erfüllungseinwand der Beklagten Stellung zu nehmen. Es hätte ihm insbesondere oblegen darzulegen, dass die in der Lohnabrechnung niedergelegten Zahlungen tatsächlich nicht erfolgt sind. Da ein solches substantiiertes Bestreiten nicht erfolgt ist, geht das Gericht davon aus, dass Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung des Klägers bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr bestehen.
56b)
57Der Kläger kann von den Beklagten auch keine Abgeltung offener Urlaubstage begehren.
58aa)
59Dies gilt zunächst im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. Denn gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist eine Urlaubsabgeltung im bestehenden Arbeitsverhältnis ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 15.03.2005, 9 AZR 143/04, juris).
60Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich ein Entschädigungsanspruch vorliegend auch nicht aus § 250 BGB herleiten.
61Zwischen den Parteien stehen Urlaubsansprüche und keine Schadensersatzansprüche im Streit. Es ist vom Kläger nicht dargelegt, dass von ihm beantragter Urlaub von der Beklagten nicht bewilligt wurde und insofern der Urlaubsanspruch sich mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums in einen Schadensersatzanspruch wegen nicht gewährten Urlaubs umgewandelt hat. Vielmehr geht die Argumentation des Klägers dahin, dass die originären Urlaubsansprüche von der Beklagten jeweils auf die Folgejahre übertragen wurden. Da hier somit originäre Urlaubsansprüche und keine Schadensersatzansprüche wegen nicht gewährten Urlaubs im Streit stehen, scheidet schon insofern eine Anwendung der Regelung des § 250 BGB aus.
62Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass hier kein originärer Urlaubsanspruch, sondern ein Schadensersatzanspruch wegen nicht gewährtem Urlaub im Streit stünde, so richtete sich dieser gemäß § 249 BGB auf Naturalrestitution. Eine Entschädigung in Geld käme auch insofern nicht in Betracht. Denn das Verbot, einen Urlaubsanspruch in Geld abzugelten, gilt im fortbestehenden Arbeitsverhältnis auch für den Schadensersatzanspruch, der nach rechtswidriger Ablehnung eines Urlaubsantrags an die Stelle des Urlaubsanspruchs getreten ist. § 250 BGB wird insofern auch bezogen auf den Schadensersatzanspruch wegen nicht gewährten Urlaubs von den urlaubsrechtlichen Sonderregeln verdrängt (LAG Köln, Urteil vom 25.09.2002, 7 Sa 440/02, juris).
63Der Kläger kann von der Beklagten zu 2 auch nicht die Zahlung von Urlaubsgeld bezogen auf den bis zum 31.12.2008 entstandenen Urlaub begehren. Denn das Urlaubsgeld wurde auf Beklagtenseite stets in Abhängigkeit von der tatsächlichen Inanspruchnahme von Urlaubstagen gewährt. So lange daher die Urlaubstage tatsächlich nicht in Natur in Anspruch genommen werden, sind auch die Ansprüche auf Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgelds nicht fällig. Diese Ansprüche teilen insofern das Schicksal des Urlaubs- bzw. Urlaubsentgeltsanspruchs (BAG, Urteil vom 19.05.2009, 9 AZR 477/07, juris).
64Nach alledem bestehen unter dem Gesichtspunkt des Urlaubs keine Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2.
65bb)
66Der Kläger hat unter dem Gesichtspunkt des Urlaubs auch keine Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 1.
67Zwar ist das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 01.08.2009 von der Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Auch wenn insofern nunmehr ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 nicht mehr besteht, ist ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht entstanden, da das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung durch die Beklagte zu 2 fortgesetzt wurde. Das im Wege des Betriebsübergangs übergegangene Arbeitsverhältnis ist insofern urlaubsrechtlich einem beendeten Arbeitsverhältnis nicht gleichzusetzen (BAG, Urteil vom 02.12.1999, 8 AZR 774/09, juris).
68Ein Entschädigungsanspruch des Klägers lässt sich auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1 nicht aus § 250 BGB herleiten. Ebenso besteht auch im Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1 kein zur Auszahlung fälliger Urlaubsgeldanspruch. Hinsichtlich dieser Gesichtspunkte kann auf die Ausführungen zu 1.) b) aa) Bezug genommen werden.
69Mithin bestehen keine Zahlungsansprüche des Klägers gegenüber den Beklagten.
702.)
71Die Klage ist aber zulässig und begründet, insofern der Kläger mit seinem Hilfsantrag beantragt, die Beklagte zu 2 zu verurteilen, ihm 134 rückständige Urlaubstage zu gewähren und ihm einhergehend mit der Gewährung dieses rückständigen Urlaubs Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns zu zahlen.
72a)
73Die Klage ist insofern zulässig.
74Eine Leistungsklage auf Urlaubsgewährung ohne bestimmte Zeitangabe ist zulässig (BAG, Urteil vom 21.02.1995, 9 AZR 675/93; Erfurter Kommentar/Dörner, 10. Auflage, § 7 BUrlG, Rz. 30).
75Dabei ist nicht zu verkennen, dass ein urlaubsrechtlicher Leistungsantrag ohne bestimmte Zeitangabe im Rahmen der Umsetzung eines obsiegenden Urteils durchaus nicht unproblematisch ist. Denn es obliegt sodann noch den Parteien, entsprechend § 7 BUrlG die zeitliche Lage des zu gewährenden Urlaubs festzulegen. Es besteht insofern auch die Gefahr, dass materiell rechtliche Probleme in die Vollstreckung verlagert werden (vgl. Erfurter Kommentar/Dörner, 10. Auflage, § 7 BUrlG, Rz. 30). Gleichwohl ist der Leistungsantrag auf Urlaubsgewährung ohne bestimmte Zeitangabe zulässig, da es an einem anderweitigen sachgerechteren Klageantrag fehlt. Ein bloßer Feststellungsantrag dergestalt, dass noch ein bestimmter Urlaubsanspruch für einen bestimmten Zeitraum besteht, ist weniger Rechtsschutz intensiv als der Leistungsantrag. Ein Leistungsantrag auf Gewährung von Urlaub für einen bestimmten Zeitraum birgt die Gefahr, dass er sich im Verlaufe des Rechtsstreits durch Zeitablauf erledigt.
76Vor diesem Hintergrund ist der Leistungsantrag ohne bestimmte Zeitangabe zulässig.
77Das Gericht erachtet die Klage auch im Hinblick auf den zweiten Halbsatz des Klageantrags für zulässig. Bei der Formulierung des Klägers "ihm einhergehend mit der Gewährung dieses rückständigen Urlaubs Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns zu zahlen" handelt es sich nicht um einen echten eigenen Leistungsantrag, sondern um einen unselbständigen Annex zum Urlaubsgewährungsantrag.
78Gerade im Hinblick darauf, dass bei einem Antrag auf Urlaubsgewährung ohne bestimmte Zeitangabe die Umsetzung eines obsiegenden Urteils erhebliche Probleme bereiten kann, besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers im Vorfeld regelbare Gesichtspunkte der Urlaubsgewährung bereits im Erkenntnisverfahren regeln zu lassen. Insofern hat der Kläger auch ein berechtigtes Interesse an der Klarstellung, dass mit der zukünftigen Urlaubsgewährung einhergehend auch ein Urlaubsgeld gezahlt wird.
79Nach alledem ist die Klage im Hinblick auf den Hilfsantrag insgesamt zulässig.
80b)
81Die Klage ist bezogen auf den Hilfsantrag auch begründet.
82Der Kläger kann von der Beklagten zu 2 die Gewährung von 134 bis zum 31.12.2008 rückständigen Urlaubstagen verlangen.
83aa)
84Der Kläger hat in der Zeit bis zum 31.12.2008 insgesamt 134 Urlaubstage aus dem Jahr 2008 bzw. den Vorjahren nicht in Anspruch genommen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus den vom Kläger jeweils vorgelegten Lohnabrechnungen.
85bb)
86Diese 134 rückständigen Urlaubstage sind auch bislang nicht durch Erfüllung erloschen. Jedenfalls haben die Beklagten eine teilweise Erfüllung von Urlaubsansprüchen des Klägers aus den Jahren bis 2008 durch Urlaubsgewährung etwa in den Jahren 2009 oder 2010 nicht dargelegt.
87cc)
88Die Urlaubsansprüche des Klägers sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Insofern ist den Beklagten zuzugeben, dass gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss und eine Übertragung des Urlaubs regelmäßig nur auf das erste Quartal des Folgejahres erfolgen kann.
89Zu berücksichtigen ist aber auch, dass gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes zwar nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers aber zu Gunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Insofern ist es auch möglich, abweichend von der Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG durch Einzelarbeitsvertrag oder betriebliche Übung zu vereinbaren, dass Urlaubsansprüche später als in § 7 Abs. 3 BUrlG vorgesehen oder gar nicht verfallen (BAG, Urteil vom 21.06.2005, 9 AZR 200/04, juris).
90Vorliegend bestand bei der Beklagten zu 1 eine betriebliche Übung, dass Urlaubsansprüche, die im Urlaubsjahr nicht in Anspruch genommen wurden, unbegrenzt auf die Zukunft übertragen wurden.
91Ein Anspruch aus betrieblicher Übung wird durch rechtgeschäftliche Übereinkunft begründet. Auf Grund einer regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers können die Arbeitnehmer schließen, ihnen solle eine Leistung oder ein Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu beurteilenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (BAG, Urteil vom 21.06.2005, 9 AZR 200/04, juris).
92Dass bei der Beklagten zu 1 eine betriebliche Übung dahin gehend bestand, Urlaubsansprüche aus den Vorjahren unbegrenzt auf die Folgejahre zu übertragen, ergibt sich schon aus den vorgelegten Lohnabrechnungen. In diesen Lohnabrechnungen wird die Praxis der Urlaubsübertragung ausdrücklich dokumentiert.
93Unabhängig von den Lohnabrechnungen gibt es zudem weitere Anhaltspunkte, die belegen, dass bei der Beklagten zu 1 Urlaub aus den Vorjahren unbegrenzt übertragen wurde.
94Mit Betriebsvereinbarung vom 20.11.2008 hat die Beklagte zu 1 mit ihrem Betriebsrat vereinbart, dass Urlaubsansprüche von Mitarbeitern aus der Übertragung von Vorjahren unverfallbar sind und spätestens beim Ausscheiden eines Mitarbeiters vergütet oder gewährt werden. Damit haben die Betriebsparteien eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Regelung bestätigt. Die im zweiten Satz der Betriebsvereinbarung enthaltene Regelung, dass Urlaubsansprüche, die ab 2006 entstanden sind, spätestens bis zum 31.03. des Folgejahres zu nehmen sind, dokumentiert, dass bei der Beklagten zu 1 jedenfalls bis Ende 2008 eine Übung bestand, ältere Urlaubsansprüche nicht verfallen zu lassen. Jeder Hinweis auf Urlaubsansprüche, die im Jahre 2006 entstanden sind, wäre Ende 2008 obsolet gewesen, wenn entsprechend der gesetzlichen Regelung diese Urlaubsansprüche bereits zum 31.03.2007 verfallen wären.
95Auch § 3 des Sanierungstarifvertrags vom 19.01.2009 bestätigt, dass bei der Beklagten zu 1 Urlaubsansprüche nicht entsprechend der gesetzlichen Regelungen verfallen sind. Denn nur weil nach der Praxis der Beklagten zu 1 Urlaubsansprüche nicht verfielen, bestand für die Tarifvertragsparteien Anfang 2009 ein Bedürfnis in § 3 des Sanierungstarifvertrags zu regeln, dass auf Urlaubsansprüche, die bis zum 31.12.2007 entstanden waren, verzichtet werden sollte.
96Im Hinblick auf die bei der Beklagten zu 1 existierende betriebliche Übung bestand ein individualrechtlicher Anspruch des Klägers darauf, Urlaub über das Urlaubsjahr und den Übertragungszeitraum hinaus unbegrenzt geltend machen zu können.
97Diesen einzelvertraglichen Anspruch aus betrieblicher Übung, der ursprünglich im Verhältnis zur Beklagten zu 1 begründet wurde, kann der Kläger gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auch gegenüber der Beklagten zu 2 geltend machen. Nach alledem sind die Urlaubsansprüche des Klägers nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen.
98dd)
99Die Ansprüche sind auch nicht gemäß § 11 EMTV verfallen.
100Es kann insofern dahin stehen, in welchem Umfang die Regelungen des einheitlichen Manteltarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Im Hinblick auf die bei der Beklagten zu 1 praktizierte betriebliche Übung kommt ein Verfall von Urlaubsansprüchen auch gemäß § 11 EMTV nicht in Betracht. Insofern kann auf die Ausführungen zu cc) verwiesen werden.
101ee)
102Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht im Hinblick auf die Betriebsvereinbarung vom 20.11.2008 verfallen. Dies gilt selbst dann, wenn die Regelungen der Betriebsvereinbarung so zu verstehen sind, dass zukünftig Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer zum 31.03. des Folgejahres verfallen. Denn durch die Regelungen der Betriebsvereinbarung konnte der zuvor begründete individualrechtliche Anspruch des Klägers nicht beseitigt werden. Denn individualrechtlich begründete Ansprüche können nach dem Günstigkeitsprinzip nicht durch ungünstigere Regelungen einer Betriebsvereinbarung abgelöst werden (BAG, Urteil vom 28.03.2000, 1 AZR 366/99, juris).
103ff)
104Die Urlaubsansprüche des Klägers sind auch nicht im Hinblick auf die Regelungen des Sanierungstarifvertrags vom 19.01.2009 untergegangen.
105Die Regelungen des Sanierungstarifvertrags finden im Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung.
106Regelungen eines Tarifvertrags – auch eines Haus-Sanierungstarifvertrags – können ein Arbeitsverhältnis auf unterschiedliche Art und Weise erfassen. In Betracht kommt zunächst eine Anwendbarkeit des Tarifvertrags unter dem Gesichtspunkt der Allgemeinverbindlichkeit. Der Sanierungstarifvertrag vom 19.01.2009 ist aber nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden.
107In Betracht kommt weiterhin eine Geltung des Tarifvertrags auf Grund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit gemäß § 3 Abs. 3 TVG. Zwar war die Beklagte zu 1 als Tarifvertragspartei des Sanierungstarifvertrags tarifgebunden. Die Tarifbindung des Klägers ist aber nicht gegeben. Denn dieser ist nicht Mitglied der tarifschließenden IG Metall.
108Eine Geltung des Tarifvertrags ergibt sich auch nicht auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung. Die Geltung des Sanierungstarifvertrags ist von den Arbeitsvertragsparteien weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden.
109Vor diesem Hintergrund sind die Urlaubsansprüche des Klägers auch nicht im Hinblick auf den Sanierungstarifvertrag vom 19.01.2009 untergegangen.
110gg)
111Die Ansprüche sind auch nicht auf Grund eines individualrechtlichen Verzichts des Klägers untergegangen. Denn der Kläger hat die diesbezüglich von der Beklagten zu 1 vorgelegte Vereinbarung nicht unterzeichnet.
112hh)
113Die klägerischen Urlaubsansprüche sind auch nicht aufgrund der Ausschlussfrist des § 19 EMTV verfallen. Auch insofern kann dahin stehen, inwiefern die Ausschlussfrist des § 19 EMTV im Arbeitsverhältnis der Parteien allgemein zur Anwendung kommt. Im Hinblick auf die bei der Beklagten zu 1 bestehende Praxis, Urlaub unbegrenzt auf Folgejahre zu übertragen, ist der Kläger nach wie vor berechtigt, seine Urlaubsansprüche aus den Vorjahren in Natur in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn § 19 EMTV vorliegend Anwendung findet, sind die Urlaubsansprüche des Klägers nach dieser Regelung nicht verfallen.
114ii)
115Der Urlaubsgewährungsanspruch für Alturlaub besteht auch in der geltend gemachten Höhe von 134 Urlaubstagen.
116Insofern ist den Beklagten zuzugeben, dass die Übertragung von 12 Urlaubstagen aus dem Jahr 2008 von ihnen nicht in Abrede gestellt worden ist.
117Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese Urlaubstage im Jahre 2009 oder 2010 in Natur gewährt wurden und der Urlaubsgewährungsanspruch insofern teilweise erloschen ist.
118Die Urlaubsansprüche sind auch nicht mit dem Ablauf des Jahres 2009 verfallen. Denn nach den im Arbeitsverhältnis des Klägers maßgeblichen Regelungen ist nicht genommener Urlaub unbegrenzt übertragbar. Dies gilt auch für den anteiligen Resturlaub von 12 Urlaubstagen aus 2008, der von der Beklagten zu 1 auf das Jahr 2009 übertragen wurde.
119Somit kann der Kläger nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand die Gewährung von 134 Tagen bis zum 31.12.2008 entstandenen Urlaubs begehren.
120jj)
121Die Beklagte zu 2 ist schließlich klar stellend auch zu verurteilen, dem Kläger einhergehend mit der Gewährung des rückständigen Urlaubs ein Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns zu zahlen. Denn der Kläger hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, dass ihm bei der Gewährung von Urlaubstagen zusätzlich zu seiner Urlaubsvergütung auch ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubslohns gezahlt wird.
122Nach alledem ist die Beklagte zu 2 zu verurteilen, dem Kläger 134 rückständige Urlaubstage (per 31.12.2008) zu gewähren und ihm einhergehend mit der Gewährung dieses rückständigen Urlaubs Urlaubsgeld in Höhe 50 % des Urlaubslohns zu zahlen.
123II.
124Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 61 ArbGG, 3 ZPO. Für den Klageantrag zu 1 wird der Nominalbetrag in Ansatz gebracht. Der Hilfsantrag wird nach dem wirtschaftlichen Wert von 134 Urlaubstagen unter Berücksichtigung von Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld nach den Angaben des Klägers bemessen. Dabei handelt es sich um einen Betrag in Höhe von 32.501,70 €. Im Urteilsstreitwert sind nur die Streitgegenstände zu berücksichtigen, über die streitig entschieden wurde (R6, Das moderne Kostenrecht im arbeitsgerichtlichen Verfahren, NZA 2007, 900 ff).
125Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung sind anders als bei der Streitwertfestsetzung auch die Streitgegenstände zu berücksichtigen, über die nicht streitig entschieden wurde (R6, Das moderne Kostenrecht im arbeitsgerichtlichen Verfahren, NZA 2007, 900). Unter Berücksichtigung der im Hinblick auf die Mehrarbeitsvergütung erfolgten Klagerücknahme in Höhe von 21.183,81 € ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 87.804,11 €. Da die Beklagte zu 2 bezogen auf den Hilfsantrag – Streitwert 32.501,70 € - unterliegt, sind ihr 37 % der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die verbleibenden 63 % der Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.