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1. Wird bei einer Betriebsstilllegung ein sogenanntes Abwicklungsteam gebildet und über den Stilllegungstermin und den Kündigungstermin aller anderen betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer hinaus mit Abwicklungsarbeiten weiterbeschäftigt (hier: für drei weitere Monate), sind die Arbeitnehmer des Abwicklungsteams - soweit keine Ausnahmen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG begründet sind - im Rahmen einer Sozialauswahl zu bestimmen. 2. Der Arbeitgeber ist bis zur Grenze der Willkür bei der Bestimmung des Anforderungsprofils der (vorübergehend) fortbestehenden Abwicklungsarbeitsplätze frei. Er muss im Kündigungsschutzprozess aber darlegen, nach welchen Kriterien er dieses festgelegt hat. Lässt sich seinem Vorbringen durch zwei Gerichtsinstanzen hindurch kein Anforderungsprofil der Abwicklungsarbeitsplätze entnehmen und bildet er zugleich bei 596 betroffenen Mitarbeitern mehr als 80 Vergleichsgruppen allein nach deren bisheriger, infolge vollzogener Produktionseinstellung bereits weggefallener Tätigkeit, erweist sich eine auf dieser Grundlage vorgenommene Sozialauswahl als von vornherein methodisch fehlerhaft. 3. Ist eine Sozialauswahl methodisch fehlerhaft vorgenommen worden, spricht in jedem Kündigungsschutzverfahren eine jeweils von dem kündigenden Arbeitgeber zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, dass bei der streitgegenständlichen Kündigung die Sozialauswahlkriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden. 4. Auch wenn methodische Fehler bei der Durchführung der Sozialauswahl festgestellt werden, führt dies gleichwohl nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn die tatsächlich getroffene Auswahl zu Lasten des Gekündigten - und sei es auch nur zufällig - objektiv vertretbar ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt jedoch beim kündigenden Arbeitgeber.
I.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 17.05.2023 - Az.: 7 Ca 1335/22 - wird zurückgewiesen.
II.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.Die Revision wird nicht zugelassen.
T A T B E S T A N D:
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die mit Schreiben der Beklagten vom 16.12.2022 ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Wirkung zum 31.03.2023.
3Der am 15.04.1971 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist seit dem 25.06.1997 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Schichtleiter Mechanik gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von ca. 4.500,- €.
4Geschäftsgegenstand der Beklagten ist die Herstellung und der Vertrieb von Aluminiumgussteilen, insbesondere von Leichtmetallrädern für Kraftfahrzeuge, sowie der Handel mit Kraftfahrzeugzubehör. Sie beschäftigte zuletzt 596 Arbeitnehmer. Im Wege der Nachwirkung ist sie an den Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW gebunden. Ein Betriebsrat besteht ebenfalls in ihrem Betrieb.
5Über das Vermögen der Beklagten wurde unter dem Aktenzeichen 145 IN 571/21 vor dem Amtsgericht Wuppertal am 01.03.2022 - in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 07.03.2022 - wegen Überschuldung das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Zum Sachwalter wurde Herr K. bestellt.
6Die Beklagte führte mit dem Betriebsrat Verhandlungen unter anderem über einen Interessenausgleich wegen von ihr zum 31.12.2022 beabsichtigter Betriebsstilllegung. Diese Verhandlungen wurden durch Spruch einer diesbezüglich eingerichteten Einigungsstelle vom 24.11.2022 für gescheitert erklärt.
7Nachfolgend stellte die Beklagte Anträge auf behördliche Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung nach dem SGB IX und dem BEEG. Den Arbeitnehmern wurde zudem die Gelegenheit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Im Dezember 2022 wurden gegenüber allen Arbeitnehmern des Betriebs betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgesprochen, soweit das Ausscheiden der Arbeitnehmer nicht bereits aus anderen Gründen feststand (z.B. Befristungsende, Renteneintritt) und soweit eine ggfs. erforderliche behördliche Zustimmung zur Kündigung vorlag. Sämtliche Arbeitnehmer, bis auf solche, die Teil des sogenannten Abwicklungsteams waren, wurden ab dem 01.01.2023 unwiderruflich freigestellt.
8Mit Schreiben vom 16.12.2022 kündigte die Beklagte auch das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31.03.2023 und stellte ihn mit Wirkung ab 01.01.2023 unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung frei.
9Ausweislich der Anlage Abwicklungsteam (Anlage Q.) beschäftigte die Beklagte über den 31.12.2022 hinaus insgesamt noch 53 Arbeitnehmer, gegenüber denen ebenfalls Kündigungen mit Wirkung zum 31.03.2023 (14 Arbeitnehmer) bzw. zum 30.06.2023 (39 Arbeitnehmer) ausgesprochen wurden.
10Der Kläger hat am 29.12.2022 vor dem Arbeitsgericht Solingen Kündigungsschutzklage erhoben.
11Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Parteivorbringens in erster Instanz sowie der dortigen Antragstellung wird entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen Bezug genommen.
12Mit eben diesem Urteil vom 17.05.2023 hat das Arbeitsgericht Solingen - soweit für das Berufungsverfahren von Belang - dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.12.2022 nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht zum einen angeführt, dass die Kündigung nach § 134 BGB unwirksam sei, da die Beklagte entgegen § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG in ihrer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsagentur den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht hinreichend dargelegt habe. Zum anderen hat das Arbeitsgericht die Kündigung aber auch für nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2, 3 KSchG gehalten. Zwar sei das Gericht überzeugt, dass die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die unternehmerische Entscheidung getroffen und im Sinne greifbarer Formen auch umgesetzt habe, den Betrieb stillzulegen. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei jedoch aufgrund einer fehlerhaften Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sei eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer von dessen Betriebszugehörigkeit, dessen Lebensalter, mögliche Unterhaltspflichten und ggf. eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Beklagte sei grundsätzlich gehalten gewesen, eine Sozialauswahl durchzuführen. Bei der Auswahlentscheidung, welchen Arbeitnehmern zum nächst zulässigen Termin im Sinne des § 113 InsO, d.h. mit einer maximalen Frist von 3 Monaten gekündigt werde und welche Arbeitnehmer längstens bis zum 30.06.2023 weiterbeschäftigt würden, seien soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen gewesen. Die Beklagte habe gerade nicht sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten zum gleichen Zeitpunkt wegfallen lassen, sondern die im Abwicklungsteam genannten Arbeitnehmer länger beschäftigen wollen. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmern etappenweise nacheinander kündige oder allen Arbeitnehmern vermeintlich gleichzeitig, aber mit unterschiedlichen und eben nicht mit der für alle Arbeitnehmer maßgeblichen Höchstkündigungsfrist des § 113 InsO, sondern im Einzelfall darüber hinausgehend mit einer Kündigungsfrist von sechs statt drei Monaten. In beiden Fällen sei im Wege der Sozialauswahl zu bestimmen, welche Arbeitsverhältnisse früher und welche später enden sollten. Die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erstrecke sich innerhalb eines Betriebes auf die Arbeitnehmer, die miteinander vergleichbar seien. Vergleichbar seien Arbeitnehmer, die austauschbar seien und die Austauschbarkeit bestimme sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Um- ständen, also vor allem nach der ausgeübten Tätigkeit. Dabei sei eine Austauschbarkeit nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze anzunehmen, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben könne, wobei die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit einer Vergleichbarkeit nicht entgegenstehe ("qualifikationsmäßige Austauschbarkeit"). Zur Austauschbarkeit gehöre in rechtlicher Hinsicht auch, dass der Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts ohne Änderung des Arbeitsvertrages allein durch arbeitgeberseitige Weisung versetzt werden könne ("horizontale Vergleichbarkeit"). Arbeitnehmer seien danach nicht austauschbar, wenn sie nur nach einer Änderungskündigung oder einverständlichen Änderung ihres Arbeitsvertrages anderweitig beschäftigt werden könnten. Habe der Arbeitgeber eine nach § 1 Abs. 3 KSchG gebotene Sozialauswahl unterlassen, so sei die Kündigung des klagenden Arbeitnehmers zumindest dann nicht sozial ungerechtfertigt, wenn mit ihr - zufällig - eine im Ergebnis vertretbare Auswahlentscheidung getroffen worden sei. Es komme also nicht darauf an, ob das Auswahlverfahren fehlerhaft gewesen sei, sondern darauf, ob das Auswahlergebnis fehlerhaft sei. Der Arbeitgeber sei im Prozess berechtigt, näher darzulegen, dass und aus welchen Gründen soziale Gesichtspunkte gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer deshalb ausreichend berücksichtigt worden seien, weil ihm selbst dann, wenn der gerügte Auswahlfehler unterblieben wäre, gekündigt worden wäre. Entsprechendes gelte, wenn eine Sozialauswahl zwar getroffen worden sei, dem Auswahlverfahren aber methodische Fehler anhafteten. Soweit sich aus dem Vortrag des Arbeitgebers ergebe, dass keine oder eine methodisch fehlerhafte soziale Auswahl vorgenommen worden sei, spreche zunächst eine tatsächliche Vermutung für die ungenügende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte und eine im Ergebnis fehlerhafte Sozialauswahl. Diese tatsächliche Vermutung habe der Arbeitgeber auszuräumen, d.h. er habe darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen auch bei einer methodisch einwandfrei durchgeführten sozialen Auswahl dem klagenden Arbeitnehmer gekündigt worden wäre. Dieser Darlegungs- und Beweislast sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die von ihr vorgenommene Auswahlentscheidung sei methodisch fehlerhaft, so dass eine tatsächliche Vermutungswirkung zugunsten des Klägers bestehe, die die Beklagte nicht zu widerlegen vermocht habe. Sie habe die Vergleichsgruppen in mehrfacher Hinsicht methodisch fehlerhaft gebildet. Aus der von der Beklagten vorgelegten Übersicht B: Vergleichsgruppen / Funktionen der gewerblichen Mitarbeiter (Anlage Q. ergebe sich, dass die Beklagte die Vergleichsgruppen funktions- bzw. abteilungsbezogen gebildet habe, ohne dies nachvollziehbar zu erläutern. Die soziale Auswahl könne nur unter austauschbaren Arbeitnehmern getroffen werden, ohne dass es auf die organisatorische Gliederung des Betriebs oder die Zuordnung der Arbeitnehmer zu irgendwelchen Betriebsabteilungen ankäme. Die Anknüpfung der Vergleichsgruppenbildung an die einzelnen Produktionsbereiche zeige sich anhand der Gruppe der Staplerfahrer. Diese seien unterschiedlichen Vergleichsgruppen zugeordnet, je nachdem ob sie im Bereich Endkontrolle (RV 12a), Mechanik (RV 12b), Versand (RV 12c) oder Endkontrolle/Einlagern (RV 12d) tätig seien. Damit habe die Beklagte den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer deutlich zu stark eingegrenzt. Der arbeitsvertragsbezogenen Austauschbarkeit von Staplerfahrern stehe nicht entgegen, dass sie zuvor in verschiedenen Abteilungen tätig gewesen seien oder unterschiedliche Arten von Gütern befördert hätten. Gleiches gelte für die bei der Beklagten beschäftigten Entgrater und die Schmelzer und BZ Bediener, was das Arbeitsgericht jeweils weiter ausführt. Warum die Beklagte trotz identischer Bezeichnung unterschiedliche Vergleichsgruppen bilde, erschließe sich nicht. Ferner ergebe sich aus der vorgelegten Übersicht B, dass die Beklagte die Vergleichsgruppen zum Teil anhand der Schichteinteilung der Arbeitnehmer bzw. der Lage ihrer Arbeitszeit gebildet habe, ohne dies nachvollziehbar zu erläutern. Die vorgenommene Sozialauswahl sei auch deshalb methodisch fehlerhaft, weil die Beklagte ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen allein die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit in den Blick nehme. Im Hinblick auf die zum 31.12.2022 erfolgte Einstellung des Produktionsbetriebs fielen jedoch keine produktionsbezogenen Arbeitsaufgaben mehr an. Die Beklagte trage insoweit vor, dass sie die operativen Arbeitsinhalte des Abwicklungsteams durch die Arbeitspakete (i) Produktionsstilllegung, (ii) Verwertung der Radbestände, (iii) Verwertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, (iv) Übergabe der formgebenden Werkzeuge und Qualifizierungsunterlagen und (v) Verwertung von Maschinen und Anlagen, Ersatzteile definiert habe. Hierbei handele es sich erkennbar um abwicklungsspezifische Aufgaben, die nicht mit der zuletzt ausgeübten Tätigkeit der Arbeitnehmer identisch seien und damit im Ergebnis um anderweitige befristete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Gemäß dem von der Beklagten definierten Arbeitspaket 1 beinhalte die Produktionsstillegung u.a. das Herunterfahren der Maschinen und Anlagen, entleeren, reinigen, von sämtlichen Anschlüssen trennen und sichern, Arbeitsmedien aufnehmen, sichern und entsorgen und das Entsorgen von Abfällen und Schrott. Demgemäß hätte die Beklagte die Vergleichsgruppen danach bilden müssen, welche Arbeitnehmer für die noch anfallenden Abwicklungsarbeiten geeignet seien und inwieweit ihnen kraft Direktionsrechts die neue Arbeitsaufgabe zugewiesen werden könne. Bei der hier vorliegenden vollständigen Einstellung des Geschäftsbetriebs sei eine Sozialauswahl überhaupt nur deshalb erforderlich, weil mehrere Arbeitnehmer um eine begrenzt bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit konkurrierten. Durch eine Betrachtung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit könne im Ergebnis nicht bestimmt werden, welchem Arbeitnehmer welche Abwicklungsaufgaben hätten übertragen werden können und auf Grund sozialer Gesichtspunkte im Ergebnis hätten übertragen werden müssen. Aufgrund der methodischen Mängel bei der Vergleichsgruppenbildung und ihrer Anwendung auf die Auswahl der im Abwicklungsteam weiterbeschäftigten Arbeitnehmer spreche eine von der Beklagten auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass auch die Auswahlentscheidung objektiv fehlerhaft und damit die Kündigung sozialwidrig sei. Habe der Arbeitgeber eine nach § 1 Abs. 3 KSchG methodisch fehlerhafte soziale Auswahl vorgenommen, so sei die Kündigung des klagenden Arbeitnehmers zwar gleichwohl zumindest dann nicht ungerechtfertigt, wenn mit ihr - zufällig - eine im Ergebnis vertretbare Auswahlentscheidung getroffen worden sei. Der Arbeitgeber habe in solchen Fällen im Prozess die Möglichkeit aufzuzeigen, dass und aus welchen Gründen soziale Gesichtspunkte deshalb ausreichend berücksichtigt worden seien, weil ihm selbst dann, wenn ein seitens des Arbeitnehmers gerügter Auswahlfehler unterblieben wäre, gekündigt worden wäre. Diese Erwägungen träfen sinngemäß auch auf die Auswahl der weiter zu beschäftigenden Arbeitnehmer zu. Gelinge es dem Arbeitgeber aufzuzeigen, dass der klagende Arbeitnehmer bei gesetzeskonformem Vorgehen und bei ausreichender Beachtung sozialer Gesichtspunkte gleichermaßen von einer Beendigungskündigung betroffen gewesen wäre, wirke sich ein möglicher Fehler im "Angebotsverfahren" nicht aus. Auch dies habe die Beklagte aber nicht dargelegt. Sie berufe sich insoweit darauf, dass sie auf Grund einer unwirksamen Versetzungsklausel nicht in der Lage gewesen wäre, den Kläger im Abwicklungsteam einzusetzen. Die Beklagte könne mit diesem Einwand bereits deswegen nicht durchdringen, weil sie nur unvollständig zu den Abwicklungsaufgaben vortrage. Die Prüfung, ob dem Kläger eine Tätigkeit zugewiesen werden könne, bestimme sich nicht allein abstrakt anhand arbeitsvertraglicher Vorgaben. Einzubeziehen seien die tatsächlichen Umstände der in Rede stehenden, anderweitigen Beschäftigung. Anhand der nur schlagwortartigen Beschreibung der Arbeitspakete des Abwicklungsteams und der hierzu vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht feststellen, welche Tätigkeiten konkret zu welchen Zeitpunkten in der Abwicklung anfielen und welche Arbeitnehmer mit welchen Qualifikationen die Beklagte für die Aufgabenerfüllung benötige. Es sei auch nicht erkennbar, welche Arbeitnehmer des Abwicklungsteams die jeweils in den Arbeitspaketen beschriebenen Aufgaben konkret ausübten. Auch das Anforderungsprofil für die Tätigkeiten sei unklar. Die Entscheidung der Beklagten, bestimmte Tätigkeiten von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, sei zwar zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten hätten. Zu dem erforderlichen Qualifikationsprofil der Tätigkeiten im Abwicklungsteam trage die Beklagte jedoch nur rudimentär vor. Mangels konkreter Kenntnis der anfallenden Arbeiten und der erforderlichen Qualifikation könne daher auch bei einer unterstellten Unwirksamkeit der Versetzungsklausel nicht festgestellt werden, dass dem Kläger eine Tätigkeit im Abwicklungsteam nicht hätte zugewiesen werden können. Auch hätte der Kläger nicht anstelle der Beklagten die Tätigkeitsanforderungen im Abwicklungsteam und die Vergleichsgruppenbildung erarbeiten müssen. Um die Vermutung der objektiv fehlerhaften Sozialauswahl zu entkräften sei es vielmehr erforderlich, dass die Beklagte anhand der anfallenden Aufgaben nachvollziehbare Vergleichsgruppen bilde, damit der Kläger hierauf erwidern und mögliche, individuelle Fehler aufzeigen könne.
13Das Urteil ist der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 21.07.2023 zugestellt worden. Sie hat mit am 10.08.2023 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie mit am 21.09.2023 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet hat.
14Die Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Zur Sozialauswahl widerspricht sie der Annahme des Arbeitsgerichts, diese sei methodisch fehlerhaft erfolgt. Insoweit habe die Geschäftsführung gemeinsam mit dem Betriebsrat in mehreren Gesprächsrunden im November 2022 eine personelle Ausgestaltung des Abwicklungsteams vereinbart, die eine ordnungsgemäße Abwicklung des Betriebs bis zum 30.06.2023 gewährleistet habe. Konkret wird hierzu auf Seite 9/10 der Berufungsbegründung Bezug genommen. Bei den aufgeführten Tätigkeiten habe es sich um spezielle Abwicklungstätigkeiten in den einzelnen Bereichen gehandelt. Diese Restabwicklungsaufgaben seien in folgende Arbeitspakete gegliedert worden:
15-Arbeitspaket 01: Produktionsstilllegung
16-Arbeitspaket 02: Verwertung der Radbestände
17-Arbeitspaket 03: Verwertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
18-Arbeitspaket 04: Übergabe der formgebenden Werkzeuge und Qualifizierungsunterlagen
19-Arbeitspaket 05: Verwertung von Maschinen und Anlagen, Ersatzteile
20Zur Übersicht der Hierarchie- und Vergleichsgruppen mit der entsprechenden Funktionsbeschreibung, die der sozialen Auswahl bzgl. der personellen Zusammensetzung des Abwicklungsteams zugrunde gelegen habe, verweist die Beklagte auf die Anlage Q. und zur Mitarbeiterliste mit allen Sozialdaten und der Angabe der jeweiligen Hierarchie- und Vergleichsgruppe auf die Anlage Q. Bei umfassender und vollständiger Würdigung der Anlage Q. sowie der Übersicht zu den Arbeitspaketen (Anlage SEITZ 26) ergebe sich, welcher Hierarchieebene und Vergleichsgruppe die noch bis 30.06.2023 anfallenden Tätigkeiten zuzuordnen seien und welche Mitarbeiter aus welchen Gründen bis dahin weiterbeschäftigt werden müssten. Ferner sei erneut darauf hinzuweisen, dass die bei ihr verwendeten Arbeitsverträge eine Versetzungsklausel enthielten, die auch eine Versetzung auf eine Stelle mit niedrigerer Tätigkeit erfasse und sich mithin im Rahmen der AGB-Kontrolle als unwirksam erweise. Der Kläger sei als Schichtleiter Mechanik der Hierarchieebene 5a und der Vergleichsgruppe 2a zuzuordnen. Er sei damit nicht in den vorgenannten Funktionen bzw. Bereichen tätig gewesen, in denen Abwicklungsarbeiten angefallen seien. Das Arbeitsgericht habe bei der Annahme einer unzureichenden Sozialauswahl die Darlegungs- und Beweislastverteilung nach § 1 Abs. 3 KSchG verkannt. Der Maßstab für die Annahme einer methodischen Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl werde nicht genannt. Sie sei im vorliegenden Fall auch nicht gegeben. Die Hierarchie- und Vergleichsgruppen seien gemeinsam mit der Verhandlungskommission des Betriebsrats in mehreren Verhandlungsrunden zusammengestellt worden. Insbesondere kleinteilige Vergleichsgruppen führten dabei nicht zur Annahme einer methodischen Fehlerhaftigkeit. Soweit das Arbeitsgericht die methodische Fehlerhaftigkeit der Vergleichsgruppenbildung in fachlicher/arbeitsplatzbezogener Hinsicht annehme, werde die Frage der rechtlichen Austauschbarkeit von Mitarbeitern (horizontale Vergleichbarkeit) vollständig ausgeblendet. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte unstreitig zur Versetzungsklausel vorgetragen habe und sie daher rechtlich gar nicht in der Lage gewesen wäre, den Kläger im Rahmen des Direktionsrechts anderweitig einzusetzen. Dieser dürfe nach seinem Arbeitsvertrag nur als Schichtleiter Mechanik beschäftigt werden. Diese Tätigkeit falle im Abwicklungsteam nicht an. Betrachte man zudem die Hierarchieebene 5a des Klägers, so befänden sich dort acht weitere Arbeitnehmer, die hinsichtlich der Sozialdaten schutzwürdiger seien als er, bei jedoch nur zwei verfügbaren Arbeitsplätzen im Abwicklungsteam. Somit hätte so oder so die Sozialauswahl zu Lasten des Klägers ausfallen müssen. Verkannt habe das Arbeitsgericht schließlich, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen sog. "Domino-Effekt" mehr gebe. Selbst bei unterstellter methodischer Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl führe diese nicht zur Unwirksamkeit aller ausgesprochenen Kündigungen, sondern nur zur Unwirksamkeit der Kündigungen derjenigen Mitarbeiter, die erfolgreich vortragen könnten, dass eine ordnungsgemäße Sozialauswahl zu einem für sie persönlich günstigeren Ergebnis geführt hätte. Eine von der Beklagten zu widerlegende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl im jeweiligen konkreten Einzelfall sei nach Aufgabe der Domino-Theorie durch das Bundesarbeitsgericht nicht mehr begründbar. Die Entscheidungen zur methodisch fehlerhaften Sozialauswahl seien vor der Rechtsprechungsänderung des BAG zur Domino-Theorie ergangen und mit ihr gleichfalls obsolet geworden. Anderenfalls stünde der Arbeitgeber, der überhaupt keine Sozialauswahl vornehme, besser als derjenige, der eine vermeintlich methodisch fehlerhafte vorgenommen habe.
21Die Beklagte beantragt,
22das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 17.05.2023 - Az.: 7 Ca 1335/22 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
23Der Kläger beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Zur Sozialauswahl ist er der Ansicht, dass die Beklagte bereits nicht hinreichend definiert habe, welche Tätigkeiten im Abwicklungsteam überhaupt in welchen Zeiträumen anfielen. Bei der Vergleichsgruppenbildung habe sie einfach die letzten Tätigkeiten der Arbeitnehmer herangezogen und völlig unberücksichtigt gelassen, dass diese sich auf den produzierenden Betrieb bezogen hätten, produktionsbezogene Aufgaben in einem Abwicklungsteam in dieser Art und Weise aber überhaupt nicht mehr anfielen.
26Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
27E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
28I.
29Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist angesichts des Streits der Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 16.12.2022 statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
30II.
31Die Berufung ist nicht begründet. Wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ist die form- und fristgerecht im Sinne der §§ 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage begründet. Die streitgegenständliche Kündigung vom 16.12.2022 erweist sich wegen einer methodisch fehlerhaften Sozialauswahl und der daraus folgenden tatsächlichen, von der Beklagten nicht widerlegten Vermutung der auch im Falle des Klägers fehlerhaften Auswahlentscheidung als sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2, 3 KSchG, dessen allgemeine Anwendungsvoraussetzungen hier vorliegen. Ob darüberhinausgehend weitere Unwirksamkeitsgründe begründet sind, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben.
32Zur fehlerhaften sozialen Auswahl folgt die erkennende Berufungskammer zunächst den überzeugenden und weitgehend bereits im Tatbestand des vorliegenden Berufungsurteils wiedergegebenen Ausführungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil vom 17.05.2023 zu I. 2. b. (Seite 9-11), c. (Seite 11-15) und d. (Seite 15-18) der Entscheidungsgründe, nimmt hierauf ausdrücklich Bezug und sieht insoweit von der - nochmaligen - Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab. Die Angriffe der Berufung führen zu keiner von den erstinstanzlichen Feststellungen abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage und veranlassen lediglich die folgenden, ergänzenden Ausführungen:
331. Die Beklagte irrt, wenn sie rügt, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur methodisch fehlerhaften Sozialauswahl stamme aus der Zeit vor der Aufgabe der sogenannten Domino-Theorie und könne seitdem keine Anwendung mehr finden.
34Das Bundesarbeitsgericht hat die sogenannte Domino-Theorie, wonach sich auf eine fehlerhafte Sozialauswahl hinsichtlich einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit alle von zur gleichen Zeit ausgesprochenen Kündigungen betroffenen und für diese Beschäftigung in Betracht kommenden, im Vergleich zum Arbeitsplatzinhaber sozial schwächeren Arbeitnehmer berufen konnten, mit Urteil vom 09.11.2006 (2 AZR 812/05, juris, Rz. 16 ff.) aufgegeben. Die Rechtsprechung zur methodischen Fehlerhaftigkeit und der aus ihr resultierenden tatsächlichen, von dem kündigenden Arbeitgeber zu widerlegenden Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl im Hinblick auf die jeweils streitgegenständliche betriebsbedingte Kündigung hat das Bundesarbeitsgericht auch danach bis in die jüngste Zeit hinein fortgeführt (vgl. BAG vom 08.12.2022 - 6 AZR 31/22, juris, Rz. 71; BAG vom 27.06.2019 - 2 AZR 50/19, juris, Rz. 27; BAG vom 27.07.2017 - 2 AZR 476/16, juris, Rz. 41; BAG vom 21.05.2015 - 8 AZR 409/13, juris, Rz. 62; BAG vom 20.06.2013 - 2 AZR 271/12, juris, Rz. 13; BAG vom 20.09.2012 - 6 AZR 483/11, juris, Rz. 25, 27).
35Die Rechtsprechung zur Aufgabe der sogenannten Domino-Theorie und zu den Folgen einer methodisch fehlerhaft durchgeführten Sozialauswahl stehen auch keineswegs in einem Widerspruch zueinander, sondern folgen demselben Grundansatz zur Verteilung der Darlegungslast. Denn auch wenn methodische Fehler bei der Durchführung der Sozialauswahl festgestellt werden, führt dies gleichwohl nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn die tatsächlich getroffene Auswahl zu Lasten des Gekündigten - und sei es auch nur zufällig - objektiv vertretbar ist (BAG vom 08.12.2022 - 6 AZR 31/22, juris, Rz. 71; BAG vom 27.06.2019 - 2 AZR 50/19, juris, Rz. 27). Da jedoch bei einer methodisch fehlerhaft durchgeführten Sozialauswahl eine tatsächliche Vermutung für ein auch bzgl. des Gekündigten fehlerhaftes Auswahlergebnis spricht (BAG vom 21.05.2015 - 8 AZR 409/13, juris, Rz. 62; BAG vom 20.09.2012 - 6 AZR 483/11, juris, Rz. 27), ist es Sache des kündigenden Arbeitgebers, nunmehr im Prozess die Vermutung zu widerlegen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der klagende Arbeitnehmer trotz methodisch fehlerhaft durchgeführter Sozialauswahl bei (hypothetisch) ordnungsgemäß, also jedenfalls vertretbar vorgenommener sozialer Auswahl gleichwohl gekündigt worden wäre, so dass sich der methodische Fehler in seinem Fall konkret nicht ausgewirkt hat, obliegt dem beklagten Arbeitgeber (BAG vom 08.12.2022 - 6 AZR 31/22, juris, Rz. 71; BAG vom 27.06.2019 - 2 AZR 50/19, juris, Rz. 27; BAG vom 27.07.2017 - 2 AZR 476/16, juris, Rz. 41; BAG vom 21.05.2015 - 8 AZR 409/13, juris, Rz. 62).
362. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht unklar, welche Voraussetzungen die Feststellung einer methodischen Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl hat. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit langem anerkannt, dass methodische Fehlerhaftigkeit unter anderem vorliegen kann bei der Verkennung des auswahlrelevanten Personenkreises (BAG vom 21.05.2015 - 8 AZR 409/13, juris, Rz. 62; vgl. auch KR/Rachor, 12. Auflage, § 1 KSchG Rn. 764).
37Der auswahlrelevante Personenkreis ist bei der betriebsbedingten Kündigung anerkanntermaßen zum einen arbeitsplatzbezogen mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten und die dort maßgeblichen Qualifikationsanforderungen vorzunehmen, zum anderen arbeitsvertragsbezogen mit Blick auf die vertragliche Austauschbarkeit und die hierarchische Vergleichbarkeit (vgl. hierzu insgesamt Willemsen/Sittard in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Auflage, H 20 ff., 21 m.w.N.). Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die objektiv miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die - bezogen auf die Merkmale des Arbeitsplatzes - sowohl aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse als auch nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG vom 20.06.2013 - 2 AZR 271/12, juris, Rz. 12; BAG vom 22.03.2012 - 2 AZR 167/11, juris, Rz. 19; BAG vom 15.12.2011 - 2 AZR 42/10, juris, Rz. 41). Dies ist nicht nur bei identischen Arbeitsplätzen der Fall, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung die zwar andere, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann (BAG vom 20.06.2013 - 2 AZR 271/12, juris, Rz. 12; BAG vom 10.06.2010 - 2 AZR 420/09, juris, Rz. 31). An einer Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus Rechtsgründen nicht einseitig auf den fraglichen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (BAG vom 20.06.2013 - 2 AZR 271/12, juris, Rz. 12; BAG vom 10.06.2010 - 2 AZR 420/09, juris, Rz. 31; BAG vom 02.03.2006 - 2 AZR 23/05, juris, Rz. 13).
38Zwar ist die Beklagte bei der Bestimmung des Anforderungsprofils der in Rede stehenden Abwicklungsarbeitsplätze bis zur Willkürgrenze frei, hat dieses Anforderungsprofil gleichwohl aber, wenn der klagende Arbeitnehmer wie hier seinen Auskunftsanspruch geltend macht, darzulegen.
39Schon das hat die Beklagte nicht getan. Sie hat vielmehr lediglich dargelegt, ein Abwicklungsteam von 53 Arbeitnehmern über den 31.12.2022 hinaus benötigt zu haben, 39 hiervon über den 31.03.2023, also das Datum, zu dem dem Kläger und seinen übrigen Kollegen gekündigt wurde, hinaus. Ferner hat sie schlagwortartig mit den genannten "Arbeitspaketen" die mit dem Abwicklungsteam zu erledigenden Abwicklungstätigkeiten beschrieben. Welches Anforderungsprofil insoweit dann aber hierfür vorgegeben war, wird weder schriftsätzlich in erster oder zweiter Instanz noch in den Anlagen Q., 15, 26 oder einer anderen beigefügten Anlage mitgeteilt. Insbesondere die Anlage Q. enthält keineswegs und schon gar nicht durchgängig Begründungen zur Bestimmung des Anforderungsprofils. Dort werden vielmehr unterschiedlichste Anmerkungen zur Sozialauswahl vorgenommen, die teilweise ein Anforderungsprofil wohl inzident voraussetzen, aber nicht nennen. Sodann wird oftmals auf die jeweils genannte Vergleichsgruppe Bezug genommen und dann zu der innerhalb dieser vorgenommenen oder mangels dort vergleichbarer Personen unterbliebenen Sozialauswahl Stellung genommen.
40Aus der Vorgehensweise der Bildung von weit mehr als 80 Vergleichsgruppen (Anlage Q.) bei 596 Arbeitnehmern, die erkennbar alle auf die bisherigen Tätigkeiten ausgerichtet sind, lässt sich mit der auch insoweit zutreffenden Würdigung bereits des Arbeitsgerichts zweifelsfrei entnehmen, dass die Beklagte die Sozialauswahl hier methodisch fehlerhaft vorgenommen hat. Sie hat nämlich nicht nur das Anforderungsprofil der noch erforderlichen Abwicklungstätigkeiten nicht mitgeteilt, sie hat darüber hinaus die Vergleichsgruppen ohne irgendeine nachvollziehbare Begründung und damit willkürlich atomisiert und noch dazu auf die bisher ausgeübten Tätigkeiten und die bisherigen Betriebsabteilungen ausgerichtet. Das ergibt allenfalls bei einigen der kaufmännischen Angestellten Sinn, da beispielsweise eine Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung auch im Abwicklungsteam voraussichtlich mit denselben Tätigkeiten weiter benötigt werden wird wie bisher. Da die Beklagte aber vorträgt, die Produktion bereits zum 31.12.2022 stillgelegt und aus diesem Grunde ja auch alle nicht in das Abwicklungsteam übernommenen Arbeitnehmer freigestellt zu haben, spielen die bisherigen Produktionstätigkeiten bei der im ersten Halbjahr 2023 noch zu erledigenden Abwicklung des Betriebes offenkundig keine Rolle mehr.
41Sowohl von vornherein mangels Darlegung des Anforderungsprofils als auch wegen der nicht ansatzweise nachvollziehbaren Bildung von mehr als 80 auf die bisherige Produktion und die bisherigen Produktionsabteilungen bezogenen Vergleichsgruppen liegt die methodische Fehlerhaftigkeit der hier vorgenommenen sozialen Auswahl geradezu auf der Hand.
423. Soweit die Beklagte zur Bildung der Vergleichs- und Hierarchiegruppen auf eine enge Abstimmung mit dem Betriebsrat verweist, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung hinsichtlich der methodischen Fehlerhaftigkeit ihrer Sozialauswahl und den daraus resultierenden prozessualen Folgen. Denn mit der behaupteten "engen Abstimmung" ging weder eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 1 Abs. 4 KSchG noch ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG einher, so dass der Maßstab der rechtlichen Überprüfung ihrer Auswahlentscheidungen unverändert der nach § 1 Abs. 3 KSchG unter Berücksichtigung der vorstehend bereits wiedergegebenen Rechtsprechung bleibt.
434. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird über die Annahme einer tatsächlichen Vermutung eines im Falle des Klägers fehlerhaften Auswahlergebnisses nicht quasi durch die Hintertür wieder eine Domino-Theorie eingeführt mit der Folge, dass sich alle Arbeitnehmer nunmehr auf unverändert nur 39 Restabwicklungsarbeitsplätze, die über den 31.03.2023 hinaus bis 30.06.2023 fortbestanden, berufen könnten und damit alle Kündigungen sozialwidrig würden. Diese Rechtsfolge kann, aber sie muss nicht eintreten. Ob sie eintritt hängt letztlich allein von dem nunmehr eben erforderlichen Vortrag der Beklagten zum Sozialauswahlergebnis bei einer vertretbar und nicht bereits methodisch fehlerhaft durchgeführten Auswahl ab. Da die Beklagte aber zum Anforderungsprofil des Abwicklungsteams auch insoweit unverändert nichts Konkretes vorträgt, fehlt es an schlüssigem, nämlich nachvollziehbarem Vortrag dazu, dass der Kläger im Falle einer nicht methodisch fehlerhaften Sozialauswahl gleichwohl zu den Gekündigten hätte zählen müssen.
44Deshalb gehen auch die Ausführungen der Beklagten zur unwirksamen Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag des Klägers fehl. Zum einen findet auch bei Annahme einer unangemessen benachteiligenden und daher unwirksamen Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag weiterhin, nämlich über § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Grundregel zum Direktionsrecht aus § 106 GewO Anwendung (vgl. auch BAG vom 25.08.2010 - 10 AZR 275/09, juris, Rz. 30). Zum anderen fehlt schlüssiger Vortrag dazu, dass und warum ein Schichtleiter Mechanik für die bis 30.06.2023 anfallenden Abwicklungsarbeiten nach dem - von der Beklagten nicht mitgeteilten - Anforderungsprofil nicht benötigt wurde.
45Soweit die Beklagte weiter einwendet, in der Hierarchieebene 5a des Klägers seien acht Mitarbeiter schutzwürdiger als er bei aber nur zwei verfügbaren Arbeitsplätzen im Abwicklungsteam, kann dies die erforderliche Widerlegung der tatsächlichen Vermutung der sozial fehlerhaften Auswahl im Falle des Klägers nicht begründen. Denn unverändert trägt die Beklagte auch damit nicht das Anforderungsprofil des Abwicklungsteams vor, sondern nimmt nur Bezug auf ihre Hierarchieebeneneinteilung. Diese gibt für eine vertretbare Sozialauswahlentscheidung aber nichts her, solange man nicht nachvollziehen kann, warum denn angeblich nur zwei Mitarbeiter der Hierarchieebene 5a im Abwicklungsteam benötigt wurden.
46III.
47Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg betriebenen Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
48IV.
49Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.
50RECHTSMITTELBELEHRUNG
51Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
52Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
53KleinKlattKnuth