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1. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Entschädigungen nach dem AGG, die in erheblichem Umfang bezogen werden, als Einkommen und/oder Vermögen im Rahmen der PKH zu berücksichtigen sind. 2. Macht ein Antragsteller, der in nicht unerheblichem Umfang Entschädigungen nach dem AGG einklagt, im Rahmen eines PKH-Antrages trotz Aufforderung durch das Gericht keine Angaben zu den erhaltenen Entschädigungen in einem Referenzzeitraum, kann das Gericht die PKH nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ablehnen. 3. Parallelentscheidung zu Beschlüssen des Gerichts vom 04./05.07.2024, 9 SLa 356/24, 9 SLa 358/24 und 9 SLa 359/24.
wird der Antrag, dem Antragsteller für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen und zur Wahrnehmung der Rechte in der zweiten Instanz ausschließlich der Zwangsvollstreckung einen noch zu benennenden Rechtsanwalt beizuordnen, zurückgewiesen.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger beantragt mit Schreiben vom 10.04.2024, das am 22.04.2024 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, ihm Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwaltes zu bewilligen. In der Antragsbegründung nimmt er Bezug auf ein ihm am 12.04.2024 zugestelltes, ein vorheriges klageabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhaltendes Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 08.03.2024 (BI. 79.0.P ff. der PKH-Akte). Die Parteien stritten dort um einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG.
4Der Kläger legt mit seinem Prozesskostenhilfeantrag eine Reihe von Anlagen vor, darunter neben einer ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch Kontoumsätze für den Zeitraum 10.012024 bis 10.04.2024, Rechnungen von Rechtsanwälten und Gerichtskassen (BI. 9 ff. der PKH-Akte). Das von ihm vorgelegte erstinstanzliche Urteil nimmt unter I. 2 a) der Entscheidungsgründe Bezug auf ein Urteil des LAG Hamm vom 05.12.2023 6 Sa 896/23 und stellt fest, dass dieses ein Entschädigungsverlangen des Klägers zum Streitgegenstand hatte. Das LAG Hamm führt ausweislich des wörtlichen Zitats im erstinstanzlichen Urteil unter der Rn. 56 (sowie ausweislich der Veröffentlichung derselben Entscheidung z.B. bei juris.de, dort Rn. 93) aus: "Auf Basis des gesamten Akteninhalts ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger systematisch und zielgerichtet vorgeht, um sich einen auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungsansprüche zu erarbeiten. Allein der 9. Kammer des LAG Düsseldorf liegen derzeit vier PKH-Anträge des Klägers vor, mit denen er jeweils um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Führung eines Berufungsverfahrens gegen erstinstanzliche Urteile bittet, die Ansprüche des Klägers auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (teilweise) abgewiesen haben.
5Mit Beschluss vom 29.04.2024 wurde der Kläger aufgefordert, einzelne weitere Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen (BI. 90 f. der PKH-Akte). Namentlich sollte er darlegen und glaubhaft machen, in welcher Höhe er im Zeitraum 01.04.2023 bis 31.03.2024 Entschädigungsleistungen nach dem AGG oder ähnliche Zahlungen erhalten habe. Begründet hat das Gericht diese Auflage damit, dass zu prüfen sei, ob diese Leistungen als Einkommen und/oder Vermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfe nach S 115 ZPO zu berücksichtigen sind. Dem Kläger wurde für die Stellungnahme zu diesem Punkt eine abschließende Frist bis zum 15.05.2024 eingeräumt. Zudem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO abgelehnt werden kann, wenn innerhalb der gesetzten Frist Angaben nicht glaubhaft gemacht oder Fragen nicht oder ungenügend beantwortet werden.
6Mit Schreiben vom 13.05.2024 teilt der Kläger mit, Entschädigungszahlungen würden nicht als Vermögen iSv. § 115 ZPO angesehen und nimmt auf einen als Anlage 1 im Übrigen nicht näher bezeichneten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts Bezug (BI. 137 der PKH-Akte.). Dem Schreiben sind keine Anlagen beigefügt. Mit gleichlautendem Schreiben vom 21.05.2024 übersendet der Kläger sodann neben anderen Anlagen einen einseitigen Beschluss des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 07.05.2024, dessen Aktenzeichen er geschwärzt hat (BI. 172 der PKH-Akte). Mit diesem Beschluss wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe für ein Revisionsverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes bewilligt. Zu der Frage, in welcher Höhe er im Zeitraum 01.04.2023 bis 31.03.2024 Entschädigungsleistungen nach dem AGG oder ähnliche Zahlungen erhalten habe, nimmt er keine Stellung.
7Der Kläger nimmt sodann mit diversen weiteren Schriftsätzen Stellung zu verschiedenen Fragen des anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren.
8Il.
9Der Antrag war gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO zurückzuweisen.
101.Gemäß § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Gemäß § 118 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO kann das Gericht Erhebungen anstellen und verlangen, dass die antragstellende Partei tatsächliche Angaben glaubhaft macht. Hat sie innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht gemacht oder nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder nur ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ab (vgl. BAG vom 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - zit. nach juris,
112.Das Gericht kann nach § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO Erhebungen u.a. über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nach § 115 anstellen (vgl. Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 1 1 8, Rn. 9). Dabei kann das Gericht in gewissem Umfang z.B. anordnen, dass der Antragsteller eigene Kontoauszüge vor zulegen hat, und zwar auch für einen längeren Zeitraum von z.B. zwölf Monaten (OLG Frankfurt a. M. vom 24.03.2021 6 WF 48/21 zit. nach juris, Rn. 5).
12Die zulässigen Erhebungen des Gerichts dürfen dabei nicht zu einer unverhältnismäßigen Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf PKH führen und sind deshalb auf das unumgängliche Mindestmaß zu beschränken und dürfen keinesfalls zu einer Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens ausgeweitet werden (MüKo-ZPO-Wache, 6. Aufl. 2020, § 118, Rn. 20).
13Die Erhebungen iSd. § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO sind dabei nicht auf Auskünfte von Dritten Stellen beschränkt, sondern umfassen auch Fragen an die antragstellende Partei selbst. Die Formulierung "insbesondere" belegt, dass es sich bei der genannten Vorlegung von Urkunden und Einholung von Auskünften um Beispiele handelt (vgl. MusielakNoit-Fischer, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 118, Rn. 9). Erst recht und vorrangig können die Erhebungen in Form von Fragen an die antragstellende Partei erfolgen (vgl. BeckOK ZPO-Reichling, 52. Ed., Stand: 01.03.2024, S 118, Rn. 26). Die Zurückweisung nach § 118 Abs. 2 S. 4 ist ausdrücklich vorgesehen für "Angaben über seine ... Verhältnisse", die nicht fristgemäß gemacht wurden. Was für die Erhebungen durch das Gericht nach § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt, muss damit erst recht für Angaben durch die Partei selbst gelten. Denn diese sind schon nach § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO zu machen, ohne dass es einer gesonderten Aufforderung durch das Gericht bedarf. Fordert das Gericht weitere Angaben iSd. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO von der Partei selbst und verweigert die Partei diese Angaben oder macht sie nur ungenügend, "so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab" (§ 118 Abs. 2 S. 4 ZPO).
143.Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die vom Kläger beantragte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren schon deshalb abzulehnen, weil er sich geweigert hat, der gerichtlichen Aufforderung zur Mitteilung der von ihm bezogenen Entschädigungszahlungen nach dem AGG und vergleichbarer Leistungen in den letzten 12 Monaten vor Antragstellung nachzukommen. Das Gericht muss wegen dieser Weigerung des Klägers davon -ausgehen, dass ihm ausreichende eigene Mittel zur Verfügung stehen, um die Kosten des Verfahrens ohne staatliche Hilfe zu bestreiten.
15a)Es. kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger über erhebliche Geldzuflüsse verfügt, die unter Berücksichtigung der von ihm angegebenen und nachgewiesenen regelmäßigen Belastungen jedenfalls teilweise für die Prozessführung einzusetzen sind.
16Gemäß den Feststellungen des LAG Hamm in der oben zitierten Entscheidung hat der Kläger in der Vergangenheit eine Vielzahl von Verfahren auf Zahlung einer Entschädigung wegen erfolgter Diskriminierungen geführt. Einige dieser Verfahren sind gerichtsbekannt, mehrere ergeben sich aus den vom. Kläger überreichten Anlagen (z.B. aus dem Schreiben an die Vorsitzende in einem Verfahren vor dem ArbG Duisburg sowie Zahlungseingängen aus den Kontoumsätzen der letzten Monate).
17In welchem Umfang genau der Kläger neben seinen Bürgergeldleistungen derartige Geldzuflüsse zu verzeichnen hatte, lässt sich verlässlich aus den überreichten Unterlagen nicht ableiten. In seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (BI. 9 ff. der PKH-Akte) macht der Kläger keine Angaben zu derartigen Zuflüssen. Aus den überreichten Kontoauszügen für den Zeitraum 10.01. bis 10.04.2024 lassen sich nur für etwa drei Monate derartige Zuflüsse entnehmen. Zudem ist nicht klar, ob es sich bei dem die Auszüge betreffenden Konto um das einzige Konto des Klägers handelt. Da es sich bei diesen Zuflüssen (anders als bei Sozialleistungen oder Arbeitseinkommen) um keine regelmäßigen oft gleichbleibenden Zahlungen mit z.B. monatlicher Fälligkeit handelt, ist der Zeitraum von 3 Monaten nicht aussagekräftig genug, um einen Eindruck über die Höhe. der Zuflüsse zu gewinnen. Aus diesem Grund hatte das Gericht den Kläger aufgefordert, entsprechende Zuflüsse über einem Zeitraum von 12 Monaten darzulegen. Dieser Zeitraum hätte einen verwertbaren Eindruck von der Größenordnung der Zuflüsse vermittelt.
18b) Es ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass derartige Zuflüsse im Rahmen. der Prozesskostenhilfebewilligung zu berücksichtigen wären. Diese könnten je nach Höhe entweder als Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO oder als Vermögen iSd. § 115 Abs. 3 ZPO Berücksichtigung finden. Dabei kann dahinstehen, unter welchen genauen Voraussetzungen, z.B. ab welchem Wert ein Einsatz erfolgen muss und wie sich die vom Kläger angeführten Schulden dazu verhalten. Der Kläger hat dem Gericht durch seine Weigerung die Möglichkeit genommen, eine entsprechende ergebnisoffene Prüfung überhaupt vorzunehmen.
19aa)Die Rechtsprechung hat soweit ersichtlich jedenfalls überwiegend bisher Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG oder vergleichbare Leistungen als im Rahmen der PKH einzusetzendes Vermögen bewertet.
20Das LAG Baden-Württemberg (vom 21.02.2022 5 Ta 13/22 zit. nach juris) hat eine Einsatzpflicht von Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG als Einkommen angenommen. Denn anders als ein Schmerzensgeld nach S 253 Abs. 2 BGB verfolge die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch einen Sanktionszweck (LAG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 13). Wenn das Bundessozialgericht Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG nicht als Einkommen iSd. SGB Il berücksichtige sei dies nicht auf die Prozesskostenhilfegewährung übertragbar, weil Maßstab die Frage sei, ob der Einsatz eine Härte nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO iVm. § 90 Abs. 3 SGB XII darstelle, dies aber nur im Einzelfall entschieden werden könne, nachdem der Antragsteller einer seine Einkünfte inklusive der Zuflüsse von Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG vollständig angegeben habe (LAG Ba-den-Württemberg, a.a.O., Rn. 14 f.).
21Das LAG Berlin-Brandenburg (vom 06.12.2022 3 Sa 898/22 zit. nach juris) hat Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG als Vermögen iSd. § 115 Abs. 4 ZPO gewertet. Weil § 115 Abs. 4 (gemeint wohl: 3) ZPO lediglich auf § 90 SGB XII verweise, sei unerheblich, ob eine Entschädigungszahlung gemäß § 5 Abs. 2 AGG nach § 11 a Abs. 2 SGB Il nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Der Einsatz von Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG stelle auch nicht grundsätzlich eine Härte im Sinn des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Bei der Entschädigungszahlung handele es sich um einen pfändbaren Anspruch, was zum Ausdruck bringe, dass diese Zahlungen nicht generell bei dem Antragsteller verbleiben müssen. Die Entschädigungszahlung habe eine Doppelfunktion als volle Kompensation des immateriellen Schadens einerseits und andererseits der Prävention. Diese Zweckrichtung rechtfertige nicht per se, den Einsatz einer Entschädigung als Härte für den Antragsteller zu bewerten. Anders als bei einem Schmerzensgeld stünden hier gerade nicht die schadensausgleichende Funktion und opferbezogene Merkmale wie Umfang und Dauer der Schmerzen, Entstellungen, Leiden und Eingriffe in das Leben des Opfers im Vordergrund. Für eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG komme es nicht darauf an, ob dem Benachteiligten konkrete Einbußen in seiner Lebensführung entstanden seien (a.a.O.
22Das LAG Rheinland-Pfalz (vom 21.02.2022 - 5 Ta 13/22 zit. nach juris) hat entschieden, dass Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG zur Ermittlung des Einkommens anzugeben sind (a.a.O., Rn. 12). § 15 AGG habe einen doppelten Normzweck, wenn er neben dem Schadensausgleich auch eine spezial- und auch generalpräventive Aufgabe habe, dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung durch geeignete Sanktionen zum Durchbruch zu verhelfen (a.a.O., Rn. 13 unter Verweis auf BGH vom 18.06.2020 - IX ZB 11/19 - zit. nach juris, Rn. 22 mwN; BAG vom 18.06.2015 - 8 AZR 848/13 (A) zit. nach juris, Rn. 23 mwN). Der Verweis des § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO auf S 90 SGB XII mache eine Beurteilung der Einzelfallumstände notwendig, die nur möglich sei, wenn der Antragsteller im PKH-Bewilligungsverfahren seine Einkünfte vollständig angebe inklusive zugeflossener Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Gesamthöhe der Einnahmen aus Entschädigungszahlungen könne nicht außer Betracht bleiben, wenn ein Antragsteller für eine weitere Entschädigungsklage Prozesskostenhilfe begehre (LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn. 15).
23Der Bundesgerichtshof (vom 10.01.2006 - VI ZB 26/05 (KG) zit. nach juris) hat entschieden, dass auch der Einsatz von Entschädigungszahlungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Begleichung von Prozesskosten nicht in jedem Fall unzumutbar sei (Rn. 12). Auch diese Entschädigung sei mit einem Schmerzensgeld nicht vergleichbar, weil auch dabei Präventionsgesichtspunkte für die Bemessung der Höhe maßgebend seien und weniger im Vordergrund stehe, dass dem Geschädigten finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, um die mit der Rechtsverletzung verbundenen Einbußen ausgleichen zu können (BGH, a.a.O., Rn. 16).
24bb)Die erkennende Kammer schließt sich diesen Entscheidungen im Ergebnis an und hält einen Einsatz von Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG grundsätzlich auch für möglich. Ob und in welchem Umfang ein Einsatz erfolgen muss, kann indes erst für den Einzelfall entschieden werden, wenn die antragstellende Partei einen Überblick über ihre Einkommens- und Vermögenslage unter Einbeziehung derartiger Entschädigungszahlungen gegeben hat.
25Die besseren Argumente sprechen für diese Ansicht:
26Wie die oben angeführten Gerichte ausgeführt haben, dienen die Zahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG nicht dem Ausgleich von "Schmerzen", die eine Person erlitten hat, son dem vordringlich der Motivation des Schuldners, die begangene Diskriminierung nicht zu wiederholen. Es spricht damit nichts dafür, dass die Zahlungen per se ein geschütztes Vermögen des Diskriminierten wären.
27Anders als Schmerzensgelder werden insbesondere Entschädigungen wegen nicht erfolgter Einstellung auch als Ausgleich dafür verstanden, dass die diskriminierte Person eine Stelle nicht erhalten hat. Die Zahlungen sind damit nicht weit entfernt von einem wegen der Diskriminierung nicht bezogenen Gehalt.
28Das Gericht erwägt zudem, bei Fällen wie dem vorliegenden, in dem die antragstellende Partei in, großem Umfang Bewerbungen auf nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen versendet und nach Ablehnung Ansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend macht, die Entschädigungen als (regelmäßiges) Einkommen zu werten. Wenn der Kläger hier in der Vergangenheit zahlreiche Verfahren vor Arbeitsgerichten, zu einem nicht unerheblichen Teil mit dem Ergebnis einer Entschädigungszahlung geführt hat und offenkundig noch führt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass jedenfalls ein Teil der Entschädigungszahlungen eine' gewisse Regelmäßigkeit aufweist und als Einkommen zu werten sein könnte. Dies folgt auch daraus, dass offenkundig der Kläger seinen Lebensunterhalt auch von den Entschädigungszahlungen bestreitet. Die von ihm angeführten Schulden sprechen für einen Lebensstil, der allein mit Bürgergeld nicht zu bestreiten sein wird.
29Schließlich kommt hinzu, dass kaum vermittelbar wäre, dass eine Partei zwar Bürgergeld bezieht, daneben aber in erheblichem Umfang Einkünfte aus Entschädigungsprozessen erzielt, gleichwohl aber der Staat im Wege der Prozesskostenhilfe die weiteren Prozesse finanzieren soll. Ob der Kläger tatsächlich bedürftig iSd. § 115 ZPO ist oder nicht, kann ohne seine Angaben zu den entsprechenden Zahlungen in einem Referenzzeitraum nicht festgestellt werden.
304.Nach alldem hat der Kläger durch seine Weigerung, den Umfang von bezogenen Entschädigungen und ähnlicher Leistungen in den letzten 12 Monaten vorzutragen, eine Prüfung des Gerichts, ob er die Prozesskosten für das Berufungsverfahren aus eigenen Mitteln bestreiten kann oder nicht, unmöglich gemacht. Damit war sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO zurückzuweisen.
315.Diesem Ergebnis stehen nicht die vom Kläger angeführten Einwendungen entgegen. Auch unter Berücksichtigung dieser Einwendungen war der Kläger verpflichtet, der gerichtlichen Auflage nachzukommen und die Zuflüsse aus Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG und vergleichbarer Leistungen aus den 12 Monaten vor Antragstellung darzulegen.
32a)Soweit der Kläger sich auf die überreichte Entscheidung des BAG vom 07.05.2024 beruft (vgl. BI. 143 d. PKH-Akte), steht diese dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Denn aus der Entscheidung wird nicht deutlich, ob das BAG sich überhaupt mit der Frage beschäftigt hat, ob und in welchem Umfang der Kläger in der Vergangenheit Entschädigungszahlungen erhalten hat und ob diese einzusetzen sind. Es ist zwar möglich, dass der Senat einen Einsatz von Entschädigungszahlungen für nicht angezeigt hielt. Es ist aber ebenso möglich, dass der Kläger im Rahmen seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren keinerlei Angaben und Hinweis auf entsprechende Zahlungen vorgebracht hat und das Gericht keine Veranlassung hatte, diese Frage überhaupt zu prüfen. Die Kürze des vorgelegten Beschlusses und die Tatsache, dass der Kläger dort Antragsteller war und keine abgekürzte Beschlussversion nach § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO erhält, deutet auf letzteres hin. Gleiches gilt für die überreichten Entscheidungen des LAG Bremen vom 22.12.2023 (Az. 3 Sa 90/23) und des Thüringer LAG vom 21.11.2023 (Az. 2 Sa 126/23).
33b)Wenn der Kläger sich auf erhebliche Schulden im Umfang von über 30.000,00 € beruft, die für die Berechnung seines einzusetzenden Einkommens zu berücksichtigen seien, steht dies der Ablehnung einer Bewilligung nicht entgegen. Schulden sind nicht in jedem Fall von Einkommen und Vermögen abzuziehen (vgl. zu den Voraussetzungen z.B. MüKo-ZPO-Wache, a.a.O., § 115, Rn. 55 und 70). Es mag sein, dass einige oder ggf. auch alle der vom Kläger angeführten Verbindlichkeiten zu einer Schmälerung von Einkommen und Vermögen führen können. Der Kläger trägt indes auch schon nichts zu Entstehungszeitpunkt und Tilgung der Schulden vor. Ohne Kenntnis von den Zuflüssen lässt sich ein einzusetzendes Einkommen und Vermögen indes jedenfalls auch unter Berücksichtigung von Schulden nicht sicher bestimmen. Gleiches gilt für die Berücksichtigung eines eventuellen Schonvermögens.
34c)Wenn der Kläger anführt, die Anforderung von Kontoauszügen für eine Dauer von 12 Monaten sei unverhältnismäßig, steht dem jedenfalls zum Teil die Rechtsprechung entgegen (vgl. OLG Frankfurt a. M. vom 24.03.2021 6 WF 48/21 zit. nach juris, Rn. 5). Insbesondere hat das Gericht aber nicht Kontoauszüge für den Zeitraum von 12 Monaten angefordert, sondern den Kläger aufgefordert, Angaben zu einer bestimmten Art von Zuflüssen zu machen.
35d)Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot stellt die Aufforderung, unregelmäßige Zuflüsse für die Dauer von 12 Monaten mitzuteilen nicht dar. Das Gericht hat sich im Rahmen der Prozesskostenbewilligung ein Bild von der wirtschaftlichen Situation einer Partei zu machen und die Interessen der Partei gegen diejenigen der Allgemeinheit abzuwägen, die die Prozessführung ggf. finanzieren soll. Dabei ist von der Partei zu erwarten, dass sie vollständige Angaben macht. Es stellt auch keinen übermäßigen Aufwand für den Kläger dar, für 12 Monaten seine entsprechenden Zuflüsse z.B. aus den Kontoauszügen herauszusuchen, zusammenzustellen und dem Gericht mitzuteilen. Erwartet der Kläger, dass die Allgemeinheit ihm sein Berufungsverfahren finanziert, muss er hierfür einen gewissen Aufwand treiben. Die Dauer von 12 Monaten ist auch erforderlich, da es sich um unregelmäßige Zahlungen handelt und daher ein längerer Referenzzeitraum notwendig ist.
36e)Das Argument des Klägers, Prozesskostenhilfe müsse ihm bewilligt werden, weil die Revision zuzulassen wäre, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. In der vom Kläger angeführten Entscheidung des BVerfG (vom 04.05.2015 1 BvR 2096/13 zit. nach juris) beschäftigt sich das Gericht mit der Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht. Hier geht es um die Frage, ob der Kläger bedürftig iSd. § 114 Abs. 1 ZPO ist, nicht ob die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Das BVerfG hat nicht entschieden, dass eine Bedürftigkeit allein schon deshalb anzunehmen ist, weil die Rechtsverfolgung Erfolg hat oder eine ungeklärte Rechtsfrage Gegenstand des Rechtsstreits ist.
37f)Wenn der Kläger ohne Glaubhaftmachung eine Kontosperre behauptet, führt auch dies nicht zum Ergebnis, ihm sei zwingend Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Es mag sein, dass sein Konto in ein Pfändungskonto umgestellt wurde, weil Gläubiger ihre Forderungen bedient wissen wollen. Dies allein spricht aber nicht dafür, dass dem Kläger weder Einkommen noch anderweitiges Vermögen zur Verfügung steht, aus dem er die Prozesskosten bestreiten könnte.
38g)Sofern der Kläger die Sorge hat, seine Aufstellung der entsprechenden Zuflüsse könne der Gegenseite zugeleitet werden und diese könne daraus Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch ableiten, wird auf § 117 Abs. 2 S. 2 bis.4 ZPO verwiesen.
396.Das Gericht hat die Rechtsbeschwerde nach § 78, S. 2 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob Entschädigungszahlungen im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung. generell herangezogen werden können grundsätzliche Bedeutung hat und diese Frage bisher soweit ersichtlich - vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden ist.
40RECHTSMITTELBELEHRUNG
41Gegen diesen Beschluss kann von der klagenden Partei
42RECHTSBESCHWERDE
43eingelegt werden.
44Gegen diesen Beschluss ist für die beklagte Partei ein Rechtsmittel nicht gegeben.
45Die Rechtsbeschwerde muss
46innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
47nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form beim
48Bundesarbeitsgericht
49Hugo-Preuß-Platz 1
5099084 Erfurt
51Fax: 0361 2636-2000
52eingelegt werden.
53Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 92 Abs. 2 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Rechtsbeschwerde ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
54Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
551.Rechtsanwälte,
562.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
573.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
58In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
59Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
60Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
61* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
62Düsseldorf, 05.07.2024
63Der Vorsitzende der 9. Kammer
64Dr. Klein
65Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht