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kein Leitsatz
I.Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2017 - Az. 12 Ca 6005/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1)a) Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wem, in welcher Form und in welchem Umfang der Beklagte die nachfolgende Liste gemäß Anlage HL 17 (Equipment List betreffend W.-Produktionsanlage), auch in ihrer deutschen Sprachfassung (Anlage HL 17a) oder in einer sonstigen Sprachfassung und/oder die nachfolgenden Unterlagen gemäß Anlage HL 20 (chemische Formeln betreffend die Herstellung von W.), ebenfalls unabhängig von der Sprachfassung, Dritten mitgeteilt und/oder zugänglich gemacht hat.
b) Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welcher Form und in welchem Umfang der Beklagte die nachfolgende Liste gemäß Anlage HL 17 (Equipment List betreffend W.-Produktionsanlage), auch in ihrer deutschen Sprachfassung (Anlage HL 17a) oder in einer sonstigen Sprachfassung und/oder die nachfolgenden Unterlagen gemäß Anlage HL 20 (chemische Formeln betreffend die Herstellung von W.), ebenfalls unabhängig von der Sprachfassung, selbst oder durch Dritte verwertet hat.
2)Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 166.677,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2017 zu zahlen.
3)Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin die Zahlung von 10.060,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2016 begehrt. Die Klage wird weiterhin abgewiesen, soweit die Klägerin die Verzinsung von 100.685,67 € (Anwaltsrechnung vom 28.09.2016) für den Zeitraum vom 06.11.2016 bis zum 01.12.2016 sowie die Verzinsung von 49.085,18 € (Anwaltsrechnung vom 08.11.2016) für den Zeitraum vom 06.11.2016 bis zum 12.01.2017 verlangt.
4)Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit über die Zinsforderung der Klägerin in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 20.071,22 € für den Zeitraum vom 06.11.2016 bis zum 28.09.2017, auf einen Betrag von 100.685,67 € für den Zeitraum vom 02.12.2016 bis zum 28.09.2017, auf einen Betrag von 49.085,18 € für den Zeitraum von 13.01.2017 bis zum 28.09.2017 sowie über einen Teil der Hauptforderung der Klägerin (Klageantrag zu I.2. der Klageschrift) in Höhe von 3.164,71 € (insgesamt in Höhe von 8.767,77 €) erledigt ist.
5)Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weitergehenden Schaden, der nicht von den Ziffern I.2), I.3) und I.4) dieses Tenors erfasst ist, zu ersetzen, soweit er der Klägerin durch Handlungen der in Ziffer I.1) des Tenors beschriebenen Art entstanden ist und noch entstehen wird.
II.Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III.Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2017 - Az. 12 Ca 6005/16 - teilweise abgeändert.
1)Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wem, in welcher Form und in welchem Umfang der Beklagte die nachfolgenden Anlagen
a)HL 11 - T.-Vertrag
b)HL 12 - Betriebsvorschrift: Herstellung von W.
c)HL 46 neu - Dokumente aus dem Ordner "N. W. Manufacturing"
d)HL 47 neu - Unterordner N. W. Abfüllung
e)HL 48 neu - B.-Tabelle
f)HL 49 - B. 2009
g)HL 50 - B. 2009, equipment list
h)HL 51 - B. 2009, material balance
i)HL 52 - Equipment list
j)HL 53 - Prozessbeschreibung
k)HL 54a neu - Screenshots "Nutzwertanalyse W.", "Fixe und varaibale Kosten W." und Kundenliste "C."
l)HL 54b - E. stoff data
m)HL 60 - Präsentation W. Herstellung
n)HL 62 - 79-22-1.xls, CAME
o)HL 65 - Visio-Fließbilder
p)HL 68 - Extraction Report (Chat Dr. A.)
q)HL 69 - E.
r)HL 70 - Kundenliste adhesives
jeweils unabhängig von der Sprachfassung, Dritten mitgeteilt und/oder zugänglich gemacht hat.
2)Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Form und in welchem Umfang er die nachfolgenden, unter Ziffer III.1) bezeichneten Anlagen, jeweils unabhängig von der Sprachfassung, selbst oder durch Dritte verwertet hat.
IV.Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V.Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz im Zusammenhang mit der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen.
3Die Klägerin ist die ehemalige Arbeitgeberin des Beklagten. Sie gehört zum M.-Konzern. Ihr Kerngeschäft bilden Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von chemischen Zwischenprodukten, Spezialchemikalien und Kunststoffen. Sie entstand 2004 durch Ausgliederung der Chemiesparte und von Teilen der Polymersparte der C. AG. Sie vertreibt u.a. das von ihr in Deutschland produzierte "W.". Dabei handelt es sich um Dimethyldicarbonat (E.), einen Lebensmittelzusatzstoff zur Kaltentkeimung von Getränken. Die Informationen zur W.-Produktionsanlage und den Produktionsparametern werden bei ihr in Datenverzeichnissen im Ordner "N." im unternehmenseigenen Computerlaufwerk gespeichert, zu denen nur wenige Mitarbeiter unter Geheimhaltungsverpflichtung und nur in dem Umfang Zugang haben, der für ihre jeweilige Tätigkeit erforderlich ist. Unter anderem befanden sich dort
4-der sog. T.-Vertrag über den Betrieb einer W.-Produktionsanlage in E. (Anlage HL 11),
5-die Betriebsvorschrift: Herstellung von W. (Anlage HL 12),
6-eine interne Präsentation, welche den Herstellungsprozess unter Angabe chemischer Formeln und Prozesse widergibt,
7-Dokumente, die die Betriebskosten der W.-Anlagen in V. und E. nach den Kostenstellen Personal, Energie, Anlagenbewirtschaftung, Materialverbrauch usw. auflisten (Anlagenkonvolut HL 46 (neu)),
8-Dateien mit Gebäudeübersichten, bekannten Schwachstellen von W., Hallenerweiterungen, der W.-Abfüllung, Übersichtszeichnungen, Investitionszahlen, Materialbewegungen, "Steckbriefe" über die Optimierung von 3kg- und 25kg-Einheiten, Stücklisten und einen Werkübersichtsplan (Anlagenkonvolut HL 47 (neu)),
9-die sog. B.-Tabelle der Klägerin (Anlage HL 48 (neu)), eine Excel-Datei mit einer Liste von Anlagenteilen der W.-Produktionsanlagen der Klägerin in E. und V. mit deren Anschaffungs-/Herstellungskosten, der Wertminderung durch Abnutzung sowie den daraus ermittelten Buchwerten und
10-Übersichten über eine "Nutzwertanalyse W.", über "Fixe und variable Kosten" bei der W.-Herstellung sowie Kundenlisten, welche deren regelmäßige Abnahmemengen und Lieferpreise enthalten (Anlage HL 54a (neu)).
11Der Beklagte ist Chemiker. Er war zunächst im C.-Konzern in verschiedenen Positionen in China und Deutschland beschäftigt, u. a. leitete er zwischen 2004 und 2008 eine Produktionsstätte in Shanghai. Während dieser Zeit berichtete A. "U." Z. als verantwortlicher Bereichsingenieur an ihn. Von 2008 bis 2010 war der Kläger bei C. in M. beschäftigt. Dort war von 2009 bis 2013 auch I.-D. "F." M. beschäftigt
12Seit dem 01.02.2010 war der Kläger als technischer leitender Angestellter bei der zum M.-Konzern gehörenden B. GmbH angestellt und dort in der internen Unternehmensberatung tätig, die u. a. der Verbesserung von Prozessen dient. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte er eine Zugriffsberechtigung auf die Datenverzeichnisse, in denen sich die Informationen zur W.-Produktionsanlage und den Produktionsparametern befinden (N.-Ordner). Dieses Anstellungsverhältnis ist durch Betriebsübergang zum 01.01.2011 zunächst auf die Klägerin und zum 01.04.2016 durch einen weiteren Betriebsübergang auf die ebenfalls zum Konzern gehörende B. Deutschland GmbH übergegangen.
13Der mit dem Beklagten geschlossene Anstellungsvertrag enthielt unter Punkt 7 (Berichterstattung, Behandlung von Unternehmenseigentum und Schweigepflicht) folgende Regelung:
14"Sämtliche Protokolle, Rezepturen, Betriebsvorschriften und Verfahrensbeschreibungen sowie alle sonstigen ihre dienstliche Tätigkeit betreffenden Schriftstücke einschließlich etwa angefertigte Vervielfältigungen sowie ihre eigenen Aufzeichnungen sind unser Eigentum; sie sind vertraulich zu behandeln und mit der gebotenen Sorgfalt zu verwahren. Dies gilt ebenso für Software, Dateien und Datenträger. Auf Wunsch werden Sie diese Unterlagen, Soft- und Hardware jederzeit, spätestens jedoch bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses Ihrer Vorgesetzten bzw. Ihrem Vorgesetzten übergeben.
15Sie verpflichten sich, über alle Geschäftsangelegenheiten sowie über die Ihnen bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse - auch bei Nebentätigkeit und nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses - Verschwiegenheit zu wahren. Entsprechendes gilt für die Angelegenheiten von Firmen, in denen wir oder die an uns direkt oder indirekt beteiligt sind oder mit denen wir in Geschäftsbeziehungen stehen.".
16Der Beklagte versendete am 28.09.2011 per E-Mail an A. "U." Z. eine in chinesischer Sprache verfasste Datei mit einer detaillierten Darstellung zur Herstellung von W., die in Inhalt und Gestaltung der internen Präsentation der Klägerin entspricht.
17Am 14.03.2013 versendete er per E-Mail mit dem (übersetzten) Betreff "Detaillierte Liste" eine weitere in chinesischer Sprache verfasste Datei mit dem Namen "equipment list.xls" an A. "U." Z.. Diese Liste enthielt u.a. eine umfangreiche Inventarliste einer Anlage zur Herstellung von E. mit Detailbeschreibungen von Anlagenteilen, Spezifikationen und Werkstoffen mit Größen und Maßen sowie technischen Beschreibungen wie Druck- und Temperaturbereichen mit Ober- und Untergrenzen sowie eine detaillierte Materialstückliste (Rohstoffe, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe) mit genauen Angaben zu Einsatzfaktoren und Mengen. Diese Anlageninventar- und Materialstückliste spiegelte zumindest große Teile der W.-Anlage der Klägerin in E. wieder. Die Gliederung der Anlagenliste folgte dabei im Wesentlichen den Produktionsschritten Reaktionen, Extraktion, Entfernung des Toluols, Raffination sowie dem Ergebnis der Herstellung.
18A. "U." Z. versendete seinerseits am 06.05.2013 per E-Mail den Entwurf eines Projektvorschlages für eine E.-Produktionsanlage an den Beklagten. Die zuvor vom Beklagten erhaltene Anlageninventar- und Materialstückliste hatte er in den Projektvorschlag übernommen. Der Vorschlag bezog sich auf ein noch zu gründendes Unternehmen.
19Unter dem 25.01.2016 gründete der Beklagte mit I.-D. "F." M. die E.er Holding Ltd. (im Folgenden: E.), die im Internet auftrat als "exklusiver weltweiter Vertreiber für von der D. Chemical in D. produziertes E.". Die D. Chemical in D. (im Folgenden: D.) stellt selbst kein E. her. Sie ist Muttergesellschaft der D. D. Biotechnology Ltd. (im Folgenden: D.), welche zwischenzeitlich die Errichtung einer Produktionsanlage für E. in China betreibt. General Manager der D. ist A. "U." Z..
20I.-D. "F." M. nahm zwischen dem 17.04.2016 und dem 12.05.2016 u.a. an einer Fachtagung der International Society of Beverage Technologists in den USA teil und sprach gezielt Kunden der Klägerin an, denen er in China hergestelltes E. anbot. Aus dem später auf dem Firmenhandy des Beklagten gefundenen Chatverlauf ergibt sich, dass er und der Beklagte über die verzögerte Fertigstellung der E.-Produktionsanlage verärgert waren.
21Der Beklagte ist neben T. N. und Q. Q. Gesellschafter der N.-M. GmbH. T. N. und die Ehefrau des Beklagten sind Geschäftsführer des Unternehmens. Dieses in E. ansässige Unternehmen, das sich u. a. mit dem Import und Export von chemikalischen Erzeugnissen beschäftigt, handelte mit E. aus China.
22Am 12.05.2016 wurde der Beklagte durch Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung der Klägerin befragt. Im Rahmen dieser Befragung gab der Beklagte noch an, dass er einen Kontakt zwischen T. N. und A. "U." Z. vermittelt habe. Dieser habe der N.-M. GmbH zunächst E. eines Drittunternehmens verschafft. Mittlerweile errichte A. "U." Z. mit der D. in China eine neue E.-Produktionsanlage, die jährlich 400 Tonnen als Konkurrenzprodukt zu W. herstellen solle. Der Vertrieb dieses E. solle über die E.er Holding Ltd. erfolgen, deren Gesellschafter er und I.-D. M. seien.
23Die Vertragsarbeitgeberin kündigte das mit dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis daraufhin unter dem 27.05.2016 fristlos, die hierauf erhobene Kündigungsschutzklage hat der Beklagte zurückgenommen.
24Die Klägerin erstatte eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Köln. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (Az. 117 Js 368/16) führte die Polizei am 07.07.2016 Hausdurchsuchungen u. a. bei dem Beklagten sowie bei I.-D. "F." M., bei der Düsseldorfer Holding (E.) sowie der N.-M. GmbH durch und stellte Beweismittel sicher. Unter diesen befand sich eine private externe Festplatte, auf die im Oktober 2012 neben weiteren Unterlagen der T.-Vertrag (Anlage HL 11) und in großen Teilen die unter Anlage HL 46 und HL 47 aufgeführten Dokumente aufgespielt worden waren. Insgesamt wurden von 1.332 Dateien im "N.-W."-Ordner 1.103 zumindest namentlich und 927 bit-identisch übernommen. Weiterhin wurde beim Beklagten eine externe Festplatte der Marke Intenso sichergestellt, die in einem mit "Transfer Package" bezeichneten Ordner unter anderem eine teilweise Übersetzung der "B.-Tabelle" der Klägerin (Anlage HL 48) ins Chinesische (Anlage HL 49), eine Datei mit Namen "AfA2009_original.xls" (Anlagen HL 50, 51), eine Datei mit der Bezeichnung "equipment list.xls" (Anlage HL 52) und eine Prozessbeschreibung (Anlage HL 53) enthält. Ebenfalls sichergestellt wurden E-Mailkorrespondenzen des Beklagten mit Herrn Y. "M." D., einem Mitarbeiter der Firmen C./D. (Anlagen HL 58 bis HL 66) sowie einem Herrn Dr. A. (Anlage HL 68) - jeweils aus dem Jahre 2013 und die Herstellung von W. betreffend. Schließlich wurde eine E-Mail vom 12.11.2014 aufgefunden, die der Beklagte von einem Herrn Y. Y. erhalten hatte und der eine Liste von Kunden beigefügt war, die bei der Klägerin L. ("adhesives") abnehmen. Am 15.02.2017 erließ das Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 12 Ga 4/17) eine einstweilige Verfügung, mit der dem Beklagten aufgegeben wurde, der Klägerin Einsicht in die beschlagnahmten Beweismittel zu gewähren sowie die Anfertigung von Kopien zu gestatten. Die von der Klägerin kontaktierte Staatsanwaltschaft teilte der Strafverteidigerin X. des Beklagten am 15.03.2017 mit, sie beabsichtige, die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke zu gewähren. Frau Rechtsanwältin X. äußerte sich in der Folge nicht. Die Klägerin nahm daraufhin Einsicht in die asservierten Gegenstände und brachte unter anderem in Erfahrung, dass der Beklagte am 30.10.2012 - soweit unstreitig - zumindest erhebliche Teile der in ihrem internen Ordner "N." enthaltenen Dateien auf eine private, externe Festplatte kopiert hatte. Mit Urteil vom 20.06.2017 änderte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Az. 8 SaGa 1/17) die erstinstanzliche Entscheidung ab und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Fehlens eines Verfügungsgrundes zurück. Die erstattungsfähigen Kosten des Beklagten setzte das Arbeitsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 28.09.2017 auf 8.730,32 € fest. Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft Köln Anklage gegen den Beklagten beim Amtsgericht - Schöffengericht - erhoben.
25Mit der vorliegenden, am 31.10.2016 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten Klage hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Erteilung von Auskunft, zum Ersatz der in China durch die dort von der Klägerin gegen die D. und Herrn Z. geführten Rechtsstreitigkeiten entstandenen Kosten sowie die Feststellung der generellen Schadensersatzpflichtigkeit des Beklagten begehrt.
26Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte Betriebsgeheimnisse weitergegeben habe. Zwar sei die Herstellung des chemischen Grundstoffs E. - insoweit unstreitig - im Prinzip in wissenschaftlichen Fachkreisen bekannt. Das Verfahren, nach dem sie W. herstelle, sei aber betriebsgeheim und selbst in Fachkreisen nicht geläufig. Zu dem betriebsgeheimen Verfahren gehöre die Verwendung eines besonderen Aufbaus der Herstellungsanlage einschließlich spezieller Produktionsanlagen und Installationen, die akribische Einhaltung äußerst differenzierter Produktionsparameter und der Einsatz eines bestimmten Katalysators. Das von ihr auf diese Weise hergestellte W. sei von höherer Qualität und Produktstabilität als durch andere Verfahren hergestelltes E.. Ferner spiegele die am 14.03.2013 versendete "equipment list.xls" (Anlage HL 17), so hat die Klägerin behauptet, die gesamte W.-Anlage der Klägerin in E. wieder. Nur mit diesen Informationen habe die D. die E.-Anlage in D. nachbauen können.
27Die Klägerin hat weiter behauptet, sie habe 169.842,07 € an die Kanzlei der hiesigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin entrichtet, die diese für die Vorbereitung der Rechtsverfolgung in China gegenüber der D. und Herrn Z. in Rechnung gestellt habe. Sie habe die Rechtsanwälte in Shanghai beauftragt, eine Klage und einen Beweissicherungsantrag gegen die D., die den Nachbau der E.-Anlage errichtet habe sowie gegen deren General Manager A. "U." Z., an den der Beklagte die betriebsgeheimen Unterlagen weitergegeben habe, zu erarbeiten. Dabei seien die Rechtsanwälte X. G. (111,70 Stunden, Stundensatz 550,00 €), T. X. (4,7 Stunden zu je 390,00 €), K. Q. (177,70 Stunden zu je 290,00 €) und A. G. (48,30 Stunden zu je 550,00 €) beteiligt gewesen. Ferner seien die Rechtsanwaltsgehilfin M. und die Übersetzungsabteilung zu einem Stundensatz von jeweils 145,00 € tätig geworden. Hinzu seien Steuern und Zuschläge in Höhe von 6,83% gekommen. Der Zahlbetrag beinhalte keine in Deutschland angefallenen Kosten. Das Gericht in Shongqing habe dem Beweissicherungsantrag stattgegeben. Für die Erstellung der chinesischen Klage und des Beweissicherungsantrages seien erhebliche und zeitaufwändige Vorarbeiten erforderlich gewesen, insbesondere die Auswertung der sofort zu übersetzenden Unterlagen aus dem deutschen Verfahren, die Abstimmung mit dem deutschen Anwaltsteam und der Klägerin, Recherchen tatsächlicher und juristischer Art in China, die Auflistung der für die chinesischen Verfahren benötigten Beweise, den Entwurf und die Abstimmung umfangreicher eidesstattlicher Versicherungen von Zeugen in Deutschland und schließlich das Verfassen der eigentlichen Schriftsätze. Die übrigen 10.060,00 € entfielen auf externe Übersetzungsdienstleistungen der S. Group ins Chinesische. Diese seien im Rahmen des gerichtlichen Vorgehens angefallen. Sie habe die mit der Klage einzureichenden, zunächst in englischer Sprache erstellten eidesstattlichen Versicherung der Zeugen ins Chinesische übersetzen lassen.
28Die Klägerin hat beantragt,
29I.den Beklagten zu verurteilen,
301.ihr Auskunft darüber zu erteilen, gegenüber wem, in welcher Form und in welchem Umfang er die als Anlage HL 17 beigefügte Liste, auch in ihrer deutschen Sprachfassung (Anlage HL 17a) oder in einer sonstigen Sprachfassung, und/oder die als Anlage HL 20 überreichten Unterlagen, ebenfalls unabhängig von der Sprachfassung, Dritten mitgeteilt und/oder zugängig gemacht und/oder selbst oder durch Dritte verwertet hat;
312.an die Klägerin 179.902,07 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 06.11.2016 zu zahlen;
32II.festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen über den Schaden gemäß Ziffer I. 2. hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen der in Ziff. I. 1. beschriebenen Art entstanden ist und noch entstehen wird.
33Der Beklagte hat, soweit für die Berufung noch von Bedeutung, beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Er hat gemeint, dass es sich bei den weitergegebenen Daten nicht um Betriebsgeheimnisse gehandelt habe. Er hat bestritten, eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt zu haben. Es sei keine Verwertung der per Email weitergegebenen Daten erfolgt. Es sei keine Fertigungsanlage in China fertiggestellt worden, noch sei dies beabsichtigt. Die Beteiligung an einer Firma in Hong Kong, die einmal bestanden habe, sei längst erloschen. Er sei an keiner Konkurrenzfirma mehr in irgendeiner Art und Weise beteiligt oder sonst wie verbunden. Er habe nur Interna weitergegeben. Dies seien jedoch keine Betriebsgeheimisse im rechtlichen Sinne. Mit der bevorstehenden Fertigstellung einer Produktionsanlage in China gemäß der Pressemitteilung vom 24.10.2016 habe er nicht das Geringste zu tun. Er kenne weder die Firma noch die dahinterstehenden Funktionsträger. Diese Anlage basiere nicht auf der Weitergabe irgendwelcher betrieblichen Interna. Seine Aufenthalte in China hätten keinem geschäftlichen Zweck gedient. Er habe seine Eltern in D. unterstützt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass von chinesischen Rechtsanwälten der Klägerin eine Klage und ein Beweissicherungsantrag wegen des angeblichen Nachbaus einer E.-Anlage eingereicht worden sei. Es werde bestritten, dass diese Rechnungen bereits von der Klägerin bezahlt worden seien. Ein vereinbartes Zeithonorar sei lediglich bis zu Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig. Die regionale Regierung von D. habe hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren durch ein Gesetz eine Obergrenze festgelegt. Danach entstehe bei der Vertretung vor dem örtlichen Gericht ein Pauschalhonorar, das sich prozentual nach dem Streitwert bemesse und bei einem Streitwert von umgerechnet über 10.000,00 € einen Prozentsatz von 0,5 % - 1 % ausmache. Er bestreite ferner, dass die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren keine in Deutschland angefallenen Kosten beinhalteten und dass die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten zweckmäßig und erforderlich gewesen seien. Er bestreite auch die Angemessenheit und Erforderlichkeit der geltend gemachten Übersetzungskosten und dass der Rechnungsbetrag von der Klägerin bezahlt worden sein.
36Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.02.2017 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, insbesondere der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. Sie sei auch insgesamt begründet, da zur Überzeugung des Gerichts feststehe, dass der Beklagte sich unbefugt Betriebsgeheimnisse der Klägerin verschafft und diese verwertet habe, § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Im Aufbau der E.-Produktionsanlage sowie den Produktions- und Produktparametern, wie sie in den Anlagen HL 17 und HL 20 enthalten seien, lägen Betriebsgeheimnisse. Dafür sprächen die Art der Datensicherung bei der Klägerin und das Vorgehen des Beklagten bei der Weitergabe der Daten. Wären die betreffenden Informationen in der Öffentlichkeit und den Fachkreisen bekannt, hätte der Beklagte nicht wie geschehen vorgehen müssen. Aus Sicht des Gerichts liege nicht nur eine Verschaffung von Betriebsgeheimnissen, sondern auch deren Verwertung vor. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte und Herr Z. zielgerichtet auf den Bau einer E.-Produktionsanlage hingearbeitet hätten und der Beklagte das dort produzierte E. über die E. habe vertreiben sollen. Mit seinem Verhalten habe sich der Beklagte gemäß § 9 UWG und wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Geheimhaltungspflicht schadensersatzpflichtig gemacht. Um den Umfang des Schadens ermitteln zu können und weitere Ansprüche (gegen Dritte) geltend machen zu können, schulde der Beklagte gemäß § 242 BGB die mit dem Antrag zu I.1. begehrte Auskunft. Im Übrigen müsse er der Klägerin die bisher aufgelaufenen Schäden ersetzen. Diese bestünden in den Rechtsanwalts- und Übersetzungskosten, die der Klägerin wegen der Vorbereitung des gerichtlichen Vorgehens gegen die D. und Herrn Z. in China entstanden seien. Davon, dass es diese Prozesse gebe, müsse das Gericht ausgehen, weil der Beklagte ihre Existenz nicht mit Nichtwissen habe bestreiten dürfen. Die Schadenshöhe könne das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die von der Klägerin behaupteten 463,90 Stunden Bearbeitungszeit übersetzt seien. Die Klägerin habe sie zur effektiven Wahrnehmung ihrer Rechte für erforderlich und zweckmäßig halten dürfen. Immerhin betreffe der Aufbau einer Konkurrenzanlage der Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit. Aus diesen Erwägungen heraus rechtfertigten sich auch die aufgewendeten Dolmetscherkosten.
37Einen Antrag des Beklagten auf Berichtigung des Tatbestandes des Urteils hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15.05.2017 zurückgewiesen.
38Gegen das ihm am 24.04.2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit einem am 02.05.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese mit zwei weiteren, jeweils am 22.06.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen auch begründet. Die Berufungsbegründungen sind der Klägerin am 27.06.2017 zugestellt worden. Sie hat diese - nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 10.08.2017 - mit einem am 10.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz beantwortet und zugleich Anschlussberufung erhoben.
39Der Beklagte rügt, das Arbeitsgericht sei bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. So habe es ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht unterstellen dürfen, dass der Inhalt der Liste gemäß Anlage HL 17 die komplette Produktionsanlage in E. wiedergebe. Dies habe er pauschal bestreiten dürfen, da ein qualifiziertes Bestreiten in Anbetracht der vielen Schwärzungen der Dokumente nicht möglich gewesen sei. Der Bau der Anlage in D. und die W.-Vertriebsaktivitäten der Firma D. blieben bestritten. Hinsichtlich der Rechnungen wegen der in China entstandenen Rechtsanwaltskosten habe das Arbeitsgericht nicht nur mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen keine Schätzung vornehmen dürfen, sondern es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass er die Begleichung der Rechnungen durch die Klägerin bestritten habe. Er meint, die Höhe des Entgeltes sei sittenwidrig, da es die in China geltenden Sätze um mehr als 1000% übersteige; zudem entspreche die Beschäftigung von vier Anwälten nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Ein Zeithonorar sei nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig. Die Dolmetscherrechnung sei intransparent. Dem Arbeitsgericht seien zudem weitere Rechtsfehler unterlaufen. Es habe die Frist des § 60 Abs. 4 Satz 3 ArbGG unterlaufen und die Kostenprivilegierung gemäß § 12a ArbGG zu Unrecht nicht auf die Rede stehenden Anwaltshonorare und Übersetzungskosten angewendet. Der Kläger meint, der von der Klägerin betriebene Aufwand stünde per se außer Relation zur Bedeutung der Angelegenheit. Die Klägerin gehe selbst nicht von einer drohenden Konkurrenzsituation aus, da deren Mutterkonzern ansonsten nach dem WpHG ihre Anleger und die Öffentlichkeit über den Bau der Produktionsanlage in China habe informieren müssen. Er, der Beklagte, gestehe ein, sich in der Sache "naiv" verhalten zu haben. Das rechtfertige aber den von der Klägerin gegen ihn geführten Vernichtungsfeldzug nicht.
40Die Klägerin hat am 13.10.2017 die zu Ziffer I.2. ausgeurteilte Schadensersatzforderung nebst Zinsen gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren in Höhe von 8.767,77 € (8.730,32 € nebst Zinsen für den Zeitraum vom 22.08.2017 bis 28.09.2017) aufgerechnet und in dieser Höhe den Zahlungsrechtsstreit für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt,
41das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2017 - Az. 12 Ca 6005/16 abzuändern und die Klage abzuweisen.
42Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß noch,
431.die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu Ziffer I.1. mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der erstinstanzliche Tenor lautet:
44a) Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wem in welcher Form und in welchem Umfang der Beklagte die als Anlage HL 17 beigefügte Liste, auch in ihrer deutschen Sprachfassung (Anlage HL 17 a) oder in einer sonstigen Sprachfassung und/oder die als Anlage HL 20 überreichten Unterlagen, ebenfalls unabhängig von der Sprachfassung, Dritten mitgeteilt und/oder zugänglich gemacht hat,
45b)weiterhin der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Form und in welchem Umfang der Beklagte die als Anlage HL 17 beigefügte Liste, auch in ihrer deutschen Sprachfassung (Anlage HL 17 a) oder in einer sonstigen Sprachfassung, und/oder die als Anlage HL 20 überreichten Unterlagen, ebenfalls unabhängig von der Sprachfassung, selbst oder durch Dritte verwertet hat,
462.die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu Ziffer I.2. mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass in Höhe eines Betrages von 8.767,77 € die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt werden möge,
473.das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2017 - Az. 12 Ca 6005/16 - abzuändern und den Beklagten im Wege der Anschlussberufung zu verurteilen,
48a)der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wem, in welcher Form und in welchem Umfang der Beklagte die Unterlagen entsprechend den Anlagen HL 11, HL 12, HL 46 neu, HL 47 neu, HL 48 neu, HL 49, HL 50, HL 51, HL 52, HL 53, HL 54 a neu, HL 54 b, HL 60, HL 62, HL 65, HL 68, HL 69 und HL 70, jeweils unabhängig von der Sprachfassung, Dritten mitgeteilt und/oder zugänglich gemacht hat,
49b)den Beklagten im Wege der Anschlussberufung zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Form und in welchem Umfang die vorbezeichneten Anlagen HL 11 bis HL 70, jeweils unabhängig von der Sprachfassung, selbst oder durch Dritte verwertet hat.
50Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ihrer Auffassung nach habe sich der Eindruck des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch den Beklagten mit Blick auf den Inhalt der von der Staatsanwaltschaft asservierten Gegenstände noch deutlich verstärkt. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte der "Supervisor" der D. E. Chemical Co., Ltd. mit Sitz in Hongkong gewesen sei. Unter Beteiligung dieser habe er mit den jetzigen Anteilseignern der D. deren Gründung geplant. Die D. D T. Chemical Co., Ltd. habe Technologien zur Herstellung von E. beisteuern und dafür eine Technologieprämie von umgerechnet 1,02 Millionen € erhalten sollen; das Projekt sei aber nicht zustanden gekommen. Die D. habe eigenen Entwicklungsaufwand durch Verwendung betriebsgeheimer Daten der Klägerin gespart. So habe sie zum Beispiel die "equipment list" im Jahre 2014 im Rahmen des sog. Feasibility Study Report bei der chinesischen Arbeitsschutzbehörde eingereicht. Dass die in D. errichtete Anlage inzwischen die E.-Produktion aufgenommen haben müsse, ergebe sich aus den verstärkten Vertriebsaktivitäten der D., die nach Maßgabe ihres Internetauftritts unverhohlen E. unter der Bezeichnung "W." anbiete und Kunden der Klägerin mit der Behauptung kontaktiert hätten, man könne E. gleicher Qualität wie die Klägerin anbieten. Die Klägerin meint, dass der in China in Bezug auf die Rechtsverfolgung gegenüber der Firma D. und Herrn Z. betriebene Aufwand erforderlich und zweckmäßig gewesen sei; mit den dortigen Prozessen solle gerade der Schaden minimiert werden. Das vereinbarte Zeithonorar sei auch üblich und angemessen. Frau M. sei sog. "Paralegal", deren Tätigkeit durch das Rechtsanwaltshonorar nicht mit abgedeckt sei. Die drei Anwaltsrechnungen habe sie am 13.10.2016, dem 01.12.2016 und dem 12.01.2017 bezahlt. Soweit der Beklagte im Übrigen seine Beteiligung am Verrat der Betriebsgeheimnisse kleinrede, handele es sich um reine Schutzbehauptungen. Ein Wille zur Wiedergutmachung des Schadens sei nicht erkennbar. Gegen den Beklagten spreche auch, dass er am 07.04.2017 eine inhaltlich unzutreffende Erklärung vor einem Notar in D. abgegeben habe, die die Firma D. und Herr Z. sodann im Dezember 2017 im dortigen Rechtsstreit dem Gericht vorgelegt hätten.
51Mit der Anschlussberufung verfolge die Klägerin Auskunftsansprüche im Hinblick auf die Daten und Vorgänge, die sich auf den von der Staatsanwaltschaft asservierten Beweismitteln befunden haben. Die hierin liegende Klageerweiterung sei zulässig. Auch der Antrag selbst sei zulässig, die von ihr vorgenommenen Schwärzungen beseitigten die Bestimmtheit der Klage nicht und schränkten auch die Rechtsverteidigung des Beklagten nicht unzumutbar ein. Die Verwertung der Erkenntnisse aus der Einsichtnahme in die asservierten Beweismittel sei unbedenklich, da sie durch §§ 406e StPO, 809 BGB materiell gedeckt sei. Die Einsichtnahme habe ergeben, dass der Beklagte sich den kompletten Datenbestand der Klägerin zu ihrer W.-Produktion (1.300 Dateien mit einer Gesamtgröße von 2.600 MB) auf private Datenträger kopiert habe.
52Der Beklagte beantragt,
53die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
54Er meint, die Klägerin müsse prozessual so behandelt werden, als kenne sie die im Klageerweiterungsantrag benannten Anlagen nicht. Wegen des zweitinstanzlichen Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren stehe fest, dass die Klägerin rechtswidrig in die bei der Staatsanwaltschaft asservierten Beweismittel Einsicht genommen habe.
55Das Landesarbeitsgericht hat eine Pressemitteilung veröffentlicht, mit der unter kurzer Beschreibung des vorliegenden Sachverhalt und unter Anonymisierung sämtlicher Beteiligter und des Produkts W. auf die mündliche Verhandlung vom 12.06.2018 hingewiesen worden ist. Mit Schriftsatz vom 11.06.2018, wegen dessen Inhalts auf Blatt 1144 f. der Akte verwiesen wird, hat die Klägerin daraufhin einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung und Urteilsverkündung gestellt. Die Kammer hat mit Beschluss vom 12.06.2018 die Öffentlichkeit von einem Teil der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des Beschlusses und dessen Umsetzung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.06.2018 Bezug genommen.
56Das Gericht hat weiterhin Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen G. und Q. sowie des Zeugen Dr. L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird ebenfalls auf das vorbezeichnete Sitzungsprotokoll verwiesen.
57Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Instanzen Bezug genommen.
58E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
59Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
60A.
61Das Gericht war nicht gehindert, über das Rechtsmittel des Beklagten zu befinden.
62(1)Soweit der Beklagte erstinstanzlich die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 17a GVG gerügt hatte, hat er hieran bereits in der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr festgehalten. Der Darstellung der Geschehensabläufe unter Ziffer I.1. der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung ist die Berufung weder entgegen getreten noch lässt das Vorbringen des Beklagten in zweiter Instanz überhaupt erkennen, dass er zuletzt von einer Unzuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ausgehe. Damit wäre selbst ein - nicht erkennbarer - Verstoß des Arbeitsgerichts gegen die Vorabentscheidungspflicht aus § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG geheilt und die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG eingetreten (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2007 - 15 W 203/06, OLGR 2008, 103; Zöller-Lückemann, ZPO, § 17a GVG Rdz. 17).
63(2)Einer Berufungsentscheidung steht weiterhin nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht über die vom Beklagten beantragte Aussetzung gemäß § 148 ZPO wegen des anhängigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nicht durch Beschluss, sondern im Endurteil entschieden hat. Ein solches Vorgehen mag unüblich und ggf. unangemessen sein, unzulässig ist es nicht. In diesem Fall gilt § 252 ZPO nicht; das Urteil ist insgesamt - soweit zulässig - mit dem Rechtsmittel der Berufung anfechtbar (LAG Thüringen, Beschluss vom 12.02.1996 - 2 Ta 22/96, juris). Eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht darf gemäß § 68 ArbGG nicht erfolgen, vielmehr hat das Berufungsgericht anstelle des Beschwerdegerichts die Nichtaussetzungsentscheidung zu überprüfen. Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht eine Aussetzung zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Auf die Ausführungen unter Ziffer III. der Entscheidungsgründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Rügen hiergegen hat die Berufung nicht erhoben.
64(3)Das Urteil des Arbeitsgerichts ist schließlich nicht deshalb wirkungslos bzw. nichtig, weil die Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts ihr Urteil nicht binnen der Dreiwochenfrist des § 60 Abs. 4 Satz 3 ArbGG vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt hatte. Es handelt sich bei dabei nämlich, wie auch Satz 4 des § 60 Abs. 4 ArbGG zeigt, um eine reine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht zu einer Unwirksamkeit der Verkündung des Urteils oder zu einer Wirkungslosigkeit des verkündeten Urteils führt. Ein Rechtsmittel kann nicht auf ihre Verletzung gestützt werden (st. Rspr. des BAG, zuletzt etwa Beschluss vom 15.04.2008 - 1 ABR 14/07, NZA 2008, 1020).
65B.
66I.
67Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
68II.
69Die Berufung ist überwiegend unbegründet. Die Klägerin kann vom Beklagten die mit ihren Anträgen zu Ziffer I.1. begehrten Auskünfte verlangen. Sie hat weiterhin Anspruch auf Schadensersatzzahlung in Höhe von 166.677,36 € nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 29.09.2017 und die Feststellung, dass der Beklagte den Ersatz weiterer Schäden schuldet, die der Klägerin infolge der Weitergabe und Verwertung der in den Anlagen HL 17, HL 17a und HL 20 entstanden ist bzw. noch entsteht. Im Hinblick auf die von der Klägerin erklärte Aufrechnung gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren in Höhe von insgesamt 8.767,77 € war auf Antrag der Klägerin wegen eines Teils der Hauptforderung (3.164,71 €) und die bis zum 28.09.2017 tatsächlich zu beanspruchenden Zinsen die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen. Nicht verlangen kann die Klägerin vom Beklagten den Ersatz der Dolmetscherkosten der S. Group in Höhe von 10.060,00 € nebst geltend gemachten Zinsen; insoweit war die Klage abzuweisen. Gleiches gilt für einen Teil der begehrten Verzinsung der Rechtsverfolgungskosten in China, da die Klägerin hier einen verfrühten Verzinsungsbeginn angesetzt hat.
701.
71Die Klage ist insgesamt zulässig.
72Die Anträge weisen insbesondere eine hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auf. Dass sich das Auskunftsbegehren auf bestimmte Anlagen bezieht, ohne die der Inhalt des Antrags unverständlich bleibt, ist unschädlich, weil insoweit - anders als in der gerichtlichen Entscheidungsformel - genügt, dass die Anlage selbst das klägerische Begehren ausreichend individualisiert (vgl. BAG, Beschluss vom 12.01.2011 - 7 ABR 25/09, NZA 2011, 1304, Rdz. 28 f.). Auch ansonsten lässt die Formulierung des Antrags zu 1.1. erkennen, worüber der Beklagte Auskunft erteilen soll.
73Soweit die Klägerin ihre Zahlungsforderung in der Berufungsinstanz wegen der erfolgten Aufrechnung reduziert hat, liegt hierin gemäß § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung. Der Vortrag der Klägerin lässt auch erkennen, in welcher Reihenfolge die Verrechnung stattfinden soll, so dass auch insoweit dem Bestimmtheitserfordernis Rechnung getragen worden ist. Der Feststellungsantrag zu II. weist das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auf, da der Klägerin aus den in Ziffer I.1. beschriebenen Handlungen zukünftig weitere Schäden drohen bzw. diese bereits eingetreten sein können, aber der Klägerin unbekannt sind. Die für die Feststellung notwendige "gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts" (vgl. etwa BAG, Urteil vom 22.07.2010 - 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93, Rdz. 105) liegt ohne Frage vor. Die Beklagte muss - die Richtigkeit ihres Vortrags unterstellt - wegen des Geheimnisverrats des Beklagten nicht nur mit weiteren Rechtsverfolgungskosten in China, sondern mit massiven Umsatzeinbußen beim Vertrieb von W. wegen der Konkurrenz durch die Firmen D. und D. rechnen.
742.
75Alle Klageanträge sind dem Grunde nach begründet, weil der Beklagte durch das Verschaffen bzw. der Weitergabe der Dateien mit dem Inhalt der Anlagen HL 17, HL 17a und HL 20 einen Verrat von Betriebsgeheimnissen im Sinne des § 17 UWG unternommen und zugleich gegen die arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflicht (Ziffer 7 des Anstellungsvertrages) und das ihn treffende Nebentätigkeitsverbot (Ziffer 9 des Anstellungsvertrages) verstoßen hat.
76a.
77Die Equipment List betreffend der W.-Produktionsanlage (Anlagen HL 17, HL 17a) und die chemischen Formeln zur Herstellung von W. (Anlage HL 20) beinhalten Betriebsgeheimnisse der Klägerin.
78aa.
79Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, wenn dieser an deren Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat (BAG, Beschluss vom 10.03.2009 - 1 ABR 87/07, NZA 2010, 180); Betriebsgeheimnisse beziehen sich dabei auf den technischen Betriebsablauf, insbesondere Herstellung und Herstellungsverfahren. Hierunter fallen etwa Diensterfindungen, Konstruktionsbezeichnungen, Unterlagen über neue technische Verfahren, Modelle, Versuchsprotokolle, chemische Formeln, Rezepturen u. Ä. (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.05.2015 - 3 TaBV 35/14, NZA-RR 2016, 77). Für den Schutz als Betriebsgeheimnis kommt es darauf an, ob die fragliche Information allgemein, das heißt ohne großen Zeit- und Kostenaufwand, zugänglich ist (BGH, Urteil vom 13.12.2007 - I ZR 71/05, NZA-RR 2008, 421).
80bb.
81Dass es sich bei der Equipment List (Anlage HL 17, HL 17a) um Betriebsgeheimnisse der Klägerin handelt, steht für die Kammer außer Frage.
82(1)Die in der Equipment List enthaltenen Daten rühren von der Klägerin her. Diese hat detailliert und anhand einer Reihe von Beispielen beschrieben, dass sich die dortigen Angaben mit Inhalten der "Betriebsvorschrift: Herstellung von W." (Anlage HL 12) als Anlage zum T.-Vertrag (Anlage HL 11) decken. Soweit die Übereinstimmung nicht offensichtlich ist, vermag auch ein chemischer und technischer Laie anhand der Erläuterungen der Klägerin nachzuvollziehen, wie der Beklagte etwa bestimmte technische Bezeichnungen durch inhaltsgleiche Synonyme (Material 904L nach US-Norm anstelle von 1,4539 nach DIN-Norm) oder Klarnamen ersetzt hat. Besonders auffällig ist die Übereinstimmung der Tabelle auf der letzten Seite der Anlage HL 17 mit den Angaben in Abschnitt 6 "Einsatz zur Herstellung 100kg W." der Anlage HL 12. Diesem auch ohne Vorlage weiterer "Fließzeichnungen" verständlichen und einlassungsfähigen Vortrag hat der Beklagte außer seiner Bewertung der Qualität des gegnerischen Vorbringens und dem Bestreiten des Geheimnischarakters der Daten nichts entgegen gehalten. Er hat insbesondere nicht erklärt, woher er die in der Equipment List enthaltenen Angaben denn ansonsten generiert haben möchte. Mittelbar hat der Beklagte die Behauptungen der Klägerin sogar bestätigt, indem er darauf verwiesen hat, dass die "Spezifikationen der Anlage in E. im letzten Jahrtausend einzigartig (unique) gewesen sein" mögen (Blatt 5 des Schriftsatzes vom 18.01.2017).
83(2)Die Daten in der Equipment List stehen im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Klägerin und waren bzw. sind nur einem begrenzten Kreis von Mitarbeitern mit Geheimhaltungsverpflichtung bekannt. Der T.-Vertrag nebst Anlagen, dem die Daten entstammen, befand sich unstreitig auf dem gegen unbefugten Zugriff gesicherten LOC-Laufwerk, zu dem der Beklagte Zugang hatte.
84(3)An der Geheimhaltung der Daten hatte die Beklagte ein objektiv berechtigtes Interesse. Die Equipment List enthält umfängliche Detailspezifikationen zu Materialien, Behältervolumina und -abmaßen, Betriebstemperaturen und -drücken sowie zu Typenbezeichnungen und Herstellern der im Einzelnen beschriebenen Anlagenteile. Sie verkörpert damit zum einen die Information, durch Einsatz welcher Anlagenteile von bestimmter Beschaffenheit speziell die Klägerin selbst die Velcorinproduktion betreibt. Dabei geht es in der Tat, wie bereits von anderen Gerichten zutreffend festgestellt, um den "Kern der unternehmerischen Wertschöpfung" der Klägerin bei der Produktherstellung. Zum anderen beinhaltet die Equipment List die Information, was "man generell braucht", um eine E.-Produktionsanlage aufzubauen. Aus welchen Quellen dieses Knowhow in seiner Kompaktheit ansonsten allgemein verfügbar wäre, erschließt sich nicht einmal ansatzweise; auch dem Vortrag des Beklagten lassen sich insoweit keine Anhaltspunkte entnehmen. Schon die Vielzahl an Einzelangaben schließt es aus, dass es sich um die Beschreibung einer E.-Produktionsanlage handelt, die quasi "von der Stange" reproduzierbar war. Anders als bei einem auf dem Markt verfügbaren und damit einer technischen Analyse zugänglichen Produkt kann eine Produktionsanlage nicht anhand eines Vorstücks nachgebaut werden. Dieses befindet sich auf einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Werksgelände und kann ohne entsprechende Berechtigung nicht besichtigt, geschweige denn in seinen Einzelheiten fotografiert werden. Deshalb mag es zwar nicht ausgeschlossen sein, dass Fachleute in der Lage wären, auch ohne die "Equipment List" eine E.-Produktionsanlage zu errichten. Ausgeschlossen ist aber, dass dies auch in derselben Zeit und mit derselben Zuverlässigkeit hätte geschehen können, ohne die vom Beklagten geleistete Vorarbeit zu nutzen (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 03.05.2001 - I ZR 153/99, EzA § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 4). Andernfalls bliebe im Übrigen der erhebliche Aufwand des Beklagten - für Übersetzungen etc. - unerklärlich, den dieser wegen der Verwertung des Knowhows der Klägerin betrieben hat. Insoweit pflichtet die Kammer ausdrücklich den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziffer I.2.a)bb) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils bei.
85(4)Dass der Beklagte den gesamten "naturwissenschaftlich-technischen Vortrag" der Klägerin pauschal bestritten hat und - jedenfalls in der Berufungsinstanz - in Abrede stellt, dass die Anlageninventar- und Materialstückliste die komplette W.-Anlage der Klägerin in E. wiederspiegelt, hindert das Gericht nicht an den vorbezeichneten Feststellungen. Im Hinblick auf die Herkunft der in der Anlage HL 17/17a enthaltenen Daten und ihre Deckungsgleichheit mit der Anlage HL 12 ist auf die Ausführungen unter oben (1) zu verweisen. Auf eine Verwertbarkeit und Qualität der Daten (vgl. Blatt 5 der Berufungsbegründung: " wenn eine entscheidende chemische Formel nicht zutreffen würde, wäre er (sinngemäß: die Information) insgesamt unbrauchbar," kommt es für die Einstufung als Betriebsgeheimnis der Klägerin nicht an; diese hat auch ein objektives Interesse daran, eine optimierbare Formel, Stückliste etc. geheim zu halten, solange es nur die ist, die sie selbst verwendet. Gleiches gilt für die vom Beklagten ins Spiel gebrachte Unvollständigkeit der Daten, da nicht erkennbar ist, dass der Nutzen der Information über einzelne Anlagenteile auf Null sinken würde, nur weil Informationen über einen anderen Teil der Produktionsanlage inhaltlich unvollständig sind. Abgesehen davon sind die tatbestandlichen Einwendungen des Beklagten bei natürlicher Betrachtungsweise ohne weiteres als Schutzbehauptungen zu qualifizieren: Einer qualitativen Unbrauchbarkeit der Daten der Anlage HL 17/17a steht entgegen, dass die Klägerin sie nutzt und ihre W.-Produktion läuft; täte sie dies nicht, hätte der Beklagte die Unterlagen des T.-Vertrags auch nicht kopieren und an Herrn Z. übermitteln müssen. Eine nur unvollständige Übermittlung der Daten wiederum macht nicht nur keinen Sinn. Die Vollständigkeit der Daten hätte der Beklagte auch qualifiziert bestreiten müssen, da er es schließlich war, der die Informationen weitergegeben hat. Es muss ihm daher bekannt gewesen sein, wenn er Informationen zurückgehalten hat.
86(5)Soweit der Beklagte die Rechteinhaberschaft der Klägerin an der Zusammensetzung und dem Produktionsprozess von W. in Abrede stellt, ist sein Bestreiten unbeachtlich, weil offensichtlich ins Blaue gehend. In Anbetracht der von der Klägerin vorgelegten, sie legitimierenden Unterlagen (Anlagenkonvolut HL 16) und insbesondere der jahrzehntelangen Herstellung und des Vertriebs von W. durch die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen C. AG und C. Chemicals AG, die dem Beklagten als langjährigem Mitarbeiter der Unternehmen bekannt ist, erfolgt sein Bestreiten ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Vermutung stützen könnten. Derartig willkürliche Behauptungen ins Blaue hinein sind unzulässig (vgl. zum Maßstab etwa BAG, Urteil vom 15.01.2014 - 10 AZR 415/13, Rdz. 20).
87cc.
88Auch die in der Anlage HL 20 enthaltene chemische Formel für die Herstellung von W. stellt ein Betriebsgeheimnis dar. Auf die Ausführungen zu oben bb. (1) - (3), (5) wird Bezug genommen. Daran ändert nichts, dass die Formel des E. und das Herstellungsverfahren an sich in wissenschaftlichen Fachkreisen bekannt sind. Denn die Klägerin hat dargelegt, dass die Unterlage gemäß Anlage HL 20 Angaben zum eingesetzten Katalysator (Natronlauge 13,8%ig) enthält, deren Einsatz bei der Klägerin nicht allgemein bekannt und auch nicht technisch zwingend ist. Soweit der Beklagte dem unter Hinweis auf frei zugängliche Patente (Blatt 5 des Schriftsatzes vom 18.01.2017) entgegen getreten ist, verfängt sein Bestreiten nicht. Die Beklagte hat ihrerseits unter Vorlage der angesprochenen Patente dargelegt, dass diese mit der Herstellung von E. nichts zu tun haben, sondern die Herstellung von Dialkyldicarbonaten, Pyrokohlensäure-Diestern bzw. Diethyldicarbonat betreffen und überdies andere Katalysatoren Verwendung finden. Dazu hat der Kläger in der Folge weder erst- noch zweitinstanzlich Stellung genommen.
89b.
90Der Beklagte hat sich die in den Anlagen HL 17, HL 17a und HL 20 enthaltenen Betriebsgeheimnisse unbefugt verschafft, sie gesichert und an Dritte weitergegeben, § 17 Abs. 1, 2 UWG. Zwischen den Parteien ist (zuletzt) unstreitig, dass der Beklagte die Anlage HL 20 bereits am 28.09.2011 und die Anlage HL 17 am 14.03.2013 an Herrn Z. per E-Mail übermittelt und dieser sie erhalten hat. Das setzt ein vorheriges Verschaffen der Daten denklogisch voraus. Im Übrigen kann in Anbetracht des Baus der E.-Produktionsanlage in D. sowie der Beteiligung des Beklagten an der E. und deren geschäftlichen Aktivitäten im Jahre 2016 nicht zweifelhaft sein, dass die von ihm übermittelten Daten tatsächlich verwertet und der Beklagte zumindest versucht hat, die "Früchte" seines Geheimnisverrats zu ziehen. Auf die Einlassungen des Beklagten anlässlich seiner Befragung durch die Sicherheitsabteilung am 12.05.2016 (Anlage HL 4, dort Seite 2 unten, 3) wird Bezug genommen. Dass das Ergebnis der Befragung unverwertbar wäre, wenn und weil der Beklagte im Vorfeld nicht auf ein Aussageverweigerungsrecht und auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts hingewiesen worden ist, steht mit der Rechtsprechung des BAG nicht in Einklang. Seiner Entscheidung vom 12.02.2015 (Az. 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741) lässt sich vielmehr entnehmen, dass es nicht einmal bei der kündigungsvorbereitenden Anhörung eines Auszubildenden geboten ist, diesen vorab über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten, weil ansonsten der Verdunkelungsgefahr nicht hinreichend begegnet werden kann, und diesem ungefragt Gelegenheit zur Beiziehung eines Rechtsbeistandes zu gewähren. Dass die Klägerin bzw. die Vertragsarbeitgeberin vorliegend gegenüber einem hochrangigen Mitarbeiter, der unter einem sich später bewahrheiteten Verdacht der Konkurrenztätigkeit und des Geheimnisverrats stand, ein nachvollziehbares und gesteigertes Aufklärungsinteresse besaß und hierzu auf wahrheitsgemäße Erklärungen drängen durfte, bedarf keiner näheren Erörterung. Mit einer Missachtung der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht oder einem "Über-den-Tisch-Ziehen" des Beklagten hat das nichts zu tun.
91Der Beklagte hat weiterhin schuldhaft gegen die arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflicht der Ziffer 7 seines Anstellungsvertrages verstoßen. Ihm ist schließlich eine Verletzung des Wettbewerbsverbotes der §§ 60 HGB, 241 Abs. 2 BGB während der Zeit seiner Beschäftigung bei der Klägerin zu attestieren. Er hat in deren ureigenen Betätigungsbereich der Herstellung und des Vertriebs von W. eine konkurrierende Tätigkeit aufgenommen, indem er den Aufbau der E.-Produktion in China förderte, wenn nicht gar initiierte, und sich an der Vertriebsgesellschaft E. beteiligte. Davon, dass es sich hierbei um lediglich einfache Tätigkeiten gehandelt hat, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führten und schutzwürdige Interessen der Klägerin nicht berühren (vgl. den einschränkenden Maßstab aus dem Urteil des BAG vom 24.03.2010 - 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693), kann keine Rede sein.
923.
93Wegen der unter Ziffer 2. beschriebenen Handlungen hat der Beklagte sich dem Grunde nach gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 17 Abs. 1, 2 UWG, § 9 Satz 1 UWG schadensersatzpflichtig gemacht. Das führt zu folgenden Ansprüchen der Klägerin:
94a.
95Die Klägerin kann vom Beklagten die zu Ziffer I.1. geltend gemachte Auskunftserteilung verlangen. Wegen der Herleitung des Anspruchs aus § 242 BGB und der Verschränkung mit den vorbezeichneten Schadensersatzansprüchen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziffer 2.a) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Die Klägerin kann nicht wissen, ob und wem der Beklagte neben Herrn Z. die Anlagen HL 17, HL 17a und HL 20 noch zugänglich gemacht hat und ob, von wem und in welcher Form diese verwertet worden sind. Die Klägerin ist deshalb in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang weiterer Schadensersatzansprüche sowie die Person des Schadensersatzpflichtigen im Ungewissen. Der Beklagte hingegen kann die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Auskünfte unschwer erteilen.
96b.
97Der Beklagte schuldet der Klägerin die Zahlung von (zuletzt noch) 166.677,36 € nebst gesetzlichen Zinsen hieraus seit dem 29.09.2017, weil er verpflichtet ist, der Klägerin die ihr durch die Rechtsverfolgung in China gegenüber der Firma D. und Herrn Z. entstandenen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Keinen Anspruch hat die Klägerin, soweit sie den Ersatz von Übersetzungskosten der S.-Group in Höhe von 10.060,00 € begehrt. Zudem war die ursprüngliche Zinsforderung der Klägerin überhöht. Insoweit war die Klage auf die Berufung des Beklagten abzuweisen.
98aa.
99Die Klägerin führt in China Rechtsstreite gegen die Firma D. und Herrn Z.. Das hat der Beklagte jedenfalls in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten und wird durch zur Gerichtsakte gereichten Beschluss des Intermediate People`s Court in D. vom 21.12.2016 (Anlage HL 30) hinreichend belegt. Unstreitig ist weiterhin, dass die Klägerin die chinesische Dependance ihrer Prozessbevollmächtigten mit der Rechtsverfolgung in China beauftragt hat.
100bb.
101Die Beauftragung der Rechtsanwälte ist kausal auf den Geheimnisverrat des Beklagten zurückzuführen. Die Klägerin hatte im Mai 2016 hinreichenden Anlass zu der Annahme, dass die an Herrn Z. übermittelten Anlagen HL 17, HL 17a und HL 20 beim Aufbau einer E.-Produktionsanlage in D. verwendet wurden bzw. verwendet werden sollten und dabei Herr Z. und die Firma D. eine maßgebliche Rolle spielen würden. Das ist an folgenden Punkten festzumachen:
102-Der Beklagte hat in den Jahren 2011 und 2013 die in Rede stehenden Anlagen per E-Mail an Herrn Z., der als General Manager der D. fungiert, übermittelt. Es ist nicht ersichtlich, welchen Zweck dies gehabt haben sollte, wenn nicht den Nachbau einer Anlage in China und die Aufnahme der W.- Produktion zu ermöglichen. Im unmittelbaren Anschluss baute Herr Z. die Daten in einen Projektvorschlag zur Erstellung einer E.-Produktionsanlage ein, den er am 06.05.2013 an den Beklagten übermittelte (Anlage HL 21, HL 21a).
103-Der Beklagte benannte in seiner Befragung vom 12.05.2016 die Firma D. als das Unternehmen, das die E.-Produktionsanlage bauen würde, und dass es damit möglich wäre, 400t E. als Konkurrenzprodukt zu W. herzustellen (mithin dieselbe Menge wie im Projektvorschlag vom 06.05.2013).
104-Der Beklagte hat sich mit Herrn M. im Rahmen eines Chats im April/Mai 2016 über die Fortschritte auf der Baustelle in D. ausgetauscht (Protokoll gemäß Anlage HL 10). Dieses Protokoll belegt nicht nur einen engen Kontakt zwischen Herrn Z., Herrn M. und dem Beklagten, sondern erzeugt auch den Eindruck, der Beklagte sei in die Lösung technischer und rechtlicher Probleme bei Inbetriebnahme der E.-Produktionsanlage involviert (Chat vom 02.05.2016, Seite 6 der Anlage HL 10).
105-Nach Maßgabe des von der Klägerin vorgelegten Auszugs aus der Unternehmensdatenbank "Experian" (Anlage HL 35) war der Beklagte im Frühjahr 2016 an der D. E. Chemical Co. Ltd. als "shareholder" zu 99% beteiligt. Ob er auch bereits an der Gründung dieser Gesellschaft im Jahre 2011 beteiligt war und als deren "Supervisor" fungiert, was der Beklagte bestritten hat, kann dahin stehen. Ausweislich von Vertragsentwürfen aus dem Jahre 2014 (Anlagen HL 26, HL 26a, HL 27, HL 27a) war zumindest angedacht, dass sich die D. E. Chemical Co. Ltd. an der Gründung der D. beteiligt.
106Die Klägerin durfte sich in ihren Annahmen im Übrigen im weiteren Verlauf bestätigt fühlen. Das ergibt sich bereits aus dem Erlass des Beweissicherungsbeschlusses des Intermediate People`s Court in D. vom 21.12.2016 (Anlage HL 30), der auf der Antragsschrift der Klägerin vom 14.10.2016 (Anlage HL 29, HL 29a) basiert, die sich wiederum maßgeblich auf eine enge Zusammenarbeit des Beklagten mit Herrn Z. stützt.
107Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Produktion von E. in D. zwischenzeitlich aufgenommen worden ist oder nicht und welchen Umfang sie hat. Gleichwohl erlaubt sich die Kammer den Hinweis, dass tatsächlich keine Zweifel bestehen können, dass ein zeitnaher Produktionsbeginn jedenfalls durchgehend geplant war. Die von der Klägerin im laufenden Rechtsstreit vorgelegten Unterlagen wie etwa die Pressemitteilung vom 24.10.2016 (Anlage HL 0) sprechen insoweit für sich. Den Erklärungen des Beklagten bei seiner Befragung am 12.05.2016 lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die D. als E.-Lieferant für die E. vorgesehen war. Abgesehen davon tritt die Firma D. nach Maßgabe ihres Internetauftritts, den die Kammer am 12.06.2018 eingesehen hat, als Anbieter von E. auf, und zwar sogar unter dessen Bezeichnung "W." - ohne dass die Klägerin als dessen Herstellerin in Betracht kommt. Dem steht nicht entgegen, dass der Mutterkonzern der Klägerin ihre Anleger und die Öffentlichkeit nicht über drohende Schäden aufgrund einer Konkurrenzproduktion in China unterrichtet hat und deshalb, wie der Beklagte zu meinen scheint, selbst nicht an eine chinesische E.-Produktion glaubt. Abgesehen davon, dass sich das Verhalten ihrer Konzernmutter dem Einflussbereich der Klägerin entzieht und ihr Vorgehen in China gegen die D. und Herrn Z. völlig überflüssig wäre, ginge sie nicht von einer dortigen Konkurrenzproduktion aus, bliebe als Alternative immer noch, dass die Konzernmutter der Klägerin sich nach Maßgabe der Bestimmungen des WpHG nicht bzw. noch nicht mitteilungsverpflichtet sah - ob zu Recht oder Unrecht, kann dahin stehen.
108cc.
109Einem Ersatz der in China entstandenen Rechtsverfolgungskosten steht nicht § 12a ArbGG entgegen. Die Vorschrift schließt nach Rechtsprechung des BAG lediglich eine Erstattung erstinstanzlicher Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 91 ff. ZPO aus, um die Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren vor überhöhten Kostenrisiken zu bewahren, die geeignet sein könnten, Arbeitnehmer oder Arbeitgeber von der Inanspruchnahme der Arbeitsgerichte abzuhalten (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 27.10.2014 - 10 AZB 93/14, NZA 2015, 182). Aus diesem Grunde sind auch vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nicht erstattungsfähig. Die Regelung ist jedoch tatbestandlich auf arbeitsgerichtliche Streitigkeiten im Inland und den darin entstehenden prozessualen Kostenerstattungsanspruch beschränkt (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 28.05.2009 - 8 AZR 226/08, NZA 2009, 1300); sie gilt nicht für Kosten, die ein Arbeitgeber im Ausland im Zuge der Rechtsverfolgung gegenüber Dritten vor ordentlichen Gerichten aufwenden muss, deren Notwendigkeit der Arbeitnehmer durch eine vorsätzliche Pflichtverletzung, eine unerlaubte Handlung oder - wie hier - sogar durch strafbares Verhalten verursacht hat.
110dd.
111Der Klägerin kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe die Rechtsverfolgungskosten durch Inanspruchnahme von Rechtsanwälten mit niedrigeren Stundensätzen minimieren müssen bzw. die von I. M. International LLP abgerechneten Arbeitsstunden so nicht akzeptieren dürfen.
112aaa.
113Der einem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, zuletzt etwa Urteile vom 19.04.2018 - IX ZR 187/17, NJW 2018, 2417; vom 18.07.2017 - IX ZR 465/16, NJW 2017, 3588). Dabei hat sich die erstattungsfähige Honorarbemessung in der Regel an den gesetzlichen Gebühren zu orientieren. Es sind aber höhere Aufwendungen aus einer Honorarvereinbarung zu erstatten, wenn der Geschädigte deren Abschluss wegen der besonderen Lage des Falles - etwa wegen der Aufwändigkeit des Rechtsstreits oder der Spezialität der Rechtsmaterie - für erforderlich und zweckmäßig halten durfte (BGH, Urteil vom 16.07.2015 - IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447). Besonderheiten gelten dabei in Fällen mit Auslandsberührung. Bei diesen ist zu berücksichtigen, dass die geschädigte Partei mit der Ausgestaltung des ausländischen Prozess- und Gebührenrechts in der Regel nicht vertraut sein wird, aber gleichwohl berechtigt ist, den sie vertretenden Rechtsanwalt danach auszusuchen, dass dieser eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine optimale Prozessvertretung verspricht. Dessen Kosten sind ersatzfähig, solange nicht anzunehmen ist, dass der Geschädigte die Auswahl seines Prozessbevollmächtigten vorwiegend aus anderen, sachfremden Erwägungen vorgenommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12.09.2013 - I ZB 40/13, juris).
114bbb.
115Nach diesen Grundsätzen kann der Klägerin nicht vorgehalten werden, sie habe die Rechtsanwaltskanzlei I. M. in Shanghai nicht mit der Rechtsverfolgung gegenüber der Firma D. und Herrn Z. beauftragen dürfen. Die Klägerin wurde im Mitte 2016 gewahr, dass sie Opfer eines massiven Geheimnisverrats geworden war. Sie musste davon ausgehen, dass die verratenen Betriebsgeheimnisse dazu benutzt würden, eine Konkurrenzproduktion in China aufzubauen und es wegen der dortigen günstigen Kostenstrukturen zu einem Verlust von Kunden und erheblichen Umsatzeinbußen kommen würde. Wollte die Klägerin sich dem effektiv entgegen stellen, bedurfte es schnellen Handelns. Dass die Klägerin in dieser Situation die vertretungsbereite und im Wettbewerbsrecht agierende chinesische Dependance der I. M. International LLP beauftragte, ist ohne weiteres nachvollziehbar, zumal auf diese Weise Prozessstrategien mit den inländischen Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf kurzem Wege abgesprochen und Synergien insbesondere im Bereich der Kommunikation genutzt werden konnten. Die Klägerin konnte und musste sich nicht zunächst über die Ausgestaltung des chinesischen Prozess- und Gebührenrechts - erst Recht nicht im Hinblick auf etwaige regionale Besonderheiten in der Region D. - informieren, sodann einen ihr naturgemäß unbekannten Rechtsanwalt beauftragen, um letztlich unter Umständen festzustellen, dass dieser zwar preiswert, aber inkompetent war und/oder zu spät bzw. uneffektiv gegen die Firma D. und Herrn Z. vorgegangen war. Dazu war und ist einerseits die Angelegenheit zu schwierig und zu wichtig, andererseits der Beklagte aufgrund seines schadensstiftenden Verhaltens zu wenig schutzwürdig.
116ccc.
117Die Klägerin musste die konkret in Rechnung gestellten Beträge nicht im Hinblick auf ihre inhaltliche Berechtigung in Zweifel ziehen oder gar die Bezahlung der Rechnungen verweigern und damit das Risiko der Beendigung des Mandats in Kauf nehmen. Sicherlich sind die abgerechneten Rechtsverfolgungskosten, deren Ersatz die Klägerin vom Beklagten begehrt, hoch. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich eine (künstliche) Überhöhung der Stundensätze oder des angesetzten Zeitaufwands - ggf. bewusst zu Lasten des Beklagten - weder aufdrängt noch überhaupt feststellbar ist.
118(1)Die drei Rechnungen vom 16.08.2016, vom 28.09.2016 und vom 08.11.2016 (Anlage HL 25) weisen Stundensätze von 290,00 € bis 550,00 € für Rechtsanwaltstätigkeiten und von jeweils 145,00 € für Übersetzungsarbeiten und Tätigkeiten der Paralegal M. M. auf. Nach den Bekundungen der Zeuginnen G. und Q. im Rahmen der Beweisaufnahme existieren für Rechtsanwaltsgebühren in China keine zwingenden Vorgaben und ist die Vereinbarung von Stundensätzen daher üblich. Der im konkreten Fall verabredete Stundensatz sei "allenfalls mittelmäßig" (Zeugin Q.), es gebe Mandate, in "denen wir höhere Stundensätze als diese verlangen", bei schwierigen Fällen mit internationalem Bezug auch das "Drei- bis Fünffache" der hier in Rechnung gestellte Sätze erreichten (Zeugin G.). Zudem sei die Materie kompliziert gewesen. Die Zeugin Q. hat ihre Bekundungen durch die Vorlage eines englischsprachigen Presseartikels zu den "law firm billing rates in China" untermauert, nach dem etwa für die Tätigkeit von "senior partner" durchaus Stundensätze von mehr als 600,00 € vereinbart werden.
119Nach den Bekundungen der Zeuginnen hat die Klägerin die in Rechnung gestellten Stundensätze tatsächlich mit der Rechtsanwaltskanzlei I. M. in Shanghai verabredet. Schon deshalb durften sie abgerechnet werden. Abgesehen davon ergeben sich keine Hinweise für eine bewusste Überhöhung. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeuginnen hielten sich die Stundensätze im in China üblichen Rahmen, der auch das im Inland für die Tätigkeit spezialisierter Großkanzleien geltende Honorarniveau nicht übersteigt. Erwartbare Abstufungen je nach Status des bearbeitenden Rechtsanwalts wurden vereinbart. Dass die Abreden Teil eines "Vernichtungsfeldzugs" seiner Person seien, wie der Beklagte meint, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil das das Wissen voraussetzte, dass die Klägerin sich im Hinblick auf die verauslagten Gelder beim Beklagten würde schadlos halten können. Weiteren substantiierten Gegenvortrag zu den seiner Ansicht nach angemessenen Stundensätzen hat der Beklagte nicht gehalten. Dass er dazu nicht in der Lage gewesen wäre, ist in Anbetracht seiner Behauptungen zu den für Prozesse in D. zu beachtenden Gebührenusancen (Blatt 2 der Berufungsbegründung des Rechtsanwalts Dr. H.) nicht selbstverständlich. Diese verfangen im Übrigen in der Sache nicht, weil der Beklagte nicht vorgetragen hat, dass die Honorarkappung auch für nicht aus D. stammende Rechtsanwälte gilt.
120Die Zeuginnen G. und Q. haben insgesamt auf die Kammer einen überzeugenden Eindruck gemacht. Ihre Aussagen waren widerspruchsfrei, inhaltlich deckungsgleich und standen auch in Einklang mit der zur Stützung der Bekundungen vorgelegten Unterlagen. Einen nachvollziehbaren Grund für eine Falschaussage - immerhin zweier Rechtsanwältinnen - vermochte die Kammer nicht zu erkennen. Soweit der Beklagte der Zeugin G. "vorweggenommene Verteidigungstendenzen" vorhält (vgl. Schriftsatz vom 26.06.2018, unter Ziffer IV.), greift dies nicht durch, spielte aber für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit der Zeugin auch keine entscheidende Rolle. Die Zeugin hat die vom Gericht gestellten Fragen beantwortet. Dass sie möglicherweise das Interesse hatte, den aus ihrer Sicht unzutreffenden Eindruck des Honorarwuchers durch I. M. Shanghai für den vorliegenden Fall auszuräumen, spricht nicht gegen die Richtigkeit ihrer Bekundungen.
121(2)Hinsichtlich der Zahl der angefallenen Arbeitsstunden haben die Zeuginnen die Richtigkeit der auf ihre Person entfallenden Zeitansätze bestätigt. Sie haben überdies erklärt, dass und wie Zeiten standardisiert in der EDV erfasst werden, nämlich vom betreffenden Rechtsanwalt selbst und zeitnah. Sie haben bekundet, dass sich auch alle anderen Rechtsanwälte an dieses System halten mussten. Die Zeuginnen haben schließlich erläutert, welche Tätigkeiten sie im Zusammenhang mit dem Mandat der Klägerin zu erledigen hatten, worin der besondere Aufwand und die Schwierigkeiten lagen und dass wegen des bestehenden Zeitdrucks mehrere Rechtsanwälte parallel tätig werden mussten.
122Die Bekundungen der Zeuginnen sind nachvollziehbar. Dass das System der Zeiterfassung wie geschildert praktiziert wurde, wird durch den Inhalt der bereits erstinstanzlich zur Akte gereichten Tätigkeitsberichte (Anlage HL 25) bestätigt, die für jeden Tag und jeden Rechtsanwalt auflisten, wie viele Arbeitsstunden aufgewendet und welche Arbeiten erledigt wurden. Inhaltliche Widersprüche zwischen den Tätigkeitsberichten und den Aussagen der Zeuginnen im Hinblick auf die angefallenen Arbeiten sind nicht ersichtlich. Die Kammer vermochte überdies nachzuvollziehen, dass sich die Arbeiten wegen der Komplexität der Materie und der erforderlichen Sachverhaltsrecherche sehr aufwändig gestalteten, und zwar schon aus eigener Anschauung vom vorliegenden Rechtsstreit, der in vielen Bereichen Parallelen zu den Rechtsstreitigkeiten in China aufweist. Hinzu kommt, dass die vor Ort tätigen Rechtsanwälte erkennbar unter einem hohen Zeitdruck agieren mussten und wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit unter Erfolgsdruck standen. Im Ergebnis liegen keine Anhaltspunkte für eine Übersetzung der angefallenen Arbeitsstunden in den in Rede stehenden Rechnungen vor, erst Recht keine, die die Klägerin erkennen und monieren musste.
123Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
124(3)Für die Honorar- und Zeitansätze im Zusammenhang mit den Übersetzungstätigkeiten und den Arbeiten der Paralegal M. M. gilt das oben Ausgeführte entsprechend. Insbesondere hat die Zeugin G. nachvollziehbar geschildert, welche Qualifikation Frau M. mitgebracht hat und dass ihre Aufgaben als Paralegal über die einer Rechtsanwaltsgehilfin nach hiesigem Verständnis weit hinausreichen.
125ee.
126Zur Überzeugung des Gerichts steht weiterhin fest, dass die Klägerin die in Rede stehenden Rechnungen am 13.10.2016, dem 01.12.2016 und dem 12.01.2017 zur Gänze bezahlt hat. Das ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen Dr. L. und den von ihm zur Untermauerung seines Vortrags vorgelegten Umsatzbuchungen, nach denen die Zahlungseingänge bei I. M. International LLP an besagten Tagen zu verzeichnen waren. An der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen und dessen Glaubwürdigkeit bestehen nicht einmal ansatzweise Zweifel. Das folgt nicht nur aus der Person und Persönlichkeit des Zeugen, der beim Gericht einen vorzüglichen Eindruck hinterlassen hat, sondern auch aus der Erwägung heraus, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin oder ihre Dependance in China keinesfalls für umsonst arbeiten würden oder auch nur eine Bezahlung davon abhängig machen würden, dass die Klägerin ihren Schaden vom Beklagten ersetzt bekommt.
127ff.
128Die Anwaltsrechnungen vom 16.08.2016, vom 28.09.2016 und vom 08.11.2016 enthalten Anwalts- und Übersetzungskosten, die sich inklusive der 6,83% Shanghai local surcharges and tax exakt auf die von der Klägerin geltend gemachten 169.842,07 € aufsummieren. Dafür, dass die in Shanghai angefallenen zusätzlichen Abgaben keinen ersatzfähigen Schaden darstellten, weil sie gegenüber dem deutschen Fiskus ähnlich wie die - in den Rechnungen zusätzlich aufgeführte - Umsatzsteuer als Abzugsposten gegengerechnet werden konnten, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
129Im Hinblick auf die nach der Aussage des Zeugen Dr. L. anzunehmenden Zahlungszeitpunkte war allerdings die Zinsforderung der Klägerin zu reduzieren. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin die Verzinsung der Gesamtforderung seit dem 06.11.2016 zugesprochen. Dabei kann es nur hinsichtlich auf die erste Rechnung vom 16.08.2016 verbleiben, die die Klägerin am 13.10.2016 beglichen hat. Im Hinblick auf die zweite Rechnung vom 28.09.2016 setzt der Zinsanspruch der Klägerin erst am 02.12.2016 und für die dritte Rechnung vom 08.11.2016 am 13.01.2017 ein. Für die Zwischenzeiträume fehlt es an einem Zinsschaden der Klägerin.
130gg.
131Die Klägerin kann die Übersetzungskosten der S. Group gemäß Rechnung vom 30.09.2016 (Anlage HL 24) in Höhe von 10.060,00 € nebst Zinsen nicht ersetzt verlangen. Die Ansätze sind, worauf die Kammer die Klägerin hingewiesen hat, wegen ihrer Zusammensetzung und des Leistungsinhaltes nicht nachvollziehbar und deshalb auch nicht auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Nach Behauptung der Klägerin hat die S. Group die im Klageverfahren in China vorzulegenden eidesstattlichen Versicherungen der deutschen Zeugen übersetzt (vgl. Schriftsatz vom 09.01.2018, am Ende). Dazu passt nicht, dass auch die Übersetzungsabteilung von I. M. in Shanghai derartige Übersetzungsleistungen erbracht hat, und zwar schon vor der Auftragserteilung an die S. Group am 22.09.2016. So hat ausweislich des Tätigkeitsberichts als Anlage zur Rechnung vom 28.09.2016 die oder der "Translator" K. T. bereits am 25.08., 26.08., 29.08. und 30.08.2016 die "Affidavits" (= eidesstattliche Versicherungen) von Frau Dr. X., Herrn B. und Herrn I. ins Chinesische übersetzt. Eine Abgrenzung dieser Leistungen gegenüber denjenigen, die S. Group im Anschluss noch vorgenommen haben soll, hat die Klägerin nicht vorgenommen. Da an der grundsätzlichen Erforderlichkeit der Übersetzung nicht zu zweifeln ist, konnte das Gericht somit lediglich von der Ersatzfähigkeit der (weit) geringeren Kosten der Übersetzungsabteilung von I. M. in Shanghai ausgehen.
132hh.
133Auf Antrag der Klägerin war festzustellen, dass sich der Zahlungsrechtsstreit in Höhe eines Betrages von insgesamt 8.767,77 € erledigt hatte.
134(1)Da sich der Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerin nicht angeschlossen hat, hatte das Gericht zu prüfen, ob sich der Rechtsstreit tatsächlich in vorbezeichnetem Umfang erledigt hatte, das heißt, die eingereichte Klage zunächst zulässig und begründet war, aber durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist (allgemeine Auffassung, vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 91a Rdz. 44 mit weiteren Nachweisen). Wie bereits ausgeführt, war die Klage auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten in China wegen eines Betrages von 169.842,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 20.071,22 € seit dem 06.11.2016, aus 100.685,67 € seit dem 02.12.2016 und aus 49.085,18 € seit dem 13.01.2017 begründet. Wegen der von der Klägerin am 13.10.2017 vorgenommenen Aufrechnung der Klageforderung gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren ist diese Forderung nachträglich in Höhe des aufgerechneten Betrages von 8.767,77 € gegenstandslos geworden, § 389 BGB.
135(2)Wie der Aufrechnungserklärung der Klägerin und auch der Regelung der §§ 396 Abs. 2, 367 BGB zu entnehmen ist, hat diese zunächst mit der Zinsforderung und sodann mit der Hauptforderung selbst die Aufrechnung erklärt. In Anbetracht der für die ersatzfähigen Einzelrechnungen der I. M. International LLP tatsächlich entstandenen Zinsforderungen ergibt sich unter Zugrundelegung der jeweiligen Zinstage und eines Zinssatzes von 4,12 % (5%-Punkte über dem Basiszinssatz von -0,88%) eine insgesamt bis zum 28.09.2017 getilgte Zinslast von 5.603,06 €. Der überschießende Betrag von 3.164,71 € war mit der Hauptforderung zu verrechnen.
136Es verbleibt ein zu zahlender Betrag von 166.677,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2017.
137c.
138Die Klägerin kann die zu Ziffer I.5. austenorierte Feststellung der Ersatzpflichtigkeit des Beklagten für weitere Schäden, die sich aus der Weitergabe und Verwertung der in den Anlagen HL 17, HL 17a und HL 20 enthaltenen Daten ergeben, verlangen.
139Der Eintritt zukünftiger, jetzt noch nicht bezifferbarer Schäden der Klägerin im Zusammenhang mit dem Geheimnisverrat des Beklagten sind hinreichend wahrscheinlich (vgl. zum Maßstab etwa BAG, Urteil vom 22.07.2010 - 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93). Das liegt allein schon an den weiteren Rechtsverfolgungskosten in China, die wegen des noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreits gegen die Firma D. und Herrn Z. bisher nicht abschließend bestimmbar sind. Abgesehen davon drohen der Klägerin konkrete Umsatzausfälle, sollte es den Firmen D. und D. gelingen, sich als Alternativanbieter von in China produzierten E./W. zu positionieren.
140C.
141Auf die Anschlussberufung der Klägerin war der Beklagte zur Erteilung weiterer Auskünfte nach Maßgabe der Ziffer III. des Tenors zu verurteilen.
142I.
143Die Anschlussberufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht gemäß den Vorgaben der §§ 64 Abs.6 ArbGG, 524 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO erhoben und begründet worden. Der Anschlussberufungsschriftsatz der Klägerin ging am 10.08.2017 und damit innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Berufungserwiderungsfrist beim Landesarbeitsgericht ein.
144II.
145Die Anschlussberufung der Klägerin ist auch begründet.
1461.
147Die Klägerin konnte ihre Klage in der Berufungsinstanz um die streitgegenständlichen Anträge auf Auskunftserteilung erweitern. Die Erweiterung trägt den Vorgaben des gemäß § 64 Abs. 6 auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren anwendbaren § 533 ZPO Rechnung. Danach ist eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig, wenn entweder der Gegner einwilligt oder das Gericht die Klageerweiterung für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt ist, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.
148(1)An der Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht zu zweifeln, so dass es keine Rolle spielt, dass der Beklagte ihr die Zustimmung verweigert hat. Für die Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit maßgeblich, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. zuletzt etwa BAG, Urteil vom 14.06.2017 - 10 AZR 308/15, AP Nr. 35 zu § 106 GewO). Das ist zu bejahen. Würde man der Klageerweiterung die Zulässigkeit absprechen, müsste die Klägerin ihre Auskunftsansprüche abschließend in einem weiteren Rechtsstreit verfolgen und würde dies ohne Frage auch tun.
149(2)Abgesehen davon lässt sich der nunmehr zusätzlich in der Rechtsstreit eingeführte Lebenssachverhalt, nämlich das Ergebnis der Auswertung der von der Staatsanwaltschaft asservierten Beweismittel, als Bestandteil des Gesamtvorgangs der Verschaffung und Verwertung von Firmeninterna bezüglich der Herstellung und dem Betrieb von W. auffassen. Es bestehen mannigfaltige zeitliche wie inhaltliche Verschränkungen, die zu beantwortenden Rechtsfragen sind teilweise identisch. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass die aus den asservierten Beweismitteln gewonnenen Erkenntnisse zum Teil auch zur Stützung des ursprünglichen Klagebegehrens taugen, etwa weil z.B. der T.-Vertrag nebst seinen Anlagen (Anlage HL 11, HL 12), der in die Erstellung der Equipment List eingeflossen ist, auf einer privaten Festplatte des Beklagten aufgefunden wurde.
150(3)Der Zulässigkeit der Klageerweiterung steht deshalb auch nicht entgegen, dass sie auf Tatsachen gestützt ist, die das Gericht ansonsten bei seiner Entscheidung über die ursprünglichen Klageanträge nicht (auch) zugrunde zu legen hätte. Nach der maßgeblichen Vorschrift des § 67 Abs. 4 ArbGG hätte eine Zurückweisung selbst gänzlich neuen Vortrags der Klägerin im Rahmen ihrer fristgerechten Berufungserwiderung wegen Verspätung nicht erfolgen dürfen, wenn und weil das Gericht durch entsprechende Prozessleitung und Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreit hätte vorbeugen müssen. Dessen bedurfte es vorliegend indes nicht einmal, weil die für die Beurteilung der Begründetheit der Klageerweiterung relevanten Tatsachen unstreitig sind (der Beklagte hat den Inhalt der asservierten Gegenstände nicht bestritten) und es insoweit nur um die Beantwortung von Rechtsfragen (Liegt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vor? Sind die bei der Einsichtnahme in die Asservate gewonnenen Erkenntnisse prozessual verwertbar?) geht (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 14.06.2017, aaO; unstreitiger Sachvortrag ist selbst dann zu berücksichtigen, wenn er die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme begründet, BGH, Urteil vom 18.11.2004 - IX ZR 229/03, NJW 2005, 291).
1512.
152Die Klageanträge sind auch zulässig. Soweit der Beklagte rügt, der Auskunftsantrag sei zu unbestimmt, weil die Anlagen zum Teil geschwärzt sind, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Gebots- oder Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten geboten oder verboten ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.07.1999 - I ZR 204/96, NJW 1999, 3638). Diesen Vorgaben wurden die Anträge der Klägerin gerecht. Sämtliche Dateiauszüge, über deren Weitergabe und Verwertung der Beklagte Auskunft erteilen soll, weisen selbst in geschwärzter Form hinreichende Charakteristika aus, die dem Beklagten eine Identifizierung ermöglichen und ihn in die Lage versetzen, einem gerichtlichen Gebot verständig Folge zu leisten. Das gilt auch für die im Verlauf der Berufungsinstanz vervollständigten und mit weiteren Schwärzungen versehenen Anlagen HL 46 (neu), HL 47 (neu), HL 48 (neu) und HL 54a (neu). Sie enthalten jeweils den Dateinamen und lassen Aufbau, Inhalt und Umfang der Datei erkennen. Nicht zu Unrecht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Klageantrags auch im Lichte des Gebots effektiven Rechtsschutzes zu bestimmen sind. Wenn die Klägerin hofft, der Beklagte verfüge nach der Beschlagnahme seiner Festplatte nicht mehr über (alle) in den Anlagen enthaltenen, von ihr als geheim eingestuften Daten (Umsätze, Materialbewegungen, technische Maßdaten etc.), und deshalb Schwärzungen vornimmt, kann es nicht Sinn eines gerichtlichen Verfahrens sein, dem Beklagten diese Daten im Klartext im Urteilstenor nochmals zu präsentieren.
1533.
154Die Klägerin hat im geltend gemachten Umfang Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Weitergabe der in den Anlagen HL 11, HL 12, HL 46 (neu), HL 47 (neu), HL 48 (neu), HL 49, HL 50, HL 51, HL 52, HL 53, HL 54a (neu), HL 60, HL 62, HL 65, HL 68, HL 69 und HL 70 enthaltenen Angaben. Auch diese beinhalten Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse der Klägerin.
155a.
156Wegen der rechtlichen Herleitung des Anspruchs und den Vorgaben an ein "Betriebsgeheimnis" kann auf die Ausführungen unter oben B.II.2. verwiesen werden.
157b.
158Der Beklagte hat sich auch die in den vorbezeichneten Anlagen enthaltenen Daten unrechtmäßig verschafft. Die Dateien stammen von der Klägerin und befanden sich im Zeitpunkt der Beschlagnahme auf der privaten Datenträgern des Beklagten, auf denen sie per se nichts verloren hatten, erst Recht nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Diese Behauptungen hat der Beklagte nicht erheblich bestritten. Soweit er in Abrede stellen lässt, dass er den kompletten Datenbestand der Klägerin zu ihrer W.-Produktion auf eine private externe Festplatte übertragen hat, bedeutet dies nicht, dass das auch für die Dateien gilt, hinsichtlich derer die Klägerin Auskunft begehrt. Da unstreitig ist, dass der Beklagte überhaupt Dateien der Klägerin transferiert hat, hätte er schon qualifiziert vortragen müssen, welche der in der Anschlussberufung benannten Unterlagen und Informationen nicht von der Beklagten herrühren. Schließlich hätte der Beklagte diese Dateien dann selbst erzeugt oder aus anderen Quellen erhalten haben müssen; daran aber müsste er sich erinnern. Gleiches gilt für sein Bestreiten der Übereinstimmung der auf der Festplatte des Beklagten befindlichen Dateien mit denen auf dem M.-Laufwerk. Sollte es an einer solchen Übereinstimmung fehlen, müsste der Beklagte selbst Daten verändert haben oder Dritten die Möglichkeit hierzu bewusst verschafft haben. Auch hierzu hat der Beklagte sich nicht verhalten.
159c.
160Der Vortrag der Klägerin ist weiterhin nicht deshalb unverwertbar, weil diese wegen der Abänderung der vom Arbeitsgericht erlassenen einstweiligen Verfügung durch das erkennende Gericht die Asservate nicht hätte einsehen dürfen.
161aa.
162Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG vom 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot. Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (BAG, Urteil vom 20.10.2016 - 2 AZR 395/15, NZA 2017, 443 unter Hinweis auf BVerfG vom 13.02.2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202).
163bb.
164Die Einsichtnahme der Klägerin in (Teile der) amtlich verwahrten Beweisstücke war schon nicht rechtswidrig.
165(1)Nach unbestrittener Darstellung der Klägerin beruhte die Bewilligung der Einsichtnahme (auch) auf einer entsprechenden Entscheidung der aktenführenden Staatsanwaltschaft Köln gemäß § 406e Abs. 1, 4 Satz 1 StPO. Die Heranziehung dieser Norm als Grundlage für die Besichtigungsgestattung ergibt sich unzweifelhaft aus dem Anhörungsschreibens vom 15.03.2017 an die den Beklagten im Ermittlungsverfahren vertretende Rechtsanwältin X. (Anlage HL 85). Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft bindet das erkennende Gericht im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit, solange sie - wie hier offensichtlich nicht - auf Antrag des Beschuldigten (hier: des Beklagten) durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben wurde oder der Staatsanwaltschaft erkennbar grundrechtsrelevante Verfahrensverstöße (wie z.B. die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Beschuldigten, vgl. BVerfG vom 30.10.2016 - 1 BvR 1766/14, juris) unterlaufen sind bzw. die Entscheidung willkürlich ist. Auch letzteres ist nicht der Fall. Die Verletzteneigenschaft der Klägerin kann in Anbetracht der unstreitig vorliegenden rechtswidrigen Verschaffung interner Dokumente durch den Beklagten und deren rechtlich gebotener Bewertung als Geheimnisverrat im Sinne des § 17 UWG (siehe oben B.II.) nicht zweifelhaft sein. Dass die sicherlich anzuerkennenden schutzwürdigen Interessen des Beklagten, der Klägerin die Einsichtnahme in die Asservate zu versagen (ableitbar aus dem über Art. 1 Abs., 2 Abs. 1 GG geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vgl. BVerfG vom 30.10.2016, aaO), von der Staatsanwaltschaft gegenüber den Interessen der Klägerin willkürlich vernachlässigt worden wären, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
166(2)Es bedarf deshalb keiner abschließenden Entscheidung, ob sich die Klägerin auch auf einen zivilrechtlichen Anspruch aus § 809 BGB stützen kann. Gleichwohl hält die Kammer dafür, dass die Klägerin Inhaberin eines solchen Anspruchs war. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die zutreffenden und den Parteien bekannten Erwägungen des Arbeitsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 15.02.2017 - Az. 12 Ga 4/17 zu Ziffer I.2. der Entscheidungsgründe. Soweit das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 08.04.2013 - 9 Sa 92/12, juris) ein aus § 809 BGB abgeleitetes Besichtigungsrecht von der Staatsanwaltschaft asservierter Gegenstände abgelehnt hat, beruht diese Entscheidung auf der Erwägung, dass hinsichtlich dieser Gegenstände als Sachgesamtheit nicht erkennbar sei, dass in Ansehung jedes einzelnen von ihnen ein Anspruch auf Schadensersatz o.ä. bestehe. Das schließt aber im Umkehrschluss nicht aus, dass für jeden einzelnen der asservierten Gegenstände die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 809 BGB sehr wohl vorliegen können und der Anspruchssteller dies darlegen kann. Dabei dürfen aus Sicht des Gerichts in Fällen des "Datenklaus" die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs gerade in Ansehung einer bestimmten Sache nicht überspannt werden. Datenträgern ist in der Regel nämlich nicht von außen und allein aufgrund ihrer Bezeichnung anzusehen, was auf ihnen gespeichert ist. Deshalb genügt für den vorliegenden Fall, dass die rechtswidrige Verschaffung firmeninterner Daten durch den Beklagten bereits bekannt war und davon ausgegangen werden konnte, dass mit dem Auffinden weiterer Dateien auf den asservierten Gegenständen zu rechnen war. Genau diese Annahme hat sich schließlich im Rahmen der Einsichtnahme mehr als eindrucksvoll bestätigt.
167An allem änderte der Umstand nichts, dass die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf abgeändert wurde. Dies beruhte allein auf der Erwägung, dass ein Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) nicht glaubhaft gemacht worden ist. Gleichwohl bestand in der Sache ein Anspruch der Klägerin aus § 809 BGB. Der Beklagte hätte, wenn auch kurze Zeit später, die Einsichtnahme in die asservierten Gegenstände aufgrund einer erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Hauptsache dulden müssen. Ein etwaiger objektiver datenschutzrechtlicher Verstoß wird danach durch die Einbringung der Unterlagen in den vorliegenden Prozess nicht perpetuiert. Dem steht auch kein "hypothetischer Kausalverlauf" des Inhalts entgegen, dass die Klägerin in der Zwischenzeit ja von "einem chinesischen Investor" hätte übernommen werden können und es deshalb ggf. nicht zur Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gekommen wäre (Blatt 3 des Beklagtenschriftsatzes vom 29.03.2018). Das hätte am Bestehen eines materiellen Besichtigungsanspruchs, der allein die Einsichtnahme in die asservierten Beweisstücke rechtmäßig macht, nichts geändert. Abgesehen davon ist die Klägerin nicht von einem chinesischen Investor übernommen worden.
168d.
169Die Unterlagen, hinsichtlich derer die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung Auskunft begehrt, enthalten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 17 UWG.
170(1)Der T.-Vertrag (Anlage HL 11) beinhaltet vertragliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der T. GmbH zum Anlagenbetrieb, dem geschuldeten Personaleinsatz, dem zu produzierenden Output sowie Kostenansätze. Dass die Klägerin aus Gründen des Konkurrenzschutzes ein berechtigtes Interesse daran hatte, diese Daten geheim zu halten, bedarf keiner weiteren Erörterung.
171(2)Hinsichtlich der "Betriebsvorschrift: Herstellung von W." (Anlage HL 12) gilt das oben im Rahmen der Berufung zur Equipment List (Anlage HL 17, HL 17a) Gesagte entsprechend.
172(3)Die Anlagen HL 46 (neu) und HL 47 (neu) weisen etwa Interna zur Kostenanalyse der W.-Produktion, zu Buchwerten der Velcorinanlagen, zu Prozessabläufen, Schwachstellenanalysen und baulichen Gegebenheiten der Produktionsanlagen auf. Aus der Kenntnis Dritter über derartige, nicht öffentlich zugängliche Informationen können der Klägerin ohne weiteres wettbewerbsrechtliche Nachteile entstehen. Dass die Daten einige Jahre alt waren, macht sie nicht unverwertbar. Die Kenntnis selbst von bei der Klägerin zwischenzeitlich behobenen Schwachstellen hilft, sie bei einer Konkurrenzproduktion zu vermeiden. Kostenstrukturen bleiben häufig konstant.
173(4)Die "B.-Listen" (Anlagen HL 48 (neu), HL 49) geben Aufschluss etwa über Anschaffungs- und Herstellungskosten von Anlagenteilen und deren Wertminderung durch Abnutzung. Zum Geheimnischarakter gilt das unter (3) Ausgeführte entsprechend.
174(5)Die Anlagen HL 50, HL 51, HL 52, HL 53 und HL 69 enthalten (ins Chinesische übersetzte) Elemente des T.-Vertrags und der Betriebsvorschrift zur Herstellung von W. (Anlagen HL 11, 12) und decken sich daher in maßgeblichen Teilen mit der bereits oben diskutierten Anlage HL 17, HL 17a. Der Wettbewerbsnutzen dieser Daten für den Beklagten bzw. Herrn Z. wird durch den Projektvorschlag von Herrn Z. (Anlage HL 21) hinreichend belegt.
175(6)Die Anlagen HL 54a (neu) und 54b beinhalten Kosten- und Nutzwertanalysen von W., Listen von Kunden der Klägerin mit Abnahmemengen und Lieferpreisen sowie Angaben zu chemischen Eigenschaften von bei der W.-Produktion eingesetzten Stoffen. Zum Geheimnischarakter gilt das unter (3) Ausgeführte entsprechend.
176(7)Die im Februar 2013 an Herrn D. gesandte Präsentation zur W.-Herstellung (Anlage HL 60) deckt sich inhaltlich mit der Anlage HL 20, bezüglich derer der Geheimnischarakter bereits geprüft und bejaht wurde. Auf die Ausführungen unter B.II.2.b. wird Bezug genommen. Sie gelten auch für die Anlagen HL 62 und HL 65, die spezifische Daten zu den bei der W.-Herstellung eingesetzten Rohstoffen Chlorameisensäuremethylester (CAME) und Natriumhydroxid (NaOH) enthalten. Dass diese frei zugänglich wären, hat der Beklagte nicht behauptet.
177(8)Die Anlage HL 68/68a beinhaltet spezifische Hinweise zur Gestaltung der Produktion von W. wie Säurekonzentrationen, Temperaturen, Drücke und Katalysatoren, die der Beklagte an Herrn Dr. A. übersandt hat. Auch insoweit sind keine Hinweise für eine freie Zugänglichkeit dieser Informationen und ein fehlendes Interesse der Klägerin an ihrer Geheimhaltung ersichtlich. Wenn Herr Dr. A. die sich an den Chat anschließenden Versuche schon aufgrund von Daten aus frei zugänglichen Quellen hätte durchführen können, hätte es der Information durch den Beklagten nicht bedurft.
178(9)Für die Liste von Kunden der Klägerin, die L. ("adhesives") abnehmen (Anlage HL 70), gilt das zur Liste von W.-Kunden Gesagte entsprechend. Namen von Kunden und die mit diesen getätigten Umsätzen sind ein Geschäftsgeheimnis.
179D.
180I.
181Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin im Umfang von 10.060,00 € war im Hinblick auf den Gesamtstreitwert des Rechtsstreits verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.
182II.
183Die Revision zugunsten einer der Parteien war mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.
1841.
185Die vorliegende Entscheidung basiert nicht auf der Beantwortung höchstrichterlich noch ungeklärter Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Das Gericht hat sich durchgehend an der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof orientiert und diese wertend auf den zu entscheidenden Sachverhalt übertragen. Die Entscheidung steht auch nicht in Divergenz zu Entscheidungen eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte. Insbesondere weicht das Gericht nicht von einer Entscheidung des BAG zu § 12a ArbGG ab, von denen keine die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten betrifft, die einem Arbeitgeber infolge schädigender Handlung des Arbeitnehmers durch die Führung eines Prozesses gegen Dritte im Ausland entstehen. Soweit der Beklagte eine Divergenz zur Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 08.04.2013 - 9 Sa 92/12, juris) zu erkennen verneint, käme es auf diese nicht an, weil das vorliegende Urteil auf einer etwaigen Abweichung zu dieser Entscheidung nicht beruht. Die Besichtigung der von der Staatsanwaltschaft asservierten Gegenstände war bereits über § 406e StPO legitimiert.
1862.
187Die Revision war auch nicht zuzulassen, weil die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind, § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG in Verbindung mit § 547 Nr. 5 ZPO. Das Gericht hat die Öffentlichkeit - auf entsprechenden Antrag der Klägerin - von der mündlichen Verhandlung am 12.06.2018 nur insoweit ausgeschlossen, als dort Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin zur Sprache kamen.
188a.
189Gemäß § 52 Satz 2 ArbGG kann das Arbeitsgericht die Öffentlichkeit für die Verhandlung oder einen Teil der Verhandlung unter anderem ausschließen, wenn eine Partei dies beantragt, wenn Betriebs-, Geschäfts- oder Erfindungsgeheimnisse zum Gegenstand der Verhandlung oder der Beweisaufnahme gemacht werden. Bei der Entscheidung des Gerichts über den Ausschließungsantrag, die das Gericht durch öffentlich zu verkündenden Beschluss zu treffen hat (§ 52 Satz 4 ArbGG in Verbindung mit § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat das Gericht die tatbestandlichen Voraussetzungen der in Rede stehenden Ausschließungsnorm zu prüfen und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang dem Geheimnisschutz Vorrang vor dem Grundsatz der Prozessöffentlichkeit gebührt, der ein Leitprinzip des rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens darstellt. Wegen der Begrifflichkeit des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses kann auf die Ausführungen unter oben B.II.2.a. verwiesen werden. Maßgeblich ist, ob im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gerichts damit zu rechnen war, dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zu erörtern sein würden. Ob sich die Annahme im Nachhinein bewahrheitet, spielt keine Rolle (BGH, Urteil vom 09.12.2015 - IV ZR 272/15, NJW-RR 2016, 606).
190b.
191Nach diesen Grundsätzen hat die Kammer die Öffentlichkeit für den Teil der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, in dem zu erwarten war, dass die Parteien und das Gericht über die von der Klägerin zur Akte gereichten Produktionsbeschreibungen zur Herstellung von W., chemische Formeln, Listen von Anlagenbestandteilen, Kostenansätze, Kundenlisten etc. als solche und ihre Einstufung als Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sprechen würden. Dass es sich bei den in den Daten gemäß den zur Akte gereichten Anlagen, hinsichtlich deren Weitergabe und Verwendung die Klägerin Auskunft vom Beklagten begehrt, tatsächlich um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse handelt, ist bereits oben dargelegt worden. Dass die Erörterung in der Folge kurz ausgefallen sein mag, ist unerheblich. Das Gericht hat die Teile der Verhandlung vom Ausschluss der Öffentlichkeit ausgenommen, hinsichtlich derer nicht zu erwarten war, dass die in Rede stehenden Geheimnisse inhaltlich diskutiert würden. Das gilt insbesondere für die Beweisaufnahme, bei der es lediglich um den vom Beklagten zu ersetzenden Schaden nach Grund und Höhe ging. Die Verfahrensvorgaben des § 174 GVG wurden beachtet.
192Das Gericht war am Ausschluss der Öffentlichkeit nicht gehindert, weil die Klägerin bereits zuvor in öffentlicher Verhandlung - vor dem Arbeits- wie Landesarbeitsgericht - die Interna zur W.-Produktion offenbart hatte, ohne einen Ausschlussantrag gestellt zu haben. Der Klägerin ist deshalb kein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen. Die Situation in der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2018 war eine andere als zuvor. Zum einen hatte die Presseabteilung des Landesarbeitsgerichts im Vorfeld der Verhandlung eine Pressemitteilung platziert, aufgrund derer mit dem Erscheinen von Pressevertretern zu rechnen war. Dass zu Beginn der mündlichen Verhandlung keine Medienberichterstatter anwesend waren, schloss ein späteres Eintreffen nicht aus. Zum zweiten befanden sich durchaus mehrere Personen im Gerichtssaal, die weder der Sphäre des Gerichts noch der Klägerseite zuzurechnen waren.
193E.
194Die im Nachgang zur Verkündung dieses Urteils gestellten Verfahrensanträge konnten keine Berücksichtigung mehr finden.
195I.
196Eine Berichtigung des Urteils gemäß § 319 ZPO wegen offensichtlicher Unrichtigkeit im Urteil bzw. deren Begründung selbst kommt nicht in Betracht. Eine Berichtigung hat gemäß § 319 Abs. 2 ZPO durch gesonderten Beschluss zu erfolgen. § 319 ZPO meint im Übrigen mit "offenbar" nur solche Unrichtigkeiten, die sich für einen Außenstehenden aus dem Zusammenhang des Urteils oder Vorgängen bei Erlass oder Verkündung ohne weiteres ergeben (vgl. hierzu zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 08.07.2014 - XI ZB 7/13, NJW 2014, 3101). Für den vorliegenden Fall kann aber ein Außenstehender keinesfalls erkennen, ob das Gericht die Tenorierung einer erweiterten Feststellung der Schadensersatzpflichtigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit der Anschlussberufung der Klägerin übersehen oder - in Anknüpfung an den Wortlaut der zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge - den Urteilsausspruch vom 28.06.2018 als abschließend aufgefasst hat.
197II.
198Die von beiden Parteien gestellten Anträge auf Ergänzung des Urteils gemäß § 321 ZPO können nur im Wege eines neuen Urteils (einer "nachträglichen Entscheidung"), das in der Regel nach mündlicher Verhandlung (§ 312 Abs. 3 Satz 1 ZPO) zu ergehen hat, beschieden werden. Diese hat (nur) den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand (§ 321 Abs. 4 ZPO). Das Gericht erlaubt sich gleichwohl bereits an dieser Stelle den Hinweis, dass nur solche Punkte Gegenstand eines Ergänzungsurteils sein können, die das Gericht bei seiner Entscheidung ganz oder teilweise übergangen hat. Das könnte für die Nichtentscheidung über den erweiterten Feststellungsantrag der Klägerin durchaus der Fall sein. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 24.07.2018 ein Ergänzungsurteil wegen der Zulassung der Revision begehrt, kommt dies jedoch nicht in Betracht. Das Gericht hat in der vorliegenden Entscheidung über diesen Punkt entschieden. Eine aus Sicht einer Partei falsche Entscheidung hat mit einem Übergehen im Sinne des § 321 Abs. 1 ZPO nichts zu tun.
199III.
200Soweit die Klägerin nachträglich eine textliche Modifizierung des Urteilstenors (Schriftsatz vom 06.07.2018) bzw. das Unterlassen der Verbindung der Anlagen mit dem Urteilstenor (Schriftsatz vom 17.07.2018) begehrt, kann sie damit nicht durchdringen. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Die vom Gericht verkündete und die von ihm zu begründende Entscheidung haben deckungsgleich zu sein. Zudem verfangen die Einwände der Klägerin auch in der Sache nicht.
201(1)Die Kammer hat nicht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem sie aus Gründen der Klarstellung des Inhalts der Anlagen, zu denen der Beklagte Auskunft erteilen soll, und der Übersichtlichkeit des Tenors stichwortartige Umschreibungen des Inhalts bzw. der Bezeichnung der Anlagen in den Tenor aufgenommen und die Nummerierung der Anträge marginal abgeändert hat. § 308 Abs. 1 ZPO verbietet, einer Partei mehr oder etwas anderes als beantragt zuzusprechen. Das Gericht hat der Klägerin indes genau das zugesprochen, was sie auch begehrt hat.
202(2)Eine Entfernung der stichwortartigen Anlagenbezeichnungen trüge im Übrigen nur wenig zur gewünschten Geheimhaltung bei, weil die Produktbezeichnung "W." in den in den Tenor integrierten Anlagen dutzendfach, wenn nicht hundertfach Verwendung findet, und zwar selbst in deren von der Klägerin nachträglich mit zusätzlichen Schwärzungen versehenen Version. Dass das Gericht gewillt war, diese Anlagen in den Tenor aus Gründen der Vollstreckbarkeit aufzunehmen, hatte es mit Hinweisbeschluss vom 19.12.2017 ausdrücklich angekündigt (dort zu Ziffer 2.). Daraufhin hat die Klägerin die Anlagen mit Schriftsatz vom 31.01.2018 in überarbeiteter Form eingereicht. Weitere Einwendungen gegen das beabsichtigte Vorgehen des Gerichts hat sie nicht erhoben.
203(3)Die Integrierung der Anlagen in den Tenor ist aus Gründen der Vollstreckbarkeit erforderlich. Hierauf hatte das Gericht im Hinblick auf die Entscheidung des BAG vom 12.01.2011 - 7 ABR 25/09, NZA 2011, 1304 hingewiesen. Danach gilt der Grundsatz, dass Entscheidungsinhalte in einer einheitlichen Urkunde festzulegen sind. Die hiervon zu machenden Ausnahmen - insbesondere im Falle von Unterlassungstiteln, die sich auf Video- oder Audioaufzeichnungen bzw. Software beziehen - liegen im zu entscheidenden Fall nicht vor. Wenn das OLG Karlsruhe (Urteil vom 14.10.2011 - 14 U 56/11, NJW-RR 2012, 820) darüber hinaus die Knappheit und Übersichtlichkeit des Urteilsausspruchs als Ausnahmetatbestand bemüht, folgt die Kammer dem nicht. Die Vollstreckbarkeit eines Titels muss sich nach Möglichkeit aus ihm selbst heraus ergeben. Nach Maßgabe der für die Arbeitsgerichtsbarkeit einschlägigen Aktenordnung sind nur bestimmte Teile der Akte wie eben der Tenor von einer Vernichtung nach Ablauf von fünf Jahren ausgenommen. Im Übrigen deckt sich diese Einschätzung zur Tenorgestaltung mit der Rechtsprechung der Zwangsvollstreckungskammer beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf zu den Vorgaben an die Vollstreckbarkeit von Titeln. Das Gericht geht nicht sehenden Auges das Risiko ein, den Rechtsstreit wegen der im Rahmen der Vollstreckung eingewendeten oder angenommenen Unbestimmtheit des Titels nochmals durchführen zu müssen.
204(4)Die Klägerin bewertet den Vorteil über, den sie durch die Entfernung der Bezeichnung "W." aus Tenor und Entscheidungsgründen des vorliegenden Urteils erwürbe. Eine Veröffentlichung des Urteils ist in Anbetracht der Nichtzulassung der Revision oder aus sonstigen Gründen weder geboten noch beabsichtigt. Gerade wegen des Umfangs des Tenors kommt eine Veröffentlichung in den Printmedien kaum in Betracht. Sollte dies doch der Fall sein, hat die Verwaltung des Landesarbeitsgerichts über die vorzunehmende Anonymisierung des Urteils zu befinden. Diese umfasst keinesfalls nur die Namen der Parteien oder sonstiger involvierter Personen. Die Klägerin sei insoweit auf die Abfassung der Pressemitteilung verwiesen, in der keinerlei Klarbezeichnungen verwendet wurden. Abgesehen davon hat die Klägerin in der Vergangenheit kein Problem darin gesehen, dass über die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zusammenhang mit der Produktion von W. mindestens sechsmal vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht in öffentlicher Sitzung verhandelt und in vier hierauf ergangenen Urteilen ausdrücklich der Name des betroffenen Produkts erwähnt wurde, darunter eines des Arbeitsgerichts von März diesen Jahres und eines des Landesarbeitsgerichts selbst. Ein Grund für die Annahme, die bisher fehlende öffentliche Resonanz würde sich aufgrund des vorliegenden Urteils schlagartig einstellen, ist nicht erkennbar. Die Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts hat bei den Medien offensichtlich keine Beachtung gefunden. Wegen des Ergebnisses des Verfahrens gibt es anders als in anderen Fällen erst gar keine weitere Pressemitteilung.
205R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
206Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
207Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde werden beide Parteien auf § 72 a ArbGG verwiesen.
208Schneider Sage Schneider
209für den aus dem Dienst aus-
210geschiedenen ehrenamtlichen
211Richter Krause
2128 Sa 379/17
12 Ca 6005/16 Arbeitsgericht Düsseldorf |
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS In dem Rechtsstreit |
der M. Deutschland GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer N. A. und Dr. I. G., L. platz 1, L.,
216- Klägerin und Berufungsbeklagte -
217Prozessbevollmächtigte:Rechtsanwälte I. M. u. a.,
218L. damm 24, E.,
219g e g e n
220den Herrn B. M., H.-M.-Str. 46, S.,
221- Beklagter und Berufungskläger -
222Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt Dr. I. H.,
223C. Straße 2 b, F.,
224Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt Dr. I.-K. S.,
225C. Str. 2 b, F.,
226wird der Tatbestand des Urteils vom 28.06.2018 dahingehend berichtigt, dass
2271.auf Blatt 14 des Urteils nach dem 2. Absatz folgender Passus eingefügt wird:
228"Die Klägerin hat mit ihrer Berufungserwiderung- und Anschlussberufungsschrift u.a. die folgenden Anträge angekündigt:
229"I. Der Beklagte wird verurteilt,
2301. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, gegenüber wem,
231in welcher Form und in welchem Umfang er die als Anlage
232HL 17 beigefügte Liste, auch in ihrer deutschen Sprach-
233fassung (Anlage HL 17a) oder in einer sonstigen Sprach-
234fassung, und/oder die als Anlage HL 20 überreichten Unter-
235lagen, ebenfalls unabhängig von der Sprachfassung;
236sowie die Unterlagen entsprechend den teilweise auszugs-
237weise vorgelegten Anlagen HL 11, HL 12, HL 46, HL 47,
238HL 48, HL 49, HL 50, HL 51, HL 52, HL 53, HL 54a, HL 54 b,
239HL 60, HL 62, HL 65, HL 68, HL 69 und HL 70, jeweils un-
240abhängig von der Sprachfassung,
241Dritten mitgeteilt und/oder zugänglich gemacht und/oder
242selbst oder durch Dritte verwertet hat;
2432. ...
244II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist,
245der Klägerin allen über den Schaden gemäß Ziffer I. 2.
246hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihr durch
247Handlungen der in Ziff. I 1. beschriebenen Art entstanden
248ist und noch entstehen wird."
2492.der erste Satz auf Seite 16 des Urteils wie folgt neu gefasst wird:
250"Mit der Anschlussberufung verfolge die Klägerin Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche im Hinblick auf Daten und Vorgänge, die sich auf den von der Staatsanwaltschaft asservierten Beweismitteln befunden haben."
251G r ü n d e:
252Der Tatbestand des Urteils der Kammer war gemäß § 320 ZPO wie geschehen zu berichtigen.
253I.
254Der Antrag der Klägerin ist zulässig.
2551.
256Der Antrag ist rechtzeitig gestellt. Die Antragsfristen des § 320 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 ZPO sind gewahrt. Der Antrag lässt sich vorsorglich und konkludent bereits dem Schriftsatz der Klägerin vom 06.07.2018 entnehmen. Der dort begehrte Erlass eines Ergänzungsurteils gemäß § 321 ZPO setzt inhaltlich eine Diskrepanz zwischen dem im zu ergänzenden Urteil beschiedenen Anträgen und den tatsächlich von der Partei geltend gemachten sowie deren tatbestandliche Feststellung voraus. Genau das hat die Klägerin bereits damals gerügt; ihr Petitum kann nicht anders verstanden werden, als dass sie alle Voraussetzungen schaffen wollte, um eine positive Entscheidung gemäß § 321 ZPO herbeizuführen.
257In Anbetracht dessen bedarf die in Rechtsprechung und Literatur diskutierte Frage, ob ein Tatbestandsberichtigungsantrag zur Wahrung der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO quasi "auf Verdacht hin" gestellt werden muss, wenn und weil die Partei infolge der verspäteten Abfassung und Zustellung des vollständigen Urteils gar keine Kenntnis vom Inhalt des Tatbestandes haben kann, keiner abschließenden Entscheidung. Die Kammer neigt insoweit der Auffassung des KG Berlin (Beschluss vom 01.03.2001 - 10 U 8170/99, NJW-RR 2001, 1296) sowie des Hessischen LAG (Beschluss vom 10.06.2005 - 17 Sa 1257/03, juris) zu, wonach sich aufgrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebot des fairen Verfahrens ergibt, über einen im Übrigen zulässigen Tatbestandsberichtigungsantrag auch dann zu befinden, wenn die Frist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO zwar verstrichen ist, das Urteil aber aus nicht von den Parteien zu vertretenden Gründen erst nach Ablauf von drei Monaten zugestellt worden ist. Jedenfalls gebietet diese aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen gewonnene Erwägung, die Anforderungen an die Auslegung, ob ein Tatbestandsberichtigungsantrag im Rahmen eines rechtzeitig platzierten Antrags nach § 321 ZPO mitgestellt ist, nicht zu überspannen.
2582.
259Dem Antrag der Klägerin fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich aus Ausführungen des Gerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt, dass die Kammer bei ihrer Entscheidung am 28.06.2018 von einer Diskrepanz zwischen gestellten und beschiedenen Anträgen ausging. In der von der Klägerin zitierten Passage auf Seite 47 des Urteils ist lediglich die Rede davon, dass das Gericht den erweiterten Feststellungsantrag der Klägerin übergangen haben könnte. Aus der Verwendung des Konjunktivs folgt, dass das Gericht insoweit gerade keine endgültige tatbestandliche Feststellung im Hinblick auf das Übergehen des Antrags getroffen hat.
260II.
261Der Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin ist begründet. Der Tatbestand des Urteils vom 28.06.2018 enthält die gemäß dem Tenor dieses Beschlusses korrigierten Auslassungen im Sinne des § 320 Abs. 1 ZPO. Dem Tatbestand in seiner unberichtigten Form ist der Inhalt der schriftsätzlich avisierten Anschlussberufungsanträge nicht zu entnehmen. In Anbetracht der im Tatbestand ausdrücklich aufgeführten, auf Vorschlag des Gerichts in der mündlichen Verhandlung umformulierten Anträge genügt die Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze der Klägerin gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht; der Inhalt der tatbestandlichen Feststellungen bliebe unklar. Eine offensichtliche (für jeden erkennbare) Unrichtigkeit, die gemäß § 319 ZPO zu berichtigen wäre, liegt ebenfalls nicht vor.
262III.
263Über den Tatbestandsberichtigungsantrag der Berufungsbeklagten hatten ausschließlich der Vorsitzende und der ehrenamtliche Richter Sage zu befinden, da der ehrenamtliche Richter Krause bereits zum 30.06.2018 aus dem Dienst ausgeschieden ist und deshalb an der Abfassung des nunmehr zu berichtigenden Tatbestandes nicht mehr beteiligt war. Selbst wenn er hieran noch mitgewirkt hätte, wäre er nunmehr verhindert mit der Folge, dass allein der Spruchkörper in seiner verbliebenen, reduzierten Besetzung über den Tatbestandsberichtigungsantrag zu entscheiden hatte, § 320 Abs. 4 Satz 3 ZPO.
264Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO.
265Düsseldorf, den 08.01.2019
266gez.: Schneidergez.: Sage