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Mangels anderweitiger tarifvertraglicher Regelung beträgt der Mindestabstand der AT-Vergütung (im Sinne aller geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen gemäß § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW) zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe in der Metall- und Elektroindustrie NRW einen Cent (Divergenz zu LAG Köln, Urteil vom 28.04.2016 (8 Sa 1193/15).
I.Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.04.2023 - Az.: 3 Ca 2218/22 - wird zurückgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D:
2Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer höheren AT-Vergütung für den Zeitraum von Juni 2022 bis einschließlich Februar 2023 in einer Gesamthöhe von 17.316,27 € brutto (9 Monate zu je 1.924,03 € brutto Differenz zu der dem Kläger gezahlten Vergütung) und in diesem Zusammenhang über die Frage, wie der Mindestabstand von Tarif- zu AT-Vergütung nach § 1 Ziffer 3 Abs. 2 des Entgeltrahmenabkommens in der Metall- und Elektroindustrie NRW vom 18.12.2003 zu bestimmen ist.
3Der Kläger ist am 24.11.1971 geboren und seit dem 01.10.2013 bei der Beklagten, zuletzt als Entwicklungsingenieur für den Bereich System Simulation, Mixed Reality Applications, Additive Manufacturing (RDA) beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt seit dem 01.06.2022 der Arbeitsvertrag vom 13./17.05.2022 zu Grunde. Dieser ist überschrieben als "außertariflicher Arbeitsvertrag" und lautet auszugsweise wörtlich wie folgt (Blatt 9 ff. der erstinstanzlichen Akte):
4§ 3 Arbeitszeit
51.Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.
6Lage und Verteilung der täglichen Arbeitszeit ergeben sich aus den betrieblichen Regelungen.
7[...]
8§ 4 Bezüge / Gewinnbeteiligung
91.Herr U.erhält ein außertarifliches monatliches Bruttoentgelt in Höhe von
10EUR 7.380,00.
112.Herr U. erhält eine Zuwendung zum Zwecke der altersvorsorgewirksamen Leistungen gemäß den betrieblichen Regelungen in der jeweils gültigen Fassung.
123.Herr U. erhält eine Gewinnbeteiligung ggf. zeitanteilig gemäß der betrieblichen Regelung in der jeweils gültigen Fassung.
134.Der sich aus der Entgeltabrechnung ergebende Auszahlungsbetrag wird entsprechend der betrieblichen Regelung zum Ende eines jeden Kalendermonats auf ein von Herrn U. zu benennendes Konto überwiesen.
14[...]"
15Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Im Betrieb der Beklagten finden kraft arbeitgeberseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV Metall NRW) vom 08.11.2018 und das Entgeltrahmenabkommen NRW (ERA NRW) vom 18.12.2003, beide abgeschlossen zwischen Metall NRW und der IG Metall, Anwendung. Darüber hinaus findet der mit der IG Metall abgeschlossene Zukunftstarifvertrag für die Beklagte vom 30.07.2018 nebst zugehörigem Änderungstarifvertrag vom 23.07.2021 Anwendung.
16Der MTV Metall NRW bestimmt unter § 1 Ziffer 3 zum persönlichen Geltungsbereich, dass er für die Beschäftigten gilt, die vom persönlichen Geltungsbereich des Entgeltrahmenabkommens erfasst werden und Mitglied der IG Metall sind.
17Im Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie NRW ist unter § 1 zum Geltungsbereich folgendes geregelt:
18"§ 1 Geltungsbereich
19Dieses Entgeltrahmenabkommen gilt:
201. räumlich: für das Land Nordrhein-Westfalen;
212.fachlich: für die Betriebe der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentral- heizungsindustrie (Wärme-, Klima-, Lüftungs- und Gesund- heitstechnik) sowie in Verbindung damit der kunststoffver- arbeitenden Industrie einschließlich der Hilfs- und Nebenbe- triebe und der Montagestellen, wenn der Arbeitgeber einem Mitgliedsverband des Verbandes METALL NRW (Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V.) angehört;
223.persönlich: für die Beschäftigten (gewerbliche Arbeitnehmer und Arbeit- nehmerinnen sowie Angestellte), die Mitglied der IG Metall sind.
23Nicht unter den persönlichen Geltungsbereich fallen:
24a)Mitglieder gesetzlicher Organe von juristischen Personen sowie Beschäftigte mit Prokura,
25b)Beschäftigte mit Arbeitsaufgaben, deren Einstufung gemäß § 3 eine Punktzahl von mehr als 170 Punkten ergibt,
26c)Beschäftigte mit Arbeitsaufgaben, deren Einstufung gemäß § 3 eine Punktzahl von mindestens 155 bis 170 Punkten ergibt, wenn ihre Beschäftigung im Arbeitsvertrag als au- ßertariflich bezeichnet ist.
27In Fällen b) und c) müssen die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten (nicht berücksichtigt werden über 40 Stunden hinaus gehende Arbeitsstunden / Mehrarbeitsstunden)."
28Gemäß dem Beschreibungs- und Bewertungsbogen für Arbeitsaufgaben wurde die Tätigkeit des Klägers mit 180 Punkten gemäß § 3 ERA NRW bewertet und damit in die Entgeltstufe "AT" eingestuft. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bewertungsbogens wird auf Blatt 17 ff. der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen.
29Rückwirkend zahlt die Beklagte an den Kläger seit dem 01.06.2022 eine Vergütung in Höhe von 8.212,00 € brutto monatlich.
30Die Vergütung der höchsten Stufe der höchsten tariflichen Entgeltgruppe 14 / 4 betrug einschließlich der Leistungszulage und des monatlichen Urlaubsgeldes bei der Beklagten aufgrund von bis 31.12.2025 geltenden Sonderregelungen des zwischen ihr und der IG Metall abgeschlossenen Zukunftstarifvertrages im Streitzeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 7.184,31 € brutto bezogen auf die tarifliche regelmäßige Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und hochgerechnet auf 40 Wochenstunden 8.210,64 € brutto.
31Nachdem er mit Schreiben vom 29.07.2022, der Beklagten zugegangen am 02.08.2022, außergerichtlich erfolglos Differenzvergütungsansprüche für Juni und Juli 2022 geltend gemacht hatte, hat der Kläger mit am 31.10.2022 bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach eingegangener und mit Schriftsatz vom 28.02.2023 erweiterter Zahlungsklage seine Ansprüche gerichtlich weiterverfolgt. Er hat die Ansicht vertreten, ihm stünden weitere Vergütungsansprüche zu. Angelehnt an die sukzessiv ansteigende tarifliche Spreizung der Entgelte der Entgeltgruppen1 bis 14 müsse im Vergleich zum höchsten Entgelt der Gruppe 14 Stufe 4 ein Abstand von 23,45% gewahrt sein. Dieser Wert ergebe sich bei Fortsetzung der Rechenkette der ansteigenden Differenzen der einzelnen Entgeltgruppen von 1 bis 1,5% zwischen den Gruppen 1 bis 4 bis 20,74% zwischen den Gruppen 13 und 14, bezogen jeweils auf das Endgehalt. Diese Methode sei die einzige Bestimmungsweise, die sich auf objektive und klar feststellbare Faktoren stütze. Im Betrieb der Beklagten entspreche die Vergütung der außertariflich Angestellten zum Teil allenfalls der Entgeltgruppe 12. Die Beklagte plane zwar, ein außertarifliches Vergütungssystem einzuführen, habe dies jedoch nach wie vor nicht erarbeitet. Die in Aussicht gestellten Gewinnbeteiligungen könnten in die Vergleichsbetrachtung nicht einbezogen werden. Während der gesamten Beschäftigung des Klägers sei nur in vier Jahren eine Gewinnbeteiligung gezahlt worden, die zwischen 336,00 € und 5.269,00 € betragen habe. Die bloße Aussicht auf einen Betrag von 19.000,00 € brutto sei nicht relevant. Auch gemäß § 39 MTV NRW seien vage Vergütungsaussichten nicht zum Monatsentgelt hinzuzurechnen.
32Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
331.die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 weitere 17.316,27 € brutto zu zahlen;
342.die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von fünf Prozent- punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.924,03 € seit dem 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2022, seit dem 31.01.2023 und seit dem 28.02.2023 zu zahlen.
35Die Beklagte hat beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Sie hat die Ansicht vertreten, nach der unstreitig erfolgten rückwirkenden Korrekturabrechnung für den Zeitraum von Juni 2022 bis einschließlich Februar 2023 und der Auszahlung des sich hieraus ergebenden Betrages stehe dem Kläger kein weiterer Anspruch auf Differenzzahlungen mehr zu. Da das insoweit errechnete monatliche Gehalt des Klägers über dem auf eine 40-Stunden-Woche umgerechneten monatlichen Tarifentgelt der höchsten Tarifentgeltgruppe 14, Stufe 4 liege, sei die tarifliche Vorgabe, dass die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten müssten, erfüllt. Ein Mindestabstand sei im Tarifvertrag nicht vorgesehen. Zudem könne aus dem Tarifvertrag nicht abgleitet werden, dass auch bereits das monatliche Grundgehalt eines außertariflichen Angestellten über dem eines in die höchste Entgeltgruppe eingruppierten Tarifmitarbeiters liegen müsse. Außertarifliche Angestellte erzielten bei Zugrundelegung des jeweils identischen Zielerreichungsgrades eine signifikant höhere Gewinnbeteiligung als Tarifbeschäftigte. Während ein Beschäftigter der Entgeltgruppe 14 / 4 bei einem Zielerreichungsgrad von 100% rund 6.780,00 € brutto erhalte, belaufe sich die Gewinnbeteiligung eines außertariflichen Angestellten bei diesem Zielerreichungsgrad und Zugrundelegung einer Gehaltsbasis von € 8.212,00 brutto auf einen Betrag in Höhe von mehr als 19.000 € brutto.
38Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klage mit Urteil vom 13.04.2023 als unbegründet abgewiesen.
39Das Urteil ist dem Kläger über seine Prozessbevollmächtigten am 04.05.2023 zugestellt worden. Er hat mit am 05.06.2023 - einem Montag - bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 04.07.2023 bis zum 04.08.2023 - mit am 31.07.2023 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet.
40Der Kläger verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageziel weiter. Er trägt unter Verweis auf die freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung zum Lebensarbeitszeitkonto vom 24.03.2022, wegen deren Inhalts auf die Anlage zur Berufungsbegründung (Blatt 116 ff. der Berufungsakte) Bezug genommen wird, vor, dass nach dieser zwar sowohl tarifliche wie außertarifliche Mitarbeiter ein Wertguthaben auf einem Lebensarbeitszeitkonto aufbauen könnten. Die Möglichkeit des Einbringens von Vergütungen aus Zeitkonten und Mehrarbeit bestehe jedoch nur für Tarifmitarbeiter. Dass der Kläger damit lediglich aus Entgeltbestandteilen, jedoch nicht aus seinem Zeitguthaben ein Guthaben auf dem Lebensarbeitszeitkonto aufbauen könne, müsse im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau der geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen nach § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW Berücksichtigung finden. Darüber hinaus greift der Kläger die durch das Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung von § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW an. Soweit das Arbeitsgericht annehme, dass dort kein tarifliches Abstandsgebot geregelt sei, sei dies unzutreffend. Zwar werde im Unterschied z.B. zu den Tarifverträgen der bayerischen Metall- und Elektroindustrie keine konkrete Bezifferung des erforderlichen Abstands der AT-Vergütung zum Tarifentgelt vorgenommen. Das ändere aber nichts daran, dass gleichwohl auch § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW ein tarifliches Abstandsgebot enthalte. Dessen konkrete Bezifferung müsse im Rahmen einer Gesamtschau der geregelten geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden bestimmt werden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts dürfe eine Gewinnbeteiligung, die wie hier in den letzten 10 Jahren nur viermal und auch dann in unterschiedlicher und insgesamt nicht in nennenswerter Höhe zur Auszahlung gekommen sei, in der Gesamtschau insoweit nicht berücksichtigt werden, als sie keine regelmäßige, nämlich in gleichen Abständen sich wiederholende Vergütung sei. Da der Wortlaut des § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW ein Abstandsgebot enthalte, den konkreten Betrag aber einer Gesamtschau überlasse, müsse zur weiteren Konkretisierung im Rahmen der Auslegung auf die Systematik des Tarifvertrages zurückgegriffen werden. Diesbezüglich beruft sich der Kläger auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.04.2016 - 8 Sa 1193/15 -. Danach ergebe sich aus dem stetig ansteigenden Gehaltsabstand der tariflichen Entgeltgruppen eine Spreizung, die dann zur Bestimmung des Abstands der AT-Vergütung zur höchsten Tarifentgeltgruppe konsequent fortzuschreiben sei. Diesen stetig ansteigenden Abstand habe der Kläger mit einem Wert von 23,45 % als Abstand zwischen der höchsten Tarifentgeltgruppe EG 14 und seiner geltend gemachten AT-Vergütung fortgeschrieben und sei damit der Systematik des Tarifvertrages gefolgt. Wegen der Einzelheiten seiner Berechnung wird insoweit auf Seite 10 und 11 der Berufungsbegründung Bezug genommen. Diese systematischen Auslegungsüberlegungen habe das Arbeitsgericht unzutreffend gewürdigt. Bei zutreffender Würdigung und damit Auslegung hätte es dementsprechend seiner Klageforderung stattgeben müssen.
41Der Kläger beantragt,
42das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.04.2023 - 3 Ca 2218/22 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 weitere 17.316,27 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 1.924,03 € seit dem 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2022, seit dem 01.01.2023 und seit dem 28.02.2023.
43Die Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hält die Berufung für nicht begründet. Unstreitig erhalte der Kläger seit seiner Ernennung zum AT-Angestellten für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ein garantiertes monatliches Bruttogehalt, das über dem der höchsten Tarifentgeltgruppe EG 14/4 liege. Ein darüberhinausgehender Anspruch lasse sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus tarifvertraglichen Vorgaben herleiten. Zu der erstmals in das Berufungsverfahren eingebrachten freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung zum Lebensarbeitszeitkonto rügt die Beklagte zum einen Verspätung, zum anderen verweist sie darauf, dass die Nutzung des Lebensarbeitszeitkontos für alle Mitarbeiter freiwillig sei. Soweit der Kläger davon Gebrauch mache, ändere dies nichts daran, dass ihm gegenüber - unstreitig - ein monatliches Gehalt garantiert worden sei, das über dem höchsten Tarifentgelt liege. Mehr verlange § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW nicht. Der Tarifvertrag regele kein bestimmtes Abstandsgebot, erst recht keines, das systematisch aus den Abständen der einzelnen Tarifentgeltgruppen zueinander fortzuschreiben sei, wobei die Beklagte die von dem Kläger insoweit vorgenommene Berechnung nicht nur dem Grunde nach, sondern auch zur Höhe bestreitet. Der Tarifvertrag regele vielmehr einen Mindestvergütungsanspruch des AT-Angestellten, der im Falle des Klägers durch die unstreitig die Vergütung der Tarifentgeltgruppe EG 14/4 übersteigenden Gehaltszahlungen im Streitzeitraum erfüllt worden sei.
46Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
47E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
48I.
49Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
50II.
51Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Juni 2022 bis einschließlich Februar 2023 keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren, höheren AT-Vergütung. Die erforderliche Anspruchsgrundlage ergibt sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW wegen einer Unterschreitung des tariflichen Mindestabstands zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe. Die dem Kläger unstreitig gezahlte Bruttovergütung im Streitzeitraum von monatlich 8.212,00 € übersteigt das bei gleicher regelmäßiger Wochenarbeitszeit von 40 Stunden im Streitzeitraum nach Maßgabe des im Betrieb der Beklagten geltenden Zukunftstarifvertrages in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe EG 14/4 geschuldete Entgelt von 8.210,64 € brutto. Mehr schuldet die Beklagte dem Kläger als AT-Angestelltem nicht. Die von dem Kläger vertretene Ansicht, aus einer systematischen, im Tarifwerk angelegten und damit bei der Auslegung von § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW zu berücksichtigenden Auslegung ergebe sich, dass die Spreizung der Gehaltsabstände zwischen den Tarifentgeltgruppen zur Bestimmung des Abstands von AT- zu höchster Tarifvergütung fortzuschreiben sei - hier konkret mit einem Abstand von 23,45 % -, überzeugt nicht. Soweit der von dem Kläger für seine Ansicht in Bezug genommenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.04.2016 (8 Sa 1193/15, juris, Rz. 54) ein solches Verständnis des Tarifvertrages zugrunde liegt, folgt die erkennende Berufungskammer dem ausdrücklich nicht. Es gibt zwar ein tarifliches Mindestabstandsgebot in § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW zur Begründung des AT-Status. Dieses beträgt jedoch nach dem insoweit aus Sicht der erkennenden Berufungskammer eindeutigen und damit maßgeblichen Wortlaut des Tarifvertrages 1 Cent über der höchsten tariflichen Entgeltgruppe, nicht mehr und nicht weniger. Alles andere und insbesondere eine von dem Kläger hier sehr ausdifferenziert aus der Systematik von Tarifentgeltgruppen, die bei AT-Angestellten ja gerade keine Anwendung finden, entwickelte und in den AT-Bereich fortzuschreibende "Spreizung" hätten die Tarifvertragsparteien, wenn sie denn gewollt gewesen wäre, regeln müssen. Das ist aber nicht geschehen und lässt sich auch im Wege der Tarifauslegung in § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW nicht hineininterpretieren.
52Im Einzelnen:
531. Die Parteien haben unter dem 13./17.05.2022 durch neuen und ausdrücklich als "außertariflich" bezeichneten Arbeitsvertrag ihr bereits seit 01.10.2013 bestehendes Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 01.06.2022 (§ 1 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages) auf eine neue Vertragsgrundlage gestellt und insbesondere unter § 4 eine außertarifliche Vergütung des Klägers vereinbart.
54Daraus lässt sich im Wege der Auslegung der ja einzig und allein zur Begründung und Ausgestaltung des neuen Status als AT-Angestellter abgeschlossenen Vertrages vom 13./17.05.2022 nach §§ 133, 157 BGB entnehmen, dass die Beklagte dem Kläger eine zumindest den Status des AT-Angestellten sichernde Vergütung schuldet. Das kommt schon im Wortlaut des § 4 des Arbeitsvertrags hinreichend deutlich zum Ausdruck, der von einem "außertariflichen monatlichen Bruttoentgelt" spricht und wird gestützt durch den Gesamtzusammenhang eines allein die Ausgestaltung des neuen Status bezweckenden Vertragswerkes. Sinn und Zweck eines AT-Vertrags bestehen gerade - und so auch hier - darin, das Arbeitsverhältnis auf eine vom Tarifvertrag losgelöste Grundlage zu stellen (BAG vom 25.04.2018 - 5 AZR 84/17, juris, Rz. 24; BAG vom 21.06.2000 - 4 AZR 793/98, juris, Rz. 39). Ausgehend von diesem Begriffsverständnis sind außertarifliche Angestellte solche, die nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fallen, wobei eine beiderseitige Tarifbindung nicht einmal erforderlich ist, solange das Arbeitsverhältnis an sich vom Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages erfasst wird (BAG vom 18.11.2020 - 5 AZR 21/20, juris, Rz. 22; BAG vom 25.04.2018 - 5 AZR 84/17, juris, Rz. 23).
55Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird nicht nur aufgrund entsprechender Handhabung in dem tarifgebundenen Betrieb der Beklagten, sondern unstreitig aufgrund beiderseitiger Tarifbindung vom räumlichen und fachlichen Geltungsbereich der zwischen der Beklagten (bzgl. des Zukunftstarifvertrages) bzw. Metall NRW (bzgl. des MTV, des ERA NRW und der Entgeltabkommen) und der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen erfasst.
56Nach § 1 Ziffer 3 MTV Metall NRW, der auf den persönlichen Geltungsbereich des ERA NRW verweist, und § 1 Ziffer 3 ERA NRW fallen nicht unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge unter anderem Beschäftigte mit Arbeitsaufgaben, deren Einstufung nach § 3 ERA NRW eine Punktzahl von mehr als 170 Punkten ergibt (§ 1 Ziffer 3 lit. b) ERA NRW), wenn die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten, wobei über 40 Stunden hinausgehende Arbeitsstunden/Mehrarbeitsstunden nicht berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit dieser Regelung der Metalltarifverträge in NRW kann die vertragliche Vereinbarung eines außertariflichen Arbeitsverhältnisses mit einer außertariflichen Vergütung zwischen den Parteien nur so verstanden werden, dass die Vergütung des Klägers vertraglich immer zumindest in der Höhe geschuldet und vereinbart sein soll, die tariflich für die Herausnahme aus dem persönlichen Geltungsbereich als AT-Angestellter gefordert ist (vgl. zu der entsprechenden Vertragsauslegung bei AT-Verträgen BAG vom 18.11.2020 - 5 AZR 21/20, juris, Rz. 24; BAG vom 25.04.2018 - 5 AZR 84/17, juris, Rz. 25; BAG vom 03.09.2014 - 5 AZR 1020/12, juris, Rz. 11/12; BAG vom 19.05.2009 - 9 AZR 505/08, juris, Rz. 21).
57Bei der Vertragsauslegung ist der Grundsatz zu beachten, dass Willenserklärungen möglichst gesetzeskonform auszulegen sind. Die Vertragsparteien wollen im Zweifel im eigenen wohlverstandenen Interesse den angestrebten rechtlichen Erfolg mit rechtswirksamen Mitteln herbeiführen. Dem entspricht nur eine Auslegung, die zwingend vorgegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt (vgl. BGH vom 17.03.2011 - I ZR 93/09, juris, Rz. 26; Erman/Arnold, BGB, 17. Auflage, § 133 Rn. 29). Wenn wie hier aber aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die im Betrieb der Beklagten anwendbaren, mit der IG Metall abgeschlossenen Firmen- und Verbandstarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW normativ gelten, kann ein AT-Status, der mit der Herausnahme aus den tariflichen Regelungen einhergeht und insoweit nicht nur allein günstige, sondern insgesamt ambivalente - nämlich sowohl im Vergleich zu den gesamten Tarifbedingungen günstigere als auch ungünstigere oder auch insoweit nicht klar zuzuordnende - Regelungen enthält, mit Blick auf § 4 Abs. 3 TVG nur wirksam vertraglich vereinbart werden, wenn diese Tarifverträge keine Anwendung finden. Der rechtliche Erfolg der vertraglichen Vereinbarung des AT-Status hängt also davon ab, dass der Kläger nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich der Metalltarifverträge fällt (BAG vom 03.09.2014 - 5 AZR 1020/12, juris, Rz. 11/12; BAG vom 19.05.2009 - 9 AZR 505/08, juris, Rz. 21). Das bedeutet mit Blick auf die unstreitig gegebene Einstufungsvoraussetzung nach § 1 Ziffer 3 lit. b) ERA NRW, dass seine geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen im Sinne von § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe, also der EG 14 regelmäßig überschreiten müssen. Trotz dem Wortlaut nach in § 4 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags fix und nicht variabel geregelter Bruttomonatsvergütung kann sich daraus im Wege der Vertragsauslegung zur Statuserhaltung ein Anspruch auf Vergütungserhöhung gegen die Beklagte ergeben.
58Soweit teilweise in der Literatur vertreten wird, bei Nichteinhaltung des tariflichen Mindestabstands ergebe sich nicht etwa ein vertraglicher Anspruch auf Anpassung der Vergütung, sondern bei IG Metall - Mitgliedern im Falle des § 1 Ziffer 3 lit. c) (sog. "Vertrags-ATler") schlicht die Rechtsfolge, dass diese den AT-Status verlieren und eine tarifliche Vergütung verlangen können (so Weiss/Armborst/Breick/Wiersberg, Kommentar zum MTV Metall NRW, 6. Auflage, § 1 Anm. 12 Ziffer 3; ebenso Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, § 4 Rn. 290), überzeugt dies schon für die Vertrags-ATler nicht. Denn es wird den oben genannten Anforderungen einer gesetzeskonformen Vertragsauslegung und dem mit der ausdrücklichen AT-Statusvereinbarung verfolgten Sinn und Zweck nicht gerecht. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger nicht Vertrags-ATler nach § 1 Ziffer 3 lit. c) ERA NRW, sondern sog. System-ATler nach § 1 Ziffer 3 lit. b) ERA NRW ist, denn seine tarifliche Einstufung nach § 3 ERA NRW liegt über 170 Punkten und damit schon systemisch im außertariflichen Bereich. In seinem Fall würde sich eine Rechtsanwendung, die den Vertragswillen zur Statusregelung des AT-Beschäftigten in dem extra hierzu im Mai 2022 abgeschlossenen Vertrag nicht berücksichtigte, erst recht über grundlegende Vertragsauslegungsgrundsätze hinwegsetzen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger nicht etwa aufgrund nachträglicher Tarifentgelterhöhungen eine höhere AT-Vergütung zur Wiederherstellung des Mindestabstands zur höchsten Tarifentgeltgruppe fordert, sondern direkt beginnend mit dem Vertragszeitraum ab 01.06.2022 die Unterschreitung des tariflichen Mindestabstands rügt und hierauf beruhend die gleich von Beginn an geschuldete AT-Mindestvergütung geltend macht.
592. Der Kläger hat gleichwohl gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine höhere als die ihm unstreitig im Streitzeitraum - wenn auch teilweise aufgrund des erstinstanzlich erklärten Teilanerkenntnisses erst nachträglich im Prozessverlauf - gezahlte AT-Vergütung. Denn diese wahrt den Mindestabstand nach § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dieser nicht mit einem Betrag von 23,45% oberhalb der höchsten Tarifentgeltgruppe EG 14/4 zu bemessen, sondern mit 1 Cent oberhalb dieser Entgeltgruppe. Das ergibt die Auslegung von § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW (ebenso Weiss/Armborst/Breick/Wiersberg, Kommentar zum MTV Metall NRW, 6. Auflage, § 1 Anm. 12 Ziffer 3; vgl. auch Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, § 4 Rn. 288; a.A. LAG Köln vom 28.04.2016 - 8 Sa 1193/15, juris, Rz. 54) und dieser Mindestabstand ist eingehalten. Die Beklagte zahlte dem Kläger im Streitzeitraum unstreitig eine monatliche Bruttovergütung von 8.212,00 €. Gleichfalls unstreitig betrug im Betrieb der Beklagten, in dem aufgrund des Zukunftstarifvertrages eine vom Flächentarif abweichende Tarifvergütung gilt, im Streitzeitraum die Vergütung der höchsten tariflichen Entgeltgruppe 14/4 einschließlich tariflichen Urlaubsgeldes und der Leistungszulage und hochgerechnet auf die individuell für den Kläger geltende und mithin als Vergleichsmaßstab heranzuziehende 40-Stunden-Woche 8.210,64 €. Die AT-Vergütung des Klägers betrug im Streitzeitraum damit 1,36 € monatlich und mithin regelmäßig mehr als die der höchsten tariflichen Entgeltgruppe in der Gesamtschau aller materiellen geldwerten Arbeitsbedingungen. Mehr kann der Kläger nicht fordern.
60a. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG vom 17.10.2023 - 9 AZR 39/23, juris, Rz. 19; BAG vom 20.07.2022 - 7 AZR 247/21, juris, Rz. 20; BAG vom 13.10.2021 - 4 AZR 365/20, juris, Rz. 21; BAG vom 20.06.2018 - 4 AZR 339/17, juris, Rz. 19 m.w.N.).
61b. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich hier schon aus dem Wortlaut des § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW klar und deutlich, dass die nordrhein-westfälischen Metall-Tarifvertragsparteien kein über einen Cent hinausgehendes Abstandsgebot für AT-Vergütungen zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe geregelt haben. Denn eine solche Abstandsklausel enthält der Tarifvertrag nicht. Dort ist lediglich geregelt, dass im Rahmen einer umfänglichen Gesamtbetrachtung von AT- und höchster Tarifvergütung die AT-Vergütung regelmäßig höher als die höchste tarifliche Vergütung ausfallen muss. Um welchen Betrag oder Prozentsatz höher sie ausfallen muss, wird nicht geregelt. Wird ein bestimmter Mindestabstand nicht tariflich festgelegt, bedeutet dies jedoch nichts anderes als dass die Tarifvertragsparteien bereits eine die höchste Tarifvergütung auch nur um einen Cent übersteigende AT-Vergütung zulassen wollten. Weder der Wortlaut noch der tarifliche Gesamtzusammenhang oder andere im Rahmen der Auslegung berücksichtigungsfähige Gesichtspunkte lassen irgendeinen Rückschluss darauf zu, dass bei § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW anderes gemeint wäre.
62Schon nach der Systematik des ERA NRW und des Sinns und Zwecks der Abstandsregelung zur AT-Vergütung ergibt sich, dass hier kein weiterer als der ausdrücklich geregelte Abstand gefordert ist. Die maßgebliche, auszulegende Regelung des § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW betrifft den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages und damit die Frage, auf welchen Personenkreis er überhaupt anwendbar ist. So wie Sinn und Zweck eines AT-Vertrags darin bestehen, das Arbeitsverhältnis auf eine vom Tarifvertrag losgelöste Grundlage zu stellen (BAG vom 25.04.2018 - 5 AZR 84/17, juris, Rz. 24; BAG vom 21.06.2000 - 4 AZR 793/98, juris, Rz. 39) und mithin vom Begriffsverständnis her außertarifliche Angestellte solche sind, die nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fallen (BAG vom 18.11.2020 - 5 AZR 21/20, juris, Rz. 22; BAG vom 25.04.2018 - 5 AZR 84/17, juris, Rz. 23), bedarf es zur Abgrenzung von Tarif- zu AT-Angestellten bei Erfüllung gewisser Tätigkeitsmerkmale wie hier der Einstufung nach § 3 ERA mit mehr als 170 Punkten allein noch der Überschreitung der höchsten Tarifvergütung zur Rechtfertigung für die Herausnahme von Arbeitnehmern aus dem tariflichen Schutzbereich. Der Zweck dieser tariflichen Vorgabe für eine Herausnahme aus dem persönlichen Geltungsbereich besteht darin, dem außertariflichen Angestellten eine Kompensation für die mit dem AT-Status verbundene Preisgabe tariflicher Ansprüche und Rechte zu verschaffen (BAG vom 18.11.2020 - 5 AZR 21/20, juris, Rz. 30). Es ist Aufgabe der Tarifvertragsparteien, die Höhe dieser Kompensation festzulegen. Ohne besondere Regelung beträgt die Höhe, also der maßgebliche Unterschied zwischen AT- und höchster Tarifvergütung 1 Cent. Denn bereits damit verdient der AT-Angestellte mehr als ein in die höchste tarifliche Entgeltgruppe eingruppierter Tarifangestellter. Ob ein solcher Unterschied den AT-Status attraktiv macht, spielt keine Rolle, denn es ist nicht Aufgabe und oft auch gar nicht Intention der Tarifvertragsparteien, für eine solche Attraktivität zu sorgen. Ihre Aufgabe besteht in der Definition und Abgrenzung des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages. Befindet sich ein Arbeitnehmer dann außerhalb dieses Geltungsbereichs, ist er qua definitionem AT-Angestellter.
63Dem von dem Kläger unter Rückgriff auf die Entscheidung des LAG Köln vom 28.04.2016 (8 Sa 1193/15, juris, Rz. 54) vertretenen Ansatz einer Auslegung des § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW dahingehend, dass unter Fortschreibung der Entgeltspreizung im Tarifbereich die AT-Vergütung - nach Berechnung des Klägers - 23,45% oberhalb der höchsten Tarifentgeltgruppe EG 14/4 liegen müsse, steht entgegen, dass für ein solches Tarifverständnis jeglicher Anhaltspunkt im Tarifwortlaut fehlt und die erkennende Berufungskammer es auch für systematisch verfehlt hält, eine AT-Vergütung nach dem Verhältnis der Tarifgruppen und der im Tarifbereich vorzufindenden Entgeltspreizung zu bemessen. Das Wesen eines außertariflichen Arbeitsverhältnisses besteht gerade darin, nicht tariflich geregelt zu sein. Dementsprechend ist es, solange nicht ausdrücklich anderes im Rahmen der definitorischen Vorgabe bei der Bestimmung der oberen Grenze des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages durch die Tarifvertragsparteien geregelt wird, systematisch verfehlt und somit unzulässig, mit Abstandsregelungen innerhalb des Tarifgefüges einen höheren Mindestabstand der AT-Vergütung festlegen zu wollen.
64Wie der bereits von dem Arbeitsgericht angestellte Vergleich mit § 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (zitiert nach BAG vom 03.09.2014 - 5 AZR 1020/12, juris, Rz. 4) ebenso zeigt wie beispielsweise auch ein Vergleich mit der Regelung des § 1 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie im Bereich Osnabrück-Emsland, welcher (zitiert nach BAG vom 18.11.2020 - 5 AZR 21/20, juris, Rz. 4) einen Mindestabstand von 15% über der höchsten Tarifentgeltgruppe regelt, sind einen bestimmten Prozentsatz festlegende Mindestabstandsregelungen zur Bestimmung der Grenzen zwischen Tarif- und AT-Bereich in der Metall- und Elektroindustrie bundesweit nicht unüblich. Es ist lebensfremd anzunehmen, die nordrhein-westfälischen Tarifvertragsparteien wären sich dessen nicht bewusst gewesen, als sie ihre Regelung zu § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW vereinbarten. Sie haben sich augenscheinlich aber einerseits zwar für eine umfassende, alle geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen umfassende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der individuell relevanten AT-Arbeitszeit bis zur Obergrenze von 40 Wochenstunden entschieden, andererseits dann aber auch im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung das Überschreiten der höchsten Tarifentgeltgruppe als solches und ohne Festlegung bestimmter weiterer Abstandsmaße für die Begründung des AT-Status und das Herausfallen des Beschäftigten aus dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ausreichen lassen. Dementsprechend beträgt der Mindestabstand hier rechnerisch 1 Cent. Es geht um das Überschreiten an sich und nicht um eine bestimmte Höhe. Überlegungen zu einer fortzuführenden Tarifspreizung finden in § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW keine Grundlage.
65c. Dieses Auslegungsergebnis kann auch nicht mit Überlegungen zu einer ergänzenden Tarifauslegung oder einer Analogie zu den tariflichen Abstandsregelungen der einzelnen ERA-Entgeltgruppen korrigiert werden.
66Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist (BAG vom 20.07.2023 - 6 AZR 256/22, juris, Rz. 33; BAG vom 23.04.2013 - 3 AZR 23/11, juris, Rz. 29).
67Die analoge Anwendung einer tariflichen Regelung setzt in vergleichbarer Weise eine unbewusste Tariflücke voraus. Eine Analogie kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn die normative Regelung eine planwidrige Lücke aufweist, zu deren Ausfüllung die Übertragung der Rechtsfolge eines normativen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber in der Norm nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist (BAG vom 20.07.2023 - 6 AZR 256/22, juris, Rz. 34 m.w.N.).
68In beiden Fällen ist für die Beantwortung der Frage, ob es sich um eine bewusste oder unbewusste Tariflücke handelt, auf den Willen der Tarifvertragsparteien abzustellen (BAG vom 20.07.2023 - 6 AZR 256/22, juris, Rz. 33; BAG vom 11.07.2019 - 6 AZR 460/18, juris, Rz. 26).
69Danach ist hier eine unbewusste Regelungslücke nicht feststellbar. Dagegen spricht, dass die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Ausgestaltung tariflicher Abstandsregelungen zur Festlegung des AT-Status allein schon aufgrund einschlägiger abweichender Regelungen im einschlägigen fachlichen Bereich der Metall- und Elektroindustrie bekannt gewesen sein dürften. Zudem haben die Tarifvertragsparteien hier in § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW eine sehr ausdifferenzierte Regelung zum Vergleich von AT- und Tarifvergütung vereinbart. Sie haben die Gesamtschau unter umfassender Berücksichtigung aller geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen geregelt und nicht einfach nur auf beispielsweise das monatliche Fixum abgestellt. Damit werden auch die tarifliche Leistungszulage und sämtliche weiteren tariflichen Entgeltbestandteile in der Vergleichsbetrachtung berücksichtigt (vgl. im Einzelnen hierzu Weiss/Armborst/Breick/Wiersberg, Kommentar zum MTV Metall NRW, 6. Auflage, § 1 Anm. 12 Ziffer 3). Sie haben genau geregelt, dass der Vergleich auf Basis der individuellen Wochenarbeitszeit des Angestellten stattzufinden hat, dessen AT-Status geprüft wird, mit einer Obergrenze von 40 Wochenstunden. Sie haben sich damit insgesamt für eine vollständige Gesamtbetrachtung entschieden und dann bei dieser aber - bewusst - das bloße Überschreiten der höchsten Tarifvergütung als solches ausreichen lassen. Diese Entscheidung bewegt sich unproblematisch im tariflichen Regelungsspielraum und kann von Rechts wegen nicht korrigiert werden. Allein die Tarifpartner wären hierzu befugt.
70d. Die Berechnung des heranzuziehenden Vergleichsentgelts der höchsten Tarifvergütung der EG 14/4 für den Streitzeitraum hat der Kläger selbst in der Klageschrift auf Seite 3 unter Ziffer 4 und 5 vorgenommen. Berechnung und Berechnungsergebnis sind unstreitig und auch aus Sicht der Berufungskammer inhaltlich zutreffend. Die allein rechtlich problematische Frage, ob die höchste Tarifentgeltgruppe hier mit EG14/4, also mit der höchsten Entgeltstufe für die Zeit nach 36 Monaten entsprechender Eingruppierung zugrunde zu legen ist, obwohl der Kläger im Streitzeitraum noch keine 12 Monate AT-Angestellter war und mithin im Vergleich von AT-Vergütung (für die ersten 12 Monate) zu entsprechender höchster Tarifvergütung auch die EG 14/1 in Betracht käme (so Weiss/Armborst/Breick/Wiersberg, Kommentar zum MTV Metall NRW, 6. Auflage, § 1 Anm. 12 Ziffer 3), kann dahingestellt bleiben. Denn selbst der von dem Kläger nach Maßgabe der höchsten Entgeltstufe 4 der EG 14 berechnete Betrag von 8.210,64 € brutto (berechnet auf Monatsbasis) wird durch die dem Kläger unstreitig gezahlte AT-Vergütung von 8.212,00 € brutto monatlich im Streitzeitraum überschritten. Damit steht ihm unter keinem Gesichtspunkt eine weitere, höhere AT-Vergütung zu.
71Der Streit der Parteien über die Berücksichtigungsfähigkeit in Aussicht gestellter Gewinnbeteiligungen bedarf gleichfalls keiner Entscheidung. Würde eine Gewinnbeteiligung gezahlt, wäre sie im AT-Bereich für den Kläger unstreitig signifikant höher als vergleichbar im Tarifbereich der EG 14/4. Ob sie also als regelmäßiger Entgeltbestandteil in die Vergleichsbetrachtung einbezogen werden kann, kann dahingestellt bleiben, da die Vergütung des Klägers selbst ohne Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung die der EG 14/4 übersteigt.
72Schließlich kommt keine höhere AT-Vergütung des Klägers unter Berücksichtigung der freiwilligen GBV zum Lebensarbeitszeitkonto im Streitzeitraum in Betracht. Zum einen hat der Kläger zwar die GBV im Berufungsverfahren vorgelegt und diese hat auch einen den Streitzeitraum umfassenden Geltungszeitraum. Er hat aber zum anderen nicht behauptet, dass er im Streitzeitraum überhaupt bereits Gebrauch von den sich aus der GBV ergebenden Möglichkeiten gemacht und die erforderliche Einbringungsvereinbarung abgeschlossen hätte. Denn die Beklagte weist zutreffend auf die Freiwilligkeit hin, die unter Ziffer 2 der GBV ausdrücklich geregelt ist. Ohne Abschluss einer Einbringungsvereinbarung oder zumindest dem absehbaren Abschluss und Gebrauch der Möglichkeiten der GBV zum Lebensarbeitszeitkonto kommt jedoch von vornherein keine Einbringung in den erforderlichen Vergleich der geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen nach § 1 Ziffer 3 Abs. 2 ERA NRW in Betracht. Das Vorbringen des Klägers erweist sich schon insoweit nicht als schlüssig. Darüber hinaus besteht ein Unterschied zwischen Tarifangestellten und AT-Angestellten allein in der letzteren nicht möglichen Einbringung von Vergütung aus Zeitkonten und Mehrarbeitsvergütungen. Inwieweit dieser Unterschied bezogen auf den Kläger und den Streitzeitraum überhaupt im Hinblick auf den Klammerzusatz bei § 1 Ziffer 3 Abs. 2 a.E. ERA NRW berücksichtigungsfähig wäre, wird in keiner Weise von dem insoweit aber darlegungspflichtigten Kläger mitgeteilt. Ohnehin macht der Kläger keinerlei Angaben zur Vergleichsberechnung, die insoweit aber erforderlich zur schlüssigen Darlegung eines Anspruchs der Höhe nach wären, wenn man alle Bedenken zur Berücksichtigung dem Grunde nach außer Acht ließe.
73III.
74Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten des von ihm ohne Erfolg betriebenen Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
75IV.
76Die Revision wird für den Kläger gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG wegen entscheidungserheblicher Divergenz zu dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.04.2016 - 8 Sa 1193/15 zugelassen, welches unter der dortigen Rz. 54 (zitiert nach juris) davon ausgeht, das tarifliche Abstandsgebot nach § 1 Ziffer 3 c) ERA für einen AT-Angestellten sei in Relation zur Spreizung der tariflichen Entgeltgruppen zu ermitteln und müsse daher mehr als 1 Cent oberhalb der obersten Tarifvergütung ausmachen.
77R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
78Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
79REVISION
80eingelegt werden.
81Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
82Bundesarbeitsgericht
83Hugo-Preuß-Platz 1
8499084 Erfurt
85Fax: 0361 2636-2000
86eingelegt werden.
87Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
88Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
89Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
901.Rechtsanwälte,
912.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
923.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
93In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
94Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
95Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
96* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
97KleinRohdeDogan