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1. Zuständige Behörde für die Massenentlassungsanzeige ist bei einer aufgelösten betrieblichen Struktur diejenige Agentur für Arbeit, in deren Zuständigkeitsbereich der letzte nach der Massenentlassungsrichtlinie feststellbare Betrieb lag und nicht die Agentur für Arbeit am gesellschaftsrechtlichen Sitz des Unternehmens. Dies gilt auch deshalb, weil die Klägerin nicht erst durch den Ausspruch der zweiten Kündigung arbeitssuchend geworden ist, sondern bereits aufgrund der (unwirksamen) Kündigung vom 27.01.2018. Wer dennoch für die erneuten Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige verlangt, wird bei der Statuierung eventueller Unwirksamkeitsfolgen das Übermaßverbot beachten müssen und daher entweder die Folgen eventueller Fehler im Wege verfassungs- bzw. europarechtskonformer Auslegung bestimmen oder § 17 KSchG dem Bundesverfassungsgericht vorlegen oder den Europäischen Gerichtshof anrufen müssen. 2. Zu den Anforderungen an die Angabe des Zeitraums, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, bei der Einleitung des Konsultationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 KSchG.
1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.04.2021 - Az.: 8 Ca 5469/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2.Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D:
2Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses vor dem Hintergrund einer durch den Beklagten unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe ausgesprochenen Kündigung.
3Die im August 1975 geborene, ledige Klägerin war seit dem 06.04.1998 bei der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG bzw. deren Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.500,00 Euro angestellt. Sie war ausschließlich in R. stationiert. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Schuldnerin).
4Bei der Schuldnerin handelte es sich um eine Fluggesellschaft mit Sitz in L., die Stationen an verschiedenen Flughäfen hatte. Die Schuldnerin beschäftigte mit Stand August 2017 mehr als 6.000 Arbeitnehmer, davon 1.318 Cockpitmitarbeiter, 3.362 Beschäftigte in der Kabine und 1.441 Mitarbeiter am Boden. Der Station R. waren gut 2000 Arbeitnehmer zugeordnet. Die Schuldnerin bediente im Linienflugverkehr Ziele in Europa, Nordafrika, Israel sowie in Nord- und Mittelamerika und unterhielt Stationen an den Flughäfen L.-U., R., N., G., T., I., L., Q., O. und M.. Die Langstreckenflüge wurden in erster Linie von den Drehkreuzen in L.-U. und R. aus durchgeführt.
5Das fliegende Personal trat am sog. Stationierungsort (home base bzw. Heimatbasis) seinen Dienst an und beendete ihn dort. Soweit Personal auf Flügen von anderen Flughäfen als dem vereinbarten Dienstort eingesetzt wurde, erfolgte dies in Form des sog. proceeding. Das Personal fand sich dabei zunächst am Dienstort ein und wurde von dort zum Einsatzflughafen gebracht.
6In L. war der Leiter des Flugbetriebs ("Head of Flight Operations") ansässig. Diesem oblag die gesamte Leitung des Flugbetriebs im operativen Geschäft. Ihm unterstellt waren ua. die Abteilungen Cabin Crew sowie Crew Operations. Die Einsatzplanung für das Kabinenpersonal wurde seit Mitte 2017 in L. für den gesamten Flugbetrieb erstellt (Crew Planning). Dies umfasste die Urlaubsplanung und die Planung der Kabinencrew-Verkehre zwischen den einzelnen Stationen.
7Der Leitung der Abteilung Cabin Crew oblag die Durchsetzung, Kontrolle und Einhaltung aller Betriebsregeln im Bereich Kabine sowie die Personalplanung des gesamten Kabinenpersonals einschließlich der Begründung, Beendigung oder Änderung von Arbeitsverhältnissen. Ausweislich des sog. "Operations Manual Part A" (OM/A, Stand 20.07.2017), welches die Organisationsstruktur des Flugbetriebs abbildete, waren der Leitung des Kabinenpersonals ("PX-OK Cabin Crew") ua. zwei Regional Manager unterstellt.
8Die Regional Manager waren als Flugbegleiter angestellt und in der Regel auch im operativen Flugbetrieb eingesetzt. Sie hatten keine eigenen Entscheidungskompetenzen. Das OM/A beschreibt die Aufgaben des ua. für die Station R. zuständigen Regional Manager West wie folgt:
9"Der Regional Manager West ist für die Stationen E. und Q. verantwortlich in disziplinarischen Fragen und Personalangelegenheit, einschließlich persönlicher Angelegenheiten.
10Er/sie nimmt an den Flugbetriebssitzungen teil und führt in Absprache mit der Leitung Kabinenpersonal Projekte durch. Er/sie ist täglich mit den Gewerkschaften und Betriebsräten in Kontakt.
11Aufgaben und Verantwortungsbereiche
12Aufsicht über alle Aktivitäten im Bereich der Passagierbetreuung zur Erzielung eines optimalen professionellen, sicheren und freundlichen Services für die Passagiere
13 Überwachung der Einhaltung aller internen Richtlinien durch das Kabinenpersonal (z.B. Compliance, Datenschutz, interne Vorgaben)
14 Austausch von Informationen in allen sicherheitsrelevanten und Dienstleistungsangelegenheiten sowie in persönlichen Angelegenheiten mit den Regional Managern und der Leitung für das Kabinenpersonal
15 Durchführung von Stationssitzungen an den entsprechenden Stationen
16 Umsetzung von Feedback, Lob, persönlichem Austausch usw. in besonderen Fällen für alle Mitglieder des Kabinenpersonals an den entsprechenden Stationen
17 Er/Sie ist Mitglied des Health Management Team (BEM).
18 Überwachung der Einhaltung aller Dienstpläne an den entsprechenden Stationen. Vorgabe von Richtlinien und Spezifikationen für die Kabinenpersonalplanung, den Einsatzplan und Crewkontakt.
19 Regelmäßige Besetzung der Hotline für das Kabinenpersonal (24/7) als diensthabender Manager
20 Personalbeschaffung für alle Positionen im Bereich Kabinenpersonal
21 Verhandlung mit Gewerkschaften und Betriebsräten."
22Den Regional Managern waren sog. Area Manager Kabine ("Area Manager Cabin") untergeordnet. Deren Aufgaben und Kompetenzen waren ebenfalls im OM/A dargestellt. Ausweislich Ziff. 1.3.8.1.1 OM/A hatte der Area Manager Kabine alle Aspekte der Leistung des Kabinenpersonals zu verwalten, um sicherzustellen, dass ein gleichbleibend hohes Niveau an Sicherheit und Gastfreundlichkeit aufrechterhalten wird. Er wurde als Vorgesetzter aller Mitglieder des Kabinenpersonals bezeichnet, der Disziplinarverantwortung trage. Er hatte ua. die Aufgabe, Probleme zu ermitteln und zu beheben, um einheitliche Prozesse sicherzustellen. Auch hatte er Konflikte innerhalb des Kabinenpersonals bzw. zwischen Kabinen- und Cockpitpersonal in enger Abstimmung mit der Abteilung Flight Operations und dem Regional Manager zu deeskalieren.
23Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG auf Basis des "Tarifvertrags Personalvertretung (TVPV) für das Cockpitpersonal der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG" eine Personalvertretung (PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den "Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV Kabine) für das Kabinenpersonal der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG" die Personalvertretung Kabine (PV Kabine) errichtet. Beide Gremien hatten ihren Sitz in L.. Das Bodenpersonal vertraten die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) und der Gesamtbetriebsrat. § 74 TVPV Kabine sieht die Anhörung der PV Kabine vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung vor.
24Für das Kabinenpersonal schloss die Schuldnerin am 08.12.2016 den Tarifvertrag "TV Air L.: Pakt für Wachstum und Beschäftigung" (im Folgenden TV Pakt, Bl. 59 ff. d. A.) ab. In diesem hieß es auszugsweise:
25"§ 2 Perspektiven für Wachstum, Karriereentwicklung und Beschäftigungssicherung in der Kabine
26[ ]
27(2) Air L. geht bei erfolgreicher Umsetzung der Transformation nicht davon aus, betriebsbedingte Beendigungskündigungen durchführen zu müssen. Sollten diese, egal aus welchen Gründen, dennoch unvermeidbar werden, ist deren Ausspruch erst nach Abschluss eines Sozialtarifvertrages mit ver.di über einen Interessenausgleich und Sozialplan zulässig, der sich auf das gesamte Kabinenpersonal auf der Grundlage der Betriebszugehörigkeit ausrichtet.
28[ ]"
29Die Schuldnerin nutzte für den Flugbetrieb ausschließlich geleaste Flugzeuge. Seit Ende des Jahres 2016 führte die Schuldnerin neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb auch noch Flüge im sog. Wet Lease für Unternehmen der M.-Gruppe, insbesondere für die F. GmbH (iF.: F.), durch. Die Schuldnerin stellte dabei die von ihr selbst geleasten Flugzeuge (sog. Head Lease) F. als weiterer Leasingnehmerin (sog. Sub Lease) mit Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung. Die vertraglichen Abreden wurden als ACMIO-Vereinbarung bezeichnet. ACMIO steht für "Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead". Die Personalplanung verblieb dementsprechend bei der Schuldnerin. Die für F. eingesetzten Flugzeuge wurden mit dem F.-Logo versehen und entsprechend lackiert. Das fliegende Personal trug jedenfalls teilweise im Wet-Lease-Einsatz Uniformen der F.. Der Wet-Lease-Flugbetrieb wurde an den einzelnen Flughäfen mit Start- und Landerechten für bestimmte Zeitspannen (Slots) der F. durchgeführt.
30Bis zu 38 Flugzeuge der Schuldnerin flogen im Wet Lease. Zumindest einige Flugzeuge waren umlackiert, die Crews trugen die Uniform des Vertragspartners. Die Stationen T., L. und I. waren als reine Wet-Lease-Stationen vorgesehen und die Stationen R. und N. als gemischte Stationen; von den Stationen L. und G. sollte nur eigenwirtschaftlich geflogen werden. Tatsächlich wurde das gesamte Personal überwiegend sowohl im Wet Lease als auch im eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb eingesetzt.
31Am 27.02.2017 schlossen die Schuldnerin und die PV Kabine die "Betriebsvereinbarung Rahmen-Interessenausgleich zur Umstrukturierung der Air L. für das Kabinenpersonal" (im Folgenden RIA-UK, Anlage K15), auf die wegen der Einzelheiten und Anlagen Bezug genommen wird. § 2 der Anlage 1 zum RIA-UK sieht verschiedene Maßnahmen für die Stationierung bzw. Bereederung vor. Weiter heißt es in der Anlage 1 auszugsweise:
32"§ 3
33Alle Wechselwünsche, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Interessenausgleichs auf der Wechselwunschliste dokumentiert sind, werden bis zum 31.12.2017 gewährt [ ].
34§ 6
35Auch nach der Zuordnung der Mitarbeiter zur ausschließlichen Operation (ACMIO-Operation bzw. New air L.) verbleiben alle Mitarbeiter im einheitlichen Flugbetrieb der air L.. Die Durchlässigkeit zwischen New air L. und der ACMIO-Operation wird gewährleistet, z.B. durch Ausschreibung von Stellen und Umschulungen sowie die weiterhin gültige Betriebszugehörigkeits- und Wechselwunschliste. [ ]
36§ 7
37Kommt es im Hinblick auf "New air L." oder "ACMIO-Operation" zu einem Übergang von Arbeitsplätzen auf ein anderes Unternehmen (z.B. im Wege eines Betriebsübergangs oder einer Umwandlung nach dem UmwG), so werden die Betriebsparteien rechtzeitig zuvor Verhandlungen über eine Neuregelung der Zuordnung der Mitarbeiter des Kabinenpersonals zu den übergehenden Arbeitsplätzen unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte im Rahmen einer Auswahlrichtlinie aufnehmen. [ ]"
38Im Juni 2017 kaufte die Komplementärin der Schuldnerin, die Air L. PLC, die Luftfahrtgesellschaft X. mbH (im Folgenden M.). Diese verfügte zum damaligen Zeitpunkt über 20 Flugzeuge des Musters Dash Bombardier Q400. Die M. erbrachte ihrerseits im Rahmen eines wet lease mit diesen Maschinen für die Schuldnerin "Shuttle-Dienste" zu den Langstreckenflughäfen R. und L.. Eigene Start- und Landerechte (im Folgenden: Slots) hatte die M. zunächst nicht inne. Ein Slot beschreibt das Recht, an sog. koordinierten Flughäfen - in Deutschland: G., N., R., L., I. und T. - innerhalb bestimmter Zeitfenster ein Flugzeug starten oder landen zu lassen. Slots sind Nutzungsrechte, die nur in bestimmten vorgegebenen Verfahren vergeben und übertragen werden können. Die Schuldnerin verfügte insgesamt über mehrere tausend Slots.
39Am 15.08.2017 beschloss das Amtsgericht Charlottenburg (Az. 36a IN 4295/17) auf Antrag der Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen in vorläufiger Eigenverwaltung und bestellte den Beklagten am 16.08.2017 zum vorläufigen Sachwalter. Es wurde ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt. Danach wurde von der Schuldnerin eine Investorensuche eingeleitet, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übertragenden Sanierung ermöglichen sollte. Nach Ablauf der Angebotsfrist am 15.09.2017 lag kein annahmefähiges Angebot vor. Daraufhin wurde beschlossen, weitere Verhandlungen mit der M.-Gruppe und der britischen Fluggesellschaft f. Airline Company Limited (f.) zu führen.
40Am 12.10.2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung. Diese lautete auszugsweise wie folgt:
41"Erklärung der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG
42[ ] Es ist beabsichtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 26. Oktober 2017 beim Insolvenzgericht anzuregen.
43I.
44[ ]
451. Die im Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung aufgestellte Liquiditäts- und Fortführungsplanung hat vorgesehen, dass unter Berücksichtigung des durch einen mit Bundesbürgschaft abgesicherten Übergangskredit i.H.v. 150 Mio € der Flugbetrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (voraussichtlich Ende Oktober 2017) aufrechterhalten werden kann.
46[ ]
47II.Die Unterzeichner dieses Beschlusses stimmen daher darin überein, dass beabsichtigt ist, den Geschäftsbetrieb der Air L. Flüge einzustellen. Die Einstellung und Stilllegung des Geschäftsbetriebs der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG soll wie folgt umgesetzt werden:
481.Beendigung der Flugzeug-Leasingverträge der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG als Leasingnehmer durch Kündigung bzw. Abschluss von Aufhebungsverträgen und Rückgabe der Flugzeuge sukzessive bis zum 31.01.2018.
492.Einstellung des operativen Geschäftsbetriebs der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG. Dabei wird mit Ablauf des 28. Oktober 2017 der operative Flugverkehr im Namen und auf Rechnung der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG eingestellt. Flugbuchungen für Flüge nach dem 28. Oktober 2017 sind nicht mehr möglich.
503.Erbringung der Dienstleistungen gegenüber F. im Rahmen des sog. Wet Lease für den Zeitraum bis maximal zum 31. Januar 2018. Dies betrifft 13 Flugzeuge.
514.a) Derzeit verfügen 6.054 Arbeitnehmer/-innen über ein Arbeitsverhältnis und 8 Auszubildende (nachfolgend Arbeitnehmer) über ein Ausbildungsverhältnis mit der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG. Die Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG beabsichtigt, sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der individuell maßgeblichen Kündigungsfrist, begrenzt auf die maximale Frist von drei Monaten zum Monatsende gemäß § 113 Satz 1 InsO, soweit gesetzlich zulässig, nach Durchführung der Interessenausgleichs- sowie Massenentlassungsanzeigeverhandlungen (§ 17 KSchG) und nach Durchführung der Anhörungsverfahren mit den Mitbestimmungsgremien (Betriebsräte/Personalvertretungen) zu kündigen. Die Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG wird - soweit erforderlich - eine Zustimmung für Arbeitnehmer mit etwaigem Sonderkündigungsschutz (z.B. SGB IX, BEEG, MuSchG) beantragen und auch diese Arbeitsverhältnisse zeitnah kündigen. Es werden auch Sozialplanverhandlungen geführt werden.
52[ ]
535.Dauerschuldverhältnisse(Leasingverträge, Gewerbemietverträge, Versorger etc.) werden unter Berücksichtigung der Abwicklungsplanung durch Abschluss von Aufhebungsverträgen beendet bzw. unter Berücksichtigung bestehender Kündigungsfristen gekündigt, sofern die Vertragspartner nicht selbst kündigen bzw. die Verträge bereits gekündigt sind.
54[ ]
557.Die Gesamtabwicklung des Geschäftsbetriebs der Air L. PLC & Co. Luftverkehrs KG soll nach derzeitiger Planung zum 31. Januar 2018 abgeschlossen sein, so dass im Anschluss daran die Stilllegung erfolgt."
56Am 24.10.2017 bestätigte der vorläufige Gläubigerausschuss die vollständige Betriebseinstellung zum 31.01.2018 und wies die vorläufige Eigenverwaltung an, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.
57Der letzte im Namen der Schuldnerin durchgeführte Flug landete am 27.10.2017 auf dem Flughafen L.-U.. Danach wurden nur noch Flugleistungen im Wet Lease erbracht. Dies erfolgte von den Stationen I., L. und T. aus. Sofern erforderlich, wurde durch proceeding das Personal der Station G. eingesetzt. Im Oktober und November 2017 wurden 13 Airbus A320 für das Wet Lease mit F. weiter genutzt. Im Dezember 2017 waren es noch bis zu acht Flugzeuge. Mit Ablauf des 31.12.2017 wurde das Wet Lease beendet. Die für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs der Schuldnerin erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen erloschen mit Ablauf des 31.01.2018.
58Am 31.10.2017 meldete die Deutsche M. AG (im Folgenden M. AG) einen Zusammenschluss nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (im Folgenden: Fusionskontroll-VO) bei der Europäischen Kommission an. Im Amtsblatt der Europäischen Union vom 10.11.2017 (allgemein bekannt) ist hierzu festgehalten:
59"Vorherige Anmeldung eines Zusammenschlusses [ ]
601. [ ]
61Diese Anmeldung betrifft folgende Unternehmen:
62- Deutsche M. AG ("M.", Deutschland)
63- O. Luftfahrt GmbH ("O.", P.), Teil der Air-L.-Gruppe,
64- Luftfahrtgesellschaft X. mbH ("M.", Deutschland), ebenfalls Teil der Air-L.-Gruppe.
65M. erwirbt im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung die Kontrolle über Teile der Air-L.-Gruppe, d.h. über die Gesamtheit von O. und M..
66Der Zusammenschluss erfolgt durch den Erwerb von Anteilen.
672. Die beteiligten Unternehmen sind in folgenden Geschäftsbereichen tätig:
68[ ]
69- M.: Bis zum 28. Oktober 2017 betrieb M. im Rahmen von Wet-Lease-Vereinbarungen an Air L. vermietete Luftfahrzeuge für Kurzstreckenlinien nach R. und L., in erster Linie als Zubringer für Air-L.-Tätigkeiten. M. soll als Zweckgesellschaft für die Fortsetzung des gegenwärtig von Air L. betriebenen Flugplanes im Rahmen einer Wet-Lease-Vereinbarung mit der M.-Gruppe vom Dezember 2016 dienen. Vor dem Zusammenschluss soll ein Zeitnischen-Paket für die Wintersaison 2017/2018 sowie für die Sommersaison 2018 (einschließlich Zeitnischen für die Flughäfen L.-U., E., G. und N.) auf M. zur Nutzung durch die M.-Gruppe übertragen werden. [ ]"
70Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.11.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Es wurde Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte noch am gleichen Tage gegenüber dem Insolvenzgericht gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO eine drohende Masseunzulänglichkeit an und rief die Arbeitsleistung der Klägerin nicht mehr ab.
71Die f. Airline Company Limited (im Folgenden f. Ltd.) meldete am 07.11.2017 einen Zusammenschluss nach Art. 4 der Fusionskontroll-VO an. Dazu heißt es im Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.11.2017:
72"Vorherige Anmeldung eines Zusammenschlusses [ ]
73Am 7. November 2017 ist die Anmeldung eines Zusammenschlusses nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates bei der Kommission eingegangen.
74Die Anmeldung betrifft folgende Unternehmen:
75- F. Jet (VK),
76- D. Air L. Assets ("Zielunternehmen", Deutschland).
77F. Jet übernimmt im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung die Kontrolle über Teile von Air L..
78Der Zusammenschluss erfolgt durch Erwerb von Vermögenswerten.
79Die beteiligten Unternehmen sind in folgenden Geschäftsbereichen tätig:
80- F. Jet: preisgünstige Direktflüge im europäischen Flugverkehr;
81- Zielunternehmen: Vermögenswerte, die zuvor zur Geschäftstätigkeit von Air R. am Flughafen R.-U. gehörten, so unter anderem Zeitnischen und Nachtabstellplätze. [ ]"
82Am 02.01.2018 einigten sich die Schuldnerin und die U. D. Group Airlines PLC auf die Übernahme von Anteilen an der Air L. Aviation GmbH, einer weiteren Tochter der Schuldnerin. Unmittelbar vor Vollzug des Vertrages übertrug die Schuldnerin Slots auf die Air L. Aviation GmbH.
83Bereits seit November 2017 bot die D. Flugdienst GmbH, eine Tochtergesellschaft der U. D. Group Airlines PLC, Langstreckenziele an, die zuvor von der Schuldnerin bedient worden waren. Die F. GmbH flog alsbald ab R. ebenfalls frühere Ziele der Schuldnerin an, ebenso die M. AG sowie die f. Ltd. ab L.-U..
84Der Verkauf der O. kam nicht zustande. Indes genehmigte die Europäische Kommission die Übernahme der M. unter Auflagen, insbesondere einer reduzierten Übertragung der den Flughafen R. betreffenden Slots. Zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt übertrug die Schuldnerin ein Paket von Slots auf die M., die an die M. Gruppe veräußert wurde. Zudem übernahm die M. die Berechtigung, die Homepage der Schuldnerin zu nutzen, die Lizenz für die Software AIMS, die der Personal-, Flug- und Flugzeugplanung diente und die Flugzeuge der A320-Familie betreffende Passagen für das Betriebshandbuch. Mit Wirkung zum 01.11.2017 trat die M. in einen neuen wet lease-Vertrag mit der F. GmbH ein. Dazu nutzte sie die vorhandenen Dash Bombardier Q400 und im weiteren Verlauf mindestens 13 Airbusse der A320-Familie, die bei der Schuldnerin im Einsatz gewesen waren. Zudem warb die M. um früheres Personal der Schuldnerin, das eine Zulassung für diesen Flugzeugtyp hatte (sog. "ready entries"). Sodann wurden von der F. angebotene, von der Schuldnerin bislang im wet lease erbrachte Flüge im wet lease durch die M. bedient.
85Mit Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg vom 16.01.2018 wurde die Eigenverwaltung der Schuldnerin aufgehoben und der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt.
86Die für die Aufrechterhaltung eines Flugbetriebs erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen waren zuletzt bis zum 31.01.2018 befristet und sind mit Ablauf dieses Datums erloschen. Spätestens seitdem entfaltet die Schuldnerin keine Geschäftstätigkeit mehr und verfügt auch über keinerlei Slots oder Flugzeuge.
87Am 30.04.2019 und wieder am 27.05.2020 zeigte der Beklagte bei dem Amtsgericht Berlin - Charlottenburg (Neu-)Masseunzulänglichkeit an.
88Bereits ab November 2017 kündigte die Schuldnerin, ab Januar 2018 der Beklagte die Arbeitsverhältnisse mit den Beschäftigten im Cockpit bzw. in der Kabine. Hiervon war auch die Klägerin betroffen. In Entscheidungen vom 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 und 27.02.2020 - 8 AZR 215/19 erkannte das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit von Kündigungen des Cockpitpersonals wegen nicht ordnungsgemäßer Massenentlassungsanzeigen. Der 8. Senat führte aus, dass viel dafürspreche, dass das wet lease für die F. GmbH durch die Schuldnerin eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG gewesen sei. Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschied am 14.05.2020 - 6 AZR 235/19, dass es auch in Anbetracht des wet lease nicht zu einem Betriebsteilübergang auf die M. gekommen sei, jedoch die Kündigungen auch des Kabinenpersonals wegen nicht ordnungsgemäßer Massenentlassungsanzeige unwirksam seien.
89Nach Darstellung des Beklagten bestanden in der Konsequenz der höchstrichterlichen Entscheidungen im Jahr 2020 noch 837 unbeendete Arbeitsverhältnisse. Daneben beschäftigt er 16 Arbeitnehmer befristet im "Abwicklungsteam Insolvenz", die über spezielle Kenntnisse in den abzuwickelnden Bereichen der Schuldnerin verfügen. Angesichts des zum Erliegen gekommenen Geschäftsbetriebs sah der Beklagte keine Möglichkeit zur Wiedereröffnung. Er entschloss sich daher, den Betrieb nicht wiederzueröffnen und die 837 unbefristeten Arbeitsverhältnisse zu kündigen.
90Mit Schreiben vom 17.04.2020, auf das wegen der Einzelheiten und seiner Anlagen Bezug genommen wird (Teil der Anlage B2, dort Anlage 26), leitete der Beklagte gegenüber der PV Kabine ein erneutes Konsultationsverfahren ein. Hinsichtlich der für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien wies er auf die Masseunzulänglichkeit im Insolvenzerfahren hin und bot an, einen Insolvenzsozialplan gemäß § 123 InsO abzuschließen. Ein Entwurf eines Sozialplans wurde beigefügt. Am 20.05.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 27) informierte der Beklagte die PV Kabine über weitere 66 noch bestehende Arbeitsverhältnisse.
91Mit Schreiben vom 07.08.2020, auf das wegen der Einzelheiten und seiner Anlagen ebenfalls Bezug genommen wird (Teil der Anlage B2, dort Anlage 35), hörte der Beklagte die PV Kabine gem. § 74 TVPV zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der klagenden Partei an.
92Unter dem 18.08.2020 zeigte der Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit Düsseldorf die beabsichtigte Massenentlassung von zuvor in R. stationierten Arbeitnehmern an, deren Arbeitsverhältnisse noch nicht beendet seien. Insbesondere führte der Beklagte in dem Anschreiben zum Konsultationsverfahren mit der PV Kabine aus und fügte Abdrucke des Schriftwechsels bei. Laut Bestätigung der Agentur für Arbeit ist die Anzeige vollständig am 19.08.2020 eingegangen.
93Mit Schreiben vom 27.08.2020 (Blatt 11-13 der Gerichtsakte), das der Klägerin am 28.08.2020 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.11.2020. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 15.09.2020 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen, dem Beklagten am 28.09.2020 zugestellten Klage. Mit Schreiben vom 21.10.2020 (Blatt 73- 75 der Gerichtsakte), das der Klägerin am 23.10.2020 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneu zum 31.01.2021. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.11.2020 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen, dem Beklagten am 10.11.2020 zugestellten Klage. Außerdem kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 28.01.2021 (Blatt 89-91 der Gerichtsakte), das der Klägerin am 29.01.2021 zuging, zum 30.04.2021. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 10.02.2021 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen, dem Beklagten am 18.02.2021 zugestellten Klage.
94Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien unwirksam, sie seien sozial ungerechtfertigt. Die Kündigung sei wegen eines Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht habe in seiner Entscheidung vom 27.02.2020 - 8 AZR 215/19 - ebenfalls die schon von ihr in dem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren zur ersten Kündigung vom 27.01.2018 unter dem Aktenzeichen 4 Ca 863/18 vertretenen. Diesbezüglich hat die Klägerin auf ihre Schriftsätze in diesem Verfahren Bezug genommen. Es sei davon auszugehen, dass es im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu einem Teilbetriebsübergang auf die Luftfahrtgesellschaft X. zur Fortführung des wet lease gekommen sei. Der Beklagte habe daher zumindest eine Sozialauswahl im Rahmen der betriebsbedingen Kündigung durchführen müssen, was bis heute unterblieben sei. Hinsichtlich ihrer Berücksichtigung im Rahmen des Teilbetriebsübergangs verhalte es sich auch so, dass der Beklagte aufgrund des Interessenausgleichs zur Umstrukturierung der Air L. vom 24.02.2017 eine gesonderte Zuordnung unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte im Rahmen des ACMIO-Betriebs durchzuführen gehabt habe. Diesbezüglich hat die Klägerin auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 verwiesen. Eine solche Sozialauswahl sei offensichtlich unterblieben, so dass die Kündigungen schon aus diesem Grunde unwirksam seien.
95Die Klägerin hat weiterhin gemeint, die PV Kabine sei zu den beabsichtigten Kündigungen auch nicht ordnungsgemäß angehört worden. Zur Begründung dieser Auffassung hat sie in Bezug auf die Kündigungen vom 21.10.2020 und 28.01.2021 auf die Stellungnahme der PV Kabine zur Anhörung vom 18.09.2020 verwiesen und zwei Schreiben des Herrn T. vorgelegt, die am 28.09.2020 bzw. 25.01.2021 beim Beklagten eingingen und wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 76 f., 92 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Die Anhörung der PV Kabine sei erst am 20.01.2021 erfolgt.
96Außerdem hat die Klägerin einen Verstoß gegen § 17 KSchG gerügt. Das Konsultationsverfahren sei nach dem eigenen Vortrag des Beklagten erst am 27.11.2020 eingeleitet worden, woraus sich bereits die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 27.08.2020 und 21.10.2020 ergebe. In der Ergänzung zur Anlage 5.2 Konsultationsverfahren Arbeitnehmer, Station R., Cockpit und Kabine, Stand 29.02.2020 sei die Klägerin nicht zu finden, so dass die Kündigung vom 28.01.2021 und auch die vorangegangenen Kündigungen aus diesem Grunde unwirksam seien, weil sie von der Massenentlassungsanzeige nicht umfasst worden sei. Hinzu komme, dass sie auf der Liste, die als Anlage 2 der Massenentlassungsanzeige B2 beigefügt gewesen sei, die die Berufsgruppen wiedergebe, unter Ziffer 266 genannt zu sein scheine, aber mit einem falschen Geburtsdatum. Dass es sich bei der Nummer 266 um sie handelt, hat die Klägerin daraus geschlossen, dass es sich bei Nummer 266 um die einzige Person handelt, die mit dem Wohnort B. genannt wird. Außerdem hat die Klägerin beanstandet, dass die Massenentlassungsanzeige lediglich für die Station R. gestellt worden sei, da zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung lediglich ein Betrieb in Berlin vorgelegen haben dürfte.
97Die Klägerin hat beantragt,
981.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27.08.2020 nicht mit Ablauf des 30.11.2020 sein Ende gefunden hat,
992.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 21.10.2020 nicht mit Ablauf des 31.01.2021 sein Ende gefunden hat,
1003.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 28.01.2021 nicht mit Ablauf des 30.04.2021 sein Ende finden wird.
101Der Beklagte hat beantragt,
102die Klage abzuweisen.
103Er hat gemeint, bereits die Kündigung vom 27.08.2020 sei wirksam und habe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien geführt. Er hat behauptet, er habe sich dazu entschlossen, am ursprünglich getroffenen Stilllegungsbeschluss festzuhalten und den Betrieb der Schuldnerin nicht wieder zu eröffnen. Er habe in tatsächlicher Hinsicht keine Möglichkeit der Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin gesehen, u.a. weil dieser Ende 2017 zum Erliegen gekommen sei. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei die unternehmerische Entscheidung der Schuldnerin vom 12.10.2017, den Betrieb stillzulegen, bereits umgesetzt gewesen. Ein Betriebs(teil)übergang habe nicht vorgelegen. Wegen der vollständigen Stilllegung sei keine Sozialauswahl erforderlich gewesen, nachträglich komme sie ohnehin nicht in Betracht. Wäre die Klägerin einem nach ihrer Ansicht übergegangenen Betriebsteil zugeordnet gewesen, sei die Klage bereits deshalb unbegründet, weil dann bei Zugang der Kündigung kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hätte.
104Der Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, auch das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Er habe sich mit den Fragen und Argumenten der PV Kabine eingehend auseinander gesetzt. Da diese aber unverändert und fortwährend die Beantwortung von bereits beantworteten Fragen für weitere Verhandlungen verlangte, habe er davon ausgehen dürfen, dass keine weiteren Ansätze für Verhandlungen bestanden hätten. Die Klägerin sei in der Anlage zur Einleitung des Konsultationsverfahrens (Anlage 5.2) Station R. (Stand 29.02.2020) unter Ziffer 243 ausgewiesen.
105Er hat die Auffassung vertreten, die Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 sei ordnungsgemäß erstattet worden. Insbesondere sei diese bei der für die Klägerin zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf zu erstatten gewesen. Nach Maßgabe der Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts vom 14.05.2020 (Az. 6 AZR 235/19) bezogen auf die Kündigung vom 27.01.2018 und die hierzu erstattete Massenentlassungsanzeige bildeten die einzelnen Stationen der Schuldnerin Betriebe i.S.d. Richtlinie 98/59/EG, so dass hier der für die Erstattung einer Massenentlassungsanzeige maßgebliche Betriebssitz liege.
106Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.04.2021 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Schon die streitgegenständliche Kündigung vom 27.08.2020 sei unter keinem Gesichtspunkt unwirksam. Sie sei sozial gerechtfertigt, weil dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vorgelegen haben. Es liege eine Betriebsstilllegung (bzw. deren Aufrechterhaltung) und kein Betriebsübergang vor. Insoweit könne auf die Ausführungen der bisherigen Entscheidungen auch zur ersten Kündigungswelle Bezug genommen werden. Eine Sozialauswahl sei obsolet gewesen. Das Konsultationsverfahren des § 17 Abs. 2 KSchG sei ebenso wenig zu beanstanden wie die Erstattung der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 3 KSchG. Das gelte auch im Hinblick auf deren Platzierung in R.. Schließlich habe der Beklagte die PV Kabine unter dem 07.08.2020 ordnungsgemäß zur beabsichtigten Kündigung angehört. Die weiteren Klageanträge seien nicht zur Entscheidung durch die Kammer angefallen.
107Gegen das ihr am 14.04.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 11.05.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.07.12021 - mit einem weiteren, am 12.07.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.
108Die Klägerin rügt die Rechtsfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung insbesondere im Hinblick auf § 17 KSchG und der MERL. So habe das Arbeitsgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Anlagen zur Massenentlassungsanzeige fehlerhafte Angaben zu ihrer Person enthalten hätten. Nach neuerer Rechtsprechung des LAG Frankfurt indes führten Soll-Angaben zur Person der Klägerin, soweit sie zweckdienlich seien, bei Fehlerhaftigkeit zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige, da sie ebenso unverzichtbar seien wie Pflichtangaben. Zudem sei die Massenentlassungsanzeige an die örtlich unzuständige Arbeitsagentur Düsseldorf gerichtet worden, statt wie richtig an die Arbeitsagentur Berlin. Nur dort sei wegen der noch laufenden Abwicklungsarbeiten so etwas wie eine betriebliche Struktur der Schuldnerin vorhanden.
109Weiterhin sei das Arbeitsgericht auf die Rüge der Mangelhaftigkeit der Anhörung der Personalvertretung nicht hinreichend eingegangen, wie sie im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 02.11.2020 thematisiert worden sei. Schließlich seien die streitgegenständlichen Kündigungen sozialwidrig, da der Beklagte keine gänzliche Betriebsstilllegung durchgeführt habe, sondern es beim Wet-Lease zu einem Teilbetriebsübergang auf die Luftfahrtgesellschaft X. gekommen sei. Diesem Bereich an der Station R. wäre die Klägerin zuzuordnen gewesen.
110Die Klägerin beantragt,
1111.Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.04.2021 - Az. 8 Ca 5469/20 - wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27.08.2020 nicht mit Ablauf des 30.11.2020 sein Ende gefunden hat.
1122.Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 21.10.2020 nicht mit Ablauf des 31.01.2021 sein Ende gefunden hat.
1133.Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.01.2021 nicht mit Ablauf des 30.04.2021 sein Ende gefunden hat.
114Der Beklagte beantragt,
115die Berufung zurückzuweisen.
116Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Betrieb sei auf Grundlage der unternehmerischen Entscheidung der Schuldnerin stillgelegt. Der Beklagte habe keine Möglichkeit der Fortführung gesehen und sehe aktuell keine solche, so dass die erneute Kündigung alternativlos gewesen sei. Einen Teilbetriebsübergang des Wet-Lease habe es - wie der 6. Senat des BAG zwischenzeitlich zutreffend festgestellt habe, nicht gegeben. Hätte es ihn gegeben, wäre der Beklagte auch bereits seit langer Zeit nicht mehr Arbeitgeber der Klägerin, die Klage unschlüssig.
117Die Massenentlassungsanzeige sei nicht zu beanstanden. Die Agentur für Arbeit Düsseldorf sei örtlich zuständig. Er habe auch den Stand der Beratungen richtig wiedergegeben. Die streitgegenständliche Kündigung sei allein wegen der Unwirksamkeit der ersten Kündigung ausgesprochen worden. Wegen der Zerschlagung habe sich kein (geänderter Rest-) Betrieb herausbilden können. Zulässig sei daher ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke und entsprechend die bisherige Betriebsstruktur. Anderes würde auch der Zielsetzung der MERL widersprechen, die allein auf die soziökonomischen Auswirkungen abstelle. Die Klägerin könne einen sich nach der Stilllegung herausgebildeten Betrieb i.S.d. MERL nicht darlegen. Insbesondere gebe es keine Einheit mehr, der die zu entlassenden Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben angehörten. Sie seien daher keinem Gesamtbetrieb zuzuordnen. Es sei unerheblich, ob auf eine neue unternehmerische Entscheidung den Betrieb nicht wiederzueröffnen oder aber auf die ursprüngliche Stilllegungsentscheidung abzustellen sei, weil sich keine neuen Betriebsstrukturen hätten herausbilden können. Letztlich seien die Kündigungen aber wegen der Betriebsstilllegung und der diesbezüglichen Entscheidung der Schuldnerin aus Oktober 2017 erfolgt. Es habe keinerlei neue unternehmerische Planung gegeben. Die Kündigungen seien ihm durch die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aufoktroyiert worden und beruhten nicht auf einer eigenständigen Planung. Es gebe auch keinen neu herausgebildeten Restbetrieb, vielmehr gebe es gar keine Betriebe mehr. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse daher auf den Betrieb zum Zeitpunkt der ursprünglichen Kündigung abgestellt werden.
118Abgesehen davon könnten Angaben wie das Geschlecht und Alter der zu entlassenden Personen, die im Gesetz ausdrücklich als Soll-Angaben in der Massenentlassungsanzeige bezeichnet seien, nicht zu zwingenden und zwingend richtig zu erklärenden Angaben erhoben werden. § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG enthalte insoweit eine eindeutige und abschließende Regelung. Die Bundesagentur für Arbeit benötige diese Angaben - die im Hinblick auf die Klägerin nur marginal fehlerhaft seien - für ihre Vermittlungstätigkeit auch gar nicht.
119Die Anhörung der Personalvertretung sei ordnungsgemäß erfolgt. Den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen habe er im Konsultationsverfahren angegeben, indem er mitgeteilt habe, dass die Entlassungen nach Durchführung und Abschluss des Konsultationsverfahrens und unter Beachtung der sonstigen Formalien (Personalratsanhörung, bei Sonderkündigungsschutz nach Zustimmung / Zulässigkeitserklärung der Fachämter) erfolgen sollte. Zum Kündigungsgrund habe er nach den Grundsätzen der subjektiven Determination vollständig und richtig unterrichtet. Der Personalvertretung sei bekannt gewesen, dass die Kündigungen nur wegen der Unwirksamkeit der vorherigen Kündigungen auszusprechen waren und unmittelbar nach Vorliegen der Voraussetzungen ausgesprochen werden sollten. Den Eintritt dieses Zeitpunkts habe er für Ende Mai 2020 erwartet. Eine Unsicherheit auf Personalvertretungsseite habe dadurch nicht entstehen können.
120Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
121E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
122A.
123Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 ZPO erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung liegt - trotz gewisser Bedenken - vor. Die Berufungsbegründung der Klägerin lässt in noch hinreichendem Maße erkennen, in welchen Punkten und mit welchen Erwägungen das erstinstanzliche Urteil angegriffen werden soll.
124B.
125Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, erkannt, dass bereits die erste streitgegenständliche Kündigung vom 27.08.2020 rechtswirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.11.2020 beendet hat.
126I.
127Das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis hält auch den Angriffen der Berufung Stand. Zur Begründung nimmt die Kammer zunächst Bezug auf die Ausführungen der 13. Kammer im Urteil des Parallelverfahrens X. ./. Beklagten vom 02.12.2021 zum Aktenzeichen 13 Sa 285/21, denen sich die Kammer voll umfänglich anschließt. Dort heißt es wie folgt:
128"I. Die Kündigung vom 27.08.2020 ist sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 1, 2 KSchG, weil dringende betriebliche Gründe vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Dies ergibt sich daraus, dass für die Klägerin aufgrund der endgültigen Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Der Betrieb der Schuldnerin wurde unstreitig zum 31.12.2017 stillgelegt. Arbeitsvolumen für das fliegende Personal ist nicht mehr gegeben. An dieser Stelle kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte sich die von ihm sog. Masterentscheidung aus dem Jahre 2017 zu eigen gemacht hat und sie weiter umsetzt oder aber eine neue Entscheidung getroffen hat, den Flugbetrieb nicht wieder zu eröffnen. Objektiv besteht in beiden Fällen kein Beschäftigungsbedarf mehr für die Klägerin. Dies ist - wie in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer nochmals erörtert und von der Klägerin bestätigt - unstreitig. Ohnehin besteht inhaltlich kein Unterschied. Eine unternehmerische Entscheidung des Beklagten bzgl. der streitgegenständlichen Kündigung erschöpft sich jedenfalls inhaltlich in der Wiederholung der Stilllegungsentscheidung der Insolvenzschuldnerin aus Oktober 2017. Es bestehen weder anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten noch ist die Kündigung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG rechtsunwirksam. Insoweit ist die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Auf ihre pauschale Rüge hat der Beklagte vorgetragen, es sei sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt worden, und zwar auch den 26 Arbeitnehmern, die zur Abwicklung der Schuldnerin im Wege einer Sachgrundbefristung beschäftigt würden. Flugbegleiter wurden gar nicht mehr tätig. Mit diesem Vortrag hat der Beklagte seiner Darlegungslast zunächst genügt. Es verblieben keine Arbeitsplätze, die nach sozialen Gesichtspunkten hätten vergeben werden können. Selbst unterstellt, es wäre darauf abzustellen, dass der Beklagte (später) 26 Beschäftigte in befristete Anstellungen übernommen hat, so ändert sich an der Bewertung nichts, weil die Sozialauswahl sich auf den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer bezieht. Es wurden keine Flugbegleiterinnen mehr beschäftigt. Mit ihrem Berufungsvorbringen hat die Klägerin insoweit auch keine Rüge mehr erhoben.
129130
IV.Der Beklagte hat die Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 bzw. 3 KSchG mit Schreiben vom 18.08.2020 bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf inhaltlich und formal ordnungsgemäß eingereicht.
1311.Der Beklagte war aufgrund des Erreichens der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG an der ehemaligen Station R. unstreitig verpflichtet, für diese Station eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit abzugeben. Mit der am 21.08.2020 bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eingegangenen Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 hat der Beklagte seine Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG vor Ausspruch der Kündigung der Klägerin erfüllt.
1322.Die Agentur für Arbeit in Düsseldorf war entgegen der Ansicht der Klägerin örtlich zuständig.
133a)Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden MERL) hat der Arbeitgeber der "zuständigen" Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist das die für den Betriebssitz örtlich zuständige Agentur für Arbeit (BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 123; BAG 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 76 ff.). Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die zuständige Agentur für Arbeit anhand einer richtlinienkonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG oder des § 327 Abs. 4 SGB III bestimmt wird (offen gelassen auch von BAG 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 79).
134b)Ein Betrieb i.S.d. MERL bezeichnet nach Maßgabe der Umstände die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Nicht erforderlich ist, dass die Einheit rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie aufweist. Der Betrieb i.S.d. MERL muss auch keine Leitung haben, die selbstständig Massenentlassungen vornehmen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn eine Leitung besteht, die die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellt. An die erforderliche Leitungsstruktur sind damit keine hohen organisatorischen Anforderungen zu stellen. Der unionsrechtliche Begriff der "Leitungsmacht" ist insoweit deutlich offener und weiter als nach dem nationalen betriebsverfassungsrechtlichen Verständnis (BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 116; BAG 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 33, 49 mwN.).
135c)Für die Kündigungen des Beklagten vom 27.01.2018 betreffend das Kabinenpersonal hat das Bundesarbeitsgericht die Station R. für die dort beschäftigten Arbeitnehmer als maßgeblichen Betrieb i.S.d. MERL identifiziert (BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 123). So verfüge die Station in R. über eine "Gesamtheit von Arbeitnehmern" i.S.d. Begriffsbestimmung des Gerichtshofs, bestehend aus dem fliegenden Personal und dem Bodenpersonal und einer Leitung, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstelle. Für die Besatzungsmitglieder verwies das Bundesarbeitsgericht auf die Area Manager Cockpit und den Regional Manager Kabine, für das Bodenpersonal auf die mit den Kompetenzen der unter Ziff. 1.1.4.3 im gerichtskundigen OM/A für Düsseldorf ausgewiesene Person (ausführlich BAG 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 48 ff.). Darüber hinaus sei die Position des Area Managers Kabine eingerichtet. Dieser habe alle Aspekte der Leistung des Kabinenpersonals zu verwalten, um sicherzustellen, dass ein gleichbleibend hohes Niveau an Sicherheit und Gastfreundlichkeit aufrechterhalten wurde. Er sei als Vorgesetzter aller Mitglieder des Kabinenpersonals bezeichnet worden, der Disziplinarverantwortung trage. Er habe u. a. die Aufgabe gehabt, Probleme zu ermitteln und zu beheben, um einheitliche Prozesse sicherzustellen. Auch habe er Konflikte innerhalb des Kabinenpersonals bzw. zwischen Kabinen- und Cockpitpersonal in enger Abstimmung mit der Abteilung Flight Operations und dem Regional Manager deeskalieren sollen. Dass die Leitungsfunktionen getrennt für Kabinen- und Cockpitpersonal wahrgenommen worden sei, sei ebenso unschädlich wie der Umstand, dass die Regional- bzw. Area Manager auch für die Station Q. verantwortlich gewesen seien. Ebenso wenig müsse zur Erfüllung des Betriebsbegriffs die Einheit R. ihren Teilzweck eigenständig bzw. autark erfüllen können (ausführlich BAG 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 48 ff.). Weiter stellte das Bundesarbeitsgericht fest, diese innerbetrieblichen Organisationsstrukturen seien für die Feststellung des maßgeblichen Betriebssitzes nicht deswegen irrelevant, weil die Station R. bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige bereits durch Stilllegung untergegangen sei (BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 125).
136d)Diese Auffassung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Klägerin bezogen auf die Kündigung vom 27.01.21018 nicht in Abrede. An der örtlichen Zuständigkeit der Agentur für Arbeit hat sich jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin für die hier in Rede stehende Massenentlassung nichts geändert.
137aa)Nach Auffassung der Klägerin lasse sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ableiten, dass es bei Entlassung mehrerer Arbeitnehmergruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf Grundlage einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung auf den Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung bzw. der erstmaligen Massenentlassungsanzeige und die dann bestehende betrieblichen Strukturen ankomme. Dies sei bei der Massenentlassungsanzeige vom 12.01.2018 betreffend das Kabinenpersonal entscheidend so gewesen, mit der Folge, dass damals in R. eine Anzeige erforderlich gewesen sei. Im Übrigen - d. h. wenn der Betrieb durch Stilllegung untergegangen sei und vorsorglich eine neue Kündigung ausgesprochen werde - verbleibe es bei dem Grundsatz, dass es auf den Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige ankomme. Die vormaligen betrieblichen Strukturen seien dann nicht relevant. Letzteres ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.09.2016 (- 2 AZR 276/16 - juris). Der hier zu beurteilende Fall sei der letztgenannten Kategorie zuzuordnen. Doch selbst wenn es auf den Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung ankomme, sei nicht die ursprüngliche Betriebsstruktur zum Zeitpunkt der Entscheidung vom Oktober 2017 zugrunde zu legen, weil der Beklagte eine neue unternehmerische Entscheidung getroffen habe. Insoweit habe die Anzeige nunmehr am Unternehmenssitz in L. zu erfolgen.
138bb)Dem folgt die erkennende Kammer nicht.
139(1)Aus Sicht der Kammer eröffnet das Bundesarbeitsgericht in der vorgenannten Entscheidung vom 22.09.2016 (- 2 AZR 276/16 - juris RN 70) dem Arbeitgeber für den Fall, dass eine betriebliche Einheit bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige bereits untergegangen ist, allenfalls eine weitere Vorgehensweise. Der Arbeitgeber "kann" - unabhängig von der Struktur einer betrieblichen Einheit - die Massenentlassungsanzeige überall dort einreichen, wo früher ggfls. eine Betriebsstätte gelegen war. Es sei dann an der Agentur für Arbeit, selbst zu entscheiden, wer sich für örtlich zuständig halte. Es handelt sich um eine zusätzliche mögliche Lösung, nicht aber um einen zwingenden Grundsatz, dass immer in dieser Weise zu verfahren ist. Ob daran im Hinblick auf die unionsrechtskonforme Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit für die Massenentlassungsanzeige an die für den Betriebssitz örtlich zuständige Agentur für Arbeit überhaupt neben der "originären" Zuständigkeit der Agentur für Arbeit für den Betriebssitz und der sog. nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zulässigen sog. Sammelanzeige (dazu z.B. BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 126) festzuhalten ist, kann offen bleiben.
140(2)Der Beklagte hat die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf zutreffend als bei der für den Betriebssitz örtlich zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Dabei kann offen bleiben, ob er eine neue unternehmerische Entscheidung getroffen hat oder aber nur diejenige aus Oktober 2017 wiederholt hat. Stellt man auf diejenige aus Oktober 2017 ab, ergibt sich ohne weiteres - wie bisher vom Bundesarbeitsgericht judiziert - die Zuständigkeit der Agentur für Arbeit in Düsseldorf. Aber selbst wenn man dies anders sieht und darauf abstellt, dass der Beklagte die "neue", aber letztlich inhaltsgleiche Entscheidung getroffen habe, den Flugbetrieb und damit auch denjenigen von der Station R. aus nicht wieder aufzunehmen, ändert sich nichts. Betrieb im Sinne der MERL, an den die örtliche Zuständigkeit anknüpft, bleibt R..
141Die Voraussetzungen des dargelegten Betriebsbegriffs i.S.d. MERL werden nach den Darlegungen der Parteien zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung und der ihr zugrundeliegenden Massenentlassungsanzeigen weder von der Station R. noch in BL. erfüllt. Inwieweit die Arbeitnehmer, die 2017/2018 noch der Station R.zuzuordnen waren, im August 2020 immer noch R. oder aber einer anderen Station - etwa L. - zuzuordnen sind, kann angesichts einer 2 ½ jährigen Stilllegung jedenfalls anhand der Kernmerkmale des Betriebsbegriffs der MERL (unterscheidbare Einheit, gewisse Dauerhaftigkeit und Stabilität, Erledigung einer oder mehrerer Aufgaben, Gesamtheit von Arbeitnehmern, technische Mittel und organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben) nicht (mehr) festgestellt werden. Die Arbeitnehmer gehörten nach dieser Definition keinem Betrieb mehr an. Dies darf allerdings nicht dazu führen, das Vorhandensein eines Betriebs i.S.d. MERL gänzlich negiert wird. Ansonsten wäre nämlich trotz einer erheblichen Belastung des Arbeitsmarkts und damit auch der sozialen Verhältnisse mangels eines noch existierenden Betriebs keine Anzeige bei der Bundesagentur erforderlich. Andererseits überzeugt auch die Argumentation der Klägerin nicht, die letztlich den unionsrechtlichen Begriff des "Betriebes" durch den des (gesellschaftsrechtlichen) "Unternehmenssitzes" ersetzt und ohne Anknüpfung an die von der MERL vorausgesetzte Betriebsstruktur schlicht L. als örtlich zuständig postuliert.
142Ankerpunkt für die Frage der örtlichen Zuständigkeit kann in diesen Fällen nur der Sinn und Zweck der Massenentlassungsanzeige sein. Sie soll helfen, die sozio-ökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen dort zu mildern, wo sie typischerweise auftreten (BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 124; 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 33, 81; 20.01.2016 - 6 AZR 601/14 - juris RN 27). Durch das Anzeigeverfahren soll die Agentur für Arbeit rechtzeitig unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorzubereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können (EuGH 27.01.2005 - C-188/03 - [Junk], juris RN 47; BAG 13.02.2020 - 6 AZR 146/19 - juris RN 71; 20.09.2016 - 2 AZR 276/16 - juris RN 24). Das Arbeitsgericht hat dies zutreffend für Düsseldorf angenommen. Richtig ist, dass die Agentur für Düsseldorf nach wie vor eher als diejenige in Berlin in der Lage gewesen ist, die sozioökonomischen Auswirkungen der bisher der Station R. zugehörigen Arbeitnehmer adäquat aufzufangen. Die Klägerin hält diese Argumentation für Spekulation, weil 2 ½ Jahre nach der Stilllegung nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich die Arbeitnehmer noch in räumlicher Nähe zu ihrem ehemaligen Standort befänden. Sie hätten sich um neue Arbeit bemühen müssen. Zudem sei nicht unüblich, dass Arbeitnehmer ihren Hauptwohnsitz nicht in räumlicher Nähe zu ihrem Betriebssitz hätten. Die Schwierigkeiten der Agentur für Arbeit bzgl. des Auffangens der Auswirkungen der Massenentlassung gölten für alle Agenturen gleichermaßen. Daher müsse die Anzeige am Unternehmenssitz des Arbeitgebers, nicht am Wohnsitz der Arbeitnehmer erfolgen.
143Diese Auffassung der Klägerin überzeugt nicht. Zum einen verkennt sie, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Bestimmung eines Betriebs i.S.d. MERL im Zeitpunkt der Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht mehr ausreichend gegeben sind. Zum zweiten handelt es sich um eine typisierende Betrachtung. Dort wo sich typischerweise die Auswirkungen entfalten, soll die Agentur zuständig sein. Dies kann 2 ½ Jahre nach Aufgabe der Station R. - wie ausgeführt - nicht mehr ohne weiteres festgestellt werden. Es mag auch richtig sein, dass nach Aufgabe der betrieblichen Strukturen die Arbeitnehmer sich ggfs. bundes- oder auch europa- oder sogar weltweit neu orientieren. Sicher ist aber auch das nicht. Maßgeblich muss deshalb als typisierender Anknüpfungspunkt i.S.v. Art. 3 Abs. 1 MERL die letzte aktive Betriebsstätte sein. Anders ist dies bei sich ändernden betrieblichen Strukturen, bei denen dann eine neue Zuständigkeit an der neuen betrieblichen Struktur gegeben sein kann. Darum geht es hier jedoch nicht. Die betriebliche Struktur ist aufgelöst und ein Betrieb i.S.d. MERL besteht am Sitz der ehemaligen Schuldnerin L. ebenfalls nicht. Jedenfalls ist es reine Spekulation der Klägerin und bei typisierender Betrachtungsweise eher unwahrscheinlich, dass die sozioökonomischen Auswirkungen nun gebündelt im Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit in Berlin auftreten. Maßgeblich muss bei einer aufgelösten betrieblichen Struktur die letzte nach dem Betriebsbegriff der MERL feststellbare örtliche Bindung für die Arbeitnehmer sein. Die sozioökonomischen Auswirkungen treten typischerweise nach wie vor (eher) dort auf, wo die Arbeitnehmer zuletzt einer betrieblichen Struktur zugeordnet waren, also in R..
144(3) Es erscheint auch deshalb zutreffend, für die Ermittlung des Betriebsbegriffs auf die Verhältnisse im Oktober 2017 abzustellen, weil die in R. wohnhafte Klägerin nicht erst durch den Ausspruch der 2. Kündigung arbeitssuchend geworden ist, sondern bereits aufgrund der (unwirksamen) Kündigung vom 27.01.2018. Eine Übernahme der Betreuung durch die Arbeitsagentur in Berlin wäre durch nichts gerechtfertigt, jedenfalls nicht durch eine Veränderung der maßgeblichen sozioökonomischen Auswirkungen. Wenn das Gesetz bei einer erneuten Kündigung eine erneute Massenentlassungsanzeige verlangt, obwohl die Klägerin bereits - wenn auch rechtlich unwirksam - entlassen war, so ist kein Grund ersichtlich, diese an einem anderen Ort stattfinden zu lassen als an dem, an dem die erste Massenentlassung anzuzeigen war. Angesichts der vorzunehmenden typisierenden Betrachtung kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin zwischenzeitlich eine andere Arbeit gefunden hat. Wenn das Gesetz in einem solchen Fall eine Massenentlassungsanzeige verlangt, obwohl der Arbeitnehmer durch die Kündigung nicht arbeitslos wird, kann es ebenfalls nur bei der Zuständigkeit der Arbeitsagentur gemessen an den Verhältnissen der ersten Kündigung bleiben. Jedenfalls wenn das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeitsfolge bei Fehlern in der Massenentlassungsanzeige bei der hier gegebenen Konstellation in gleicher Weise annähme wie in seiner Rechtsprechung der letzten Jahre, dürfte sich die Frage des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots stellen. Die Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung wäre dann mit dem Sinn der Massenentlassungsanzeige nicht mehr in Einklang zu bringen, die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen möglichst zu mildern, indem die Agentur für Arbeit rechtzeitig unterrichtet wird, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorzubereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Wenn ein Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin seit dem Ausspruch der ersten Kündigung bis zu dem der zweiten arbeitslos war, wird er durch diese nicht erneut arbeitssuchend. Hatte er zwischenzeitlich eine neue Arbeit gefunden, aber sodann wieder verloren, ist er dadurch arbeitssuchend geworden, nicht erst durch die erneute "Massenentlassung". Hat er letztlich dauerhaft eine neue Arbeit gefunden, wird er durch die erneute "Massenentlassung" nicht arbeitslos. Auch bei der gebotenen pauschalierenden Betrachtung ist daher keine Konstellation erkennbar, bei der für von der weiteren Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer ein neuer Handlungsbedarf für die Bundesagentur bestand. Anderes ergibt sich entgegen der Argumentation der Klägerin im Berufungstermin auch nicht daraus, dass mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.05.2020 (- 6 AZR 320/19 -) feststand, dass die Kündigung vom 27.01.2018 ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hatte. Zwar konnte die Bundesagentur seit diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis steht. Dies änderte aufgrund der Situation der Arbeitgeberin der Klägerin jedoch nichts daran, dass sie im sozialversicherungsrechtlichen Sinn arbeitssuchend war. Nach § 3 SGB I hat jeder, der am Arbeitsleben teilnehmen will, ein Recht auf Hilfe zur Erlangung eines angemessenen Arbeitsplatzes und wirtschaftliche Sicherung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Eine Beschäftigung durch den Beklagten schied aufgrund der erfolgten Betriebsstilllegung aus. Auch Zahlungen hatte die Klägerin aufgrund der Masseunzulänglichkeit nicht zu erwarten. Wer dennoch für die erneuten Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige verlangt, wird bei der Statuierung eventueller Unwirksamkeitsfolgen das Übermaßverbot beachten müssen und daher entweder die Folgen eventueller Fehler im Wege verfassungs- bzw. europarechtskonformer Auslegung bestimmen oder § 17 KSchG dem Bundesverfassungsgericht vorlegen oder den Europäischen Gerichtshof anrufen müssen.
145(4) Daneben gilt, dass - auch vor den Hintergrund der vorstehenden Erwägungen - für die unternehmerische Entscheidung, welche die Pflicht zur Erstattung einer Massenanzeige auslöst, auf diejenige der Schuldnerin aus Oktober 2017 abzustellen ist. Der Beklagte war bereits insolvenzrechtlich gehalten, nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts betreffend die Kündigungen aus Januar 2018 die nächste Kündigungsmöglichkeit zu nutzen, da eine abweichende Entscheidung, also den Betrieb wieder aufzunehmen, angesichts der im Jahr 2020 bestehenden Verhältnisse (keinerlei Betriebsmittel mehr; keine Mittel, diese anzuschaffen; keine Chance, ein AOC zu erhalten; Reduzierung des Flugverkehrs aufgrund der Pandemie) unmöglich war. Der Beklagte beruft sich zur Begründung der Kündigung ausschließlich auf die durch die Entscheidung der Schuldnerin geschaffenen Verhältnisse, nicht darauf, diese durch eine eigene Entscheidung herbeigeführt zu haben. Die Kündigung dient damit immer noch dem Vollzug dieser Entscheidung und ist ausschließlich deshalb ausgesprochen worden, weil die erste Kündigung seitens des Bundesarbeitsgerichts aus formalen Gründen für unwirksam erachtet worden ist. Da für die Wirksamkeit einer Kündigung stets auf die Verhältnisse in dem Zeitpunkt abzustellen ist, in dem sie ausgesprochen wird, war der Beklagte gehalten, zu prüfen, ob sich diese zwischenzeitlich verändert hatten. Das war hier wie dargelegt nicht der Fall. Diese Prüfung bedeutet jedoch keine eigenständige unternehmerische Entscheidung, jedenfalls wenn sie wie hier aufgrund der eingetretenen Umstände ein bloßer Formalismus war.
146147
4.Die Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 lässt auch im Übrigen weder formale noch inhaltliche Fehler erkennen.
148a)Der Beklagte hat im Begleitschreiben vom 18.08.2020 den Stand der Beratungen mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen zutreffend dargelegt. Die Zwei-Wochen-Frist wurde eingehalten.
149aa)Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG muss der Arbeitgeber - wenn eine Stellungnahme des Betriebsrates nicht vorliegt - glaubhaft machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unterrichtet hat, und den Stand der Beratungen darlegen. Ziel der Regelung ist es einerseits, bei verweigerter Stellungnahme durch den Betriebsrat nicht das Wirksamwerden der Anzeige hinauszuzögern und andererseits sicherzustellen, dass die Arbeitsbehörden die Wirksamkeit der Anzeige einfach und schnell feststellen können. Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG muss daher mindestens zwei Wochen vor der Anzeige vorgenommen werden, will der Arbeitgeber nicht das Risiko eingehen, dass die Massenentlassungsanzeige bei Erstattung zum geplanten Zeitpunkt mangels Stellungnahme des Betriebsrats unwirksam ist (BAG 09.06.2016 - 6 AZR 405/15 - juris RN 36; BAG 13.12.2012 - 6 AZR 752/11 - juris RN 53). Daneben soll die Unterrichtungspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG es dem Betriebsrat ermöglichen, mit dem Arbeitgeber in Beratungen einzutreten und muss daher rechtzeitig erfolgen, wobei "im Regelfall" zwei Wochen ausreichen sollen (BAG 13.12.2012 a.a.O. RN 51), ohne dass diese zwingend sind (vgl. BAG 09.06.2016 a.a.O. RN 36).
150bb)Die durch den Beklagten erstattete Massenentlassungsanzeige erfüllt die genannten Voraussetzungen.
151(1)Der Beklagte hat die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG eingehalten. Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Beginn der Konsultationen mit dem Unterrichtungsschreiben nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die hier durch Schreiben vom 17.04.2020 ua. gegenüber der PV Kabine erfolgte. Dass auf den Beginn der Konsultation und nicht auf deren Ende abzustellen ist, ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG, der auf § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verweist. Zudem folgt dies aus dem Sinn und Zweck der Regelung, welche eine Verzögerung der Massenentlassungsanzeige zu verhindern sucht. Es geht gerade nicht darum, die Verhandlungen unendlich fortzusetzen, sondern entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber ausreichende verhandlungsauslösende Informationen zur Verfügung stellt, um in Beratungen zu treten. Selbst wenn man auf den Zeitpunkt der letzten Meldung über den im Rahmen der Konsultation zu berücksichtigenden Arbeitnehmer vom 05.06.2020 abstellt, ist die Zwei-Wochen-Frist durch die Anzeige vom 18.08.2020 gewahrt.
152(2)Auch inhaltlich erfüllt die Anzeige die Anforderungen an die Darlegung des Stands der Beratungen mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen. Im Begleitschreiben zur Massenentlassungsanzeige (dort Seiten 24 bis 30) führte der Beklagte umfänglich zu den mündlichen (03.06.2020; 26.06.2020; 02.07.2020) und schriftlichen Beratungen mit der PV Kabine aus und fügte zur Glaubhaftmachung die gewechselte Korrespondenz, namentlich die Schreiben vom 17.04.2020 (Einleitung des Verfahrens, Anlage 26), Schreiben vom 20.05.2020 (Ergänzung der 66 Arbeitnehmer, Anlage 27), Schreiben vom 04.06.2020 (Fragenkatalog der PV Kabine, Anlage 28), Schreiben vom 17.06.2020 (Antwort auf den Fragenkatalog und Bitte um Terminvorschlag, Anlage 29), Schreiben vom 10.07.2020 (Inhalt Telefonkonferenz, Anlage 30), Schreiben vom 20.07.2020 (Nachfragen der PV Kabine, Anlage 31), Schreiben vom 27.07.2020 (Anlage 32), vom 05.08.2020 (Beendigungserklärung, Anlage 33) und das Schreiben der PV Kabine vom 07.08.2020 (Anlage 34) bei. Für den Inhalt der Schreiben wird auf die tatbestandlichen Ausführungen und ergänzend auf die genannten Anlagen Bezug genommen. Ersichtlich wurde der gesamte Beratungsverlauf dezidiert kommuniziert. Nichts anderes gilt betreffend die Darstellung des Stands der Beratungen mit den übrigen Personalvertretungen.
153(3)Der Stand der Beratungen wird auch nicht durch die Angaben des Beklagten auf dem Formblatt unzutreffend dargestellt. Die Klägerin rügt, dass die Massenentlassungsanzeige deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte das Formblatt "Entlassungsanzeige gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)" fehlerhaft ausgefüllt habe. Die Angaben unter Ziff. 41 seien widersprüchlich, weil der Beklagte bei der Frage Anhörung des Betriebsrats nicht lediglich "ja" ankreuzen und bei den Folgefragen die Texte "wenn ja" bzw. "wenn nein" nicht hätte durchstreichen dürfen. Er hätte vielmehr jeweils "ja" und "nein" und jeweils "wenn ja" und "wenn nein" ankreuzen müssen. Diese Rüge greift nicht durch. Bereits der Alternativvorschlag der Klägerin zeigt deren Hilflosigkeit, in das Formblatt die konkrete Konstellation von drei zeitgleich für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen zuständigen Arbeitnehmervertretungen zu pressen, von denen eine (PV Cockpit) eine Stellungnahme abgegeben hat, eine andere (PV Kabine) jedoch nicht. In dieser Konstellation ist es schlicht nicht möglich, das Formular "richtig" auszufüllen. Dies ist aber auch gar nicht nötig. Zum einen besteht keine Verpflichtung nach § 17 KSchG oder der MERL, das Formblatt der Bundesagentur für Arbeit zu nutzen. Die Bundesagentur selbst empfiehlt die Nutzung lediglich als zweckmäßig. Unabhängig von dem Formblatt kann eine Massenentlassungsanzeige wirksam eingereicht werden. Zum zweiten verweist das Formblatt selbst auf außerhalb des Formblatts eingereichte Dokumente, bspw. auf die beigefügte Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung, lässt also entsprechende Erläuterungen zu. Nach diesen Maßgaben ist es nicht schädlich, wenn das Formblatt - mangels entsprechender Berücksichtigung besonderer mitarbeitervertretungsrechtlicher Konstellationen - nicht so ausgefüllt wird, wie es üblicherweise ausgefüllt werden kann. Andernfalls könnten Betriebe mit besonderen personalvertretungsrechtlichen Strukturen keine wirksame Massenentlassungsanzeige erstatten, weil das Formblatt es nicht zulässt. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Angaben in dem Formblatt und den erläuternden Begleitschreiben und Unterlagen sich widersprächen. Das ist hier nicht der Fall. Der Beklagte hat - nachdem er angekreuzt hat, dass Stellungnahmen vorhanden sind - die unterschiedlichen Reaktionen der Arbeitnehmervertretungen in dem Formblatt insoweit berücksichtigt, als er die vorhandenen Stellungnahmen eingereicht hat. Im Übrigen hat er in seinem Anschreiben seine Angaben erklärt und zutreffend dargestellt. Die Agentur für Arbeit konnte anhand dessen ohne weiteres prüfen, ob und wie die jeweiligen Arbeitnehmervertretungen sich eingelassen haben. Insoweit hätte es nur nicht ausgereicht, wenn der Beklagte es der Agentur für Arbeit ohne Erläuterung im Anschreiben überlassen hätte, den Sachstand selbst durch Lesen der Anlagen zu ermitteln (vgl. hierzu BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 132). So liegt es hier jedoch nicht.
154b)Auch die nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG geforderten sog. Muss-Angaben zum Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen (Seite 12 des Begleitschreibens vom 18.08.2020), die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (Seite 12 f. des Begleitschreibens vom 18.08.2020), den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen (Seite 14 f. des Begleitschreibens vom 18.08.2020) und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sind in der Massenentlassungsanzeige enthalten (vgl. insgesamt Anlage B2 nebst Anlagen). Soweit die Klägerin moniert, es sei mit R. der falsche Standort angegeben worden, zudem seien die falsche Angaben zu den beschäftigten und zu entlassenden Arbeitnehmern gemacht worden, beruht diese Auffassung der Klägerin auf ihrer rechtsfehlerhaften Einschätzung, wie die örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit zu bestimmen ist. Da entsprechend den obigen Ausführungen auf die Station R. und die dortige Agentur abzustellen war, war diese Station auch als maßgeblich in der Anzeige aufzunehmen. Entsprechend waren nur die den einzelnen "Betriebe" jeweils zuzuordnenden Arbeitnehmer anzugeben. Nach dem Sinn und Zweck der Massenentlassungsanzeige, die sozio-ökonomischen Auswirkungen abzumildern, können diese Angaben zudem auf die sich noch in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer beschränkt werden. Es musste nicht mitgeteilt werden, in welchem Zuständigkeitsbereich zuletzt die meisten der zu entlassenden Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind. Diese Forderung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 22.09.2016 (- 2 AZR 276/16 -) betrifft ausschließlich die dort beschriebene, optionale Vorgehensweise, die der Beklagte nicht gewählt hat.
155c)Weiter enthält die Massenentlassungsanzeige auch die sog. Soll-Angaben des § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG (die Erforderlichkeit auch dieser Angaben für die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige bejahend LAG Hessen 25.06.2021 - 14 Sa 1225/20 - juris). Ausweislich des Begleitschreibens zur Massenentlassungsanzeige (dort Seite 14) und unter Verweis auf die Anlage 2 (zur Anlage B2) hat der Beklagte eine Liste der zu Kündigenden mit Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit sowie weiteren berufsbezogener Angaben (erlernter Beruf, zuletzt ausgeübte Tätigkeit, Familienstand, Sonderkündigungsschutz, Berufsgruppe, Arbeiter/Angestellter/Auszubildender etc., Vollzeit/Teilzeit/geringfügig und beabsichtigter Beendigungstermin) beigefügt.
156V.Der Beklagte hat die bei der Insolvenzschuldnerin zuletzt bestehende Arbeitnehmervertretung rechtzeitig und ordnungsgemäß i.S.d. § 17 Abs. 2 KSchG vor Ausspruch der Kündigung vom 27.08.2020 beteiligt.
1571.Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren rechtzeitig eingeleitet. Den (teilweise noch) vorsorglich ins Auge gefassten Kündigungen lag die Absicht zugrunde, es bei der zum 31.12.2017 erfolgten Betriebsstilllegung zu belassen. In diesem Planungsstadium genügte es, das Konsultationsverfahren vor Ausspruch der das Festhalten an dem Stilllegungsentschluss exekutierenden - erneuten - Kündigungen einzuleiten (EuGH 10.09.2009 - C-44/08 - juris RN 38, 41 und 49; BAG 22.09.2016 - 2 AZR 276/16 - juris RN 38). Die Beklagte musste nicht etwa zunächst den Betrieb "wieder eröffnen" (BAG 22.09.2016 a.a.O.).
1582. Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren auch ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt.
159a)Entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrer Berufung hat der Beklagte dabei auch den Zeitraum der geplanten Entlassungen in einer § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG genügenden Weise angegeben.
160aa) § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG schreibt zur Einleitung der Konsultation an die zuständige Personalvertretung - hier die PV Kabine - die Angabe des Zeitraums vor, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen. Die Formulierung im deutschen Gesetzestext entspricht Art. 2 Abs. 3 Buchstabe b iii) MERL. Bei dem anzugebenden Zeitraum kommt es im Ergebnis auf den Monat an, in dem der Arbeitgeber die Kündigungen zu erklären beabsichtigt (APS/Moll, 6. Aufl. 2021, § 17 KSchG RN 67). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es für den geänderten unionrechtskonformen Entlassungsbegriff auf den Zugang der Kündigung ankommt. Da der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber bei Einleitung des Konsultationsverfahrens noch nicht genau kennen kann, genügt es, wenn er den Monat angibt, in welchem er die Kündigungen erklären will, d. h. diese voraussichtlich zugehen sollen (APS/Moll a.a.O. RN 67; Münch ArbR/Spelge, 4. Aufl. 2018, § 121 RN 111). Das Bundesarbeitsgericht hat dabei die Angabe, dass die Kündigungen "möglichst im Juli ausgesprochen" werden sollen und die Angabe der Kündigungsfristen ausreichen lassen (BAG 28.05.2009 - 8 AZR 273/08 - juris RN 57). Bereits in der ausreichenden Angabe "möglichst" kommt zum Ausdruck, dass es sich um die mit einer Unsicherheit behaftete Angabe handelt, weil nur ein beabsichtigter Planungsstand mitgeteilt werden soll. Dies ist deshalb zutreffend, weil sich an die Unterrichtung der Personalvertretung die Konsultation mit dieser gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG anschließt. Dabei geht es gerade darum, über Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken. Dies kann z. B. zu einer Verschiebung des Zeitpunkts der Entlassungen führen. Das bedeutet nicht, dass die Angabe der Planung des Arbeitgebers bezogen auf den Zeitraum obsolet ist. Gerade an diesen Planungsstand (vgl. auch MünchArbR/Spelge a.a.O. RN 111: "geplante Kündigungen") knüpft die Konsultation an. Es geht aber eben nur um die Erklärung einer Handlungsabsicht, die aufgrund der nicht vorauszusehenden Dauer der Konsultation nicht streng planbar ist. Dem entspricht, dass es sich beim Konsultationsverfahren um einen dynamischen, flexiblen Prozess handelt (EuGH 10.09.2009 - C-44/08 - [Keskusliitto] RN 53 f.; BAG 13.6.2019 - 6 AZR 459/18 - juris RN 41, 49; EuArbR/Spelge RL 98/59/EG, 3. Aufl. 2020, Art. 2 RN 22). Es soll im Dialog mit der Arbeitnehmervertretung erst herausgefunden werden, ob, wann und welche Arbeitnehmer gekündigt werden (MünchArbR/Spelge a.a.O. § 121 RN 111). Entscheidend ist, ob die Angabe der Arbeitgeberin zum Zeitraum der geplanten Entlassungen so gestaltet ist, dass die Personalvertretung sachgerecht auf die Planung der Arbeitgeberin Einfluss nehmen kann.
161bb) Diesen Anforderungen hat der Beklagte hier mit den Angaben in dem Schreiben vom 17.04.2020 genügt. Einer späteren Korrektur bedurfte es nicht.
162(1)Aus den Angaben des Beklagten im Konsultationsanschreiben vom 17.04.2020 (Anlage 26 zur Anlage 2) wird deutlich, dass er die Entlassungen unmittelbar nach der Durchführung der erforderlichen Verfahren durchführen möchte, wobei er den Abschluss der Verfahren auf Ende Mai 2020 prognostiziert. Nach der umfangreichen Darlegung der ursprünglichen Stilllegungsentscheidung (Seite 4 ff. der Anlage 26 zur Anlage 2) und der Darstellung, dass die Absicht besteht, es bei der Stilllegung zu belassen (vgl. bspw. Seiten 23 und 35 der Anlage 26 zur Anlage 2), die Konsultation mit dem Hinweis einzuleiten, dass eine vorsorgliche nochmalige Kündigung aufgrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgericht zu den ursprünglichen Kündigungen erfolgen solle (vgl. Seite 3 der Anlage 26 zur Anlage 2) und Angaben zu den verbliebenen Arbeitnehmern insgesamt und bezogen auf die Stationen (vgl. Seiten 23 ff. der Anlage 26 zu Anlage 2) gemacht werden, war für die Personalvertretung ohne weiteres erkennbar, dass eine die Konsultationspflicht auslösende Massenentlassung beabsichtigt gewesen ist. Es bestand daher augenscheinlich die Veranlassung, Initiative zur Beratung zu ergreifen. Irgendeine diesbezügliche Unsicherheit konnte nicht bestehen.
163Der aus Sicht des Arbeitgebers zu erwartende, frühestmögliche Zeitpunkt war damit ausreichend bestimmt. Die Ausführungen im Konsultationsverfahren lassen zwar kein absolutes Enddatum des Zeitraums erkennen, aber es wird deutlich, dass ohne Aufschub nach Abschluss der Beteiligungsverfahren gekündigt werden soll. Es kündigt der Insolvenzverwalter, der die Abwicklung des Betriebs beabsichtigt, mit den ersten Kündigungen nicht durchgedrungen ist und nunmehr Folgekündigungen auszubringen beabsichtigt. Da der Insolvenzverwalter zugleich auch auf die Regelung des § 113 InsO verweist, besteht auch im Hinblick auf die Kündigungsfristen keine Unsicherheit. Der geplante Zeitraum ist damit ausreichend konkret beginnend ab Ende Mai und ab da schnellstmöglich festgelegt. Das war für die Personalvertretung hinreichend erkennbar.
164(2)Die Nachreichung vom 20.05.2020 führt nicht zu einer unwirksamen Angabe des Kündigungszeitraums, auch wenn dort keine andere oder erneute Angabe zum Zeitraum der geplanten Entlassungen gemacht wird. Es richtet sich nach dem Verlauf der Beratungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens, welche Angaben des Arbeitgebers als zweckdienlich zu ergänzen sind. Eine neue Angabe eines Zeitraums war aber nicht in diesem Sinne zweckdienlich. Der frühestmögliche Zeitpunkt ab Ende Mai 2020 war angegeben. Zugleich war eindeutig erkennbar, dass die Kündigung unmittelbar im Anschluss an die Beendigung der Beteiligungsverfahren zu erfolgen hatte. Daran hat sich nichts geändert. Dass der frühestmögliche Beendigungstermin sich durch die Verhandlungen bzw. Nachreichungen nach hinten verschob, war eine evidente - und daher nicht mitteilungsbedürftige - Tatsache. Nichts anderes gilt für die Nachmeldung vom 05.06.2020.
165b)Der Beklagte hat mit seinem Schreiben vom 17.04.2020 die PV Kabine auch im Übrigen über die in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG genannten Umstände ordnungsgemäß unterrichtet. So hat er als Grund für die geplanten Entlassungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG) auf die fortgesetzte Betriebsstilllegung verwiesen. Er hat die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 KSchG) benannt. Gleiches gilt für die Sozialdaten der betroffenen Mitarbeiter, die dem Schreiben als Anlage 5.2 beigefügt waren. Eine konkrete Angabe zu Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 KSchG) erübrigte sich deshalb, weil allen Arbeitnehmern gekündigt werden sollte. Schließlich hat er durch Verweis auf die (noch abzuschließenden) Sozialpläne seiner Verpflichtung, "die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien mitzuteilen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG) genügt (vgl. hierzu BAG 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 - juris RN 43 ff.). Die Ergänzung vom 20.05.2020 enthielt sodann die Angaben gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 KSchG für die zusätzlich mitgeteilten Arbeitnehmer. Eine ergänzte Liste zu den Sozialdaten gemäß der genannten Anlage 5.2. war ebenfalls beigefügt. Die E-Mail vom 05.06.2020 befindet sich nicht in der Akte. Diese bezog sich allerdings nur noch auf einen Arbeitnehmer. Inhaltliche Fehler hat die Klägerin insoweit aber auch nicht geltend gemacht. Unabhängig davon würde es sich um einen marginalen Fehler handeln, der nicht insgesamt zur Fehlerhaftigkeit der Konsultation führte. Jedenfalls könnte sich die Klägerin darauf nicht berufen, denn sie hat nicht geltend gemacht, dass sie die nachgemeldete Person war.
166c)Der Beklagte hat nach ordnungsgemäßer Einleitung und Durchführung des Konsultationsverfahrens auch zurecht das Ende der Konsultationen feststellen können.
167aa) Der Arbeitgeber unterliegt im Konsultationsverfahren keinem Einigungszwang. Es reicht aus, wenn er mit dem ernstlichen Willen zur Einigung in die Verhandlung geht (BAG 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - juris RN 57) und ggf. bereit ist, abweichende Vorschläge der Arbeitnehmervertretung ins Kalkül zu ziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen (EUArbR/Spelge RL 98/59/EG Art. 2 RN 22). Eine absolute Verhandlungsmindestdauer ist weder nach nationalem noch nach Unionsrecht vorgegeben (BAG 16.05.2007 - 8 AZR 693/06 - juris RN 42). Die Konsultation ist ohne Einigung der Betriebsparteien beendet, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, es bestehe kein Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen (BAG 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - juris RN 29). Dem Arbeitgeber kommt in diesem Rahmen eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht. Das setzt indes voraus, das er dem Betriebsrat zuvor alle zweckdienlichen Auskünfte i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG erteilt hat, wobei es sich nach dem Verlauf der Beratungen richtet, welche Angaben des Arbeitgebers - noch oder nunmehr - als zweckdienlich anzusehen sind (BAG 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - juris RN 143; 22.09.2016 - 2 AZR 276/16 - juris RN 50, 53).
168bb)Hier ist der Beklagte mit Schreiben vom 17.04.2020 an die Arbeitnehmervertretungen herangetreten und hat diese zu Beratungen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufgefordert. Das Schreiben vom 17.04.2020 enthielt wie ausgeführt die erforderlichen Darlegungen. Erbetene relevante Informationen hat der Beklagte vollständig nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis 6 KSchG erteilt und so gezeigt, dass er mit dem ernstlichen Willen zu einer Einigung in die Beratungen gegangen ist.
169Angeforderte weitergehende Informationen kann der Arbeitgeber verweigern, wenn er sie für nicht zielführend hält (Spelge, EuZA2018, 67 (81 f.). Insoweit hatte die PV Kabine nach Kriterien gefragt, nach denen die 26 sachgrundbefristeten Arbeitnehmer ausgesucht worden seien, und welche Kosten durch die Beauftragung des Generalbevollmächtigten verursacht worden seien. Dazu hat der Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2020 ausgeführt, diese Arbeitnehmer hätten über spezielle interne Kenntnisse verfügt, die für die Abwicklung der Insolvenzschuldnerin benötigt würden. Er habe zudem Wert auf eine entsprechende Berufserfahrung gelegt, wohingegen nicht ausschließlich die Qualifikation der Mitarbeiter für ihn maßgeblich gewesen sei. Dies hat die PV Kabine im weiteren Verlauf auch nicht in Zweifel gezogen, sondern schlicht weiter auf der angeblichen Nichtbeantwortung ihrer Frage bestanden. Zu den Kosten des Generalbevollmächtigten hat der Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2020 ausgeführt, diese stünden noch nicht abschließend fest. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage durch den Beklagten hätte er überhaupt keine Antwort geben müssen. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens geht es um die Verhinderung oder Milderung avisierter Beendigungen von Arbeitsverhältnissen. Hierzu war die bei dem Beklagten zur Verfügung stehende Masse relevant, aus der er ggf. finanzielle Ansprüche hätte bedienen können. Diese Frage hat der Beklagte eindeutig beantwortet: Es war keine Masse vorhanden. Vielmehr war es zuletzt am 27.05.2020 erforderlich, Neumasseunzulänglichkeit anzuzeigen. Im Rahmen der Telefonkonferenz vom 02.07.2020 hat er außerdem erklärt, dass auch kurzfristig keine neuen Massezuflüsse zu erwarten seien. Ob durch die Beauftragung des Generalbevollmächtigten weitere Kosten, die die Masse belastet hätten, entstanden sind, konnte daher dahinstehen. Es war für die Frage der finanziellen Belastbarkeit der Masse irrelevant. Soweit die PV Kabine dagegen evtl. Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten aus dieser Information ableiten wollte, wäre auch dies irrelevant gewesen. Solche Ansprüche sind nicht Inhalt des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG und dienen nicht der Verhinderung oder Milderung der Folgen von beabsichtigten Beendigungen. Nachdem die PV Kabine unverändert und fortwährend die Beantwortung von bereits beantworteten oder irrelevanten Fragen für weitere Verhandlungen verlangte, durfte der Beklagten zu Recht davon ausgehen, dass keine weiteren Ansätze für Verhandlungen bestanden (vgl. BAG 22.09.2016 - 2 AZR 276/16 -) und das Konsultationsverfahren mit Schreiben vom 05.08.2020 für beendet erklären.
170VI.Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die für die Klägerin zuständige Arbeitnehmervertretung - die PV Kabine - nicht ordnungsgemäß nach § 74 TVPV Kabine vor Ausspruch der Kündigung informiert worden wäre.
1711.Die Informationspflicht nach § 74 TVPV Kabine ist derjenigen nach § 102 Abs. 1 BetrVG nachgebildet. Die für die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltenden Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn eine durch Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretung vor Ausspruch der Kündigung anzuhören ist (BAG 26.04.2007 - 8 AZR 695/05 - juris; LAG Düsseldorf 24.01.2019 - 13 Sa 411/18 - juris RN 196 ff.).
172a)Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Nach Satz 3 der Norm ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Eine Kündigung ist dabei nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist (BAG 06.10.2005 - 2 AZR 316/04 - juris). Der Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.06.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 15). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 14; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - juris RN 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 15; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - juris RN 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 16; BAG 31.07.2014 - 2 AZR 407/13 - juris RN 46).
173Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris RN 19; BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - juris RN 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 05.12.2019 - 2 AZR 240/19 - juris; BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - juris).
174b)Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, es bestehe ein Betriebsrat, weswegen vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG erforderlich sei, so obliegt es dem Arbeitgeber, darzulegen, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist. Da es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung handelt, trifft den Arbeitgeber insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung weiter pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten. Vielmehr hat er nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen darzulegen, ob der Betriebsrat entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden sei oder in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder für unvollständig hält (vgl. zu § 102 BetrVG: BAG 24.04.2008 - 8 AZR 268/07 - juris; BAG 18.05.2006 - 2 AZR 245/05 - juris; BAG 22.01.2004 - 2 AZR 111/02 - juris).
1752.Nach Vorlage der Anhörung der PV Kabine vom 07.08.2020 war es daher Sache der Klägerin, Unwirksamkeitsgesichtspunkte innerhalb der Anhörung aufzuzeigen. Ihre diesbezüglich erhobenen Rügen greifen nicht durch. Der Beklagte hat die PV Kabine ordnungsgemäß angehört.
176a)Der Beklagte musste die PV Kabine nicht über den Kündigungsschutz nach § 50 Abs. 3 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU und über § 2 Abs. 2 TV Pakt, der Kündigungen erst zulässt, wenn zuvor ein Sozialtarifvertrag mit ver.di über einen Interessenausgleich und Sozialplan geschlossen wurde, informieren.
177aa)Die Frage, ob der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung überhaupt über einen etwaigen Sonderkündigungsschutz informieren muss, ist umstritten. Das Bundesarbeitsgericht hat dies in der Vergangenheit vertreten (BAG 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 - juris; BAG 15.12.1994 - 2 AZR 327/94 -; teilweise a.A. wenn sich der tarifliche Sonderkündigungsschutz materiell-rechtlich nicht auswirken kann: BAG 07.05.2020 - 2 AZR 678/19 - juris), zuletzt aber offen gelassen, ob ein Sonderkündigungsschutz überhaupt zu den "Gründen für die Kündigung" i.S.v. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gehören kann (BAG 07.05.2020 - 2 AZR 678/19 - juris RN 16). Der Streit kann unentschieden bleiben, weil hier in rechtlicher Hinsicht eine andere Konstellation vorliegt. In den genannten Fällen bestand ein Sonderkündigungsschutz aus tarifvertraglichen Vorschriften, der gerade anders als hier nicht verdrängt wurde und im Zeitpunkt der Kündigung grundsätzlich Anwendung gefunden hätte. Die hier in Bezug genommenen Normen des § 50 Abs. 3 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU und des § 2 Abs. 2 TV Pakt bildeten für die streitgegenständliche Kündigung jedoch gerade keinen Prüfungsmaßstab und konnten diesen auch gar nicht bilden, da sie im Zeitpunkt der Kündigung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin wie oben unter II. und III. dargelegt nicht anzuwenden waren. Der Beklagte brauchte die PV Kabine über diese Umstände nicht zu informieren, weil die fraglichen Normen im Zeitpunkt der Kündigung bezogen auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin rechtlich nicht "existent" waren.
178bb)Es bestand weder in subjektiver noch objektiver Hinsicht Anlass für den Beklagten, auf im konkreten Fall nicht eingreifenden Sonderkündigungsschutz hinzuweisen.
179(1)Im Hinblick auf das durch § 113 Satz 1 InsO gerade aufgehobene Sonderkündigungsrecht ist nicht ersichtlich, dass die benannten Normen für den Beklagten bei Ausspruch der Kündigung irgendeine Rolle gespielt haben. Ist aus Sicht des Arbeitgebers eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen, muss er nicht zu Auswahlkriterien informieren (BAG 09.09.2010 - 2 AZR 936/08 - juris; BAG 21.09.2000 - 2 AZR 385/99 - juris). Entsprechend muss er - wenn er in tariflichen Regelungen wegen § 113 InsO kein Kündigungshindernis sieht - hierüber nicht informieren. Dass der Beklagte dies offensichtlich so gesehen hat, ergibt sich unmittelbar daraus, dass er im Rahmen der Anhörung ausdrücklich darauf verweist, dass er § 113 InsO als weiteste Kündigungsgrenze ansieht (LAG Düsseldorf 24.01.2019 - 13 Sa 411/18 - juris RN 209). Damit wird deutlich, dass diese insolvenzrechtliche Vorschrift angewandt werden soll, was impliziert, dass diese sich gegen etwaigen tariflichen Sonderkündigungsschutz durchsetzt (LAG Düsseldorf 24.01.2019 a.a.O.). Ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bewusst den Sachverhalt verkürzt wiedergegeben hat und damit subjektiv determiniert vollständig unterrichtet hat, so war, ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Beklagten, lediglich zu prüfen, ob objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert, der Beklagte die Information beiseitelassen konnte, weil sie sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers nicht auswirken konnte. Diese Prüfung führt zu keinem anderen Ergebnis. Die seitens der Klägerin angeführten Normen waren für die Kündigung nicht anwendbar, mithin kein Maßstab, der sich objektiv zu ihren Gunsten hätte auswirken können.
180(2)Entsprechendes gilt für eine Mitteilung des TV-Pakt. Hier ist ergänzend auszuführen, dass die Regelungen des TV-Pakt auch deshalb nicht mitzuteilen waren, weil diese der PV Kabine bekannt waren. Die PV Kabine wies noch im Rahmen des Konsultationsverfahrens zu den ursprünglichen Kündigungen mit Schreiben vom 09.10.2017 auf die Notwendigkeit einer zunächst erforderlichen tariflichen Regelung nach TV-Pakt hin. Im hiesigen Konsultationsverfahren hat der Beklagte im Schreiben vom 17.04.2020 (Seite 14 der Anlage 26 der Anlage 2) ausdrücklich auf die damaligen Verhandlungen und den Hinweis der PV Kabine auf den TV-Pakt Bezug genommen.
181b)Auch die Angabe in der Anhörung, dass eine Massenentlassungsanzeige für die vormals in L. stationierten Arbeitnehmer nicht zu erstatten sei, macht die Anhörung nicht unwirksam.
182Nach den dargestellten Grundsätzen war diese Angabe subjektiv determiniert nicht zu beanstanden, da der Beklagte offensichtlich die Notwendigkeit der Massenentlassungsanzeigen auf die Stationen bezogen geprüft hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er hier bewusst falsche und irreführende Angaben gemacht hat. Da er die Erstattung einer Massenentlassungsanzeige in L. nicht für erforderlich hielt, hat es für ihn bei Ausspruch der Kündigung auch keine Rolle gespielt.
183Auch bei objektiver Betrachtung konnte sich diese Angabe nicht zugunsten der Klägerin an der Station R. auswirken. Die PV Kabine konnte die Prüfung der Kündigung der Klägerin, die der Station R. zuzuordnen war, und für die das Verfahren nach § 17 KSchG durchgeführt wurde, unabhängig von dieser Angabe durchführen. Es ist nicht erkennbar, dass die PV Kabine - selbst wenn die Einschätzung des Beklagten falsch gewesen wäre - durch diese Angabe gehindert gewesen wäre, ihre Beteiligungsrechte bezogen auf die Kündigung der Klägerin wahrzunehmen. Insoweit verfängt auch der Einwand der Klägerin nicht, eine Anhörung könne nicht zugleich für manche Arbeitnehmer unwirksam und für manche wirksam sein. Die Anhörung nach § 74 TVPV Kabine stellt eine Anhörung individuell für jeden einzelnen Arbeitnehmer dar und ist daher jeweils gesondert bezogen auf den bestimmten Arbeitnehmer zu prüfen. Auch könnte nur bezüglich eines der Station L. zugeordneten Arbeitnehmers sich eine anderweitige Bewertung des Einflusses der Angabe auf die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte der Personalvertretung ergeben."
184II.
185Für den Fall der Klägerin und deren weitergehenden Sachvortrag erlaubt sich die Kammer die folgenden Ergänzungen:
186(1)Am Vorliegen einer Betriebsstilllegung und damit eines dringenden betrieblichen Bedürfnisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG für die streitgegenständliche Kündigung vom 27.08.2020 ist nicht deshalb zu zweifeln, weil der Bereich des Wet-Lease nach der ursprünglichen Stilllegungsentscheidung im Herbst 2017 noch für einen vorübergehenden Zeitraum fortbetrieben worden ist. Denn im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Kündigung verfügte der Beklagte unabhängig von der Einstufung des Wet-Lease als Betriebsteil im Sinne des § 613a BGB weder in diesem noch in einem anderen Bereich über einen Arbeitsplatz, auf dem die Klägerin als Flugbegleiterin hätte eingesetzt werden können. Eine Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 BGB im Rahmen einer Zuordnungsentscheidung war obsolet. Sollte es zu irgendeinem Zeitpunkt einen Betriebsteilübergang im Sinne des § 613a BGB auf irgendeinen Betriebsnachfolger gegeben haben, an dem die Klägerin als zugeordnete oder zuzuordnende Mitarbeiterin teilgenommen hatte, hätte das lediglich zur Konsequenz, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf den Teilbetriebsnachfolger übergegangen wäre und ein Arbeitsverhältnis zum Beklagten im August 2020 schon gar nicht mehr bestand; die streitgegenständliche Kündigung wäre dann ins Leere gegangen. Abgesehen davon hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 14.05.2020 zum Aktenzeichen 6 AZR 235/19 entschieden, dass sich der gesamte hier zu betrachtende Vorgang als sukzessive Betriebsstilllegung und eben nicht als Übergang eines (nicht existenten) Betriebsteils oder Restbetriebes "Wet-Lease" darstellt (Rdz. 75 ff., veröffentlicht etwa in NZA 2020, 1092).
187(2)Nach den oben zitierten Ausführungen der 13. Kammer im Parallelrechtsstreit ist nicht zu beanstanden, dass die Massenentlassungsanzeige lediglich bei der Arbeitsagentur Düsseldorf platziert worden ist. Das muss für die Klägerin erst recht gelten. Was wäre mit einer kumulativen Anzeige bei einer der Arbeitsagenturen in L. für die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt gewonnen worden, wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin im westfälischen B. lebt und sich am 27.08.2020 bereits seit mehr als zweieinhalb Jahren in einem gekündigten Zustand befand?
188(3)Dieselbe Frage stellt sich hinsichtlich der fehlerhaften Angabe des Alters der Klägerin in der Massenentlassungsanzeige. Es macht auch aus Sicht der Kammer keinen maßgeblichen Unterschied, ob die Arbeitsagentur Düsseldorf davon ausging, statt einer - wie richtig - 44jährigen Flugbegleiterin eine 41jährige vermitteln zu müssen, die so oder so entweder bereits seit zweieinhalb arbeitslos war oder eine anderweitige Stelle angenommen hatte. Die Klägerin hat hierzu im Rahmen ihrer Berufung keine neuen Aspekte vorgebracht. Auf die Frage der rechtlichen Behandlung fehlerhafter Soll-Angaben in einer Massenentlassungsanzeige (§ 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG) kam es daher nicht an (zur Irrelevanz des Fehlens von Soll-Angaben vgl. im Übrigen inzwischen BAG vom 19.05.2022 - 2 AZR 467/21, PM 18/22).
189(4)Wegen der gerügten Fehlerhaftigkeit der Anhörung der PV Kabine gemäß § 74 TVPV sind keine weiteren Ausführungen veranlasst. Das Antwortschreiben des Vorsitzenden T. der Personalvertretung, beim Beklagten am 28.09.2020 eingetroffen, betraf die Anhörung vom 18.09.2020 vor der weiteren Kündigung, die dann im Oktober 2020 ausgesprochen wurde. Mit der Anhörung vor der Kündigung vom 27.08.2020 hat sie nichts zu tun.
190(5)Zutreffend hat das Arbeitsgericht überdies erkannt, dass die auf die Folgekündigungen vom 21.10.2020 und 28.01.2021 bezogenen Kündigungsschutzanträge nicht zur Entscheidung angefallen sind, weil sie konkludent als auflösend bedingt für den Fall gestellt worden sind, dass der Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 27.08.2020 ohne Erfolg blieb (vgl. hierzu zuletzt etwa BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 596/20, NZA 2021, 1178, Rdz. 38). Gegen die Würdigung des Arbeitsgerichts hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben.
191C.
192Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat der rechtserheblichen Frage, bei welcher Arbeitsagentur die Massenentlassungsanzeige zu stellen war, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beigemessen und deshalb die Revision zugunsten der Klägerin zugelassen.
193RECHTSMITTELBELEHRUNG
194Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
195REVISION
196eingelegt werden.
197Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
198Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
199Bundesarbeitsgericht
200Hugo-Preuß-Platz 1
20199084 Erfurt
202Fax: 0361 2636-2000
203eingelegt werden.
204Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
205Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
206Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
2071.Rechtsanwälte,
2082.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
2093.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
210In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
211Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
212Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
213* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
214Schneider Heinrich Geneschen