Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausüben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. 2. Die Unterlassung von Wettbewerb kann grundsätzlich auch nach einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber und nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer geltend gemacht werden. Dem steht nicht entgegen, dass sich dabei beide Parteien widersprüchlich verhalten. 3. Eine Aussetzung des Verfahrens betreffend den Unterlassungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist nicht sachgerecht. Beide Parteien haben im Hinblick auf das jeweils für sie streitende Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein erhebliches Interesse daran, zu wissen, ob das Wettbewerbsverbot besteht. 4. Steht im Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch im Kündigungsschutzverfahren noch nicht fest, ob die Kündigung wirksam oder unwirksam ist, gilt Folgendes: a) Der Unterlassungsanspruch kommt dann in Betracht, wenn die streitige Kündigung offensichtlich unwirksam ist. b) Ist dies nicht der Fall, hat im Hinblick auf das für beide Parteien betroffene Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG eine umfassende Folgenabwägung stattzufinden. Hierbei ist auch der Stand des Kündigungsschutzverfahrens zu berücksichtigen. So ändert ein der Kündigungsschutzklage stattgebendes Urteil die Interessenlage maßgeblich. Hat sich der Arbeitnehmer mit seiner Rechtsansicht betreffend die Kündigung durchgesetzt, kann von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er einen konkret und unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Wettbewerb unterlässt. c) Diese Sachlage ändert sich erneut, wenn der Arbeitgeber eine weitere, nicht offensichtlich unwirksame Kündigung ausspricht.
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 - 1 Ca 826/22 - teilweise abgeändert und die Klage für die Zeit ab dem 01.04.2023 insgesamt abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
4. Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D:
2Die Parteien streiten über die Unterlassung von Wettbewerb.
3Der am 25.02.1982 geborene Beklagte war seit dem 01.10.2007 bei dem Kläger bzw. dessen Rechtsvorgängern zuletzt als Steuerberater mit einem monatlichen Bruttogehalt von 10.200,00 Euro beschäftigt. Grundlage war der noch mit der Sozietät F. geschlossene Anstellungsvertrag vom 13.09.2007. In diesem hieß es u.a.:
4"1. Beginn, Dauer und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
5Herr Z. hat seine Arbeitskraft ausschließlich der Sozietät F. zu widmen oder in deren Auftrag einzusetzen.
67
9. Schriftform
8Vertragsänderungen und Absprachen außerhalb der vorgesehenen Regelung bedürfen der Schriftform."
9Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthielt der Arbeitsvertrag nicht. Der Kläger beriet und betreute als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in seiner Kanzlei mit mindestens zwei Niederlassungen in Leverkusen mindestens 500 Mandanten aus Leverkusen, Köln, Langenfeld, Burscheid, Leichlingen und Wermelskirchen sowie aus Düsseldorf und Bergisch Gladbach.
10Der Beklagte hatte unter dem Mandantennummernkreis 19XXX eine Mehrzahl von privaten Mandaten, u.a. Familienangehörige, abgelegt, welcher er betreute. Hierzu benutzte der Beklagte die Betriebsmittel des Klägers. Die Tätigkeit des Beklagten erfolgte gegenüber diesen Mandanten kostenfrei. Ob diese Tätigkeit mit Kenntnis und Einwilligung des Klägers und des inzwischen zum 30.06.2021 ausgeschiedenen Partners H. erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Im Zusammenhang mit der Anhörung des Beklagten am 10.12.2021 betreffend die vom Kläger als unzulässiger Wettbewerb eingeordnete Tätigkeit des Beklagten für den Mandantenkreis 19XXX kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien, die sowohl in ihrem Inhalt als auch im Hinblick auf die Frage, ob sie nur verbal oder auch körperlich ausgetragen wurde, zwischen den Parteien streitig ist.
11Mit Schreiben vom 15.12.2021 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.05.2022. In diesem Schreiben stellte er den Beklagten vorsorglich für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beenden sollte, bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist frei. Aufgrund der fristlosen Kündigung erhielt der Beklagte im Hinblick auf den Bezug von Arbeitslosengeld eine zwölfwöchige Sperrzeit. Der Beklagte erhob gegen die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 15.12.2021 Kündigungsschutzklage, die zunächst bei dem Arbeitsgericht Solingen zum Az. 4 Ca 3/22 anhängig war. Er begehrte dort daneben Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit bis zum 31.05.2022 und hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die vorläufige Weiterbeschäftigung als Steuerberater bei dem Kläger. Der Kläger machte widerklagend Ansprüche aus § 61 HGB geltend.
12Unter dem 17.01.2022 erteilte der Kläger dem Beklagten ein Zeugnis. In diesem hieß es u.a.:
13"Herr Z. erfüllte alle seine Aufgaben mit persönlichem Engagement und versuchte auch bei starkem Arbeitsanfall die anstehenden Arbeiten termin- und sachgerecht zu erledigen. Aufgrund seines guten Allgemein- und Fachwissens war es jederzeit möglich, Herrn Z. bei unterschiedlichen Branchen und Problemstellungen einzusetzen.
14Besondere Stärken von Herrn Z. sind seine gute Auffassungsgabe sowie sein ergebnisorientiertes Arbeiten. Er zeigte stets großes Interesse und Aufgeschlossenheit neuen Aufgaben und Themenbereichen gegenüber, auch wenn dies ihn teilweise an seine Kapazitätsgrenzen führte. Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr Z. zu meiner vollen Zufriedenheit.
15Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Mandanten und Mitarbeitern war jederzeit zuvorkommend und kollegial.
16Herr Z. hat in einer Vielzahl von Fällen Wettbewerbstätigkeit als Steuerberater unter Verstoß gegen § 60 HGB ausgeübt. Aus diesem Grunde habe ich das Arbeitsverhältnis am 15.12.2021 außerordentlich, hilfsweise fristgerecht gekündigt."
17Mit E-Mail vom 30.01.2022 teilte der Kläger dem ausgeschiedenen Gesellschafter H. mit, dass er den Beklagten am 15.12.2021 fristlos gekündigt habe, weil er eine erhebliche Nebentätigkeit des Beklagten festgestellt habe. Er selbst habe ihm zu keinem Zeitpunkt eine solche Genehmigung erteilt. Herr H. antwortete am 31.01.2022 wie folgt:
18"Hallo C.
19Deine E-Mail habe ich erhalten, vielen Dank dafür. Was die Tätigkeit von Herrn Z. betrifft, kann ich mich zwar nicht genau daran erinnern, wann wir ihm die Genehmigung erteilt haben. Wie ich Herrn Z. kenne, stellt der eine solche Behauptung aber nicht auf, wenn es so nicht war. dafür ist er viel zu genau. Da möchte ich mich jedenfalls nicht festlegen.
20"
21Der Beklagte schloss am 29.04.2004 eine Berufshaftpflichtversicherung als Steuerberater ab. Ab dem 01.05.2022 machte er sich als Steuerberater an seinem privaten Wohnsitz selbständig. Dieser lag von zwei Kanzleiräumen des Klägers ca. 2,8 km bzw. 4,2 km entfernt. Der Beklagte mietete weder eigene Räumlichkeiten an noch stellte er Personal ein. Er betreute u.a. folgende ehemalige Mandanten des Klägers: 1. I. GmbH; 2. Eheleute N.; 3. E. GbR; 4. G.; 5. Y.; 6. Eheleute X.; 7. Eheleute V.; 8. T. 9. W. 10. Eheleute L.; 11. D.; 12. P.. Ob es sich dabei um zehn oder zwölf Mandate handelte, ist zwischen den Parteien im Hinblick darauf, ob es sich bei den Mandaten "X." um drei oder ein Mandat handelt, streitig. Mit diesen Mandanten hatte der Kläger im Jahr 2021 einen Umsatz von 41.600 Euro erwirtschaftet. Dies entsprach ca. 2 % des Gesamtumsatzes des Klägers. Die Kündigungsschreiben der genannten Mandanten waren weitgehend identisch formuliert.
22Nach Kenntniserlangung von der Tätigkeit des Beklagten als Steuerberater am 30.05.2022 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten mit Schreiben vom 10.06.2022 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht. Hiergegen erhob der Beklagte Kündigungsschutzklage als Klageerweiterung in dem Verfahren Arbeitsgericht Solingen zum Az. 4 Ca 3/22. Mit gleichlautenden Schreiben vom 20.06.2022, die bei dem Kläger am 21.06.2022 eingingen, forderte der Beklagte vom Kläger die Handakten und die diesem vorliegenden Daten betreffend von ihm nun betreute Mandanten bis einschließlich 2019 an.
23Mit Schreiben vom 09.08.2022 forderten die Eheleute UL. den Kläger auf, ihre Steuerdaten an den Beklagten zu übertragen. Mit Schreiben vom 12.08.2022 forderte der Beklagte den Kläger zur Übertragung der Steuerdaten der YH. und IJ. auf. Ebenfalls mit Schreiben vom 12.08.2022 erinnerte der Beklagte den Kläger an die Herausgabeverlangen mit Schreiben vom 20.06.2022.
24Eine vor Abschluss der erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahren Arbeitsgericht Solingen zum Az. 4 Ca 3/22 auf Unterlassung von Wettbewerb durch den Beklagten vom Kläger erstrebte einstweilige Verfügung blieb am 19.08.2022 (Urteil der 12. Kammer vom 19.08.2022 - 12 SaGa 11/22) erfolglos.
25Das Arbeitsgericht Solingen hat im Rahmen des Verfahrens 4 Ca 3/22 mit Teilurteil vom 16.11.2022 festgestellt, dass die Kündigungen des Klägers vom 15.12.2021 und vom 10.06.2022 ebenso wie der Auflösungsantrag des Klägers das zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst haben. Das Arbeitsgericht ist zu diesem Ergebnis u.a. nach Vernehmung des Zeugen BQ. gekommen. Den Weiterbeschäftigungsantrag des Beklagten hat das Arbeitsgericht nicht beschieden. Wegen der Einzelheiten dieses Urteils wird auf Bl. 4 ff. der beigezogenen Akte Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Az. 4 Sa 53/23 Bezug genommen. Es handelt sich dabei um das Berufungsverfahren zu dem Verfahren Arbeitsgericht Solingen zum Az. 4 Ca 3/22, in dem der Kläger sich u.a. gegen den Zuspruch der Kündigungsschutzanträge wehrt. Dieses Verfahren ist in zweiter Instanz bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Az. 4 Sa 53/23 anhängig und war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 25.10.2023 in diesem Verfahren noch nicht abschließend entschieden.
26Mit Urteil des Arbeitsgericht Solingen vom 22.02.2023 zum Az. 4 Ca 286/22 wurde der Kläger zur Zahlung von 50.350,65 Euro brutto zur Abgeltung von insgesamt 1.053,75 Überstunden an den Beklagten verurteilt. Dieses Verfahren ist bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Az. 7 Sa 310/23 anhängig und war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 25.10.2023 in diesem Verfahren noch nicht abschließend entschieden.
27Der Kläger hat behauptet, der Beklagte sei aktiv an seine ehemaligen Mandanten herangetreten. Die weitgehend inhaltsgleichen Kündigungsschreiben legten eine Vorformulierung durch den Beklagten nahe. Es sei zudem unplausibel, wie die Mandanten an den Kläger hätten herantreten können, ohne dass er z.B. einen Internetauftritt gehabt habe. Es sei wahrscheinlicher, dass der Kläger unter Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnis Daten und Unterlagen aus seiner Kanzlei mitgenommen und auf diesem Wege Kontakt zu seinen Mandanten aufgenommen habe.
28Der Kläger hat gemeint, er betreibe in seinem Geschäftszweig Wettbewerb. Er könne deshalb die Unterlassung von Wettbewerbstätigkeiten in seinem Marktbereich verlangen. Der Kläger ist der Ansicht gewesen, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 15.12.2021 beendet. Gleichwohl obliege das für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot einem Arbeitnehmer auch dann, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspreche, deren Wirksamkeit der Arbeitnehmer gerichtlich angreife. Dem Beklagten sei dabei ein besonders hoher Verschuldensgrad vorzuwerfen. Er betreibe nicht lediglich Wettbewerb in seinem Marktbereich, sondern werbe sogar seine Mandanten ab. Die Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot begründeten die Wiederholungsgefahr. Letzteres werde überdeutlich durch das nun auch offen gegenüber ihm erfolgende Auftreten am Markt und im Zusammenhang mit dem Herausgabe-Verlangen bzw. Übergabe-Verlangen in Bezug auf die Handakten der benannten Mandanten. Zudem habe der Beklagte im Rahmen der ersten Kammerverhandlung zum Kündigungsschutzverfahren bei dem Arbeitsgericht Solingen zum Az. 4 Ca 3/22 am 06.07.2022 erklärt, er könne ca. 200 Mandanten seiner Steuerberaterkanzlei "zu sich holen".
29Der Wettbewerb des Beklagten sei auf Dauer angelegt. Dies belegten die vorformulierten Kündigungsschreiben und der angeforderte Datenübertrag. Es liege auch keine Situation vor, welche einer Freistellung unter Anrechnung anderweitigen Verdienstes entspreche. Er habe durch keine Erklärung zum Ausdruck gebracht, mit den Wettbewerbshandlungen des Beklagten einverstanden zu sein. Vielmehr habe er schon die erste Kündigung mit den Wettbewerbshandlungen des Beklagten begründet. Sein Mandantenstamm sei gefährdet, weil der Beklagte auch im Gütetermin angekündigt habe, dass er ohne weiteres 200 Mandanten abwerben könne. Entgegen der Einlassung des Beklagten finde unter Steuerberatern selbstverständlich Wettbewerb statt. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass der Beklagte nicht noch weitere Mandanten abgeworben habe. So sei bei Einkommenssteuermandaten kein Datenübertrag erforderlich, weshalb für ihn nicht erkennbar sei, ob der Beklagte weitere seiner Mandanten betreue. Aber selbst wenn dem nicht so sei, sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte in seiner unmittelbaren Nähe tätig werde.
30Der Umstand, dass er in die Mandatsbeziehungen, welche der Beklagte abgeworben hatte, eintreten oder die Gewinne abschöpfen könne, sei nicht zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Es seien weit höhere Umsatzverluste als die 41.600,00 Euro zu befürchten. Zudem gingen mit der Geltendmachung der Ansprüche aus § 61 HGB ein finanzieller Aufwand und ein prozessuales Risiko einher. Die Mandanten könnten auch nicht beliebig mit hin- und hergenommen werden. Zudem sei zu befürchten, dass der Beklagte bei einer Rückkehr in das Arbeitsverhältnis weiterhin Wettbewerb betreibe.
31Seine Rechtsansicht sei nicht widersprüchlich. Zwar sei die Kündigung vom 15.12.2021 wirksam. Solange der Beklagte aber mit der Kündigungsschutzklage den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begehre, habe er sich des Wettbewerbs zu enthalten. Insbesondere hätte der Beklagte außerhalb seines Marktbereichs als angestellter oder selbständiger Steuerberater tätig werden können. Seine Steuerberaterpraxis werde bereits dadurch beeinträchtigt, dass der Beklagte mit Kenntnis seiner internen Abläufe in unmittelbarer räumlicher Nähe tätig werde. Weder die Berufsfreiheit noch das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Beklagten rechtfertigten dies. Wenn die Kündigung vom 15.12.2021 wirksam sei, habe der Beklagte sich gemäß § 241 Abs. 2 BGB für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits des Wettbewerbs zu enthalten. Sei die Kündigung rechtsunwirksam, ändere dies nichts an seinem Unterlassungsanspruch.
32Die Kündigung vom 15.12.2021 sei deshalb begründet, weil der Beklagte über mehrere Jahre im bestehenden Arbeitsverhältnis in erheblichem Ausmaß Wettbewerb unter Ausnutzung seiner Kanzleistruktur betrieben habe. Der Beklagte habe in der Zeit vom 06.03.2013 bis zum 10.12.2021 eine Mehrzahl von privaten Mandaten unter dem Mandantenkreis 19XXX ohne Einwilligung betreut. Dies sei ihm dem Kläger bis zum 05.12.2021 unbekannt gewesen. Eine Erlaubnis zur - gar vergütungsfreien - Betreuung privater Mandate hätten weder er noch der ausgeschiedene Gesellschafter H. dem Beklagten erteilt. Er hätte diese Praxis auch nicht geduldet, weil nicht sämtliche Post über seinen Schreibtisch gehe. Der Verzicht auf Rechnungen bei Steuerberatungsleistungen für Bekannte und Angehörige sei auch kein kanzleiübliches Vorgehen. Vielmehr erfolge eine Abrechnung zu geringeren Gebühren. Es ergebe sich eine Gesamtsumme nicht abgerechneter Leistungen des Beklagten von 119.920,00 Euro. Schließlich belegten die inzwischen eingegangenen Herausgabeverlangen der privaten Mandanten des Beklagten, dass zu seiner Kanzlei gerade keine Mandatsverhältnisse bestanden hätten.
33Am 10.12.2021 habe der Beklagte ihm gedroht, "ein Fass aufzumachen, wenn er ihm eines aufmache". Er habe ihn mehrmals beschuldigt, Bewirtungsbelege geschrieben zu haben, obwohl er daran nicht teilgenommen habe. Zu seinem Schwiegersohn habe er ausgeführt, dass dieser "keine Ahnung" habe und "permanent irgendwelchen Stuss erzähle". Auf die von dem Beklagten nach seinem Vortrag gelöschten 1.500 Daten angesprochen, habe dieser entgegnet, dass sein Schwiegersohn "sich beim Bohren in der Nase verletzen und nicht einmal das Loch finden werde." Es sei schließlich zum Streit darüber gekommen, ob es sich bei den Unterlagen, welche der Beklagte mitnehmen wollte, um kanzleiinterne Vorgänge gehandelt habe. Als der Beklagte kanzleiinterne Unterlagen habe an sich nehmen wollen, sei es zu einer kurzen Rangelei gekommen.
34Nach der Kündigung vom 15.12.2021 habe er festgestellt, dass der Beklagte einen weiteren Mandanten, Herrn KU. betreut habe. Mit einem weiteren Mandanten habe ein privater Termin des Beklagten in seiner Kanzlei stattgefunden. Die fristlose Kündigung sei als Tat- und Verdachtskündigung begründet.
35Die weitere Kündigung vom 10.06.2022 stütze sich auf die inzwischen aufgenommene selbständige Wettbewerbstätigkeit des Beklagten.
36Der Kläger hat gemeint, jedenfalls nach dem Teilurteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 16.11.2022, mit dem festgestellt wurde, dass seine Kündigungen vom 15.12.2021 und vom 10.06.2022 ebenso wie sein Auflösungsantrag das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe, habe sich die Sachlage geändert. Es sei ihm spätestens jetzt nicht mehr zuzumuten, den Wettbewerb seitens des Beklagten in der räumlich unmittelbaren Nähe zu dulden.
37Der Kläger hat beantragt,
381. dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die von ihm gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) in Nordrhein-Westfalen einer selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen, die Folgendes zum Inhalt hat: Erbringung von Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen jeglicher Art nach § 1 StBerG im eigenen oder im fremden Namen sowie die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen eigenen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater, insbesondere das Abwerben von seinen Mandanten, Bearbeitung von ehemaligen seiner Mandaten und die Tätigkeit als Steuerberater unter der Kanzleiadresse XN.
39Hilfsweise für den Fall, dass die Kammer den Antrag zu Ziffer 1 als räumlich zu weit gefasst sieht, als Hilfsantrag zu Ziff. 1:
402. dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die von ihm gegenüber dem beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln einer selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen, die Folgendes zum Inhalt hat: Erbringung von Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen jeglicher Art nach § 1 StBerG im eigenen oder im fremden Namen sowie die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen eigenen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater, insbesondere das Abwerben von seinen Mandanten, Bearbeitung von seinen ehemaligen Mandaten und die Tätigkeit als Steuerberater unter der Kanzleiadresse XN.
41Hilfsweise für den Fall, dass die Kammer den Antrag zu Ziffer 1 und den dazu als Hilfsantrag gestellten Antrag zu Ziffer 2 als räumlich zu weit gefasst sieht, als Hilfsantrag zu Ziffer 1 und 2:
423. dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die von ihm gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) im Regierungsbezirk Köln und den Kreisen Mettmann, sowie den Städten Solingen, Wuppertal und Remscheid einer selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen, die Folgendes zum Inhalt hat: Erbringung von Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen jeglicher Art nach § 1 StBerG im eigenen oder im fremden Namen sowie die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen eigenen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater, insbesondere das Abwerben von seinen Mandanten, Bearbeitung von seinen ehemaligen Mandaten und die Tätigkeit als Steuerberater unter der Kanzleiadresse XN.
43Hilfsweise für den Fall, dass die Kammer den Antrag zu Ziffer 1 und die dazu als Hilfsantrag gestellten Anträge zu Ziffer 2 sowie 3 als räumlich zu weit gefasst sieht, als Hilfsantrag zu Ziffer 1, 2 und 3:
444. dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die von ihm gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) in der Stadt Leverkusen. und den Kreisen Mettmann, Rheinisch-Bergischer-Kreis sowie den Städten Solingen, Wuppertal und Remscheid einer selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen, die Folgendes zum Inhalt hat: Erbringung von Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen jeglicher Art nach § 1 StBerG im eigenen oder im fremden Namen sowie die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen eigenen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater, insbesondere das Abwerben von seinen Mandanten, Bearbeitung von seinen ehemaligen Mandaten und die Tätigkeit als Steuerberater unter der Kanzleiadresse XN.
45Äußerst hilfsweise für den Fall, dass die Kammer den Antrag zu Ziffer 1 und die dazu als Hilfsantrag gestellten Anträge zu Ziffer 2 bis 4 als räumlich zu weit gefasst sieht, als Hilfsantrag zu Ziffer 1 und 2 bis 4:
465. dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die von ihm gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) in der Stadt Leverkusen. einer selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen, die Folgendes zum Inhalt hat: Erbringung von Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen jeglicher Art nach § 1 StBerG im eigenen oder im fremden Namen sowie die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen eigenen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater, insbesondere das Abwerben von seinen Mandanten, Bearbeitung von seinen ehemaligen Mandaten und die Tätigkeit als Steuerberater unter der Kanzleiadresse XN.
47Der Beklagte hat beantragt,
48die Anträge abzuweisen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen.
49Er hat behauptet, an keinen einzigen Mandanten des Klägers aktiv herangetreten zu sein, geschweige denn solche Mandanten abgeworben zu haben. Er bestreite nicht, dass er die in der Klageschrift vom 18.08.2022 vom Kläger benannten Mandate bearbeite, stelle aber wiederholt und ausdrücklich klar, dass er diese nicht abgeworben habe, sondern dass diese auf ihn zugekommen seien. Er habe sich nicht an die Mandanten gewendet. Eine aktive Anwerbung ergebe sich auch aus keiner der vom Kläger angeführten eidesstattlichen Versicherungen. Er habe auch nicht erklärt, er könne 200 Mandate zu sich holen. Vielmehr habe sich sein Prozessbevollmächtigter im Rahmen von Vergleichsverhandlungen zu einer Beendigungslösung geäußert, ob es dem Kläger lieber sei, statt eine Abfindung zu zahlen, dass er seine Kündigungsschutzklage zurücknehme und dann 200 Mandate abwerbe. In seinem derzeitigen Tätigkeitsumfang "auf Sparflamme" sei es ihm neben der Tatsache, dass er sich jeder Abwerbung von Mandanten des Klägers enthalten habe und bis auf Weiteres auch enthalten werde, auch gar nicht möglich, 200 Mandanten zu betreuen bzw. zu bearbeiten. Er ist der Ansicht gewesen, ein Unterlassungsanspruch stünde dem Kläger nicht zu und falls doch allenfalls dann, wenn er zugleich eine Karenzentschädigung mindestens in Höhe der Regelungen der §§ 74 ff. HBG anbiete.
50Zudem seien sämtliche Unterlassungsanträge räumlich und inhaltlich zu weit gefasst. Sie erfassten z.B. erkennbar Tätigkeiten auch außerhalb des Marktbereichs des Klägers, wie eine Tätigkeit als angestellter Syndikussteuerberater. Es sei zu beachten, dass im derzeitigen Marktumfeld die zugelassenen Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften die Nachfrage nach Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen nicht decken könnten, so dass auch die Kanzlei des Klägers neue Mandatsanfragen ablehne bzw. bestehende Mandate kündige, um der Nachfrage nachkommen zu können. Faktisch finde ein Wettbewerb in dem Marktumfeld nicht statt. Seine zum Bestreiten des Lebensunterhalts unabdingbar gewordene Tätigkeit "vom Küchentisch" seiner Privatwohnung aus, stelle sich daher im Verhältnis zum Kläger nicht als Wettbewerb dar.
51Ein Schutz des Klägers sei auch deshalb nicht notwendig, weil er nach Obsiegen in den Kündigungsschutzverfahren wieder beim Kläger tätig werde und seine selbständige Tätigkeit ein Ende finde. So habe er seine Tätigkeit nur als Vorübergehende eingerichtet und keine höheren oder langfristigen Investitionen - die monatlichen Kosten beliefen sich auf 214,70 Euro - vorgenommen. Alle "verlorenen" Mandate würde der Kläger damit zurückgewinnen.
52Obwohl der Kläger das Arbeitsverhältnis als beendet ansehe, habe er dieses nicht ordnungsgemäß abgerechnet. Es ginge dem Kläger einzig und alleine darum, ihn finanziell zu ruinieren. So habe er ihm die Urlaubsabgeltung für drei Monate in Höhe von 25.421,58 Euro nicht gewährt. Er habe die noch offenen 1.060 Überstunden mit einem Wert von 63.981,60 Euro nicht abgerechnet. Es fehle zudem die Erfolgsprämie von 10.000,00 Euro. Dies alles habe ihn vor dem Hintergrund der Sperrzeit in eine schwere finanzielle Zwangslage gebracht.
53Er hat im Übrigen gemeint, dass der Einsatz seiner Arbeitskraft zur Sicherung seiner Existenz nur deshalb notwendig und zwingend geworden sei durch die (konstruierte) fristlose Kündigung des Klägers vom 15.12.2021. Sie sei außerdem dem Arbeitszeugnis geschuldet. Der Umfang seiner Tätigkeit als Steuerberater umfasse auch weiterhin lediglich und ausschließlich den Einsatz seiner Arbeitskraft zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz, bis über das Kündigungsschutzverfahren rechtskräftig entschieden worden ist. Schließlich habe der Kläger im Kündigungsschutzverfahren wissentlich falsche Aussagen gemacht und in Absprache mit seinem Schwiegersohn einen Kündigungsgrund konstruiert.
54Entgegen der Behauptung des Klägers sei dieser nicht nur an zwei, sondern an drei Standorten in Leverkusen mit insgesamt ca. 2.500 Mandanten tätig.
55Es sei nicht so, dass er den finanziellen Ruin des Klägers bezwecke, sondern umgekehrt dieser seinen. Zu berücksichtigen sei, dass er erst ca. viereinhalb Monate nach der Kündigung ab dem 01.05.2022 begonnen habe, sich "am Küchentisch" selbständig zu machen, um sein wirtschaftliches Überleben sicherzustellen. Er bleibe dabei, dass er sich nicht aktiv an die Mandanten des Klägers gewandt habe. Vielmehr hätten diese von sich aus dem Kläger den Rücken gekehrt. Der Umsatzverlust belaste den Kläger nicht unverhältnismäßig. Er bleibe außerdem dabei, dass nicht er es gewesen sei, der angekündigt habe, er könne dem Kläger 200 Mandate abwerben. Bei seinem derzeitigen Tätigkeitsumfang sei ihm dies auch gar nicht möglich.
56Die Rechtsansicht, dass auch während des Kündigungsschutzverfahrens das Wettbewerbsverbot zu beachten sei, sei unzutreffend. Vielmehr sei dazu das - nicht erfolgte - Angebot einer Karenzentschädigung erforderlich. Auch im bestehenden Arbeitsverhältnis werde das Wettbewerbsverbot für Vorbereitungshandlungen gelockert. Die Situation hier sei im Übrigen sehr wohl mit einer Freistellung vergleichbar. Außerdem müsse sein Risiko bewertet werden, dass ihm das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs vorgehalten werde. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei Unwirksamkeit der Kündigung in seine Mandatsbeziehungen eintreten und den Gewinn abschöpfen könne. Die Störung in seinem Marktbereich habe außerdem der Kläger selbst durch seine unwirksame Kündigung vom 15.12.2021 herbeigeführt. Hinzu komme, dass der Kläger die Bearbeitung von Steuererklärungen mangels Kapazitäten ablehne. Die örtliche Nähe resultiere schlicht aus der Tatsache seiner Wohnanschrift, an der er aus Kostengründen seine "Küchenkanzlei" eingerichtet habe. Hinzu komme, dass in Leverkusen alleine 18 Steuerberater ansässig seien. Der Kläger könne den Wettbewerb außerdem durch Rücknahme der Kündigung sofort beenden. Aufgrund des erteilten Zeugnisses habe er keine Chance gehabt, sich auf eine unselbständige Tätigkeit zu bewerben.
57Der Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass die fristlose und hilfsweise Kündigung vom 15.12.2021 rechtsunwirksam sei. Er hat behauptet, er habe mit Zustimmung auch des Klägers seine privaten Kunden betreut. Dabei seien über einen Zeitraum von 14 Jahren alle Abreden zum Arbeitsvertrag formlos vereinbart und im EDV-System abgebildet worden. Grund für die Kündigung sei vielmehr eine E-Mail von ihm vom 03.12.2021, in der er den Schwiegersohn des Klägers mit einer Vielzahl von Vorkommnissen des Jahres 2021 konfrontiert habe. Dies habe den Schwiegersohn zur Ermittlung der angeblichen Wettbewerbstätigkeit veranlasst. Der Beklagte hat behauptet, ihm sei bereits vor dem 31.12.2014 durch Herrn H. gestattet worden, für Personen, zu denen er in enger persönlicher Bindung stehe, Hilfe in Steuersachen zu leisten. Arbeitgeberseitige Bedingung sei gewesen, dass dies über das EDV-System läuft, damit dies nachvollzogen werden könne. Genau dafür sei der Nummernkreis 19XXX angelegt worden. So sei seine unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen an dem DATEV-Arbeitsplatz jederzeit nachvollziehbar gewesen. Die privaten Mandanten seien aus der Mandantenübersicht ersichtlich gewesen. Für seine Version spreche auch die E-Mail von Herrn H. vom 30.01.2022. Es habe sich bei den privaten Mandanten auch tatsächlich nur um solche gehandelt, mit denen er eng persönlich verbunden war (Familie und enge gute, langjährige Freunde). Dem Kläger seinen auch deshalb keine Gebühren entgangen, weil diese privaten Mandanten den Kläger gar nicht kostenpflichtig mandatiert hätten. Unabhängig davon habe der Kläger die angeblich abrechnungsfähigen Beträge falsch ermittelt. Entgegen der Behauptung des Klägers sei es in dessen Kanzlei von 2013 bis 2019 durchaus üblich gewesen, auch andere Mandate unentgeltlich zu bearbeiten.
58Unabhängig von der erteilten Genehmigung habe der Kläger Kenntnis von seinen privaten Mandaten gehabt, weil sämtliche Post über seinen Schreibtisch gelaufen und vom Kläger zur Kenntnis genommen worden sei.
59Am 10.12.2021 habe er ohne weiteres mitgeteilt, dass es sich bei dem Mandantenkreis 19XXX um enge persönliche Bekannte handele, die er seit zehn Jahren mit Zustimmung von Herrn H. und dem Kläger betreue. Der Kläger habe einen Anruf bei Herrn H. am 10.12.2021 verweigert. Es habe sich dann ein intensives Streitgespräch entwickelt. Er habe dem Kläger aber weder gedroht noch sei er ausfallend geworden. Es sei auch zu keiner Rangelei gekommen. Alleine der Kläger sei körperlich übergriffig geworden. Dieser habe ihn an beiden Schultern gepackt und aus dem Büro gezogen. Er, der Beklagte, habe sich am 10.12.2021 als einziger Beteiligter besonnen und entsprechend mitteleuropäischer Höflichkeitsformen verhalten.
60Den angeblichen Fall JP. habe der Kläger bereits vor der Kündigung gekannt. Mit den weiteren Mandanten habe es keinen privaten, sondern einen dienstlichen Termin gegeben, den er im Zeitsystem erfasst habe. Warum keine Abrechnung des Termins erfolgte, entziehe sich seiner Kenntnis. Als angestellter Steuerberater habe er nur seine Leistungen in den als "AU. bezeichneten Zeitberichten zu erfassen gehabt. Es sei dann am Kläger gewesen, die Leistungen abzurechnen
61Zu keinem Zeitpunkt habe er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dem Kläger Mandate vorenthalten oder unter Ausnutzung von dessen Kanzleistruktur Wettbewerb betrieben. Die weitere fristlose Kündigung vom 10.06.2022 diene dazu, ihn persönlich und wirtschaftlich zu zerstören.
62Mit Urteil vom 14.03.2023 zum Az. 1 Ca 826/22, dem erstinstanzlichen Verfahren dieses Berufungsverfahrens, das am selben Tag in öffentlicher Sitzung verkündet wurde, verurteilte das Arbeitsgericht Solingen den Beklagten wie folgt Wettbewerb zu unterlassen:
63"Dem Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, untersagt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die vom Kläger gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) in der Stadt Leverkusen. einer selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen, die Folgendes zum Inhalt hat: Erbringung von Steuerberatungs- und Buchhaltungsdienstleistungen jeglicher Art nach § 1 StBerG im eigenen oder im fremden Namen sowie die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen eigenen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater, insbesondere das Abwerben von Mandanten des Klägers, Bearbeitung von ehemaligen Mandaten des Klägers und die Tätigkeit als Steuerberater unter der Kanzleiadresse XN.
64Im Übrigen wies das Arbeitsgericht Solingen die Klage ab. Der Beklagte, der das Verfahren in erster Instanz selbst geführt hat, war bei der mündlichen Verhandlung am 14.03.2023 zunächst persönlich anwesend. Die Verkündung des Urteils erfolgte am Schluss der Sitzung in Abwesenheit der Parteien.
65Mit E-Mail vom 22.03.2023 forderte der Beklagte den Kläger auf, Unterlagen nach § 66 StBerG (Handakten) betreffend seine Mandanten SO. AI., GJ. RB., XM. und KG. sowie HV. e.K. ihm herauszugeben. Er setzte dazu eine Frist bis zum 31.03.2023. Der Kläger antwortete mit E-Mail vom 28.03.2023 um 13.12 Uhr und fügte dieser E-Mail das Protokoll der Sitzung nebst Abschrift des verkündeten Urteilstenors vor dem Arbeitsgericht Solingen vom 14.03.2023 zum Az. 1 Ca 826/22 bei. In der E-Mail hieß es:
66"Sehr geehrter Herr Z.,
67zwischenzeitlich liegt nun das Urteil des Arbeitsgerichtes Solingen in Sachen Wettbewerb vor (siehe Anlage). Danach ist es Ihnen unter anderem untersagt, von meiner Kanzlei rechtswidrig abgeworbene Mandanten zu betreuen. Vor diesem Hintergrund werde ich Ihr rechtswidriges Verhalten nicht unterstützen. Bitte informieren Sie die in Rede stehenden Mandanten über diesen Sachstand. Diesen Mandanten ist es selbstverständlich freigestellt, mir einen Kollegen als Ansprechpartner zu benennen. An diesen werde ich dann unverzüglich die gewünschten Unterlagen herausgeben."
68Der Beklagte antwortete mit E-Mail vom 28.03.2023 um 14.13 Uhr wie folgt:
69"Sehr geehrter Herr B.,
70das Urteil zur Rechtssache _ 1 Ca 826/22 liegt mir noch nicht vor. Daher!?
71Des Weiteren werde ich nach vorliegen des Urteils zur vorgenannten Rechtssache die Rechts- und Sachlage mit meinem rechtlichen Beistand erörtern, dir mir offenstehenden Rechtsmittel nutzen und die rechtlichen Folgen aus dem Urteil, falls erforderlich, umsetzen.
72Dies ändert nicht daran, dass Sie zur Herausgabe der Unterlagen verpflichten sind.
73Sollte meinen Mandanten durch Ihre beharrliche Weigerung zur Herausgabe der von mir angeforderten Unterlagen ein Schaden entstehen, werden meine Mandanten diesen Ihnen gegenüber geltend machen und den hier vorsätzlichen Verstoß gegen Ihre berufsrechtlichen Pflichten als Steuerberater der Steuerberaterkammer Köln mitteilen.
74Daher fordere Sie erneut auf, mir unverzüglich, d.h. noch heute per Email die Anträge und Bescheide zur Neustarthilfe, Neustarthilfe plus und Neustarthilfe 2022 für meine Mandantin Frau YX., OH.-straße 15 in NG. zukommen zu lassen. Die Veranlassung des Wechsel des prüfenden Dritten ist ohne vorliegen dieser Unterlagen nicht möglich. Die Frist zur Schlussrechnung endet hier zu 31.03.2023!
75Auch erwarte ich, dass die mit Email vom 22.03.2023 angeforderten Unterlagen meinen Mandanten zur Verfügung gestellt werden."
76Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 29.03.2023, der bei dem Arbeitsgericht Solingen am 29.03.2022 einging, eine vollstreckbare Kurzausfertigung des Urteils vom 14.03.2023 und beantragte, dem Beklagten für jeden Verstoß gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von mindestens 10.000,00 Euro anzudrohen. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens bestellte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Beklagten für diesen auch erstinstanzlich.
77Mit Schreiben vom 31.03.2023, das dem Beklagten am gleichen Tag zuging, kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht. Vorsorglich für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beenden sollte, stellte der Kläger den Beklagten mit dem Schreiben ab sofort bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unwiderruflich und unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung frei. Gegen diese Kündigung hat der Beklagte bei dem Arbeitsgericht Solingen Kündigungsschutzklage zu dem Az. 1 Ca 670/23 erhoben. Ausweislich der beigezogenen Akte ist dort Termin zur Kammerverhandlung bestimmt auf Dienstag, den 12.12.2023.
78Der Schriftsatz des Klägers vom 29.03.2023 wurde dem Beklagten ebenso wie das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 am 03.04.2023 zugestellt. Der Beklagte hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 zum Az. 1 Ca 826/22, dem erstinstanzlichen Verfahren dieses Berufungsverfahrens, spätestens am 24.04.2023 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist in diesem Verfahren ist bis zum 05.07.2023 verlängert worden.
79Mit Schreiben vom 28.04.2023 - eingehend am 30.04.2023 - wandte der Beklagte sich als Steuerberater in einer Steuerberatungsangelegenheit von Frau RX. auf eigenem Briefpapier an das Finanzamt Leverkusen. Es handelte sich bei Frau RX um eine ehemalige Mandantin des Klägers.
80In der Güteverhandlung bei dem Arbeitsgericht Solingen am 16.05.2023 zum Az. 1 Ca 670/23 lehnte der Kläger die Eingehung eines Prozessarbeitsverhältnisses ab.
81Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 01.06.2023 fristlos und hilfsweise fristgerecht. Gegen diese weitere Kündigung hat der Beklagte die Kündigungsschutzklage als Klageerweiterung zum Verfahren Arbeitsgericht Solingen Az. 1 Ca 670/23 (dort Bl. 80 d.A.) erhoben.
82Am 07.06.2023 hat die erkennende Kammer mündlich über den Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verhandelt. Das Gericht hat dem Antrag des Klägers mit Beschluss vom 07.06.2023 teilweise entsprochen und die Zwangsvollstreckung einstweilen gegen Sicherheitsleistung von 50.000,00 Euro eingestellt. Diese Sicherheit hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt gestellt.
83Der Beklagte hat die Berufung in diesem Verfahren am 05.07.2023 begründet.
84Der Beklagte meint, dass das Arbeitsgericht das Unterlassungsbegehren des Klägers in Gänze hätte abweisen müssen. Er nimmt dazu Bezug auf die vom Arbeitsgericht Solingen in dem einstweiligen Verfügungsverfahren in erster Instanz vertretene Rechtauffassung.
85Es müsse außerdem berücksichtigt werden, dass das Arbeitsgericht Solingen seinen Weiterbeschäftigungsantrag bislang nicht beschieden habe. Hätte es das getan, hätte sich nicht die Notwendigkeit seiner existenzsichernden Tätigkeit als Steuerberater ergeben. Durch die bislang fehlende Entscheidung sei keine Änderung der Umstände eingetreten. Zu berücksichtigen sei weiter die durchgehende Ablehnung eines Prozessarbeitsverhältnisses durch den Kläger. Es bleibe dabei, dass der Kläger bereits mit der fristlosen Kündigung vom 15.12.2021 unzweifelhaft seine Entlassung aus den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erkennen gegeben habe. Die aus dem Gesamtverhalten des Klägers erkennbare "Totalverweigerung" lasse ein Wettbewerbsverbot absurd erscheinen.
86Er ist der Ansicht, durch die weitere von ihm gerichtlich angegriffene fristlose Kündigung vom 31.03.2023 habe sich jedenfalls die Sachlage nach Erlass des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 erneut grundlegend geändert. Die Unsicherheit des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bestehe seit Ausspruch der Kündigung vom 31.03.2023 nachträglich wieder in vollem Umfang. Die neuerliche außerordentliche und fristlose Kündigung vom 31.03.2023 mache deutlich, dass sich der Kläger "auf Biegen und Brechen" des Arbeitsverhältnisses mit ihm entledigen wolle, so dass es nahezu absurd anmute, dass er ihm auch weiterhin die Fesseln des arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbotes anlegen und dieselben nunmehr sogar im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen wolle. Zu würdigen sei weiter, dass ihm die Durchsetzung seiner vorläufigen Weiterbeschäftigung mangels erstinstanzlicher Entscheidung zu der neuerlichen Kündigung nicht (mehr) möglich sei.
87Es sei eine letztlich eine perfide Strategie des hiesigen Klägers, vermeintliche Wettbewerbsverstöße durch ihn zu verfolgen, die alleine darauf ausgelegt seien, ihn in den finanziellen Ruin zu treiben, um ihm eine weitere Rechtsverfolgung gegen die unwirksamen und existenzvernichtenden Maßnahmen zu verunmöglichen. Die Behauptung des Klägers, er habe Mandanten "gezielt abgeworben" sei unzutreffend. Er sei an keinen einzigen Mandanten des Klägers "herangetreten". Er verhalte sich nicht berufsrechtswidrig und habe sich keine Adressdaten vom Kläger beschafft. Ohnehin fehle es an substantiiertem Vortrag des Klägers zu konkreten angeblichen Verletzungshandlungen. Vielmehr seien die ehemaligen Mandanten initiativ auf ihn, den Beklagten, zugekommen. Frau RX. habe sich bereits am 29.08.2022 eigeninitiativ an ihn gewandt, was die erteilte Vollmacht belege.
88Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Kläger den Titel des Arbeitsgerichts Solingen habe ausnutzen können. Stattdessen habe er aber zum Mittel der weiteren fristlosen Kündigung gegriffen. Die neuerliche Kündigung vom 01.06.2023 zementiere die Änderung der Sach- und Rechtslage.
89Schließlich treffe es nicht zu, dass er Mandanten des Klägers aktiv abwerbe. Er sei weder während seiner Tätigkeit für den Kläger noch seit dem 16.12.2021 in auch nur einem einzigen Fall aktiv an Mandanten des Klägers herangetreten, wozu er sich auf das Zeugnis von 46 Mandanten beruft. Er habe nie versucht oder beabsichtigt, den Kläger in Leverkusen "abzulösen". Da er die Weiterbeschäftigung beim Kläger anstrebe, kommuniziere er dies auch in radikaler Offenheit gegenüber seinen Mandanten. Der Vorwurf, er begehre die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nur zum Schein, sei dessen reine Erfindung.
90Es sei auch nicht er, der den Kläger veranlasst habe, immer neue Kündigungen auszusprechen. Vielmehr sei bereits die erste Kündigung aus sachfremden Motiven ausgesprochen worden. Die Behauptung, er habe die Kanzleistruktur zur Betreuung von Freunden und Bekannten "heimlich" genutzt, sei widerlegt. Personelle Ressourcen der Steuerberatungspraxis des Klägers habe er nicht genutzt. Zutreffend habe das Arbeitsgericht Solingen auch die weitere fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 10.06.2022 für rechtsunwirksam erachtet.
91Seine selbständige Tätigkeit als Steuerberater richte sich auch nicht unmittelbar und zweckgerichtet gegen den Kläger. Er verfüge auch nicht über die Kontaktdaten der Mandanten des Klägers. Das Gegenteil sei der Fall. Durch seinen Rauswurf sei ihm der Zugriff darauf versperrt worden, so dass er diese bereits rein tatsächlich gar nicht nutzen könne. Alle von ihm betreuten Mandanten, die in der Vergangenheit von dem Kläger betreut worden waren, seien eigeninitiativ und ohne jede Veranlassung an ihn herangetreten. Sein einziges Ziel nach seinem Rauswurf sei die Sicherung seiner Existenz gewesen, zumal der Beklagte jedes seiner Angebote zu einer Prozessbeschäftigung abgelehnt hatte. Vor diesem Hintergrund könne die Interessenabwägung nur zu seinen Gunsten ausfallen. Es erscheine vielmehr nicht nur sinnvoll und zielführend, sondern in gewisser Weise auch altruistisch zu Gunsten des Klägers, wenn er ohne eigenes Zutun sich vom Kläger lösende Mandanten als eine Art "Auffangbecken" übernehme, um diese im Zuge seiner Weiterbeschäftigung beim Kläger dort wieder "einzugliedern" und hierdurch potentiellen Schaden vom Kläger abzuwenden.
92Es sei durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts Solingen über die beiden ersten fristlosen und hilfsweisen fristgerechten Kündigungen auch nicht zu einer Neubewertung der Sachlage gekommen. Erst wenn - wie nicht - der Weiterbeschäftigungsantrag zugesprochen worden wäre, wäre die Unverträglichkeit mit seiner existenzsichernden selbständigen Tätigkeit zu Tage getreten. Und im Hinblick auf den Zuspruch der Kündigungsschutzanträge durch das Arbeitsgericht Solingen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger Berufung eingelegt und das Verfahren bislang nicht abgeschlossen sei. Letztlich sei das Argument, dass eine fristlose Kündigung einer unwiderruflichen Freistellung gleiche, nicht entfallen. Zu berücksichtigen sei weiter sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zu berücksichtigen sei weiter, dass dem Kläger durch seine Tätigkeit Steuerberater überhaupt kein Schaden entstehe. Dieser habe weder in 2022 noch in 2023 Umsatz- oder Gewinneinbußen zu verzeichnen gehabt. Er habe aufgrund des Angebotsmarktes vielmehr so gut verdient wie noch nie. Die hier interessierenden Mandatsabgänge habe der Kläger mit weit lukrativeren Neukunden kompensieren können. Ihn hingegen versuche er durch sein widersprüchliches Verhalten unter die Armutsgrenze zu drücken.
93Der Beklagte beantragt,
94das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 - 1 Ca 826/22 -, ihm zugestellt am 03.04.2023, abzuändern und die Klage abgewiesen.
95Der Kläger beantragt,
96die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
97Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Kläger trägt vor, Grund für die neuerliche Kündigung vom 31.03.2023 sei der fortdauernde Wettbewerbsverstoß des Beklagten im Stadtgebiet Leverkusen gewesen. Er meint, der Beklagte habe sich fortgesetzt rücksichtslos verhalten und gegen das Urteil des Arbeitsgerichts verstoßen. Es sei widersinnig in einer solchen Situation dem Beklagten den Wettbewerb wieder zu erlauben. Zu berücksichtigen sei weiter - so behauptet der Kläger -, dass der Beklagte gezielt an seine ehemaligen Mandanten zum Zwecke der Abwerbung herangetreten sei und dies weiter tue. Der Beklagte verhalte sich außerdem berufsrechtswidrig, weil er ihn unlauter aus dem Auftrag verdränge, indem er rechtswidrig beschaffte Adressdaten benutze.
98Es gebe selbstverständlich Wettbewerbshandlungen des Klägers in der Zeit vom 14.03.2023 bis zum 31.03.2023. Dies belegten alleine die vom Kläger als Zeuginnen und Zeugen benannten 46 Personen, welche er als Mandanten offenbar weiter betreue. Wie sollten diese zum Beklagten gewechselt sein, ohne seine Adresse zu kennen? Zudem belege das Schreiben vom 28.04.2023, dass der Beklagte nicht gewillt sei, sich an das tenorierte Wettbewerbsverbot zu halten. Nur darauf habe er mit seinen Kündigungen reagiert.
99Schließlich trete der Kläger bei "FI. weiterhin als Angestellter der "WZ. Steuerberatung" auf. Mangels Internetauftritt und Eintrag als Steuerberater im Telefonbuch sei nicht nachvollziehbar, wie die Mandanten sich autonom an den Beklagten gewandt haben sollen.
100Die weitere außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 01.06.2022 sei erfolgt, nachdem er davon erfahren habe, dass der Beklagte trotz der Untersagungsverfügung des Arbeitsgerichts Solingen seine Wettbewerbstätigkeit fortgesetzt und noch weiter ausgebaut hatte.
101In dem Berufungsverfahren zum Az. 4 Sa 53/23 zeige er auf, dass der Beklagte sich nicht darauf beschränkt habe, Wettbewerb zu machen, sondern aktiv an seine Mandanten herangetreten sei. Die Stoßrichtigkeit des Wettbewerbs richte sich zielgerichtet gegen ihn. All dies habe das Arbeitsgericht bei seiner Interessenabwägung berücksichtigen müssen, zumal der Steuerberatungsmarkt ein sog. Angebotsmarkt sei. Der Beklagte habe es nicht nötig gehabt, auf seine Mandanten zuzugehen.
102Der Kläger meint, dass der Beklagte nur zum Schein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begehre. Dies belege der zielgerichtet gegen ihn gerichtete Wettbewerb. Es gehe dem Beklagten darum, eine konkurrierende Steuerberatung zu etablieren, die ihn ablösen solle. Es sei nicht glaubhaft, wenn der Beklagte auch gegenüber seinen Mandanten von einem nur vorübergehenden Charakter der Mandatsbetreuung spreche. Er halte an der Kündigungsschutzklage fest, um ggfs. Annahmeverzugslohnansprüche einzuklagen, den Mandantenstamm unter Abwerbung seiner Mandanten weiter zu vergrößern und sich nach und nach weitere Vergütungsquellen zu erschließen.
103Er teile die Ansicht des Arbeitsgerichts Solingen, dass der Beklagte nach seinem Obsiegen vor dem Arbeitsgericht Solingen umso mehr des Wettbewerbs zu enthalten habe. Soweit der Beklagte von einer selbstständigen und existenzsichernden Tätigkeit ausgehe, mache er sich diesen Vortrag zu eigen.
104Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.
105E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
106A.Die zulässige Berufung des Beklagten hat ganz überwiegend Erfolg. Der zulässige Unterlassungsantrag des Klägers, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, ist für die Zeit ab dem 01.04.2023 unbegründet. Soweit der Beklagte im Umfang des Ausspruchs durch das Arbeitsgericht Solingen im Urteil vom 14.03.2023 zur Unterlassung verurteilt worden ist, besteht dieser Anspruch für die Zeit vom 14.03.2023 bis zum 31.03.2023 einschließlich.
107I.Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Unterlassungsausspruch, in dem Umfang und auf der Grundlage des Streitgegenstands, wie er vom Arbeitsgericht Solingen ausgeurteilt worden ist, weil nur der Beklagte Berufung eingelegt hat.
1081.Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zunächst der Unterlassungsausspruch in dem Umfang, wie er vom Arbeitsgericht Solingen ausgeurteilt worden ist. Der Unterlassungsausspruch ist dabei auf die im Urteilsausspruch aufgenommenen Tätigkeiten räumlich auf die Stadt Leverkusen. beschränkt. In zeitlicher Hinsicht ist der Urteilsausspruch auf die Zeit ab dem 14.03.2023 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die vom Kläger gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) beschränkt. Der Endzeitpunkt ergibt sich unmittelbar aus dem zugesprochenen Antrag. Der zeitliche Beginn der Untersagung des Wettbewerbs ergibt sich daraus, dass das Arbeitsgericht den Wettbewerb rein zukunftsbezogen, d.h. ab Urteilsausspruch untersagt. Anhaltspunkte für ein vergangenheitsbezogenes Verständnis des Urteilsausspruchs des Arbeitsgerichts Solingen für die Zeit vor dessen Erlass sind nicht ersichtlich. Darauf hat die Kammer die Parteien im Termin am 25.10.2023 hingewiesen. Weiterer Sachvortrag ist nicht erfolgt.
1092.Streitgegenstand des vom Arbeitsgericht Solingen ausgeurteilten Unterlassungsanspruchs ist alleine ein Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerb auf der Grundlage der Annahme des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Nur dieser Streitgegenstand ist Gegenstand des Berufungsverfahrens. Nicht Streitgegenstand ist ein unabhängig von einem etwaigen Arbeitsverhältnis der Parteien ggfs. bestehender Unterlassungsanspruch aufgrund unlauteren Wettbewerbs durch Verwendung rechtswidrig erlangter Mandantenadressen durch den Beklagten.
110a)Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, bestimmt. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (BAG 20.12.2022 - 9 AZR 245/19, juris Rn. 18; BGH 11.10.2017 - I ZR 78/16, juris Rn. 11).
111Bei einem einheitlichen Klagebegehren liegen verschiedene Streitgegenstände vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet. Das ist etwa der Fall, wenn der Kläger sein Klagebegehren auf ein Schutzrecht und auf ein von ihm als wettbewerbswidrig angesehenes Verhalten des Beklagten stützt oder seinen Anspruch aus mehreren Schutzrechten herleitet. Unter diesen Voraussetzungen liegen auch bei einem einheitlichen Klagebegehren mehrere Streitgegenstände vor (BGH 11.10.2017 - I ZR 78/16, juris Rn. 12). Ebenfalls unterschiedliche Klagegründe liegen vor, wenn ein Unterlassungsantrag zum einen auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr gestützt wird, sofern unterschiedliche Lebenssachverhalte betroffen sind (BGH 11.10.2017 - I ZR 78/16, juris Rn. 12).
112Anderseits entspräche ein zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff, der sich streng an dem vorgetragenen Lebenssachverhalt orientiert und bereits jede Variante - wie beispielsweise jede auch nur geringfügig abweichende, durch ein und dieselbe Werbeaussage bewirkte Fehleinschätzung der Verbraucher - einem neuen Streitgegenstand zuordnet, nicht der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise und würde darüber hinaus zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Vielmehr ist in den Fällen, in denen sich eine Klage gegen eine konkrete Verletzungsform richtet, in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH 11.10.2017 - I ZR 78/16, juris Rn. 13).
113b)Ein Unterlassungsanspruch, der alleine aus dem Arbeitsverhältnis und den daraus folgenden Pflichten abgeleitet wird und ein solcher, der aus einem Verstoß gegen § 19 Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (im Internet abrufbar unter https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/recht-und-berufsrecht/fachinfos/BStBK_Berufsordnung-inkl-Fachberaterordnung.pdf; im Folgenden BOStB) abgeleitet wird, betreffen in dem o.g. Sinne andere Streitgegenstände.
114aa)Der Unterlassungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis setzt letztlich alleine das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13, juris Rn. 28 m.w.N.). Ein unlauterer Wettbewerb ist für einen Wettbewerbsverstoß in diesem Sinne nicht erforderlich. Es genügt - entgegen der Ansicht des Beklagten - alleine die tatsächlich nach außen tretende Konkurrenztätigkeit im Marktbereich des Klägers.
115bb)Davon zu unterscheiden ist ein Unterlassungsanspruch, der sich aus einer unlauteren oder berufsrechtswidrigen Tätigkeit ergibt. Dies betrifft einen anderen Lebenssachverhalt im o.g. Sinne und auch eine andere Verletzungsform. So regelt § 19 BOStB u.a., dass jede Maßnahme, die darauf gerichtet ist, einen anderen Steuerberater unlauter aus einem Auftrag zu verdrängen, berufswidrig ist. Unlauter ist dabei insbesondere eine Abwerbung von Mandanten unter Verwendung rechtswidrig beschaffter Adressdaten. Genau dies wirft der Kläger dem Beklagten auch vor. Ein auf den Verstoß gegen § 19 BOStB gestütztes Unterlassungsbegehren unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von einem aus dem Bestand des Arbeitsverhältnisses abgeleiteten Unterlassungsbegehren. Das auf § 19 BOStB i.V.m. § 86 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 5 StBerG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1 UWG gestützte Begehren setzt zunächst keinen Bestand des Arbeitsverhältnisses voraus. Es genügt die unzulässige, weil unlautere Verhaltensweise gegenüber dem Kläger als anderem Marktteilnehmer, hier in Form der Ausnutzung rechtswidrig erlangter Kontaktdaten der Mandanten des Klägers. Dieser Lebenssachverhalt wiederum ist für das aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitete Wettbewerbsverbot keine Voraussetzung. Es handelt sich letztlich um unterschiedliche Verletzungsformen. Zum einen geht es ganz abstrakt, wie auch der zugesprochene Antrag seitens des Arbeitsgerichts Solingen belegt, um die Unterlassung jeder selbständigen oder angestellten Tätigkeit als Steuerberater in Leverkusen. Davon zu unterscheiden ist die vom Arbeitsverhältnis losgelöste und alleine auf unlauteren Wettbewerb in Form der Ausnutzung rechtswidrig erlangter Kontaktdaten gestützte Konkurrenz.
116c)Das Arbeitsgericht Solingen hat das Unterlassungsbegehren alleine auf der Grundlage der Annahme eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bejaht. Von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und dem daraus abzuleitenden Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerb sei aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung ab dem Zeitpunkt des den Kündigungsschutzanträgen stattgebenden Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 16.11.2022 zum Az. 4 Ca 3/22 auszugehen. Dies folgt bereits aus A.I.1. erster Absatz der Entscheidungsgründe, wie das aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitete Wettbewerbsverbot als tragende Begründung für den Zuspruch des Unterlassungsbegehrens zeigt. Dies steht in Einklang damit, dass das Arbeitsgericht später ausführt, dass es von der Richtigkeit der Entscheidung der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Solingen mit Blick auf die Wirksamkeit der Kündigungen überzeugt sei, was zu einer Neubewertung der Sach- und Rechtslage zwinge. Ausführungen zu etwaigen unlauteren Tätigkeiten des Beklagten in Form der Verwendung rechtswidrig erlangter Adressdaten, finden sich in den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts Solingen nicht. Unabhängig davon kommt dies auch nicht im zugesprochenen Antrag zum Ausdruck, denn untersagt wird schlicht jede selbständige oder angestellte Tätigkeit als Steuerberater in Leverkusen. Für eine Untersagung des Wettbewerbs auf der Grundlage rechtswidrig erlangter Kontaktdaten, fehlt es zu diesem an Angaben im Ausspruch des Arbeitsgerichts. Es wird gerade nicht ausgeführt, dass bestimmt bezeichnete Mandanten, deren Kontaktdaten der Kläger hat, nicht angesprochen werden dürfen. Es geht vielmehr auch in dem "insbesondere-Zusatz" allgemein um das Abwerben von Mandaten bzw. die Bearbeitung von (allen) ehemaligen Mandanten des Klägers, ohne dass eine Verknüpfung mit der Kenntnis von Kontaktdaten hergestellt wird. Hinzu kommt die zeitliche Verknüpfung mit den Kündigungsschutzverfahren im Antrag.
117d)Da alleine der Beklagte Berufung eingelegt hat, ist auch nur der Streitgegenstand, auf den das Arbeitsgericht Solingen den Unterlassungsausspruch gestützt hat, in die Berufungsinstanz gelangt. Der Kläger hat keine Berufung und auch keine Anschlussberufung eingelegt, mit der er das Unterlassungsbegehren losgelöst von dem Arbeitsverhältnis alleine auf der Grundlage unlauteren Wettbewerbs gemäß 19 BOStB i.V.m. § 86 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 5 StBerG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1 UWG wegen der Verwendung rechtswidrig erlangter Kontaktdaten durch den Beklagten zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht hat. Der Berufungsbeklagte, der sich nicht nur auf die Abwehr der Berufung beschränken will, sondern seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen will, muss sich dazu gemäß § 524 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen (BGH 28.04.2023 - V ZR 270/21, juris Rn. 9).
118aa)Ausdrücklich hat der Kläger keine Anschlussberufung eingelegt.
119bb)Der Kläger hat auch nicht konkludent Anschlussberufung eingelegt.
120(1)Für die Einlegung eines Anschlussrechtsmittels ist keine dahingehende ausdrückliche Erklärung erforderlich. Es genügt vielmehr jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt. Dementsprechend kann der Anschluss an das Rechtsmittel der Gegenseite auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger sein im Übrigen unverändertes Klagebegehren auf einen weiteren Klagegrund stützt (BGH 04.02.2015 - VIII ZR 175/14, juris Rn. 16).
121(2) Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Bereits im Termin zur Anhörung der Parteien im Hinblick auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung am 07.06.2023 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass der Beklagte nach dem Vortrag des Klägers wettbewerbswidrig in dem Sinne, dass er standeswidrig Adressen verwandt hat, gehandelt habe, möglicherweise nicht Gegenstand des titulierten Anspruchs sei. Der Kläger hat daraufhin eingewandt, dass dies gemäß § 241 Abs. 2 BGB als Nebenpflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag zu berücksichtigen sei. In dem Beschluss zur Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 07.06.2023 (Seite 12 unten) hat die erkennende Kammer ausgeführt, dass der angegriffene Titel des Arbeitsgerichts Solingen, um den es hier geht, den Unterlassungsanspruch alleine aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet habe. Wenn der Kläger in seiner nachfolgenden Berufungsbeantwortung lediglich weiterhin auf ein Verhalten des Beklagten entgegen § 19 BOStB hinweist, ohne klarzustellen bzw. deutlich zu machen, dass er den zugesprochenen Unterlassungsanspruch nunmehr zusätzlich und eigenständig hilfsweise auch auf ein unlauteres Verhalten völlig unabhängig von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses stützen will, kann in dem konkret hier zu entscheidenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass er ein solches Klagebegehren als neuen und eigenständigen Lebenssachverhalt hilfsweise zur Entscheidung gestellt hat. Dies gilt erst recht, weil der Kläger dieses Verhalten am 07.06.2023 als Teil einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung bewertet hat und gerade nicht losgelöst vom Arbeitsverhältnis. Im Termin am 25.10.2023 hat die Kammer den Kläger darauf hingewiesen, dass sie als Streitgegenstand hier alleine die Frage zur Entscheidung sieht, ob der Wettbewerb aufgrund des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zu unterlassen ist. Sie hat weiter darauf hingewiesen, dass sie einen etwaigen vom Arbeitsverhältnis unabhängigen unlauteren Wettbewerb nicht als Streitgegenstand ansieht und auch nicht als Gegenstand einer Anschlussberufung. Weiterer Sachvortrag dazu ist nicht erfolgt. Die Frage, ob die erkennende Kammer für einen vom Arbeitsverhältnis losgelösten Unterlassungsanspruch überhaupt zuständig gewesen wäre, kann mithin offenbleiben.
122II.Der zulässige Unterlassungsantrag des Klägers, soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, ist für die Zeit ab dem 01.04.2023 unbegründet. Soweit der Beklagte im Umfang des Ausspruchs durch das Arbeitsgericht Solingen im Urteil vom 14.03.2023 zur Unterlassung verurteilt worden ist, besteht dieser Anspruch für die Zeit vom 14.03.2023 bis zum 31.03.2023 einschließlich.
1231.Der Unterlassungsantrag ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
124a)Ein Unterlassungsantrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so bestimmt gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind und der Beklagte erkennen kann, wogegen er sich verteidigen soll und welche Unterlassungspflichten sich aus einer dem Unterlassungsantrag folgenden Verurteilung ergeben; die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, darf grundsätzlich nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen werden (BGH 22.11.2007 - I ZR 12/05, juris Rn. 20; BGH 16.07.2009 - I ZR 56/07, juris Rn. 9; BGH 26.01.2017 - I ZR 207/14, juris Rn. 18). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe oder Bezeichnungen kann dabei allerdings hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten sein, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe oder Bezeichnungen kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BGH 05.06.1997 - I ZR 69/95, juris Rn. 39) bzw. wenn dessen Auslegung zwischen den Parteien nicht streitig ist (vgl. BGH 30.04.2008 - I ZR 73/05 juris Rn. 35). Welche Anforderungen dabei an die Konkretisierung des Streitgegenstandes im Unterlassungsantrag zu stellen sind, ist auch abhängig von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalles (BGH vom 04.07.2002 - I ZR 38/00, juris Rn. 28; LAG Sachsen-Anhalt vom 10.07.2009 - 9 Sa 167/08, juris Rn. 51). Eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung kann im Übrigen hinzunehmen sein, wenn eine weitergehende Konkretisierung nicht möglich und die gewählte Antragsformulierung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist (BGH 26.01.2017 a.a.O. Rn. 18; OLG München 21.03.2019 - 6 U 3377/18, juris Rn. 51).
125b)Diesen Anforderungen genügt der vom Arbeitsgericht Solingen zugesprochene Antrag des Klägers zu 5., der Gegenstand des Verfahrens ist. Die Tätigkeit, welche Gegenstand des Unterlassungsbegehrens ist, ist hinreichend bestimmt beschrieben. Erfasst ist umfassend die selbständige und unselbständige Tätigkeit des Beklagten als Steuerberater. Durch die Präzisierung dieser Dienstleistungen über § 1 StBerG ist klar, dass die gesamten gesetzlich einem Steuerberater i.S.v. § 1 Abs.1 und 2 StBerG zugewiesenen Hilfeleistungen in Steuersachen gemeint sind. Es ist insoweit unerheblich, ob diese Tätigkeiten in eigenem oder in fremden Namen erfolgen. Soweit es um Vorbereitungshandlungen geht, sind nur solche gemeint, welche eigene freiberufliche Tätigkeiten des Klägers erfassen. In diesem Fall muss außerdem hinzukommen, dass diese werbend nach außen erfolgen. Räumlich ist das Unterlassungsbegehren auf die Stadt Leverkusen., d.h. die politischen Grenzen der Stadt begrenzt. Weder soll der Kläger in Leverkusen tätig werden, noch Mandanten aus Leverkusen betreuen. Die Stadt Leverkusen. soll in diesem Sinne frei von dem Wettbewerb des Beklagten als Steuerberater sein. Der letzte Halbsatz mit der "insbesondere"-Aufzählung ändert an der Bestimmtheit nichts. Es handelt sich lediglich um nicht erforderliche Bespiele innerhalb des umfassend zu verstehenden Verbots der Tätigkeit als selbständiger oder unselbständiger Steuerberater des Beklagten in Leverkusen. Zeitlich ist der Antrag klar bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die vom Kläger gegenüber dem Beklagten am 15.12.2021 und 10.06.2022 ausgesprochenen Kündigungen (erstinstanzlich Arbeitsgericht Solingen 4 Ca 3/22) begrenzt.
1262.Der Unterlassungsantrag ist nur für die Zeit vom 14.03.2023 bis zum 31.03.2023 einschließlich begründet. Im Übrigen, d.h. für die Zeit ab dem 01.04.2023 ist er unbegründet.
127a)Der Unterlassungsantrag ist, soweit er ausgehend vom Termin der letzten mündlichen Verhandlung am 25.10.2023 die Vergangenheit betrifft und von der erkennenden Kammer aufrechterhalten worden ist, für diesen Zeitraum nicht alleine aufgrund des Vergangenheitsbezugs unbegründet.
128aa)Der Zeitablauf ist selbst bei einem Unterlassungstitel, der von vornherein befristet war, oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, kein erledigendes Ereignis. Über den prozessualen Anspruch kann vielmehr weiterhin entschieden werden, soweit es um die Möglichkeit geht, das in einem bereits erwirkten Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot für die Vergangenheit durchzusetzen (BGH 23.10.2003 - I ZB 45/02, juris Rn. 35; s.a. BGH 20.01.2016 - I ZB 102/14, juris Rn. 20). Die Möglichkeit, dass aus einem Unterlassungstitel wegen Zuwiderhandlungen in der Vergangenheit noch vollstreckt werden kann, auch wenn der Unterlassungsanspruch mit Wirkung für die Zukunft entfallen ist, wird auch von Sinn und Zweck der nach § 890 ZPO zu verhängenden Ordnungsmittel gefordert. Neben ihrer Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen haben die Ordnungsmittel auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter. Sie sollen deshalb auch eine wirksame Durchsetzung von Unterlassungstiteln ermöglichen, die zeitlich befristet sind oder wegen eines später eingetretenen Ereignisses (nur) für die Zukunft nicht aufrechterhalten werden können (BGH 23.10.2003 - I ZB 45/02, juris Rn. 38).
129bb)So liegt es hier. Der vom Arbeitsgericht Solingen zugesprochene Unterlassungsantrag besteht aufgrund der weiteren von dem Kläger ausgesprochenen Kündigung vom 31.03.2023 nur vom 14.03.2023 bis zum 31.03.2023. Der Kläger hat weiterhin ein Interesse an der Vollstreckung und der Verhängung von Ordnungsmitteln für diesen vergangenen Zeitraum. Er hat am 29.03.2023 bei dem Arbeitsgericht Solingen eine vollstreckbare Kurzausfertigung des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 zum Az. 1 Ca 826/22 beantragt, um die Zwangsvollstreckung einleiten zu können. Zugleich hat er beantragt, gegen den Beklagten ein Ordnungsgeld von mindestens 10.000,00 Euro wegen der von ihm dargelegten und aus seiner Sicht gegebenen Wettbewerbsverstößen des Beklagten nach Erlass des Urteils zu verhängen.
130b)Der Unterlassungsanspruch steht dem Kläger nur noch für die Zeit vom 14.03.2023 bis zum 31.03.2023 zu. Für die Zeit ab dem 01.04.2023 ist er unbegründet.
131aa)Die erkennende Kammer geht zur Beurteilung eines Anspruchs eines Arbeitgebers auf Unterlassung von Wettbewerb, der zugleich eine bzw. hier mehrere Kündigungen ausgesprochen hat, von folgenden Grundsätzen aus.
132(1)Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten. Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13, juris Rn. 28 m.w.N.).
133(2)Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird. Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen (BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13, juris Rn. 29 m.w.N.; i Gdrs. zustimmend z.B. Oetker, HGB, 7. Aufl. 2021, § 60 Rn. 6; a.A. MüKoHGB/Thüsing, 5. Aufl. 2021, § 60 Rn. 21).
134(3)Soweit der Beklagte im Anschluss an die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 04.07.1995 (- 9 Sa 484/95, NZA-RR 1996, 2; diese Möglichkeit des Arbeitgebers von seinem Ansatz der analogen Anwendung des § 162 BGB aufzeigend Oehlschläger, Die Konkurrenztätigkeit 2020, 209) davon ausgeht, dass der Kläger von ihm die Unterlassung von Wettbewerb bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens nur verlangen könne, wenn er ihm eine Karenzentschädigung anbietet, folgt die Kammer dem ebenso wie das Bundesarbeitsgericht (BAG 28.01.2010 - 2 AZR 1008/08, juris Rn. 23; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13, juris Rn. 29) nicht. Dafür gibt es keine Grundlage. Ist die Kündigung rechtswirksam, darf der Arbeitnehmer bei fehlendem nachvertraglichem Wettbewerbsverbot diesen ohne eine solche Entschädigung ausüben. Ist die Kündigung rechtsunwirksam, besteht das Arbeitsverhältnis ebenso wie das Wettbewerbsverbot fort. Maßgeblich ist die objektive Rechtslage. Die Schwierigkeit, dass diese ungewiss sein kann, stellt sich nicht nur hier, sondern z.B. auch im Hinblick auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch für den Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses (vgl. dazu grundlegend BAG 27.02.1985 - GS 1/84, juris und zuletzt BAG 31.03.2022 - 8 AZR 207/21, juris Rn. 73). Bei einer weiteren Kündigung aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes kann dem im Rahmen der Interessenabwägung Rechnung getragen werden (BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13, juris Rn. 30 ff.).
135(4)Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Beklagte nicht immer und ohne weiteres aus einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens Wettbewerb zu unterlassen. Richtig ist, dass das Wettbewerbsverbot während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens nicht aufgehoben ist. Voraussetzung ist aber, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. So formuliert das Bundesarbeitsgericht wie oben dargestellt, "falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt." Und es stellt auf die Zeit "während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses" ab. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.02.2015 - 2 SaGa 1/15 für eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers; s. dazu auch LAG Hamm 17.07.2015 - 10 SaGa 17/15, juris) führt dazu zutreffend Folgendes aus: "Die Auffassung der Verfügungsklägerin, dass der Arbeitnehmer so lange an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden sei, bis über die Wirksamkeit einer von ihm ausgesprochenen Eigenkündigung durch rechtskräftiges Urteil entschieden sei, ist unzutreffend. Vielmehr kann der Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung nach Ausspruch einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers die Unterlassung von Wettbewerb aufgrund des arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbots nur dann verlangen, wenn im einstweiligen Verfügungsverfahren davon auszugehen ist, dass sich die außerordentliche Kündigung im Hauptsacheverfahren als unwirksam erweist." Dies trifft zu und hier gilt im Grundsatz nichts Anderes. Es ist bei der hier in Rede stehenden arbeitgeberseitigen Kündigung allerdings zu beachten, dass sich beide Parteien widersprüchlich verhalten. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, welches dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten (BAG 25.04.1991 - 2 AZR 624/90, juris Rn. 60; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13, juris Rn. 31). Diese Besonderheit ist auch im hier in Rede stehenden Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Sie führt indes nicht dazu, dass wegen des widersprüchlichen Verhaltens des Klägers ein Unterlassungsanspruch von vornherein ausscheidet. Dem steht entgegen, dass der Beklagte sich mit Erhebung der Kündigungsschutzklage und der Konkurrenztätigkeit ebenso widersprüchlich verhält.
136(5)Die Frage des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht deshalb obsolet, weil bereits die konkret vom Kläger ausgesprochenen Kündigungen vom 15.12.2021 und 10.06.2022 mit einer sofortigen Freistellung unter Anrechnung anderweitigen Verdienstes vergleichbar wären. Dies ist nicht der Fall.
137(5.1)Bei einer unwiderruflichen Freistellung unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes kann der Arbeitnehmer gem. § 157 BGB in der Regel davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden zu sein. Dies ergibt sich aus der bei der Auslegung der Freistellungserklärung zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessenlage. Der Arbeitnehmer kann auf Grund seiner beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Arbeitgeber erkennbar oftmals einen Verdienst nur durch eine Tätigkeit erzielen, die im Wettbewerb zum Geschäftsfeld des Arbeitgebers steht. Wenn der Arbeitgeber gleichwohl durch die Freistellung den Annahmeverzug mit der Möglichkeit der Verdienstanrechnung herbeiführt, macht er deutlich, dass ihn Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers in der Zeit der Freistellung nicht stören. Einen abweichenden Willen hat der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung zum Ausdruck zu bringen (BAG 06.09.2006 - 5 AZR 703/05, juris Rn. 22).
138(5.2.)Hier konnte der Beklagte erkennen, dass der Kläger mit seinem Wettbewerb als Steuerberater nicht einverstanden ist. Bereits die erste Kündigung vom 15.12.2021 wurde ausweislich ihres Textes wegen des angeblichen Wettbewerbs durch den Beklagten ausgesprochen. Trotz der in der Kündigungserklärung enthaltenen hilfsweisen Freistellungserklärung konnte der Beklagte deshalb bereits zu diesem Zeitpunkt erkennen, dass der Kläger mit einem Wettbewerb durch ihn nicht einverstanden ist. Unabhängig davon ist aufgrund des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrags auch auf die zweite Kündigungserklärung vom 10.06.2022 abzustellen. Diese ist wegen der vom Beklagten ab dem 01.05.2022 aufgenommenen selbständigen Wettbewerbstätigkeit ausgesprochen worden. Dadurch wird für den Beklagten sehr deutlich, dass der Kläger mit diesem Wettbewerb nicht einverstanden ist. Spätestens jetzt musste ihm klar sein, dass der Kläger keinen Wettbewerb dulden möchte. Die hilfsweise Freistellungserklärung in dem Kündigungsschreiben vom 10.06.2022 ändert daran nichts.
139(6)Maßgeblich für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch ist deshalb, ob davon auszugehen ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im hier maßgeblichen Zeitraum noch fortbestand bzw. fortbesteht.
140(6.1.)Auch an dieser Stelle zeigt sich die Widersprüchlichkeit des Verhaltens beider Parteien. Der Kläger muss zum Erfolg seines Unterlassungsbegehrens im Widerspruch zum Kündigungsschutzverfahren darlegen und ggfs. beweisen, dass seine Kündigungen rechtsunwirksam sind. Der Beklagte hingegen muss ebenfalls konträr zu seiner Position im Kündigungsschutzverfahren darlegen und ggfs. beweisen, dass die genannten Kündigungen wirksam sind, um Wettbewerb betreiben zu können.
141(6.2.)Auf diesen Widerspruch kommt es zunächst dann nicht an, wenn die umstrittenen Kündigungen offensichtlich rechtsunwirksam sind. Die Ungewissheit über den Fortbestand des gekündigten Arbeitsvertrags kann in einem solchen Fall nicht zu einer Verschiebung der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien gegenüber der Zeit des unangefochtenen Bestands des Arbeitsverhältnisses führen, weil dann in Wahrheit objektiv gar keine Ungewissheit besteht (vgl. insoweit für den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers BAG 27.02.1985 - GS 1/84, juris Rn. 83). Eine offensichtlich unwirksame Kündigung liegt vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne, dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (BAG 27.02.1985 - GS 1/84, juris Rn. 85).
142(6.3.) Liegt kein Fall einer offensichtlich rechtsunwirksamen Kündigung vor, bedarf es einer Interessenabwägung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 12 Abs. 1 GG für beide Parteien berührt ist. Die Berufsausübungsfreiheit des Klägers wird durch die von dem Beklagten unstreitig ausgeübte selbständige Wettbewerbstätigkeit berührt, wobei der Beklagte seinerseits Art. 12 Abs. 1 GG für sich in Anspruch nehmen kann. Dies gilt auch unter Würdigung der Einwände des Beklagten. Insbesondere, dass es zwischen Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften keinen Wettbewerb gebe, erschließt sich der Kammer nicht. Der Beklagte macht genau das. Bei einer zeitlich begrenzten Untersagung auch bis zum rechtskräftigen Abschluss der Kündigungsschutzverfahren betreffend die Kündigungen vom 15.12.2021 und 10.06.2022 wird hingegen in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten eingegriffen. Hierbei kann in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag der Sachstand in den Kündigungsschutzverfahren berücksichtigt werden. Liegt keine offensichtlich unwirksame Kündigung vor und hat ein Arbeitsgericht deren Unwirksamkeit noch nicht festgestellt, besteht vorbehaltlich einer Interessenabwägung kein Unterlassungsanspruch. Erkennt hingegen das Arbeitsgericht in erster Instanz, dass die Kündigungen rechtsunwirksam sind, hat sich die Sachlage grundlegend geändert. Es steht deren Unwirksamkeit damit zwar noch nicht endgültig fest. Aber die Parteien hatten Gelegenheit, dem Arbeitsgericht in einem ordentlichen Prozessverfahren die zur rechtlichen Beurteilung der Kündigungen aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen vorzutragen, dafür Beweis anzutreten und ihre Rechtsauffassungen darzustellen. Wenn ein Gericht daraufhin eine die Instanz abschließende Entscheidung trifft und die Unwirksamkeit der Kündigungen feststellt, so ist damit zumindest eine erste Klärung der Rechtslage im Sinne des klagenden Arbeitnehmers eingetreten (vgl. für den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers BAG 27.02.1985 - GS 1/84, juris Rn. 94). Dies ändert zur Überzeugung der Kammer die Interessenlage. Es besteht für den Fall des Unterliegens gegenüber den Kündigungsschutzanträgen des Arbeitnehmers, d.h. hier des Beklagten, ein Unterlassungsanspruch des Klägers im Hinblick auf den vom Beklagten betriebenen Wettbewerb. Die Gegeninteressen des Beklagten treten dann im Grundsatz zurück. Er hat sich mit seiner Rechtsansicht betreffend die Kündigungen durchgesetzt. Dann kann von ihm zumindest erwartet werden, dass er den hier konkret und unmittelbar gegen den Kläger gerichteten Wettbewerb unterlässt. Die Folgenabwägung kehrt sich nach dem Obsiegen des Beklagten in erster Instanz um.
143(6.4.)Die Kammer verkennt nicht, dass es sich vorliegend um das Hauptsacheverfahren handelt. Gleichwohl erachtet es die hier vorgenommene Folgenabwägung für sachgerechter als von den Parteien zu verlangen, konträr zu ihren jeweiligen Positionen im Kündigungsschutzverfahren vorzutragen und Beweis anzubieten. Dies berücksichtigt zudem, dass letztlich maßgeblich in den Kündigungsschutzverfahren über die Rechtswirksamkeit und als Folgefrage über den Bestand des Arbeitsverhältnisses entschieden wird. Anderseits erachtet die Kammer eine Aussetzung nicht für sachgerecht. Auch während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens müssen die Parteien klären können, ob das Wettbewerbsverbort besteht. Eine Aussetzung dieses Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Kündigungsschutzverfahren ist nicht sachgerecht (vgl. insoweit zur Frage des Annahmeverzugs z.B. BAG 16.04.2014 - 10 AZB 6/14, juris). Beide Parteien haben im Hinblick auf das jeweils für sie streitende Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ein erhebliches Interesse daran, zu wissen, ob das Wettbewerbsverbot besteht. Der Arbeitnehmer muss wissen, ob und wie er seine Arbeitskraft trotz des angestrengten Kündigungsschutzverfahrens verwerten darf. Der Arbeitgeber wiederum hat ein erhebliches Interesse daran, einen objektiv unmittelbar gegen ihn und seine Mandanten gerichteten Wettbewerb zu unterbinden, wenn er sich zugleich nach der von ihm ausgesprochenen fristlosen Kündigung einer Kündigungsschutzklage ausgesetzt sieht. Erst recht gilt dies alles, wenn wie hier, mehrere Kündigungen im Raum stehen, auch wenn das Unterlassungsbegehren nur bis zum Abschluss der Kündigungsschutzverfahren betreffend die beiden ersten Kündigungen zeitlich begrenzt ist.
144bb)In Anwendung dieser Grundsätze gilt hier für die Zeit bis zum 31.03.2023 Folgendes. Das Arbeitsgericht Solingen hat im Rahmen des Verfahrens 4 Ca 3/22 mit Teilurteil vom 16.11.2022 festgestellt, dass die Kündigungen des Klägers vom 15.12.2021 und vom 10.06.2022 - sei es fristlos oder hilfsweise fristgerecht - ebenso wie der Auflösungsantrag des Klägers das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst haben. Damit ist zunächst einmal auf der Grundlage der o.g. Interessenabwägung davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis fortbestand und der Kläger sich jedenfalls ab diesem Zeitpunkt des Wettbewerbs in dem Umfang, wie er von dem Arbeitsgericht Solingen zugesprochen worden ist, enthalten musste.
145(1)Gesichtspunkte, die auch unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG die Interessenabwägung für diesen Zeitraum zu Gunsten des Beklagten ausfallen lassen, sind nicht ersichtlich.
146Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Beklagte gut 4,5 Monate nach Ausspruch der fristlosen Kündigung gewartet hat, bis er sich selbständig gemacht hat. Er hat auch noch keine Investitionen getroffen (Anmietung von Räumen, Einstellung von Mitarbeitern), die es ihm nicht gestatten oder aber erheblich erschweren würden, nach gewonnenem Kündigungsrechtsstreit zum Kläger zurückzukehren. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte mit dieser Ausstattung 200 Mandanten betreuen könnte. All dies spricht für den Beklagten. Zu würdigen sind anderseits die Art und die Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit. Werden die Interessen des Klägers nur abstrakt gefährdet oder wird diesem bereits unmittelbar Schaden zugefügt? Hier ist zu berücksichtigen, dass der vom Beklagten ausgeübte Wettbewerb intensiv ist. Er wird in unmittelbarer räumlicher Nähe mit dem gleichen Mandantenkreis zu seinem Arbeitgeber tätig. Hinzu kommt, dass er bereits mehrere Mandanten des Klägers betreut und diesem mindestens 41.600,00 Euro Umsatz entzogen hat. Dem Kläger stand sein Marktbereich nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung. Einen solchen Wettbewerb muss der Arbeitgeber sich nach einem erstinstanzlich gewonnenen Kündigungsschutzrechtsstreit nicht gefallen lassen.
147(2)Der Umfang des Wettbewerbsverbots besteht in dem Umfang, so wie das Arbeitsgericht Solingen ihn angenommen hat. Ausgangpunkt ist, dass dem Kläger sein Marktbereich bei Annahme des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung stehen muss. Anderseits muss dem Aspekt von Art. 12 Abs. 1 GG auch auf Seiten des Beklagten Rechnung getragen werden. Dies ist dadurch geschehen, dass die Untersagung des Wettbewerbs auf den räumlichen Bereich Leverkusen beschränkt wurde. Dies ist ein räumlich eng umgrenzter und für den Kläger besonders sensibler Bereich. Berücksichtigt man dies, so ist es auf der anderen Seite gerechtfertigt in diesem eng umgrenzten räumlichen Bereich dem Beklagten nicht nur die selbständige, sondern auch die unselbständige Tätigkeit als Steuerberater zu untersagen. Gleiches gilt für die werbend nach außen in Erscheinung tretende Vorbereitung einer künftigen freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater im räumlichen Bereich in Leverkusen.
148(3)Die Kammer hat schließlich auch im Hauptsachverfahren die weiteren vom Beklagten eingewandten Aspekte nochmals gewürdigt. Soweit der Beklagte einwendet, er müsse bei Fortsetzung der Vollstreckung seinen Kanzleisitz verlegen und die Mandantenbeziehungen in der Stadt Leverkusen. beenden, mag dies zutreffen, ist aber Folge des betreffend die beiden ersten Kündigungen gewonnenen Kündigungsschutzprozesses. Hinzu kommt auch hier, dass der Beklagte für seinen Kanzleisitz bislang keine Investitionen getätigt hat und die Steuerberatungstätigkeit von seinem Wohnsitz aus führt. Er hat weder Geschäftsräume angemietet noch Personal eingestellt. Hier werden keine Investitionen entwertet. Selbst, wenn der Beklagte daraus folgend Mandaten verlieren sollte, ist auch dies Folge des anzunehmenden Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses. Stellt sich dies als unzutreffend heraus, kommt zudem ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Dem Kläger wird durch den hier konkret vom Arbeitsgericht Solingen ausgesprochenen Unterlassungstitel auch nicht die Möglichkeit genommen, seine Existenz zu sichern. Dies ist dem Beklagten außerhalb des Stadtgebiets von Leverkusen ohne weiteres möglich, zumal die Großstädte Düsseldorf und Köln - wie vom Kläger angeführt - in zumutbarer Reichweite liegen. Das Gericht hat dabei auch einen etwaigen örtlichen Reputationsverlust des Beklagten gewürdigt. Die Kammer hat noch einmal das vom Kläger erstellte schlechte Zeugnis in den Blick genommen. Dabei ist zu würdigen, dass nach dem Vortrag des Beklagten die Mandanten, die er aktuell betreut, eigeninitiativ auf ihn zugekommen sind. Wenn dies zutrifft und er - wie unstreitig über keine Internetpräsenz verfügt und keinen Eintrag als Steuerberater im örtlichen Telefonbuch hat -, dann spricht dies dafür, dass der Beklagte qualifiziert Steuerberatungsleistungen anbietet. Dass in einem solchen Fall nicht auch ohne Zeugnis eine Tätigkeit als Steuerberater zur Sicherung der Existenzgrundlage außerhalb von Leverkusen erreichbar ist, ist zur Überzeugung der Kammer nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte eingewandt hat, dass das Gesamtverhalten des Klägers auf seine Existenzvernichtung ziele, folgt dem die Kammer nicht. Dieser hat erstinstanzlich für unwirksam erachtete Kündigungen ausgesprochen. Dies genügt nicht. Richtig ist, dass der Kläger weiter zunächst die erheblichen Überstunden nicht abgegolten hat. Allerdings hat der Kläger auf die erstinstanzliche Verurteilung - und sei es, um den Zinslauf zu stoppen - an den Beklagten 50.350,65 Euro brutto gezahlt. Soweit keine Urlaubsabgeltung gezahlt ist, ist anzumerken, dass derzeit aufgrund der weiteren Kündigungen offen ist, ob das Arbeitsverhältnis fortbesteht oder nicht. Soweit der Beklagte mehrfach eingewandt hat, dass - was zutrifft - der Weiterbeschäftigungsantrag seitens des Arbeitsgerichts nicht tituliert worden ist, ändert dies nichts. Er besteht ohnehin aufgrund der weiteren vom Kläger ausgesprochenen Kündigungen derzeit nicht. Und bis zu der Kündigung vom 31.03.2023 ist es dem Kläger zumutbar, sich in Leverkusen auch ohne titulierten Weiterbeschäftigungsantrag des Wettbewerbs als Steuerberater zu enthalten.
149(4)Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Sie wird durch die unstreitige Tätigkeit des Beklagten als Steuerberater in Leverkusen indiziert. Auf ein aktives Ansprechend der Mandanten des Klägers kommt es ebenso nicht an wie auf das vom Kläger behauptete Ausnutzen der dem Beklagten angeblich bekannten Kontaktdaten der Mandanten.
150(4)Soweit der Kläger den Auflösungsantrag zum 31.05.2022 in zweiter Instanz in dem Berufungsverfahren bei dem Landesarbeitsgericht zum Az. 4 Sa 53/23 auch auf das Verhalten des Klägers nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 zum Az. 826/22 zur Unterlassung von Wettbewerb gestützt hat (Schriftsatz vom 14.09.2023, Bl. 168 ff. der BA zu 4 Sa 53/23), ändert dies nichts. Anders als eine Kündigung fehlt es dem Auflösungsantrag an der unmittelbaren rechtsgestaltenden Wirkung. Diese erfolgt erst dann, wenn das das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag des Klägers rechtsgestaltend entsprechen sollte. Daran fehlte es am 25.10.2023.
151cc)Ab dem 01.04.2023 hat sich die Sachlage in Anwendung der o.g. Grundsätze geändert. Dem Kläger steht der Unterlassungsanspruch ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu.
152Zunächst ist, solange keine erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist - woran es hier für die Kündigungen vom 31.03.2023 und 01.06.2023 fehlt - ein Unterlassungsanspruch dann gegeben, wenn die ausgesprochenen Kündigungen offensichtlich unwirksam sind. Dann besteht keine Ungewissheit und es ist vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Eine offensichtlich unwirksame Kündigung liegt vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne, dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen. Daran fehlt es hier. Es sprechen vielmehr ganz erhebliche Gründe dafür, dass die vom Kläger am 31.03.2023 ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam ist. Der Beklagte hat sich bewusst und in Kenntnis des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 dazu entschieden weiter Wettbewerb zu machen. Zunächst hatte der Beklagte vom Kläger auch nach Erlass des Urteils vom 14.03.2023 mit E-Mail vom 22.03.2023 weitere Handakten vom Kläger verlangt und so dokumentiert, dass er weiter selbständig in Leverkusen als Steuerberater tätig ist. Daran hat er festgehalten, obwohl der Kläger ihm mit E-Mail vom 28.03.2023 Protokoll und Urteilstenor des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.03.2023 übersandt hatte. Die Antwort des Beklagten dokumentiert zur Überzeugung der Kammer deutlich, dass er nicht gewillt ist, sich an den vorläufig vollstreckbaren Titel des Arbeitsgerichts zu halten. Daran ändern die diesbezüglichen Einwände des Beklagten nichts. Richtig ist, dass er das Urteil ausweislich der E-Mail vom 28.03.2023 erst mit seinem Rechtsbeistand analysieren will. Der Urteilstenor ist indes einfach und klar verständlich. Es hätte nahegelegen, bis zur Prüfung durch seinen Prozessbevollmächtigten eine Pause im Wettbewerb einzulegen. Stattdessen fordert der Beklagte weiter für seinen weiterhin als solche bezeichneten Mandanten die Herausgabe der Unterlagen. Er bezeichnet diese auch weiterhin als seine Mandanten. Und schließlich erwartet der Beklagte, dass die Unterlagen seinen Mandanten zur Verfügung gestellt werden. Er formuliert: "Auch erwarte ich, dass die . angeforderten Unterlagen meinen Mandanten zur Verfügung gestellt werden." Nicht ein Dritter, sondern der Beklagte selbst ("ich") verlangt die Herausgabe für seine Mandanten. Er wird dadurch zur Überzeugung der Kammer weiter als Steuerberater für diese tätig. Auf die Ansprache betreffend Frau Grams kommt es schon nicht mehr an. Bereits dies alles belegt, dass der Beklagte offenkundig nicht einmal gewillt ist, trotz eines gerichtlichen Titels Wettbewerb zu Lasten des Klägers zu unterlassen. Diese beharrliche Weigerung rechtfertigt an sich eine fristlose Kündigung. Hinzu kommt der Hinweis, dass seine Mandanten den Kläger bei der Steuerberaterkammer anzeigen werden. Richtig ist, dass es für die Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 31.03.2023 einer umfassenden Interessenabwägung bedarf. Angesichts der Gesamtumstände spricht hier zur Überzeugung der Kammer indes so viel für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung, dass es auch bei Würdigung der Interessen des Klägers nicht angezeigt ist, weiterhin von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und damit einem Wettbewerbsverbot zu seinen Gunsten auszugehen. Anders könnte das bei dem vorliegenden Sachverhalt erst dann sein, wenn der Beklagte auch betreffend die beiden weiteren Kündigungen erstinstanzlich obsiegen sollte.
1533. Die Androhung eines Ordnungsgeldes bzw. Ordnungshaft, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO.
154B.Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
155C.Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
156RECHTSMITTELBELEHRUNG
157Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
158REVISION
159eingelegt werden.
160Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
161Bundesarbeitsgericht
162Hugo-Preuß-Platz 1
16399084 Erfurt
164Fax: 0361 2636-2000
165eingelegt werden.
166Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
167Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
168Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1691.Rechtsanwälte,
1702.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1713.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
172In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
173Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
174Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
175* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
176Dr. Gotthardt Peltner Weilbier