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1. Ein Vergleichsmehrwert fällt an, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Rechtsstreit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden (Nr. 1000 VV-RVG). Dabei muss über die Frage eines Anspruchs oder Rechts gerade in Bezug auf die jeweilige Vergleichsregelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung eines anderweitigen, bereits wertmäßig berücksichtigten Streites handelt. 2. Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses und treffen sie für die sich daraus ergebende Frage der Zeugniserteilung eine inhaltliche Regelung, führt dies zu einem Vergleichsmehrwert, wenn zwischen den Parteien über den Inhalt des Zeugnisses Streit und/oder Ungewissheit bestanden hat. Kein Vergleichsmehrwert tritt ein, wenn ohne einen solchen Streit oder eine solche Ungewissheit die Regelung allein der Beilegung des Kündigungsrechtsstreits diente.
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 19.05.2017 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
G r ü n d e :
2I.
3Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht für den Vergleich vom 11.05.2017 einen Mehrwert in Höhe eines Bruttomonatsentgelts (4.161,68 €) in Ansatz gebracht (Vergleichswert insgesamt: 16.646,72 €). Der Mehrwert beruht auf der Regelung in Ziffer 5. des Vergleichs, wonach die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis mit der Leistungs- und Führungsbeurteilung der Note "gut" sowie einer dieser Beurteilung entsprechenden Bedauerns-, Dankes- und Wunschformulierung am Zeugnisende zu erteilen hatte.
41.Der Gegenstandswert war für die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG festzusetzen. Nach dieser Bestimmung entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Im Hinblick auf diese Gebühr ist auf Antrag des Rechtsanwalts der maßgebende Wert gerichtlich festzusetzen. Dabei ist nicht zu bewerten, was aufgrund des Vertrags zu leisten ist, sondern welcher Gegenstand durch ihn geregelt wird. Denn honoriert wird gerade die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Beseitigung des Streits oder der Ungewissheit in Bezug auf ein Rechtsverhältnis. Dies steht in Einklang mit dem Streitwertkatalog (Nr. I. 22. idF v. 05.04.2016) und der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer (15.08.2016 - 4 Ta 437/16; 09.06.2017 - 4 Ta 210/17, NZA 2017, 1079). Es steht ebenso in Einklang mit der Rechtsprechung der überwiegenden Landesarbeitsgerichte. Ebenso steht es im Einklang mit der Rechtsprechung der überwiegenden Anzahl der Landesarbeitsgerichte (Hessisches LAG 19.08.2014 - 1 Ta 35/14; LAG Rheinland-Pfalz 15.11.2016 - 5 Ta 184/16; LAG Baden-Württemberg 14.11.2013 - 5 Ta 135/13; LAG L. 16.08.2016 - 4 Ta 167/16; 03.03.2009 - 4 Ta 467/08; LAG Hamm 10.08.2005 - 9 Ta 222/05; 17.03.1994 - 8 Ta 465/93; LAG Sachsen-Anhalt 29.08.2013 - 1 Ta 40/13; anderer Ansicht: Sächsisches LAG 23.06.2014 - 4 Ta 95/14 (3.) unter Bezugnahme auf BGH v. 14.09.2005 - IV ZR 145/04 [allerdings zur Rechtslage vor Inkrafttreten des RVG]; LAG Hamburg 14.09.2016 - 6 Ta 23/16 [allerdings ohne Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Regelung in Nr. 1000 VV-RVG).
52.Danach diente die Zeugnisregelung in Ziff. 5 des Vergleichs der Beseitigung einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis.
6a.Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und treffen sie für die sich daraus ergebende Frage der Zeugniserteilung eine inhaltliche Regelung, so mag diese auch als Bestandteil der Gegenleistung für die Einwilligung in die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses getroffen worden sein und als solche nicht zu einem Vergleichsmehrwert führen. Zugleich besteht aber über den Inhalt eines Zeugnisses regelmäßig eine tatsächliche und rechtliche Unsicherheit, da er gesetzlich nicht bestimmt ist. Deren Beseitigung dient die vergleichsweise Regelung des Zeugnisinhalts jedenfalls auch. Dies genügt, um die Einigungsgebühr entstehen zu lassen und führt zu einem Vergleichsmehrwert.
7b.Im vorliegenden Fall ist der Streit der Parteien über den Inhalt des Zeugnisses - und damit über den Inhalt eines Rechtsverhältnisses bzw. einen Rechtsanspruch - im Übrigen evident. Die Beklagte ist der Darlegung des Klägervertreters nicht entgegengetreten, dass sie zunächst nicht bereit gewesen sei, dem Kläger ein Zeugnis über eine gute Leistung und Führung sowie mit der begehrten Abschlussformel zu erteilen, wie sie in Ziffer 5. des Vergleichs niedergelegt sind. Dafür, dass der im Vergleich vereinbarte Zeugnisinhalt von den Parteien übereinstimmend als unzutreffend angesehen wurde und er - entgegen dem Rechtsgrundsatz der Zeugniswahrheit - vom Kläger allein als "Gegenleistung" für seine Einwilligung in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses verlangt worden wäre, bestehen keine Anhaltspunkte.
8c.Die von der Beklagten im Schriftsatz vom 26.06.2017 vorgebrachten Bedenken stehen dem nicht entgegen.
9aa.Dass die Frage des Zeugnisinhalts als Folge aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, ist unerheblich. Entscheidend ist, ob Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bestanden hat, seien sie auch infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Dies ist, wie dargelegt, der Fall. Es trifft daher nicht zu, dass die Zeugnisregelung lediglich als Gegenleistung im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzusehen ist, wie die Beklagte meint.
10bb.Es geht auch nicht um die Beseitigung eines etwaigen künftigen Streites zwischen den Parteien, sondern um die Beseitigung einer zugleich mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Unsicherheit. Der Umstand, dass der Zeugnisanspruch erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird, ist unerheblich für die Frage, ob über seinen Inhalt bereits bei Vergleichsabschluss Streit oder Ungewissheit bestanden hat. Dies genügt aber für Nr. 1000 VV-RVG.
11d.Der Höhe nach hat das Arbeitsgericht gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer seit dem Beschluss vom 15.08.2016 (4 Ta 437/16, JurBüro 2016, 641) mit einem Bruttomonatsentgelt bewertet.
12II.
13Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
14Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
15Quecke