Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Verändern die Parteien die beiderseitigen Hauptpflichten in einem fundamentalen Umfang, so hält ein für beide Parteien zum Zweck der Erprobung eingeräumtes, auf sechs Monate befristetes Widerrufsrecht einer Inhaltskontrolle stand.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.02.2018 - 6 Ca 6078/17 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.
Die Revision wird für den Kläger für den Antrag zu 3. (Hilfsantrag) zugelassen.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten darüber, zu welchen Bedingungen der Kläger bei der Beklagten angestellt ist.
3Der 1960 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, die wesentlich mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 18.05.2015 tätig. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
4Die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete ursprünglich der schriftliche Arbeitsvertrag vom 15.05.2015 (Bl. 104 ff. d. A.). Danach war der Kläger Teamleiter der Niederlassung O. gegen eine Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.450,00 € nebst einer funktionsabhängigen Zulage von 150,00 € monatlich. In dieser Funktion oblag ihm die Führung eines Teams aus Lagerarbeitern und Kraftfahrern mit Lagertätigkeit. Wegen der Aufgaben im Einzelnen wird auf die Stellenbeschreibung (Bl. 112 ff. d. A.) Bezug genommen. Danach wies die Stelle als "Anforderungsprofil" eine abgeschlossene Ausbildung im Speditions-, Automotive- bzw. Logistikbereich mit IHK-Abschluss oder mehrjährige Berufserfahrung in den genannten Bereichen auf.
5Unter dem 11.05.2017 stellten die Parteien das Arbeitsverhältnis auf eine neue Grundlage. In dem seitens der Beklagten einseitig vorgegebenen Vertrag heißt es
6"§ 1. Tätigkeit
71. Herr C. ist seit dem 18.05.2015 bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Herr C. wird ab dem 15.05.2017 als Mitarbeiter operative Verwaltung S. Hotel beschäftigt. Es werden 6 Monate als Probezeit vereinbart, die bis zum 14.11.2017 läuft. Bis zum 14.11.2017 kann durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers, mit einer Frist von 14 Tagen, die Fortführung als Mitarbeiter operative Verwaltung S. Hotel schriftlich beendet werden. Sollte eine Beschäftigung als Mitarbeiter operative Verwaltung S. Hotel über den 14.11.2017 hinaus nicht fortgeführt werden, so wird Herr C. wieder zu den bisherigen Vertragsbedingungen (vor dem 15.05.2017) als Teamleiter in O. weiterbeschäftigt.
89
§ 2. Dauer/Probezeit/Kündigung/Freistellung
101. Die ersten sechs Monate werden zur Erprobung vereinbart (§ 1. 1.) Während der Probezeit kann die Tätigkeit als Mitarbeiter operative Verwaltung S. Hotel mit einer Frist von zwei Wochen beendet werden. Das Arbeitsverhältnis kann mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden.
112. Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem Herr C. eine Rente wegen Alters beantragen kann. § 41 SGB VI bleibt unberührt.
1213
§ 4. Vergütung
141. Herr C. erhält eine monatliche Bruttovergütung, zahlbar am ersten des folgenden Monats, in Höhe von 3.950,00 EUR. Überstunden sowie Mehrarbeit sind durch die vereinbarte monatliche Bruttovergütung abgegolten."
15Außerdem sah der Vertrag vor, dass die Beklagte dem Kläger einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen hatte. Inklusive dieses Sachbezuges betrug der Bruttomonatsverdienst des Klägers 4.450,00 €. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages vom 11.05.2017 im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 4 ff. d. A.).
16Die Stelle als Mitarbeiter operative Verwaltung beinhaltete anders als die bisherige die Steuerung und Überwachung operativer Prozesse, die Verknüpfung verschiedener Abteilungen sowie die Entwicklung von Optimierungsmaßnahmen in eigenverantwortlichen und gestalterischen Prozessen. Nach der Konzeption der Beklagten war für die neue Stelle ein abgeschlossenes Studium oder ein Abschluss als staatlich geprüfter Techniker erforderlich. Wegen der Aufgaben im Einzelnen wird auf die Stellenbeschreibung (Bl. 115 d. A.) verwiesen.
17Mit Schreiben vom 26.10.2017 (Bl. 11 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Tätigkeit als Mitarbeiter operative Verwaltung S. hotel in der vereinbarten Probezeit zum 14.11.2017 "beende/kündige" und der Kläger ab dem 15.11.2017 wieder als Teamleiter O. zu den alten Bedingungen weiterbeschäftigt werde.
18Mit Schreiben vom 06.11.2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er das "Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt annehme, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (Annahme unter Vorbehalt)."
19Mit seiner am 09.11.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 14.11.2017 zugestellten Klage hat der Kläger eine "Änderungsschutzklage" erhoben und auf die "Annahme unter Vorbehalt nach § 2 KSchG" verwiesen. Er hat gemeint, die Beklagte könne nicht einseitig die Vertragskonditionen wieder zurück ändern. Er hat die fehlende soziale Rechtfertigung der aus seiner Sicht ausgesprochenen Kündigung sowie die Ordnungsgemäßheit der Betriebsrats-anhörung gerügt. Er hat die Auffassung vertreten, bei der Vereinbarung unter § 1 Ziffer 1. des Vertrages vom 11.05.2017 handele es sich um die unwirksame nachträgliche Vereinbarung einer Probezeit, nicht hingegen um die befristete Übertragung der höherwertigen Tätigkeit. Sofern in der Regelung ein Widerrufsrecht zu sehen sei, könne diese nicht als wirksam angesehen werden, da dieses nach dem Vertrag voraussetzungslos sei, also auch willkürlich erfolgen könne. In der Sache handele es sich dann um eine unwirksame Teilkündigung.
20Der Kläger hat zuletzt beantragt,
211.festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 26.10.2017 unwirksam ist;
222.die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung bezieht;
233.hilfsweise zum Klageantrag zu 1.
24festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch das Schreiben der Beklagten vom 26.10.2017 (Anlage K2 zur Klageschrift) unwirksam ist, also zu den bisherigen Bedingungen (Mitarbeiter Operative Verwaltung Räderhotel) fortbesteht.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Vertrag vom 11.05.2017 habe eine wirksame befristete Übertragung einzelner Arbeitsbedingungen enthalten. Die Beendigung der neuen Tätigkeit sei erfolgt, weil der Kläger aus ihrer Sicht nicht die gewünschte Unterstützung der Geschäftsführung erreicht und nicht genügend verwertbare Ergebnisse erzielt habe.
28Mit Urteil vom 27.02.2018 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Änderungsschutzantrag sei bereits unzulässig, weil die Beklagte keine Änderungskündigung im Rechtssinne ausgesprochen habe. Dem Schreiben der Beklagten vom 26.10.2017 fehle die insoweit erforderliche Erklärung, das Arbeitsverhältnis insgesamt beenden zu wollen. Der zulässige Hilfs-antrag sei unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zu den Konditionen des Vertrages vom 11.05.2017 fortbestehe. Mit dem Schreiben vom 26.10.2017 habe sich die Beklagte wirksam von den neuen Vertragsbedingungen gelöst. Angesichts des Umstands, dass dem Kläger eine völlig neue, sich von der ursprünglich ausgeübten Tätigkeit fundamental unterscheidende Aufgabe oblegen habe, wäre eine nur befristete Übertragung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch nach dem Maßstäben der §§ 305 ff. BGB zulässig gewesen. Stattdessen hätten die Parteien die Vertragsänderung unter den Vorbehalt eines Widerrufsrechts gestellt. Eine solche im Vergleich zur Befristung geringer in die Arbeitnehmerinteressen eingreifende Konstruktion müsse daher auch der Inhaltskontrolle standhalten. Den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses habe die Kammer entgegen §§ 611, 242 BGB verneint.
29Gegen das ihm am 20.03.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.03.2018 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
30Zur Begründung seiner Berufung führt er aus, die Ansicht des Arbeitsgerichts, es handele sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 26.10.2018 nicht um eine klassische Änderungskündigung, treffe zwar zu. Sein Antrag sei jedoch auslegungsfähig. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 26.10.2017 die Arbeitsbedingungen ändern wollen. Er habe mit dem Hauptantrag die Unwirksamkeit dieser Maßnahme feststellen lassen wollen. Der vom Gericht als zulässig erachtete Hilfsantrag unterscheide sich eigentlich nur geringfügig sprachlich von dem Hauptantrag. Jedenfalls sei der Hilfsantrag begründet. Die im Vertrag vom 11.05.2017 gewählte Vertragskonstruktion stelle entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts gegenüber einer Befristung kein Minus, sondern ein Aliud dar. Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes könne eine solche Kündigungsmaßnahme schon mangels vorheriger Beteiligung des Betriebsrats nicht wirksam sein. Ein nicht an Bedingungen geknüpftes Widerrufsrecht sei unwirksam. An der Erteilung eines Zwischenzeugnisses habe er ein berechtigtes Interesse gehabt, da die Beklagte mit dem Schreiben vom 26.10.2017 eine wesentliche Änderung der Vertragsbedingungen habe herbeiführen wollen.
31Der Kläger beantragt,
32das angegriffene Urteil abzuändern und nach den in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.
33Die Beklagte beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag. Allerdings habe in rechtlicher Hinsicht eine befristete Übertragung der neuen Tätigkeit vorgelegen. Hilfsweise macht sie sich die Auffassung des Arbeitsgerichts zu eigen, es läge ein wirksam vereinbartes und ausgeübtes Widerrufsrecht vor.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
37E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
38A.
39Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
40B.
41Die Berufung ist jedoch in der Sache nur zu einem geringen Teil begründet.
42I. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen.
43Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass der Antrag auslegungsbedürftig und auslegungsfähig ist. Der Vorwurf, das Arbeitsgericht habe dies verkannt, erweist sich jedoch als unzutreffend. Im Gegenteil hat es sich der Aufgabe gestellt, dem nach der eigenen Auffassung des Klägers sich vom Hilfsantrag kaum unterscheidbaren Antrag eine eigenständige Bedeutung beizumessen. Dabei ist es auf der Grundlage der Klagebegründung zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, es handle sich um einen Änderungsschutzantrag nach § 4 Satz 2 KSchG. Der Kläger hat seine den fraglichen Antrag enthaltende Klageschrift als "Änderungsschutzklage" betitelt. Der Antrag selbst entspricht der für Änderungsschutzklagen empfohlenen Formulierung (vgl. z. B. Hamacher Antragslexikon Arbeitsrecht, 2. Aufl. Stichwort Änderungskündigung, Seite 48). Zudem hat der Kläger in der Antragsbegründung auf die von ihm erklärte Annahme nach § 2 KSchG verwiesen. Auf die Erklärung der Beklagten, sie habe keine Änderungskündigung ausgesprochen, und den entsprechenden Hinweis des Arbeitsgerichts hat der Kläger nicht etwa dahingehend reagiert, dann möge sein Antrag im Sinne einer Feststellung der zwischen den Parteien geltenden Arbeitsbedingungen in Ansehung des Schreibens der Beklagten vom 26.10.2017 ausgelegt werden. Vielmehr hat er einen dieses Begehren enthaltenden zusätzlichen Hilfsantrag gestellt. Auch hat er mit der Berufung beide Anträge aufrechterhalten.
44Dass ein "echter" Änderungsschutzantrag angesichts des Umstands, dass das Schreiben der Beklagten keine Beendigungskündigung enthält, unzulässig ist, stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Die Berufungskammer erlaubt sich daher, zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der weiteren Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil unter A. der Gründe zu verweisen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
45II. Der vom Arbeitsgericht zutreffend als zulässig angesehene Hilfsantrag ist unbegründet.
46Insoweit schließt sich die Berufungskammer zunächst den grundlegenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an: Der Antrag ist zulässig. Zwischen den Parteien gelten aufgrund der Erklärung der Beklagten vom 26.10.2017 nicht mehr die Konditionen des Vertrages vom 11.05.2017. Die Regelungen unter §§ 1 und 2 des genannten Vertrages stellen in rechtlicher Hinsicht zwar keine Befristung, sondern ein befristetes Widerrufsrecht dar. Dieses hält jedoch der notwendigen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Eine befristete Änderung der Arbeitsbedingungen für einen Zeitraum von sechs Monaten wäre rechtlich zulässig gewesen. Wegen der Begründung im Einzelnen folgt die Berufungskammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG den Gründen der angefochtenen Entscheidung unter B. mit Ausnahme der Annahme des Arbeitsgerichts, die Vereinbarung eines Widerrufsrechts sei im Vergleich zu einer Befristung als Minus anzusehen. Insoweit und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ist wie folgt ergänzend auszuführen:
47a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Vertrag vom 11.05.2017 keine Befristungsabrede zu entnehmen. Die Rückfallregelung ist vielmehr als befristetes Widerrufsrecht gestaltet.
48(1) Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass der Vertrag vom 11.05.2017 jedenfalls § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterfällt. Arbeitsrechtliche Vereinbarungen, wenn sie - wie hier - vom Arbeitgeber gestellt sind, stellen Verbraucherverträge dar (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NZA 2005, 1111).
49Auch derartige Verträge sind grundsätzlich nach §§ 133, 157 BGB so auszu-legen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Allerdings gilt gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 305c Abs. 2 BGB ergänzend die Unklarheitenregel. Der Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die für ihn ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 18.05.2010 - 3 AZR 373/08 - NZA 2010, 935).
50(2) Auf dieser Grundlage lässt sich dem Vertrag keine befristete Änderung der Arbeitsbedingungen entnehmen. Schon der dort gewählte Begriff der "Probezeit" ist rechtlich eher mit einer Verkürzung der Kündigungsfrist hinterlegt, § 622 Abs. 3 BGB, als mit Befristungen. Auch weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass ein Ende der Vertragsänderung nicht von selbst, sondern im Wege einer einseitigen Erklärung einer der Vertragsparteien herbeigeführt werden soll. Eine Befristung ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass der bloße Zeitablauf entscheidet, vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer geäußerten Auffassung lässt sich die im Vertrag festgelegte "einseitige Erklärung" auch nicht als sog. Nichtverlängerungsanzeige auslegen. Eine Nichtverlängerungsanzeige unterbricht nicht wie die Kündigung den zeitlichen Ablauf eines Vertragsverhältnisses, sondern bestätigt lediglich, dass die im Vertrag vereinbarte Vertragsdauer keine über diesen Zeitraum hinausgehende Verlängerung erfährt (BAG 28.10.1986 - 1 ABR 16/85 -, NZA 1987, 530 RN 33). Die im Vertrag vom 11.05.2017 benannte Erklärung soll jedoch nicht eine Fortsetzung über eine vereinbarte Befristung hinaus bewirken, sondern im Gegenteil "die Fortführung beenden". Da die Parteien demnach vereinbart haben, dass die Veränderung der Vertragsbedingungen durch einseitige Erklärung rückgängig gemacht werden darf, handelt es sich um ein (zeitlich befristetes) Widerrufsrecht. Dabei war vereinbart, dass durch eine solche Erklärung "die Fortführung als Mitarbeiter operative Verwaltung" "bis zum 14.11.2017" beendet werden kann, also nicht nur mit Wirkung zum Ablauf des Sechs-Monats-Zeitraums, sondern auch bereits früher.
51b) Entgegen der Berufungsbegründung hat das Arbeitsgericht die maßgeblichen Umstände zutreffend dahingehend gewürdigt, dass die Parteien im Vertrag vom 11.05.2017 eine fundamentale Änderung der vertraglichen Hauptpflichten vereinbart haben. Der Kläger selbst verweist darauf, dass nahezu eine Verdoppelung des von der Beklagten geschuldeten Entgelts vorliegt. Soweit er rügt, es seien keine völlig anderen Tätigkeiten übertragen worden, stellt dies entweder eine unzutreffende rechtliche Beurteilung oder einen unzureichenden Angriff gegen die tatsächlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts dar. Bereits die Anhebung der Vergütung zeigt, dass nicht lediglich eine normale Beförderung auf die nächste Ebene, sondern eine Zuweisung völlig neuer Aufgaben vorliegt. Dies wird durch die von der Beklagten vorgelegten und vom Kläger nicht bestrittenen Stellenbeschreibungen bestätigt. Während es sich bei der Tätigkeit als Teamleiter um eine lediglich Vorgaben umsetzende Aufgabe handelte, verlangt die neue ein selbstständiges, strategisch-konzeptionelles Handeln und Erfahrungen im Projektmanagement. Die zunächst ausgeübte Tätigkeit setzte lediglich eine abgeschlossene Ausbildung voraus, während für die Beklagte für die Stelle als Mitarbeiter operative Verwaltung mindestens ein Abschluss als staatlich geprüfter Techniker gefordert wird. Zwar hat der Kläger auf Nachfrage der Berufungskammer erklärt, staatlich geprüfter Kfz-Techniker zu sein. Es geht dennoch an der Sache vorbei, wenn er meint, der Beklagten seien seine Leistungen und Fähigkeiten seit zwei Jahren bekannt gewesen. Denn dies ändert nichts an der fundamentalen Änderung des Aufgabenbereichs und gemessen an den Anforderungen der neuen Stelle waren seine Leistungen und Fähigkeiten in der vorherigen Erfüllung der Aufgaben als Teamleiter ohne Aussagekraft.
52c) Anders als das Arbeitsgericht hält die Berufungskammer die Vereinbarung im Vergleich zu einer Befristung nicht für ein Minus, sondern für ein Aliud. Denn bei einer Befristung stünde fest, dass die neuen, besseren Vertragsbedingungen, insbesondere das erheblich höhere Gehalt mindestens für den Zeitraum von sechs Monaten gelten würden. Das vereinbarte Widerrufsrecht lässt hingegen unter Beachtung der Zwei-Wochen-Frist eine wesentlich schnellere Rückkehr zu den alten Vertragsbedingungen zu, greift also insofern stärker in die Rechtsposition des Klägers ein. Die Auffassung des Arbeitsgerichts wäre nur zutreffend, wenn - wie hier nicht - ein Widerruf nur zum Ende des Sechs-Monats-Zeitraums möglich gewesen wäre. Dann ließe sich in der Tat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristung einzelner Arbeitsbedingungen auf die Prüfung der Angemessenheit des Widerrufsrechts übertragen.
53d) Nach Auffassung der Berufungskammer hält das vereinbarte Widerrufsrecht dennoch einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.
54(1) Das Recht, von der versprochenen Leistung abzuweichen, das sich der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehält, ist nur wirksam vereinbart, wenn der Vorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders auch dem anderen Vertragsteil zumutbar ist. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, z. B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein (BAG 13.04.2010 - 9 AZR 113/09 - NZA-RR 2010, 457; BAG 20.04.2011 - 5 AZR 191/10 - NZA 2011, 796).
55(2) Nach diesen Grundsätzen hält die Berufungskammer das vereinbarte Widerrufsrecht für wirksam.
56Aus § 2 Ziffer 1 Satz 1 des Vertrages ergibt sich eindeutig, dass Sinn des Widerrufs die Erprobung ist. Diese dient nicht nur den Interessen der Beklagten, sondern auch denen des Klägers und ist ihm daher zumutbar. Entscheidend aus Sicht der Berufungskammer ist, dass hier nicht nur eine Veränderung des bestehenden Vertrages in einigen Punkten vorliegt, sondern der Ausnahmefall einer derartig umfassenden Vertragsänderung, dass sie einem völligen Neuabschluss nahekommt. In einem solchen Fall hält die Berufungskammer ein Widerrufsrecht, das den Bestandsschutz des Arbeitnehmers berücksichtigt und seinen Inhaltsschutz lediglich insoweit einschränkt als es der Erprobungszweck erfordert, als dem Arbeitnehmer zumutbar. Aufgrund des völligen Austauschs der geschuldeten Tätigkeit drohte ihm ohne ein Widerrufsrecht der Verlust des Arbeitsverhältnisses, wenn sich herausstellt, dass er die neuen Aufgaben nicht bewältigen kann. Über die Belastung durch ein aus Sicht wenigstens einer Partei unbefriedigend verlaufendes Arbeitsverhältnis hinaus wäre nämlich in einem derartigen Fall eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung vorstellbar. Eine Änderungskündigung auf den alten Arbeitsplatz wäre nur dann vorrangig, wenn dieser - was über eine Zeit von bis zu sechs Monaten kaum plausibel ist - nicht bereits besetzt worden ist. Die für beide Parteien vereinbarte "Rückfahrkarte" gewährleistet hingegen, dass der Arbeitnehmer bei Scheitern der Erprobung wieder ein Recht auf Beschäftigung gemäß dem früheren Arbeitsplatz hat, das er trotz erfolgter Neubesetzung im Zweifel aufgrund der besseren Sozialdaten auch durchsetzen könnte.
57In Anlehnung an die Argumentation des Arbeitsgerichts lässt sich formulieren, dass das lediglich an den Erprobungserfolg geknüpfte Widerrufsrecht einer befristeten Übertragung einer neuen Tätigkeit insofern gleicht, dass keine konkreten objektiven Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Beendigung der neuen Vertragsbedingungen und damit die Rückkehr zu den früheren eintritt. Im ersteren Fall reicht die subjektive, grundsätzlich nicht überprüfbare Bewertung des Arbeitgebers; im letzteren der bloße Zeitablauf. Auch hängt nach dem Vertrag vom 11.05.2017 wie bei einer Befristung die Rechtsfolge nicht nur vom Willen einer Partei ab, da sowohl dem Kläger als auch der Beklagten das Recht zum Widerruf eingeräumt wird. Beide Rechtsinstitute gleichen sich daher insofern, als der neue Vertrag nur dann über die Dauer von sechs Monaten fortgeführt wird, wenn beide Parteien dies wollen: Bei der Befristung kann eine Entfristung nur einvernehmlich erfolgen, beim Widerrufsrecht müssen beide sich für die Nichtausübung ihres Rechts entscheiden. Soweit die hier vereinbarte Widerrufsmöglichkeit über eine bloße Befristung hinausgeht als es keine feste Laufzeit gibt, sondern die Rückkehr zu den früheren Vertragsbedingungen bereits vor Ablauf von sechs Monaten herbeigeführt werden kann, entspricht sie dem gesetzlichen Leitbild bei Neueinstellungen, § 1 Abs. 1 KSchG, § 622 Abs. 3 BGB. In An-betracht des bereits mehrfach erwähnten Ausnahmefalls eines fundamentalen Unterschieds zwischen alter und neuer Tätigkeit spricht dies aus Sicht der Berufungskammer dafür, dass die vereinbarte Regelung der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB standhält.
58Das Widerrufsrecht besteht zudem nicht unbegrenzt, sondern berücksichtigt mit seiner zeitlichen Begrenzung den Erprobungszweck. Der Kläger fällt nur auf das zurück, was er vor der Vertragsänderung vereinbart und damit als zumutbare Verwendung seiner Arbeitskraft angesehen hatte. Für Neueinstellungen lässt sich § 622 Abs. 3 BGB entnehmen, dass der Gesetzgeber den Zeitraum von sechs Monaten in der Regel für angemessen hält, um die Eignung des Arbeitnehmers festzustellen. Dieser Zeitraum wird hier sogar noch unterschritten, da der Widerruf mit einer Frist von zwei Wochen zum Ende des Sechs-Monats-Zeitraums erklärt werden muss, faktisch also nur fünfeinhalb Monate für die Beurteilung der Eignung zur Verfügung stehen.
59Wollte man trotz des Umstandes, dass es sich um die Übertragung eines völlig anderen, in der Wertigkeit und den Anforderungen gravierend gestiegenen Arbeitsplatzes handelt, ein Widerrufsrecht als unangemessen ansehen, führte dies dazu, dass Arbeitgeber innerbetrieblichen Bewerbern in derartigen Fällen kaum eine Chance einräumen würden. Aus der bisherigen Beschäftigung des Arbeitnehmers können sie in solchen Fällen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür gewinnen, ob er auch für die neue, gänzliche andersartige Tätigkeit geeignet ist. Bei externen Bewerbern können sie für die Beurteilung der entsprechenden Frage hingegen die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes nutzen.
60Unerheblich ist, dass der Kläger aufgrund des Widerrufs nicht nur zu seiner alten Tätigkeit und der wesentlich geringeren Vergütung zurückkehrt, sondern auch die ihm im Vertrag vom 11.05.2017 eingeräumten vier weiteren Urlaubstage verliert. Insofern hat der Kläger bestätigt, dass die Erhöhung seines Urlaubsanspruchs ausschließlich auf der Übertragung der neuen Tätigkeit beruhte.
61e) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass der Kläger anders als die Beklagte meint, die Erprobung sei erfolgreich verlaufen. Es ist gerade der Sinn einer Probezeit, dass die Parteien deren Erfolg aus ihrer eigenen subjektiven Sicht beurteilen dürfen, ohne der anderen Seite eine Begründung oder eine Substantiierung zu schulden.
62f) Auf die Rüge der fehlenden Anhörung des Betriebsrats kommt es nicht an. Dieser ist nach § 102 BetrVG nur zu Kündigungen anzuhören, nicht jedoch zur Ausübung eines Widerrufsrechts, das den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht antastet.
63III. Soweit der Kläger sich gegen die Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses wehrt, ist die Berufung begründet.
641. Nach § 109 GewO kann der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein (Abschluss-)Zeugnis verlangen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses beanspruchen kann, sind hingegen gesetzlich nicht geregelt. Soweit tarifliche Regelungen nicht bestehen, kann sich die Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses als vertragliche Nebenpflicht ergeben. Eine solche Verpflichtung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aus einem triftigen Grund auf ein Zwischenzeugnis angewiesen ist. Das ist u. a. dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer das Zwischenzeugnis wegen der bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Bewerbungszwecken benötigt (BAG 04.11.2015 - 7 AZR 933/13 - NZA 2016, 547 RN 39; vgl. schon BAG 21.01.1993 - 6 AZR 171/92 - NZA 1993, 1031). Als triftiger Grund ist auch anzusehen, wenn rechtliche oder tatsächliche Veränderungen des Arbeitsverhältnisses vorliegen, wenn durch sie das Vertragsverhältnis einen erkennbaren Einschnitt erfährt, beispielsweise bei einer Versetzung, der Zuweisung einer neuen Tätigkeit oder längerem Ruhen des Arbeitsverhältnisses (ErfK/Müller-Glöge, 18. Aufl., GewO § 109 RN 50).
652. Auf dieser Grundlage steht dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu. Wie dargelegt unterscheiden sich die Inhalte des Arbeitsverhältnisses der Parteien bezogen auf die Tätigkeiten als Teamleiter und als Mitarbeiter operative Verwaltung wesentlich voneinander.
66C.
67Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision für den Hauptantrag zu 1. sowie für die Beklagte bestand kein gesetzlich vorgesehener Anlass. Die Zulassung der Revision für den Hilfsantrag beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
68R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
69Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
70R E V I S I O N
71bezogen auf den Antrag zu 3. (Hilfsantrag)
72eingelegt werden.
73Im Übrigen ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
74Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
75Bundesarbeitsgericht
76Hugo-Preuß-Platz 1
7799084 Erfurt
78Fax: 0361-2636 2000
79eingelegt werden.
80Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
81Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
821.Rechtsanwälte,
832.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
843.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
85In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
86Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
87Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
88* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
89Im Übrigen ist gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
90Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird insoweit auf § 72a ArbGG verwiesen.
91Nübold Kleemeyer Detmer