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Die Sorge vor einem Datenmissbrauch kann einen immateriellen Schaden iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Die bloße Äußerung entsprechender Befürchtungen reicht jedoch für die Darlegung eines Schadens nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 20. Juni 2024 – 8 AZR 124/23 –).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.03.2024 – Az. 13 Ca 5385/23 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
4 SLa 233/24 13 Ca 5385/23 Arbeitsgericht Düsseldorf |
Verkündet am 21.08.2024 Gollin Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Urteil In dem Rechtsstreit |
Z., A.-straße N01, H.
4Kläger und Berufungskläger
5Prozessbevollmächtigte
6Rechtsanwälte T., X.-straße N02, O.
7gegen
8L. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer K., E.-straße 1, D.
9Beklagte und Berufungsbeklagte
10Prozessbevollmächtigte
11Rechtsanwälte I., F.-straße 53, M.
12hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
13auf die mündliche Verhandlung vom 21.08.2024
14durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Haves als Vorsitzende
15und den ehrenamtlichen Richter Schulz
16und den ehrenamtlichen Richter Schmitz
17für Recht erkannt:
18T a t b e s t a n d:
19Die Parteien streiten über Schadensersatz nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen unterbliebener Auskünfte im Anschluss an eine abgelehnte Bewerbung.
20Die Beklagte ist eine Gesellschaft der L.-Gruppe und ist spezialisiert auf die Verwaltung von Kredit-, Hypothekenportfolios und Mietverträgen.
21Der Kläger bewarb sich am 28. August 2023 auf eine Stellenanzeige der Beklagten als Sachbearbeiter Forderungsmanagement.
22Auf eine Anfrage des Klägers mit Schreiben vom 27. September 2023 zum Stand des Bewerbungsverfahrens reagierte die Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2023 erteilte der Kläger der Beklagten seinerseits eine Absage und bat zugleich, ihm eine Auskunft und eine Datenkopie gemäß Artikel 15 DSGVO zu erteilen. Die Beklagte reagierte zunächst nicht. Auf ein weiteres Schreiben des Klägers vom 3. November 2023 antwortete die Beklagte sodann mit E-Mail vom 8. November 2023 wie folgt:
23„Sehr geehrter Herr Z.,
24vielen Dank für Ihre E-Mail vom 03.11.2023.
25Zunächst einmal ist unser Bewerbungsverfahren noch laufend und nicht, wie von Ihnen vermutet beendet.
26Bezüglich Ihrer Bewerbungsunterlagen teile ich Ihnen mit, dass wir aufgrund Ihrer E-Mail vom 03.11.2023 alle Ihre Bewerbungsunterlagen, gemäß den Vorgaben der DSGVO vernichtet haben. Dies gilt auch für Ihre letzte E-Mail auf die ich hier noch antworte.…“
27Mit seiner beim Arbeitsgericht Düsseldorf am 22. November 2023 eingegangenen und der Beklagten am 28. November 2023 zugestellten Klageschrift hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Geldentschädigung verlangt.
28Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf eine Geldentschädigung aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu. Die Beklagte habe sich ihren gesetzlichen Pflichten aus Artikel 15 DSGVO vorsätzlich entzogen. Die Beklagte habe durch die Löschung der Daten nicht nur gegen Artikel 15 DSGVO verstoßen und damit den Bußgeldtatbestand des Artikel 83 Absatz 5 lit. b DSGVO verwirklicht. Die verantwortlichen Mitarbeiter hätten sich überdies auch strafrechtlich relevant verhalten (§ 274 Absatz 1 Nr. 2 StGB).
29Der Kläger habe immaterielle Schäden in Form einer Einschränkung seiner Rechte, eines Kontrollverlusts und eines emotionalen Ungemachs erlitten. Es nerve ihn in erheblichem Maß, dass er Mühe und Zeit investieren müsse, um seine Rechte gerichtlich durchzusetzen.
30Es trete weiter hinzu, dass die beklagte Partei durch ihr Verhalten habe zu Tage treten lassen, dass ihr der Datenschutz gleichgültig sei.
31Der Kläger hat beantragt,
32die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 2.000,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
33Die Beklagte hat beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Der Kläger habe verkannt, dass die Beklagte den Auskunftsanspruch erfüllt habe. Selbst wenn man in der E-Mail vom 8. November 2023 keine ordnungsgemäße Erfüllung des Auskunftsanspruchs sehe, so liege lediglich ein Fall der Schlechtleistung vor, nicht aber der Nichterfüllung des Anspruchs.
36Die Beklagte habe die Bewerbungsunterlagen nach der Rücknahme der Bewerbung in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der DSGVO gelöscht. Aufgrund der sofortigen Löschung habe die Beklagte gezeigt, dass sie die Vorschriften der DSGVO ernst nehme.
37Der Kläger verkenne, dass der bloße Kontrollverlust über die Daten nicht genüge, um einen immateriellen Schaden darzulegen.
38Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass die Klage rechtsmissbräuchlich sei, da sich der Kläger wiederholt bei verschiedenen Arbeitgebern bewerbe und anschließend Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend mache. Die streitgegenständliche Bewerbung mit Gehaltsvorstellungen von 96.000 € brutto zeige, dass es dem Kläger nicht ernsthaft um eine Tätigkeit für die Beklagte gegangen sei.
39Mit Urteil vom 12. März 2024 hat das Arbeitsgericht den auf Schadensersatz gerichteten Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen unter Hinweis auf eine Entscheidung in einem Parallelverfahren der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf (4 Ca 2997/23) ausgeführt, dass der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO keinen Schadensersatzanspruch begründe. Soweit der Kläger behaupte, er habe mangels unverzüglicher Auskunfts- und Kopieerteilung einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten und sei dadurch in seinen Rechten eingeschränkt worden, stelle dies keinen ersatzfähigen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dar. Auch die neueren Entscheidungen des EuGH vom 14.12.2023 (C-340/21) sowie vom 25.01.2024 (C-687/21) rechtfertigten keine andere Bewertung. Insbesondere habe der EuGH erneut bekräftigt, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass die Person, die aufgrund dieser Bestimmung Schadensersatz verlange, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nachweisen müsse, sondern auch, dass ihr dadurch ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden sei. Die Tatsache, dass die Beklagte vorliegend den Auskunftsanspruch formal nicht erfüllt habe, sondern mit dem Hinweis reagiert habe, sie habe die Bewerbungsunterlagen des Klägers gelöscht, stelle kein taugliches Indiz dafür dar, dass ein Missbrauch ernsthaft befürchtet werden müsse. Allein der diffuse Verweis darauf, dass dies für den Kläger ein emotionales Ungemach darstelle, genüge nicht zur Darlegung eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO. Dieser Vortrag rechtfertige nicht die Annahme, dass für den Kläger eine begründete Befürchtung bestand, die ihn in seiner physischen oder psychischen Sphäre oder in seinem Beziehungsleben beeinträchtige. Erst recht sei nicht erkennbar, dass die Befürchtung ihm tatsächlich und konkret einen realen und sicheren emotionalen Schaden zugefügt habe.
40Das Urteil ist dem Kläger am 15. März 2024 zugestellt worden. Mit einem am 10. April 2024 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit einem am 8. Mai 2024 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
41Der Kläger hält die rechtlichen Wertungen des Arbeitsgerichts für fehlerhaft. Er habe immaterielle Schäden in Gestalt einer Einschränkung seiner Rechte und eines temporären Kontrollverlusts erlitten. Das Vorgehen der Beklagten sei datenschutzwidrig gewesen. Die Beklagte habe bereits erstinstanzlich nicht darzulegen vermocht, auf welchen Tatbestand sie die Löschung der Daten gestützt habe. Der Verantwortliche könne sich seiner Auskunftspflicht aus Art. 15 DSGVO nicht mit Erfolg entziehen, indem er die Daten der die Auskunft verlangende Person einfach lösche.
42Der Kläger habe zudem auch mehrere immaterielle Schäden erlitten. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, der Erwägungsgrund 85 Satz 1 zur DSGVO erwähne keine Regelschäden, sondern nur mögliche Schäden, sei mit einfachster Topologie nicht in Einklang zu bringen. Der EuGH habe die Lesart des Klägers, wonach der bloße Verlust der Kontrolle unter den Begriff des Schadens falle, in seinem Urteil vom 14. Dezember 2023 (Az. C-340/21) übernommen und dies nochmals in der Entscheidung vom 11. April 2024 (C-441/21) bestätigt. In seiner Entscheidung vom 4. Mai 2023 (C-300/21) habe der EuGH klargestellt, dass es keinen Automatismus gebe, wonach jeder Verordnungsverstoß auch automatisch einen Schaden zur Folge habe. Allerdings gebe es Verordnungsverstöße – wie der Verstoß gegen das Auskunftsrecht - denen der Eintritt eines immateriellen Schadens immanent sei.
43Der Kläger habe eine Einschränkung seiner Betroffenenrechte und einen damit verbundenen Kontrollverlust im vorliegenden Streitfall auch tatsächlich erlitten. Zwar wisse der Kläger, welche Daten er der Beklagten zur Verfügung gestellt habe. Dem Kläger fehle aber das Wissen über das „Wie" der Datenverarbeitung. Er wisse nicht, ob die Beklagte die Daten beispielsweise an dritte Stelle weitergegeben oder die Daten des Klägers automatisiert ausgewertet habe. Auch habe er keine Kenntnis, ob mit den Daten rechts- und insbesondere auch datenschutzkonform umgegangen worden sei. Durch die Löschung aller personenbezogenen Daten in Kenntnis des Auskunftsersuchens werde der Kläger all dies nicht mehr nachvollziehen können. Diese gänzlich fehlende Kontrollmöglichkeit führe zwangsläufig auch dazu, dass der Kläger keine weitergehenden Rechte ausüben könne. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei auch das erstinstanzlich vorgebrachte emotionale Ungemach als weiterer immaterieller Schaden ausreichend. Aufgrund des Verordnungsverstoßes der Beklagten habe der Kläger Zeit und Mühe investieren und in zweiter Instanz nun auch ein erhebliches Prozesskostenrisiko in Kauf nehmen müssen. All dies nerve den Kläger in erheblicher Weise. Es könne von ihm nicht verlangt werden, dass er den Schaden beispielsweise durch ein medizinisches Gutachten nachweise. Denn ein geringfügiger Schaden wie ein „genervt sein“ sei nicht medizinisch diagnostizierbar. Die immateriellen Schäden des Klägers seien auch eine adäquat kausale Folge des Verstoßes der Beklagten gegen Art. 15 DSGVO. Die Schäden des Klägers seien mit zumindest 2.000,00 € angemessen beziffert. Es müsse berücksichtigt werden, dass es sich hier nicht nur um eine inhaltlich unzureichende oder verspätete Auskunft handele, sondern um eine irreversible Einschränkung der Rechte des Klägers und einen dauerhaften Kontrollverlust.
44Der Kläger beantragt,
45das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2024 — Az. 2 Ca 4416/23 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen immateriellen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 2.000,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
46Die Beklagte beantragt,
47die Berufung zurückzuweisen.
48Es fehle bereits an einem Verstoß gegen die Regelungen der DSGVO. Die Beklagte habe den Auskunftsanspruch des Klägers erfüllt und dessen personenbezogene Daten nach Wegfall des Verarbeitungszwecks aufgrund der Rücknahme der Bewerbung des Klägers bei der Beklagten gelöscht.
49Der Kläger habe weiterhin keinen immateriellen Schaden dargelegt. Ein Schaden in Gestalt eines Kontrollverlusts liege nicht vor. Die Ausführungen des Klägers zu dem emotionalen Ungemach seien nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe gewusst, bzw. habe davon ausgehen müssen, dass die Beklagte seine Bewerbung aufgrund der unrealistischen Gehaltsvorstellungen nicht ernsthaft in die engere Auswahl aufnehmen würde. Das Vorgehen des Klägers zeige eine gewisse Systematik. Die Beklagte bestreite, dass er von dem streitgegenständlichen Sachverhalt „genervt sei“ und daher einen immateriellen Schaden erlitten hätte. Der Kläger unterlasse es auch in der Berufungsbegründung, irgendwelche Anknüpfungspunkte zu seinem „genervt sein“ vorzutragen. Unabhängig davon verhalte sich der Kläger rechtsmissbräuchlich.
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Parteischriftsätze in beiden Instanzen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie auf den gesamten weiteren zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akteninhalt Bezug genommen.
51E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
52I.
53Die den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Verbindung mit§§ 519, 520 ZPO genügende und deshalb zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Die Berufungskammer folgt der Begründung des angefochtenen Urteils unter I. 2. der Gründe und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Berufungsverfahren sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Gesichtspunkte vorgebracht worden, die zu einer Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Veranlassung geben könnten.
541. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob das Verhalten der Beklagten einen Verstoß im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellt. Selbst wenn ein solcher Verstoß unterstellt wird, scheitert die Klage daran, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist, den die Beklagte durch eine unterlassene, verspätete oder unvollständige Auskunft verursacht hätte.
552. Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei Entscheidungen vom 20. Juni 2024 (8 AZR 91/22 und 8 AZR 124/23 jeweils Rn. 11 ff.) zur Rechtslage wie folgt ausgeführt:
56„a) Das Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast der Klagepartei ist durch die jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt (vgl. hierzu BAG 25. April 2024 - 8 AZR 209/21 (B) - Rn. 5 f.).
57aa) Aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO geht klar hervor, dass das Vorliegen eines „Schadens“ eine der Voraussetzungen für den in dieser Bestimmung vorgesehenen Schadenersatzanspruch darstellt, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [R. Rn. 58; 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 77; 4. Mai 2023 - C-300/21 - [Österreichische Post] Rn. 32). Der Schadenersatzanspruch hat, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion, da eine auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und erfüllt keine Abschreckungs- oder Straffunktion (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [R. Rn. 50; 21. Dezember 2023 - C-667/21 - [U.] Rn. 87). Der Schaden muss keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht haben (EuGH 14. Dezember 2023 - C-456/22 - [Gemeinde J.] Rn. 16 und - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 78; 4. Mai 2023 – C 300/21 - [Österreichische Post] Rn. 51).
58bb) Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast hat der Gerichtshof der Europäischen Union klargestellt, dass die Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung nachweisen muss, sondern auch, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden ist (EuGH 11. April 2024 - C-741/21 - [juris] Rn. 35; 25. Januar 2024 - C-687/21 - [R. Rn. 60 f.). Da der 85. Erwägungsgrund der Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich den „Verlust der Kontrolle“ zu den Schäden zählt, die durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verursacht werden können, hat der Gerichtshof entschieden, dass der - selbst kurzzeitige - Verlust der Kontrolle über solche Daten einen „immateriellen Schaden“ iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen kann, der einen Schadenersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat (EuGH 11. April 2024 - C-741/21 - [juris] Rn. 42; 25. Januar 2024 - C-687/21 - [R. Rn. 66). Dabei kann die durch einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, für sich genommen einen „immateriellen Schaden“ iSv. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [R. Rn. 65; 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 79 ff.). Ein rein hypothetisches Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten kann jedoch nicht zu einer Entschädigung führen (EuGH 25. Januar 2024 - C-687/21 - [R. Rn. 68). Das angerufene nationale Gericht muss vielmehr prüfen, ob die Befürchtung der missbräuchlichen Datenverwendung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (EuGH 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 85).
59cc) Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast der Klagepartei kommt es nach Auffassung des Senats auf die Vorlage des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2023 (- VI ZR 97/22 - Rn. 30 ff.) nicht an. Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage gestellt, ob Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen ist, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens bloße negative Gefühle wie z. B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst genügen oder ob für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich ist. Diese Frage ist durch die nach der Vorlage des Bundesgerichtshofs ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedenfalls bezogen auf die Sorge vor Datenverlust bzw. unrechtmäßiger Datenverwendung beantwortet (aA Rombach/Hoeren WuB 2024, 28, 32; Scharpf jurisPR-ITR 8/2024 Anm. 5 unter C; vgl. auch BGH 12. Dezember 2023 - VI ZR 277/22 - Rn. 6).
60(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union können negative Gefühle („Befürchtung“) in solchen Konstellationen einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus, denn das Gericht hat zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“ (EuGH 14. Dezember 2023 - C-340/21 - [Natsionalna agentsia za prihodite] Rn. 85). Dies setzt zwingend die Anwendung eines objektiven Maßstabs voraus (idS auch Halder/Maluszczak jurisPR-ITR 3/2024 Anm. 4 unter D; Sorber/Lohmann BB 2023, 1652, 1655; Peisker/Zhou BB 2024, 308, 310; aA Rudkowski NZA 2024, 1, 7). Dabei ist ua. die objektive Bestimmung des Missbrauchsrisikos der Daten von Bedeutung (vgl. Arning/Dirkers DB 2024, 381, 383).
61(2) Dem steht nicht entgegen, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht verlangt, dass ein erlittener Nachteil spürbar oder eine Beeinträchtigung objektiv sein muss (EuGH 14. Dezember 2023 - C-456/22 - [Gemeinde J.] Rn. 17). Damit hat der Gerichtshof nur klargestellt, dass es keine „Bagatellgrenze“ gibt. Der objektive Maßstab bzgl. des Vorliegens eines Schadens als solchen ist hiervon zu unterscheiden. Besteht der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar sind, hat das nationale Gericht die Gesamtsituation und letztlich auch die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Klagepartei auf der Grundlage eines substantiierten Sachvortrags zu beurteilen. Steht ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach richterlicher Beweiswürdigung i. S. v. § 286 Abs. 1 ZPO zum Nachteil der Klagepartei als geschützter Person fest, mindert sich das Beweismaß bzgl. der Entstehung und der Höhe des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG 5. Mai 2022 - 2 AZR 363/21 - Rn. 14).“
62b) Die Berufungskammer schließt sich diesen Grundsätzen an. Ausgehend hiervon hat der Kläger keinen Schaden i. S. v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO dargelegt.
63aa) Der Kläger kann sich zur Darlegung eines Schadens nicht allein darauf stützen, er habe aufgrund des Verhaltens der Beklagten seine Daten nicht kontrollieren können.
64Nach der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein Schaden nicht damit begründet werden, die Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO habe zu einem Kontrollverlust geführt, weil die Überprüfung verhindert werde, ob die Beklagte personenbezogene Daten rechtmäßig verarbeite. Der Auskunftsanspruch des Art. 15 Abs. 1 DSGVO dient zwar dem Zweck, Betroffenen die Ausübung der Rechte auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung und Widerspruch gegen die Verarbeitung nach Art. 16 bis 18 und Art. 21 DSGVO zu ermöglichen (vgl. EuGH 4. Mai 2023 - C-487/21 - [Österreichische Datenschutzbehörde] Rn. 35). Ein Kontrollverlust geht jedoch mit jeder Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO zwingend einher. Er ist daher nicht geeignet, einen von der bloßen Verletzung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO unterscheidbaren Schaden zu begründen. Die eigenständige Voraussetzung des Schadens würde damit bedeutungslos . Sie wäre stets erfüllt. Dies ist mit dem Normverständnis des Gerichtshofs von Art. 82 Abs. 1 DSGVO ebenso wenig zu vereinbaren wie mit den Anforderungen des nationalen Prozessrechts, das die substantiierte Darlegung eines Schadens verlangt (BAG 20. Juni 2024 – 8 AZR 124/23 - Rn. 18 mwN; aA Brandt/Goffart NZA 2024, 240, 242).
65Soweit der Kläger im Hinblick auf einen Verlust der Kontrolle vorträgt, ihm sei die Prüfung verwehrt, ob und vor allem wie die Beklagte seine personenbezogenen Daten verarbeite, legt er lediglich ein hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung dar. Ein objektiv erhöhtes Missbrauchsrisiko in Bezug auf die von dem Auskunftsanspruch betroffenen personenbezogenen Daten zeigt der Kläger hingegen nicht auf. Anders als bei einem Datenleck – das hier nicht behauptet wird - verschlechtert sich durch eine unterbliebene Auskunft die Sicherheit der Daten nicht unmittelbar. Es hätte ergänzender Darlegungen des Klägers bedurft, aus welchen Gründen ein mehr als nur hypothetisches Risiko einer missbräuchlichen Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestehen soll (vgl. BAG 20. Juni 2024 – 8 AZR 124/23 - Rn. 19).
66Soweit sich aus dem Vortrag des Klägers negative Gefühle in Form einer Befürchtung der missbräuchlichen Datenverwendung ergeben, können diese unter den gegebenen Umständen nicht als begründet angesehen werden. Nach der vorgenannten Rechtsprechung reicht das bloße Berufen auf Befürchtungen dieser Art nicht aus. Um zu prüfen, ob das Gefühl als begründet angesehen werden kann, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Dabei ist insbesondere das objektive Risiko eines Missbrauchs in den Blick zu nehmen, zu dem es vorliegend an ausreichenden Darlegungen fehlt (vgl. BAG 20. Juni 2024 – 8 AZR 91/22 – Rn. 20).
67bb) Für die geforderte Darlegung eines Schadens reicht auch nicht aus, dass der Kläger behauptet, es nerve ihn in erheblicher Weise, dass er wegen des Verstoßes der Beklagten Mühe und Zeit investieren müsse, um seine Rechte gerichtlich durchzusetzen. Damit wird kein immaterieller Schaden dargelegt. Der Ersatz des Aufwands, welcher durch eine Rechtsverfolgung entsteht, stellt einen materiellen Schaden dar, welchen der Kläger nicht verlangt (vgl. LAG Düsseldorf 19. September 2024 -13 SLa 293/24 - zu B. b) bb) der Gründe).
68Dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs in atypischer Weise erfolgt ist und damit besonders „nervend“ war, vermag die Berufungskammer ebenfalls nicht zu erkennen. Soweit der Kläger das Prozessrisiko und die ungeklärte Rechtslage anführt, handelt es sich um einen Zirkelschluss. Durch das Verfolgen eines unbegründeten Anspruchs auf Schadensersatz kann ein solcher nicht erst entstehen. Eine Straffunktion kommt dem Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht zu (vgl. LAG Düsseldorf 19. September 2024 -13 SLa 293/24 - zu B. b) bb) der Gründe).
69Ärger und Frust als Pauschalbehauptung vermögen im Übrigen einen konkreten immateriellen Schaden nicht zu begründen (vgl. LAG Düsseldorf 28. November 2023 – 3 Sa 285/23 – Rn. 52; vgl. Fuhlrott/Fischer, NZA 2023, 606, 610). Auch wenn das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle bei der Schadensdarlegung nicht gefordert wird, bleibt das Erfordernis bestehen, den Schaden auch im niedrigschwelligen Bereich konkret zu begründen. Diese Anforderung erfüllt das Vorbringen des Klägers nicht. Bereits das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, es sei nicht ersichtlich, dass auf Seiten des Klägers eine begründete Befürchtung bestanden habe, die ihn in seiner physischen oder psychischen Sphäre oder in seinem Beziehungsleben beeinträchtige. Erst recht sei nicht erkennbar, dass die Befürchtung ihm tatsächlich und konkret einen realen und sicheren emotionalen Schaden zugefügt habe. Die Beklagte hat zweitinstanzlich weiter bestritten, dass der Kläger von dem streitgegenständlichen Sachverhalt genervt sei und hat auf eine Systematik seines Vorgehens verwiesen. Sie hat gerügt, dass der Kläger auch in der Berufungsbegründung keine Anknüpfungspunkte für sein „genervt sein“ vorgetragen habe. Tatsächlich sind konkrete Darlegungen des Klägers zu diesem Punkt auch in zweiter Instanz nicht erfolgt. Es liegt seitens des Klägers weiterhin ein bloßes Berufen auf eine Gefühlslage vor, welches die Berufungskammer ohne weitere Konkretisierung und unter Berücksichtigung der Umstände des Falls nicht als begründet ansehen kann.
70C.
71Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
72RECHTSMITTELBELEHRUNG
73Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
74REVISION
75eingelegt werden.
76Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
77Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
78Bundesarbeitsgericht
79Hugo-Preuß-Platz 1
8099084 Erfurt
81Fax: 0361 2636-2000
82eingelegt werden.
83Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
84Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
85Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
861. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
91Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
92Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
93* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
94Dr. Haves |
Schulz |
Schmitz |