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Zur Auslegung des Begriffs einer "großen" Geschäftsstelle beziehungsweise Serviceeinheit im Sinne der Protokollerklärung Nr. 5 zu Ziffer 12.1 Teil II Anlage A TV-L
I.Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 11.08.2021 - AZ.: 7 Ca 2931/20 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1.Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.01.2020 nach Entgeltgruppe 9b, Stufe 4, Teil II, Nr. 12.1 der Entgeltordnung zum TV-L zu vergüten.
2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien zu je 1/2.
III.Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin seit dem 01.01.2020 in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L eingruppiert und entsprechend vergütet werden muss.
3Die am 13.02.1970 geborene Klägerin absolvierte ab dem 01.09.1991 bei dem beklagten Land eine Ausbildung und wurde daran anschließend auf Basis des Arbeitsvertrages vom 07.06.1993 (Bl. 8 d. A.) als Angestellte für den Kanzleidienst beschäftigt und bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal eingesetzt. Durch Organisationsverfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Wuppertal wurden ihr ab dem 01.11.2002 die Tätigkeiten einer Serviceeinheit und später die Aufgaben einer Kosten- und Normierungssachbearbeiterin übertragen. Seit dem 01.03.2009 ist die Klägerin als Gruppenleiterin der Serviceeinheit 60 tätig. Mit Änderungsvertrag vom 09.04.2009 wurde sie aufgrund der durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Wuppertal erstellten Tätigkeitsbeschreibung vom 01.04.2009 in die Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert (Bl. 64 ff. d. A.). Derzeit erhält die Klägerin - ausweislich einer Gehaltsabrechnung für den Monat Januar 2020 (Bl. 11 d. A.) - eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TV-L.
4Die Tätigkeiten der Klägerin setzen sich wie folgt zusammen:
5- Serviceeinheitstätigkeit in der Serviceeinheit 60
6- Tätigkeit als Kostensachbearbeiterin
7- Tätigkeit als Gruppenleiterin der Serviceeinheit 60
8- Vertretung der Gruppenleiterin der Serviceeinheit 10
9Als Gruppenleiterin der Serviceeinheit 60 sind der Klägerin insgesamt 11 Mitarbeiter unterstellt. Von diesen sind sieben Mitarbeiter vollzeit- sowie drei Mitarbeiterinnen mit 75% und eine Mitarbeiterin mit 60% teilzeitbeschäftigt. Ausgehend davon, dass aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeit der Beamten und Tarifbeschäftigten eine vollzeitbeschäftigte Angestellte ein Gesamtpensum von 0,97 hat, ergibt sich für den Bereich der Gruppenleitung der Klägerin folgendes Bild:
10AKA | GesamtPensum- Größe2 | Tätigkeit in der Service- Einheit | Anteil Tätigkeit als Kostensachbearbeiter | Bemerkungen | |
SE 60 | |||||
Beamter | 1 | 0,97 | 0,76 | 0,21 | Schwerbehinderung |
Klägerin | 1 | 0,97 | 0,56 | 0,21 | 0,2 Gruppenleitung |
Beschäftigte | 1 | 0,97 | 0,97 | ||
Beschäftigte | 0,75 | 0,73 | 0,73 | ||
Beschäftigte | 0,75 | 0,73 | 0,73 | ||
Beschäftigte | 1 | 0,97 | 0,52 | 0,15 | 0,2 Gruppenleitung; 0,1 Koordination KB |
Beschäftigte | 1 | 0,97 | 0,97 | ||
Beschäftigte | 1 | 0,97 | 0,97 | ||
Beschäftigte | 1 | 0,97 | 0,47 | 0,5 Einsatz IT | |
Beschäftigte | 0,75 | 0,73 | 0,73 | ||
Beschäftigte | 1 | 0,97 | 0,97 | ||
Beschäftigte | 0,6 | 0,59 | 0,59 | ||
Gesamt | 10,85 | 10,54 | 8,97 |
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Regelungen des TV-L Anwendung. Darin heißt es, soweit hier von Interesse:
12"§ 12 Eingruppierung
13(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung (Anlage A). Die/Der Beschäftigte enthält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist. Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
1415
Protokollerklärungen zu § 12 Absatz 1:
161. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des/der Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen.
1718
§ 16 Stufen der Entgelttabelle
19(1) Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen.
2021
(3) Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):
22- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1
23- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2
24- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3
25- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und
26- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.
27§ 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen
2829
(4) Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2. Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1 weniger als 100 Euro in den Entgeltgruppen 2 bis 8 beziehungsweise weniger als 180 Euro in den Entgeltgruppen 9a bis 15, so erhält die/der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrags einen Garantiebetrag von monatlich 100 Euro (Entgeltgruppen 2 bis 8) beziehungsweise 180 Euro (Entgeltgruppen 9a bis 15). Die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe beginnt mit dem Tag der Höhergruppierung."
30Die maßgeblichen Regelungen der Anlage A zum TV-L (Entgeltordnung zum TV-L) lauten wie folgt:
31"Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung
3233
6. Soweit die Eingruppierung von der Zahl der unterstellten Beschäftigten abhängig ist, rechnen hierzu auch Angehörige der vergleichbaren Besoldungsgruppen. Bei der Zahl der unterstellten bzw. beaufsichtigten oder der in dem betreffenden Bereich beschäftigten Personen zählen Teilzeitbeschäftigte entsprechend dem Verhältnis der mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten.
3435
Teil II
36Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigungsgruppen
37...
3812. Beschäftigte im Justizdienst
3912.1 Beschäftigte bei Gerichten und Staatsanwaltschaften
40(Entgeltgruppe 9b ab 01.01.2020:)
41Entgeltgruppe 9b
42Gruppenleiter bei Gerichten und Staatsanwaltschaften
43(Hierzu Protokollerklärung Nr. 5)
44Entgeltgruppe 9a
451.Geschäftsstellenverwalter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 1 heraushebt, dass sie schwierig ist
46(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 3)
472.Beschäftigte in Serviceeinheiten bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 heraushebt, dass sie schwierig ist
48(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 2 und 3)
4950
Die Protokollerklärung Nr. 5 lautet:
51"Nr. 5 Die Tätigkeit von Gruppenleitern beinhaltet die Koordination der Geschäftsabläufe innerhalb einer großen Geschäftsstelle beziehungsweise Serviceeinheit, insbesondere Einsatzsteuerung in der Serviceeinheit, Urlaubsplanung, Qualitätssicherung und Einarbeitung neuer Beschäftigter."
52Nach der Entgelttabelle zum TV-L betrugen die Tabellenentgelte der Entgeltgruppen 9a und 9b im Zeitraum 01.1.2020 bis Dezember 2020, soweit hier von Interesse (in €):
53Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 | Stufe 6 | |
E 9a | 3.781,78 | 3.895,24 | ||||
E 9b | 3.781,78 | 4.124,89 | 4.248,65 |
In der Zeit ab dem 01.01.2021 betrugen die Tabellenentgelte der Entgeltgruppen 9a und 9b TV-L, soweit hier von Interesse (in €):
55Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 | Stufe 6 | |
E 9a | 3.831,78 | 3.945,49 | ||||
E 9b | 3.831,78 | 4.178,10 | 4.303,46 |
Im Nachgang zur Tarifeinigung, mit der die Entgeltgruppe 9b TV-L eingeführt worden ist, teilte die Gewerkschaft ver.di in einer Pressemeldung aus November 2019 auszugsweise folgendes mit:
57"Es gibt eine neue Entgeltgruppe 9b (ehemals große EG9) für Gruppenleiter bei Gerichten und Staatsanwaltschaften.
58Die Tätigkeit von Gruppenleitern beinhaltet die Koordination der Geschäftsabläufe innerhalb einer großen Geschäftsstelle bzw. Serviceeinheit, insbesondere Einsatzsteuerung in der Serviceeinheit, Urlaubsplanung, Qualitätssicherung und Einarbeitung neuer Beschäftigter.
59Nach gängiger Ansicht muss die "Leitungsaufgabe" wohl zeitlich überwiegend wahrgenommen werden. Da jedoch bisher nicht definiert ist, was eine große Geschäftsstelle ist, wäre auch denkbar, die Eingruppierung von der Anzahl der zu "Koordinierenden" abhängig zu machen."
60Als Gruppenleiterin gehört es zu den Aufgaben der Klägerin, die Serviceeinheit zu koordinieren. Dies beinhaltet u.a. eine Vorprüfung und Bewilligung von Anträgen auf Urlaub oder Gleitzeit. Bei der Bewilligung obliegt ihr die Verantwortung für einen geordneten Dienstbetrieb, bei Engpässen sind zur Klärung erforderliche Gespräche zu führen. Sie erstellt die Vertretungsregelungen. Zudem gehört zu ihren Koordinierungsaufgaben erforderlichenfalls die Verteilung der Neuanzeigen. Darüber hinaus ist sie erste Ansprechpartnerin beim Einsatz neuer Mitarbeiter. Sie übernimmt die Einarbeitung selbst oder überträgt sie erfahrenen Mitarbeiterinnen der Serviceeinheit. Sie überwacht den Fortschritt der Einarbeitung und berichtet der Verwaltung in regelmäßigen Abständen. Darüber hinaus führt sie Mitarbeitergespräche und fertigt Beurteilungsbeiträge.
61Mit Schreiben vom 25.11.2019 (Bl. 17 d. A.) beantragte die Klägerin bei dem leitenden Oberstaatsanwalt eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b des TV-L. Dieser lehnte mit Bescheid vom 08.04.2020 (Bl. 20 d. A.) eine Höhergruppierung ab.
62Mit ihrer am 26.10.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Höhergruppierung weiter und macht außerdem mit der Klage sowie zwei Klageerweiterungen Vergütungsdifferenzen zwischen der Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a TV-L und der Entgeltgruppe 9b TV-L seit Januar 2020 geltend.
63Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe als Gruppenleiterin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b TV-L zu. Die monatliche Differenz zwischen der ihr gezahlten und der ihr zustehenden Vergütung betrage 466,87 € brutto.
64Die Klägerin hat beantragt,
651.die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.201,83 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 466,87 € seit dem 05.02.2020, 05.03.2020, 05.04.2020, 05.05.2020, 05.06.2020, 05.07.2020, 05.08.2020, 05.09.2020 sowie dem 05.10.2020 zu zahlen;
662.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 01.01.2020 nach Entgeltgruppe 9b Teil II Nr. 12.1 der Entgeltordnung zum TV-L zu vergüten;
673.die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 3.268,09 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 466,87 € seit dem 05.11.2020, 05.12.2020, 05.01.2021, 05.02.2021, 05.03.2021, 05.04.2021 und 05.05.2021 zu zahlen;
684.die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 933,74 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 466,87 € seit dem 05.06.2021 und 05.07.2021 zu zahlen.
69Das beklagte Land hat beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Zur Begründung hat sich das beklagte Land darauf berufen, dass es sich bei der von der Klägerin geleiteten Serviceeinheit nicht um eine "große" Geschäftsstelle beziehungsweise "große" Serviceeinheit im Sinne der Protokollerklärung Nr. 5 handele. Mit Erlass vom 24.02.2021 habe das Ministerium der Justiz des Landes NRW den Begriff der "großen" Serviceeinheit beziehungsweise Geschäftsstelle konkretisiert und ausgeführt, dass das Tätigkeits- beziehungsweise Funktionsmerkmal der Entgeltgruppe 9b TV-L des Teils II Abschnitt 12.1 (Beschäftigte bei Gerichten und Staatsanwaltschaften) der Entgeltordnung im Sinne der Protokollerklärung Nr. 5 als erfüllt anzusehen sei, wenn Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter mindestens zehn Personen (Vollzeitäquivalente/Arbeitskraftanteile) unterstellt seien.
72Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.08.2021 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe die begehrte Eingruppierung und die darauf basierende Vergütung zu, da sie als Gruppenleiterin im Sinne des Tarifvertrages eingesetzt werde. Ob der oder die Beschäftigte nach der Entgeltgruppe 9b TV-L zu vergüten sei, hänge allein davon ab, ob er oder sie als Gruppenleiter bei einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft tätig sei. Die Anzahl der unterstellten Personen sei unerheblich, Abstufungen nach Größe der Serviceeinheit oder Geschäftsstelle sehe die Entgeltordnung nicht vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Protokollerklärung Nr. 5. In dieser werde lediglich die Tätigkeit eines Gruppenleiters näher erläutert, nicht jedoch eine Einschränkung des Begriffs des Gruppenleiters vorgenommen. Die Formulierung "große Geschäftsstelle bzw. Serviceeinheit" sei lediglich erläuternd dahingehend zu verstehen, dass die Einsetzung einer Gruppenleitung ohnehin nur erfolge, wenn die maßgeblichen Tätigkeiten nicht durch den Geschäftsleiter respektive Behördenleiter alleine geleistet werden könnten.
73Dieses Urteil ist dem beklagten Land am 01.10.2021 zugestellt worden. Mit einem am 14.10.2021 auf elektronischem Wege beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat es Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.01.2022 - mit einem am 11.01.2022 auf elektronischem Wege beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
74Das beklagte Land ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe unrichtig entschieden. Es habe zum einen verkannt, dass die Klägerin schon nicht zeitlich zu mindestens der Hälfte ihrer Arbeitszeit als Gruppenleiterin tätig sei. Der Arbeitsvorgang "Gruppenleitung" mache nur einen zeitlichen Umfang von 20% aus. Die Aufgaben der Klägerin in der Serviceeinheit übe sie nicht in ihrer Funktion als Gruppenleiterin aus, weshalb diese der Gruppenleitertätigkeit nicht zugerechnet werden könnten. Insgesamt gesehen setze sich die Tätigkeit der Klägerin bei einem Gesamtpensum von 0,97 aus folgenden Zeitanteilen zusammen:
75- Anteil Tätigkeit in der Serviceeinheit 60: 0,56
76- Anteil Tätigkeit als Kostensachbearbeiterin: 0,21
77- Anteil Tätigkeit als Gruppenleiterin: 0,2
78Darüber hinaus scheide die begehrte Eingruppierung auch deswegen aus, da die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9b TV-L ausweislich der Protokollerklärung Nr. 5 nur bei der Koordination der Geschäftsabläufe in einer "großen" Serviceeinheit erfüllt sein könnten. Unter Zugrundelegung des allgemeinen Wortverständnisses müsse insoweit auf die Anzahl der zu koordinierenden Personen abgestellt werden. Dabei liege es nahe, eine Anzahl von mindestens 10 zu koordinierenden Personen heranzuziehen. Der Klägerin seien als Gruppenleiterin jedoch keine 10 Beschäftigten unterstellt. Unter Berücksichtigung einerseits der Arbeitszeitanteile der Beschäftigten generell sowie andererseits der Zeitanteile, die innerhalb der Serviceeinheit erbracht würden, komme die Klägerin lediglich auf umgerechnet 8,97 unterstellte Mitarbeiter.
79Das beklagte Land beantragt,
80das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 11.08.2021 (Az.: 7 Ca 2931/21) abzuändern und die Klage abzuweisen.
81Die Klägerin beantragt,
82die Berufung zurückzuweisen.
83Sie verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Sie habe Anspruch auf eine Eingruppierung und Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b TV-L. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b TV-L setze lediglich voraus, dass Tätigkeiten eines Gruppenleiters bzw. einer Gruppenleiterin ausgeübt würden. Der Tarifvertrag differenziere in der Entgeltgruppe 9 ausschließlich zwischen den unter die Entgeltgruppe 9a fallenden Mitarbeitern und denjenigen, die aufgrund ihrer Tätigkeit als Gruppenleiter dem Anwendungsbereich der Entgeltgruppe 9b zuzurechnen seien. Die Tarifvertragsparteien hätten die Übernahme dieser Tätigkeit und die damit einhergehenden Belastungen und Verantwortungen honorieren wollen. Daran, dass Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen grundsätzlich der Entgeltgruppe 9b zuzuordnen seien, ändere auch die Protokollerklärung Nr. 5 nichts; diese habe lediglich erläuternde Funktion. In ihr sei festgehalten, welche Tätigkeiten Gruppenleitern in der Regel übertragen seien. Ein Abstellen auf eine bestimmte Anzahl unterstellter Mitarbeiter sei nicht erforderlich und auch kontraproduktiv. In einem solchen Fall hätte es die Behördenleitung, der die Organisation der Geschäftsstellen/Serviceeinheiten obliege, in der Hand, durch die Zuweisung von Mitarbeitern die "Umsetzung" der Entgeltgruppe 9b zu ermöglichen oder zu verhindern. Genau dies wiederspräche Sinn und Zweck eines tariflichen Entgeltgruppensystems, denn eine tarifliche Norm bzw. deren Umsetzung solle gerade dem Zugriff der tarifgebundenen Arbeitgeber entzogen sein und bleiben. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Größe der Gruppe keinerlei Aussagekraft hinsichtlich des Umfanges der Tätigkeit zukomme. So mache es beispielsweise keinen Unterschied, ob die Urlaubsplanung für einen vollzeit- oder teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter vorgenommen werde. Darüber hinaus würde ein Abstellen auf eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten dazu führen, dass die Regelung nicht umsetzbar sei, denn die Änderung der Anzahl der Beschäftigten in der Serviceeinheit würde einhergehen mit einer jeweils vorzunehmenden Änderung der Eingruppierung.
84Die Klägerin ist weiter der Auffassung, eines Rückgriffs auf die Frage der Bildung von Arbeitsvorgängen bedürfe es bei der Übertragung einer bestimmten Funktion wie hier der Gruppenleitung nicht. Der Begriff eines "Gruppenleiters" sei selbsterklärend. Der von dem beklagten Land angegebene Arbeitszeitanteil von 0,2 für die reine Gruppenleitung sei nicht zutreffend. Der zeitliche Umfang ihrer Tätigkeit als Gruppenleiterin lasse sich nicht konkret bemessen, da er weder rückschauend noch für die Zukunft einzuschätzen sei. Tatsächlich gebe es "Nur-Gruppenleiter" faktisch ebenso wenig wie Gruppenleiter, die diese Funktion in einem Umfang von 50% ihrer gesamten Tätigkeit ausübten.
85Auf Nachfrage der Kammer hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erklärt, sie begehre Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L.
86Das beklagte Land ist bezugnehmend auf diese Ausführungen der Klägerin in der Berufung der Auffassung, soweit sie die Feststellung einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L begehre, sei in diesem Antrag nicht als Minus eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L enthalten. Vielmehr handele es sich bei einer etwaigen Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 4 um ein aliud.
87Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Parteischriftsätze nebst Anlagen in beiden Rechtszügen, auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen sowie auf den gesamten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akteninhalt Bezug genommen.
88E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
89A.
90Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig und zum Teil begründet.
91I.
92Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht auf elektronischem Wege eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG.
93II.
94Die Berufung des beklagten Landes ist nur zu einem Teil begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L ab dem 01.01.2020 zu, Differenzvergütungsansprüche bestehen jedoch nicht.
951.
96Der Eingruppierungsfeststellungsantrag (Klageantrag zu 2.) ist zulässig und zum überwiegenden Teil begründet.
97a.
98Der Antrag ist zulässig, Es handelt sich um eine nach § 256 Abs. 1 ZPO allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. nur BAG v. 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 10, juris; BAG v. 05.05.2021 - 4 AZR 666/19 - Rn. 12, juris; BAG v. 17.03.2021 - 4 AZR 327/20 - Rn. 11, juris). Der Antrag ist auch bestimmt genug, insbesondere bleibt nicht unklar, in welche Entgeltstufe der Entgeltgruppe 9b die Klägerin eingestuft werden möchte. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der Kammer erklärt hat, begehrt sie die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L. Dieses Begehren deckt sich mit den von ihr angegebenen Differenzvergütungsansprüchen. Ausgehend von der Vergütung in der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TV-L mit einem Tabellenentgelt von 3.781,78 € (01.01.2020 bis 31.12.2020) beträgt die Differenzvergütung zur Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L (4.248,65 € im Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020) 466,87 €. Die etwas geänderten Beträge anlässlich der Entgelterhöhung zum 01.01.2021 hat die Klägerin in ihre Zahlungsanträge nicht einfließen lassen.
99b.
100Der Antrag ist zum Teil begründet. Die Klägerin kann seit dem 01.01.2020 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L beanspruchen.
101aa.
102Ein Anspruch auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b TV-L seit dem 01.01.2020 besteht. Die Klägerin ist als Gruppenleiterin im Sinne dieser Entgeltgruppe tätig.
103Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006 unter Einschluss der über die Verweisung in § 12 Abs. 1 S. 1 TV-L einbezogenen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung (Anlage A TV-L) Anwendung.
104(1)
105Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 TV-L richtet sich die Eingruppierung der Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung (Anlage A). Nach § 12 Abs. 1 S. 2 TV-L erhalten die Beschäftigten Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie eingruppiert sind. § 12 Abs. 1 S. 3 TV-L bestimmt hierzu, dass die Beschäftigten - im Sinne einer Eingruppierungsautomatik - in der Entgeltgruppe eingruppiert sind, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht gemäß § 12 Abs. 1 S. 4 TV-L den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn - soweit kein anderes zeitliches Maß ausdrücklich bestimmt ist, § 12 Abs. 1 S. 7 TV-L - zeitlich zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des oder der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe erfüllen. Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist danach der Arbeitsvorgang.
106(a)
107Nach der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TV-L sind Arbeitsvorgänge die Arbeitsleistungen (einschließlich der Zusammenhangsarbeiten), die - bezogen auf den jeweiligen Aufgabenkreis der Beschäftigten - bei natürlicher Betrachtung zu einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Dabei ist jeder Arbeitsvorgang als solcher einheitlich zu bewerten und darf hinsichtlich der nach den Tätigkeitsmerkmalen definierten Anforderungen in sich zeitlich nicht aufgespalten werden. Anknüpfend an diese Protokollerklärung bzw. wort- oder inhaltsgleiche Bestimmungen des BAT oder des TVöD wird der Begriff des Arbeitsvorgangs im Tarifbereich öffentlich-rechtlich verfasster Rechtsträger nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit verstanden, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt (BAG v. 19.05.2010 - 4 AZR 912/08 - Rn. 16, juris, m. w. N.). Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG v. 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 20, juris; BAG v. 17.03.2021 - 4 AZR 327/20 - Rn. 17, juris, BAG v. 09.09.2020 - 4 AZR 161/20 - Rn. 20, juris).
108(b)
109Bei dem Tarifbegriff des Gruppenleiters i. S. d. Entgeltgruppe 9b TV-L handelt es sich um ein sogenanntes Funktionsmerkmal. Wird die Tätigkeit durch ein solches erfasst, ist regelmäßig von einem einheitlichen Arbeitsergebnis und damit von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen, solange nicht die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch getrennt sind und zu einem unterschiedlichen Arbeitsergebnis führen (BAG v. 23.02.2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 23, juris; BAG v. 09.09.2020 - 4 AZR 161/20 - Rn. 26, juris). Übt demnach ein Beschäftigter ausschließlich Tätigkeiten einer bestimmten Funktion aus, so erfolgt eine Eingruppierung in die entsprechende Entgeltgruppe. Werden daneben Tätigkeiten ausgeübt, die der Funktion nicht zuzuordnen sind, so sind diese als Arbeitsvorgänge separat zu betrachten und somit zu bewerten (Steuernagel in Rinck/Böhle/Pieper/Geyer BeckOK TV-L, 54. Edition Stand 01.06.2021).
110(2)
111Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin die Voraussetzung der Entgeltgruppe 9b TV-L erfüllt.
112(a)
113Es fallen zeitlich zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge an, die für sich genommen die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals "Gruppenleiter" erfüllen.
114(aa)
115Zunächst einmal ist die Klägerin im Sprachsinne als "Gruppenleiterin" tätig. Ihr ist unstreitig die Gruppenleitung in der Serviceeinheit 60 übertragen. In dieser Funktion ist die Klägerin zuständig für die Koordinierung der Serviceeinheit. Dies beinhaltet u.a. eine Vorprüfung und Bewilligung von Anträgen auf Urlaub oder Gleitzeit, die Einarbeitung neuer Mitarbeiter, die Führung von Mitarbeitergesprächen und Anfertigung von Beurteilungsbeiträgen. Sämtliche im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe als Gruppenleiterin stehenden Tätigkeiten sind Bestandteil eines einheitlichen Arbeitsvorgangs.
116(bb)
117Die Klägerin übt reine Gruppenleitungstätigkeiten jedoch nicht zeitlich zumindest zur Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. Das beklagte Land wertet den Anteil der Gruppenleitertätigkeit an der Gesamttätigkeit der Klägerin mit 0,2. Auch wenn dieser Umfang zwischen den Parteien streitig ist, ist unstreitig, dass ein Wert von 50% der tatsächlichen Arbeitszeit nicht erreicht wird. Die Klägerin gesteht selber zu, dass sie nicht überwiegend reine Gruppenleitertätigkeiten ausübt.
118Allerdings sind nicht lediglich die tatsächlichen reinen Gruppenleitertätigkeiten heranzuziehen. Die maßgebliche zeitliche Grenze des § 12 Abs. 1 Satz 4 TV-L wird dadurch erfüllt, dass die Serviceeinheitstätigkeiten der Klägerin, die sie in der von ihr geleiteten Serviceeinheit 60 erbringt, hinzugerechnet werden müssen. Nach der Aufstellung der Beklagten ist die Klägerin mit einem Zeitanteil von 0,56 als Servicekraft in der Serviceeinheit 60 tätig. Diese Tätigkeiten sind als Zusammenhangstätigkeiten bei der Gruppenleitung zu berücksichtigen. Wenn die Leiterin einer Organisationseinheit selbst Aufgaben wahrnimmt, die innerhalb des von ihr betreuten Bereichs anfallen, gehören diese Tätigkeiten als Zusammenhangsarbeiten zur einheitlich bewerteten Leitungstätigkeit (BAG v. 13.05.2020 - 4 AZR 173/19 - Rn. 19, juris; BAG v. 15.02.2006 - 4 AZR 66/05 - Rn. 14, juris). So liegt der Fall hier. Die Klägerin leitet die Serviceeinheit 60 und nimmt gleichzeitig Serviceeinheitstätigkeiten in der von ihr geleiteten Serviceeinheit wahr. Diese Tätigkeit kann von der Gruppenleitungstätigkeit nicht getrennt werden, sondern dient letztlich auch dem Arbeitsergebnis "Leitung der Gruppe Serviceeinheit 60".
119(b)
120Die Klägerin ist als Gruppenleiterin einer "großen" Serviceeinheit im Sinne der Protokollerklärung Nr. 5 zu Ziffer 12.1 Teil II Anlage A TV-L tätig.
121(aa)
122Dabei ist zunächst festzustellen, dass das Merkmal der Gruppenleitung i. S. d. Entgeltgruppe 9b TV-L lediglich beim Leiten einer "großen" Serviceeinheit erfüllt wird. Dies ergibt eine Auslegung der genannten Tarifvorschrift i. V. m. der Protokollerklärung Nr. 5 zu Ziffer 12.1 Teil II Anlage A TV-L.
123(aaa)
124Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. vgl. nur BAG v. 11.11.2020 - 4 AZR 210/20 - Rn. 20, juris; BAG v. BAG v. 12.12.2018 - 4 AZR 147/17 - Rn. 35, juris; BAG v. 20.06.2018 - 4 AZR 339/17 - Rn. 19, juris; BAG v. 02.11.2016 - 10 AZR 615/15 - Rn. 14, juris; BAG v. 18.02.2014 - 3 AZR 808/11 - Rn. 29, juris).
125(bbb)
126Dabei kommt der Protokollerklärung Nr. 5 selbst Tarifcharakter zu. Ob eine Protokollerklärung selbst Tarifcharakter hat oder lediglich als Interpretationshilfe für die tariflichen Vorschriften dient, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände ihres Zusammenkommens zu ermitteln. Maßgeblich für ihre Einordnung ist der Wille der Tarifvertragsparteien. Danach liegt eine tarifliche Regelung vor, wenn in der Vereinbarung ihr Wille zur Schaffung einer normativ wirkenden Ordnung deutlich wird. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Protokollerklärung inhaltlich und formal einem Tarifvertrag entspricht, d. h. wenn die Vereinbarung konkrete Regelungen enthält und diese schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterschrieben wurden (BAG v. 18.04.2007 - 4 AZR 661/05 - Rn. 18, juris).
127Die Protokollerklärung Nr. 5 zu Ziffer 12.1 Teil II Anlage A TV-L hat hiernach selbst Tarifcharakter. Sie ist inhaltlich und formal unmittelbar Gegenstand des von den Tarifvertragsparteien unterzeichneten Tarifvertrages. Die Entgeltgruppe 9b verweist zudem ausdrücklich auf die Protokollerklärung Nr. 5.
128(ccc)
129Soweit das Arbeitsgericht angenommen hat, eine Auslegung der Protokollerklärung Nr. 5 ergebe, dass in dieser lediglich die Tätigkeit eines Gruppenleiters näher erläutert, nicht jedoch ein Tatbestandsmerkmal normiert worden ist, folgt dem die Kammer nicht. Die Protokollerklärung Nr. 5 wäre überflüssig, wenn darin lediglich - deklaratorisch - darauf hingewiesen worden wäre, dass die Position einer Gruppenleitung üblicherweise nur bei Serviceeinheiten/Geschäftsstellen eingerichtet wird, in denen die anfallenden Aufgaben nicht durch die Geschäfts- bzw. Behördenleitung erledigt werden können.
130Tatsächlich ist die Formulierung der Entgeltgruppe 9b "Gruppenleiter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften" durch die Formulierung "groß" in der Protokollerklärung Nr. 5 zu ergänzen. Zusammengenommen ergibt sich aus dem Wortlaut der Tarifnorm, dass die Tätigkeit eines Gruppenleiters im Tarifsinne nicht die Koordination der Geschäftsabläufe in jeglicher Geschäftsstelle/Serviceeinheit, sondern nur diejenige in einer "großen" Geschäftsstelle/Serviceeinheit umfasst. Aufgaben eines Gruppenleiters im Sinne der Entgeltgruppe 9b TV-L können demnach lediglich in einer "großen" Geschäftsstelle/Serviceeinheit anfallen.
131Dafür spricht Sinn und Zweck der Tarifnorm. Die Tarifvertragsparteien wollten mit der Schaffung der Entgeltgruppe 9b TV-L die besonderen Belastungen honorieren, denen Mitarbeiter ausgesetzt sind, die beispielsweise die Einsatzsteuerung in der Serviceeinheit, die Urlaubsplanung, die Qualitätssicherung und die Einarbeitung neuer Beschäftigter (so die beispielhafte Aufzählung in der Protokollerklärung Nr. 5) vornehmen. Dabei ist es offenkundig, dass solche Belastungen mit der "Größe" der zu leitenden Geschäftsstelle/Serviceeinheit zunehmen. Eine Höhergruppierung an die reine Übertragung einer Gruppenleiterfunktion zu knüpfen, unabhängig von der "Größe" der zu betreuenden Einheit macht vor diesem Hintergrund keinen Sinn. Auch aus der Pressemitteilung der Gewerkschaft ver.di" aus November 2019 ergibt sich, dass dem Begriff "groß" eigenständige Bedeutung zukommen sollte, wenn dort ausgeführt wird: "Da jedoch bisher nicht definiert ist, was eine große Geschäftsstelle ist, wäre auch denkbar, die Eingruppierung von der Anzahl der zu "Koordinierenden" abhängig zu machen."
132Die Einwände der Klägerin gegen diese Tarifauslegung sind nicht stichhaltig. Soweit sie rügt, bei einem Abstellen auf die Größe der Serviceeinheit habe es die Behördenleitung in der Hand, durch die Zuweisung von Mitarbeitern die Bildung "großer" Serviceeinheiten und damit die "Umsetzung" der Entgeltgruppe 9b TV-L zu ermöglichen oder zu verhindern, spricht dies nicht gegen die vorgenannte Auslegung. Die Koppelung der Eingruppierung an die Zahl der unterstellten Mitarbeiter ist auch in anderen Bereichen des TV-L üblich und nicht zu beanstanden. Die Organisationshoheit des beklagten Landes bleibt von der Eingruppierungsmöglichkeit nach der Entgeltgruppe 9b TV-L unberührt. Nicht zutreffend ist zudem, dass zwischen der Belastung einer Gruppenleiterin und der Größe der unterstellten Serviceeinheit kein Zusammenhang besteht. Es ist offenkundig, dass beispielsweise je nach Anzahl der zu betreuenden Mitarbeiter der Abstimmungsbedarf sowie das etwaige Konfliktpotential steigen.
133(bb)
134Die Klägerin ist Gruppenleiterin einer "großen" Serviceeinheit im Tarifsinne.
135(aaa)
136Der Tarifvertrag definiert nicht ausdrücklich, was unter einer "großen" Geschäftsstelle oder Serviceeinheit zu verstehen ist. Bei der Wortlautauslegung, von der zunächst auszugehen ist, (vgl. BAG v. 13.05.2020 - 4 AZR 173/19 - Rn. 24, juris; BAG v. 20.06.2018 - 4 AZR 339/17 - Rn. 19, juris), ist anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff in dem Sinne gebraucht haben, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind (BAG v. 13.05.2020 - 4 AZR 173/19 - Rn. 24, a.a.O.; BAG vom 19.09.2018 - 10 AZR 496/17 - Rn. 28, juris). Weder der allgemeine Sprachgebrauch noch derjenige der beteiligten Verkehrskreise gibt aber ein festes Bezugsobjekt vor, wann etwas als "groß" zu verstehen ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Adjektiv "groß" benutzt, um zu beschreiben, dass etwas den Durchschnitt oder den Vergleichswert übertrifft (Duden Deutsches Universalwörterbuch 8. Auflage Stichwort "groß"). Der Vergleich kann quantitativer, aber auch qualitativer Natur sein. Stets notwendig ist jedoch ein Bezugsobjekt (vgl. BAG v. 13.05.2020 - 4 AZR 173/19 - Rn. 24, a.a.O.). Daher kann das Adjektiv "groß" allein ohne Betrachtung des Kontextes keinen Aufschluss darüber geben, was die Tarifvertragsparteien unter einer "großen" Geschäftsstelle oder Serviceeinheit verstanden haben.
137(bbb)
138Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Tarifnorm ist davon auszugehen, dass sich das Adjektiv "groß" an der Zahl der zu koordinierenden Mitarbeiter orientiert. Honoriert werden soll mit der Entgeltgruppe 9b TV-L die höhere Belastung der Mitarbeiter, die als Gruppenleiter mit den u. a. in der Protokollerklärung Nr. 5 beschriebenen Tätigkeiten befasst sind. Dabei nehmen der Aufwand und die Belastung insbesondere für die Einsatzsteuerung in der Serviceeinheit, die Urlaubsplanung und die Qualitätssicherung zu, je mehr Mitarbeiter vom Gruppenleiter koordiniert werden. Es macht beispielsweise einen erheblichen Unterschied, ob eine Urlaubsplanung für drei oder für fünfzehn Mitarbeiter durchgeführt werden muss. Mit zunehmender Anzahl von unterstellten Mitarbeitern wird ein solcher Planungsaufwand nicht nur deswegen schwieriger, weil die entsprechenden Arbeitstätigkeiten (wie die Eintragung in den Urlaubsplan) mehrfach durchgeführt werden müssen, der Koordinationsaufwand steigt auch deswegen, weil die Gefahr sich überschneidender Urlaubswünsche stetig zunimmt.
139Ab welcher Mindestpersonenanzahl von einer "großen" Serviceeinheit gesprochen werden kann, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Selbst das beklagte Land geht davon aus, dass eine Serviceeinheit bei der Staatsanwaltschaft dann als "groß" im Tarifsinne angesehen werden kann, wenn die Zahl der betroffenen Mitarbeiter mindestens die Zahl zehn (Vollzeitäquivalente) erreicht.
140(ccc)
141Die von der Klägerin geleitete Serviceeinheit 60 umfasst in diesem Sinne mehr als zehn Beschäftigte.
142(aaaa)
143Dies ergibt sich zunächst, wenn man auf die reine Kopfzahl der Mitarbeiter in der Serviceeinheit 60 abstellt. In der Serviceeinheit 60 sind inklusive der Klägerin zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
144(bbbb)
145Nichts anderes ergibt sich, wenn man entsprechend Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung des TV-L bei der Bemessung der der Klägerin unterstellten Beschäftigten die in der Serviceeinheit 60 beschäftigten Teilzeitbeschäftigten entsprechend dem Verhältnis der mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt. Auch in diesem Fall wird der Wert von 10 Personen überschritten. Der Wert des reinen AKA liegt bei 10,85 (8 Vollzeit- und vier Teilzeitbeschäftigte), der zusätzlich die unterschiedliche Arbeitszeit von Beamten und Tarifbeschäftigten berücksichtigende Wert liegt bei 10,54.
146(cccc)
147Eine weitere Differenzierung bei der Anzahl der unterstellten Beschäftigten nach deren tatsächlicher Arbeitszeit in der Serviceeinheit 60 ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht vorzunehmen. Eine darauf basierende Reduzierung der unterstellten Mitarbeiter auf 8,97 erfolgt nicht.
148Dabei ist zutreffend, dass ein Teil der der Klägerin in der Serviceeinheit 60 unterstellten Mitarbeiter mit weiteren Tätigkeiten außerhalb der reinen Serviceeinheitstätigkeit betraut ist. So sind drei Beschäftigte mit Arbeitszeitanteilen von zweimal 0,21 sowie einmal 0,15 als Kostensachbearbeiter tätig. Weiter fallen Tätigkeiten in der IT, als Gruppenleitung sowie für die Koordination der Kostensachbearbeiter an. Die entsprechenden Arbeitszeitanteile sind jedoch nicht in Abzug zu bringen. Nicht nur, dass eine solche Differenzierung im Tarifvertrag nicht vorgenommen wird, sondern Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung des TV-L ausschließlich eine Differenzierung von Voll- und Teilzeitkräften vorsieht, wäre eine weitere Reduzierung auch nicht sachgerecht. Die von der Klägerin vorzunehmenden Gruppenleitertätigkeiten fallen bei Beschäftigten, die ausschließlich in der Serviceeinheit 60 eingesetzt werden, in gleicher Weise an wie bei Mitarbeitern, die noch andere Aufgaben ausüben. Der Arbeitsaufwand der Gruppenleitung ist bei der Koordination der Serviceeinheit eher höher als geringer, wenn in ihr Mitarbeiter tätig sind, die auch in anderen Bereichen eingesetzt sind. Insoweit mag erneut das Beispiel der Urlaubsplanung herangezogen werden. Bei Mitarbeitern, die auch in anderen Bereichen eingesetzt sind, bedarf es hinsichtlich der Urlaubszeiten nicht nur der Abstimmung innerhalb der Serviceeinheit, sondern vielmehr auch ergänzend der Abstimmung mit den Vorgesetzten der anderen Bereiche.
149Insgesamt gesehen, ist die Klägerin demnach aufgrund der Erfüllung der tarifvertraglichen Voraussetzungen seit dem 01.01.2020 in der Entgeltgruppe 9b TV-L eingruppiert.
150bb.
151Ein Anspruch auf Eingruppierung in die Stufe 6 der Entgeltgruppe 9b TV-L besteht jedoch nicht. Die Klägerin ist vielmehr in die Stufe 4 der Entgeltgruppe 9b TV-L eingruppiert.
152(1)
153Gegenstand des Klageantrages zu 2. ist neben der ausdrücklich begehrten Feststellung eines Vergütungsanspruchs nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L auch die Feststellung eines Vergütungsanspruchs nach der - darin als Minus enthaltenen - Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L.
154(a)
155Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs erfasst grundsätzlich auch einen Anspruch, der in ihm als ein "Weniger" erhalten ist. Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich damit die Verpflichtung des Gerichts, bei Klagen, die sich auf eine bestimmte Eingruppierung stützen, auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht insoweit teilweise begründet ist, als sie auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte - niedrigere - Entgeltgruppe gestützt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage um ein "Minus" und nicht um etwas anderes, d. h. ein "aliud" handelt (BAG v. 13.11.2019 - 4 AZR 490/18 - Rn. 17, juris; BAG v. 14.09.2016 - 4 AZR 456/14 - Rn. 20, juris; BAG v. 21.03.2012 - 4 AZR 275/10 - Rn. 36). Ob es sich bei dem "geringeren" Anspruch um ein "Weniger" oder ein "aliud" handelt, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren der klagenden Partei ab. Sie bestimmt den Streitgegenstand. Ihr darf vom Gericht nichts zugesprochen werden, was nicht beantragt wurde. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste (BAG v. 18.09.2018 - 9 AZR 199/18 - Rn. 33, juris; BAG v. 14.09.2016 - 4 AZR 456/14 - Rn. 20, juris). Eine niedrigere Entgeltgruppe ist als ein "Weniger" in der höheren enthalten, wenn das Tätigkeitsmerkmal der höheren Entgeltgruppe zwingend die Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der niedrigeren voraussetzt (BAG v. 13.11.2019 - 4 AZR 490/18 - Rn. 17, a.a.O.; BAG v. 03.07.2019 - 4 AZR 456/18 - Rn. 19, juris).
156(b)
157Hiernach ist die Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L als Minus im Klageantrag der Klägerin erhalten. Die Einstufung innerhalb der Entgeltgruppen richtet sich nach §§ 16, 17 TV-L. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TV-L werden die Beschäftigten bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens der Stufe 2. Es findet also im Falle der Höhergruppierung eine automatische Anpassung der Einstufung statt, ohne dass besondere materielle Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Die Verneinung der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TV-L führt zwangsläufig zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L.
158(2)
159Die Klägerin ist zutreffender Weise in die Stufe 4 der Entgeltgruppe 9b TV-L einzugruppieren.
160Ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Gehaltsabrechnung (Bl. 11 d. A.) erhielt die Klägerin im Januar 2020 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TV-L. Einwände gegen die Richtigkeit dieser Einstufung hat die Klägerin nicht erhoben.
161Aufgrund der Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9b TV-L ist die Klägerin gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 TV-L derjenigen Stufe ihrer neuen Entgeltgruppe zuzuordnen, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhält. Dies ist im vorliegenden Fall die Stufe 4. Ausweislich der Entgelttabellen betrug das Tabellenentgelt ab 01.01.2020 in der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TV-L 3.781,78 € brutto. In der Entgeltgruppe 9b TV-L betrug das Tabellenentgelt in der Stufe 4 ebenfalls 3.791,78 €. Bei einer Neueinstufung in die Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L behält die Klägerin demnach ihr bisheriges Tabellenentgelt.
1622.
163Die Zahlungsanträge (Klageanträge zu 1., 3. und 4.) sind unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b, Stufe 4 TV-L. Ein Differenzvergütungsanspruch ergibt sich daraus jedoch nicht, da die bisherige Vergütung der Entgeltgruppe 9a, Stufe 5 TV-L mit der neuen Vergütung nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum identisch war. Im Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 betrug das Tabellenentgelt in Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TV-L sowie in Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L jeweils 3.781,78 €; im Zeitraum ab dem 01.01.2021 betrug das Tabellenentgelt sowohl in der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TV-L als auch in der Entgeltgruppe 9b Stufe 4 TV-L jeweils 3.831,78 €.
164Mangels des Bestehens eines Differenzvergütungsanspruchs stehen der Klägerin auch nicht die geltend gemachten Zinsen zu.
1653.
166Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Garantiebetrages in Höhe von jeweils 180,00 € brutto monatlich gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-L ist nicht streitgegenständlich. Der Anspruch auf Zahlung dieses Garantiebetrages ist in dem Antrag auf Differenzvergütung nicht enthalten. Es handelt sich um einen anderen Streitgegenstand, der im vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend gemacht worden ist.
167B.
168I.
169Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da jede Partei teils obsiegt hat und teils unterlegen ist, waren die Kosten verhältnismäßig zu teilen.
170II.
171Die Kammer hat die Revision für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da sie der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer "großen" Geschäftsstelle im Sinne der Protokollnotiz Nr. 5 zu Ziffer 12.1 Teil II Anlage A TV-L gesprochen werden kann, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Im Übrigen bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen.
172RECHTSMITTELBELEHRUNG
173Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
174REVISION
175eingelegt werden.
176Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
177Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
178Bundesarbeitsgericht
179Hugo-Preuß-Platz 1
18099084 Erfurt
181Fax: 0361 2636-2000
182eingelegt werden.
183Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
184Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
185Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1861.Rechtsanwälte,
1872.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1883.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
189In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
190Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
191Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
192* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
193D. BarthEsperschidtBaumeister