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kein Leitsatz
1.Die Kosten des Rechtsstreites einschließlich des Revisionsverfahrens hat das beklagte Land zu tragen.
2.Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien haben über die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung gestritten.
4Die am 14.05.1971 geborene Klägerin ist ausgebildete Sozialpädagogin und seit dem 07.10.1997 bei dem beklagten Land beschäftigt. Sie wird mit Aufgaben aus dem sozialbetreuerischen Bereich zur Schlichtung von Schulkonflikten an einer Gesamtschule in Düsseldorf betraut. Dabei kommt sie mit Schülern unterschiedlicher Nationalitäten und religiöser Zugehörigkeiten in Kontakt. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden 2.800,-- €.
5Seit dem 01.08.2006 finden in Nordrhein-Westfalen neue Regelungen des Schulgesetzes NRW (SchG NRW) Anwendung, die das Verhalten der Lehrer in der Schule betreffen.
6§ 57 Abs. 4 SchG NRW lautet:
7Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen, weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 7 und 12 Abs. 6 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. Das Neutralitätsgebot des Satzes 1 gilt nicht im Religionsunterricht und in den Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen.
8Darüber hinaus findet sich im Schulgesetz NRW noch die nachfolgende Bestimmung:
9§ 58
10Pädagogisches und sozialpädagogisches Personal
11Sonstige im Landesdienst stehende pädagogische und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken bei der Bildungs- und Erziehungsarbeit mit. § 57 Abs. 4 und 6 gilt entsprechend.
12Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung forderte das beklagte Land die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2006 auf, das islamische Kopftuch, das die Klägerin 18 Jahre - auch in der Schule - getragen hatte, abzunehmen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin am 25.09.2006 nach, ersetzte aber das Kopftuch durch eine Baskenmütze mit Strickbund, die ihr Haar, den Haaransatz und die Ohren komplett bedeckt.
13In einem Personalgespräch am 07.11.2006 erklärte die Klägerin gegenüber ihrer Schulleiterin, dass sie das Kopftuch in der Vergangenheit stets aus religiösen Gründen getragen hätte. Entsprechende Nachfragen zum Motiv für das Tragen der Baskenmütze blieben in diesem Gespräch unbeantwortet.
14Mit Schreiben vom 19.12.2006 erteilte das beklagte Land der Klägerin eine Abmahnung und drohte ihr für den Fall unveränderten Verhaltens eine Kündigung an.
15Mit ihrer am 08.01.2007 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte begehrt.
16Mit Urteil vom 29.06.2007 - 12 Ca 175/07 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf ihre Klage abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 10.04.2008 - 5 Sa 1836/07 zurückgewiesen und die Revision zu dem Bundesarbeitsgericht zugelassen. Mit Urteil vom 20.08.2009 - 2 AZR 499/08 hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
17Gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat die Klägerin eine Verfassungsbeschwerde bei dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 27.01.2015 - 1 BvR 471/10 entschieden, dass die Klägerin durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 2009 - 2 AZR 499/08 -, das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. April 2008 - 5 Sa 1836/07 - und das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juni 2007 - 12 Ca 175/07 - in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes verletzt wird. Zugleich hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts die Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und das Verfahren an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
18Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit gewährleiste, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs der Fall sein kann.
19Ein landesweites gesetzliches Verbot religiöser Bekundungen gemäß § 57 Abs. 4 SchulG NW durch das äußere Erscheinungsbild schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule sei unverhältnismäßig, wenn dieses Verhalten nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Ein angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlich verankerten Positionen - der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte, der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern, des Elterngrundrechts und des staatlichen Erziehungsauftrags - erfordere eine einschränkende Auslegung der Verbotsnorm, nach der zumindest eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter vorliegen muss. In dem Ausgangsverfahren der Klägerin sei nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit sich aus dem Tragen einer Wollmütze und eines Rollkragenpullovers eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ergeben könnte. Dem bisherigen Vorbringen des Beklagten Landes lasse sich eine konkrete Gefahr für die in § 57 Abs.4 Satz 1 SchulG NW genannten Rechtsgüter nicht entnehmen.
20Das beklagte Land ist mit Schreiben vom 31.03.2015 darauf hingewiesen worden, dass sein bisheriges Vorbringen aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 für die Begründung der Abmahnung vom 19.12.2006 nicht ausreicht, da seinem bisherigen Vortrag aber auch dem Inhalt der Abmahnung vom 19.12.2006 eine hinreichende Gefahr für den Schulfrieden nicht entnommen werden kann.
21Mit Schriftsatz vom 02.04.2015 hat das beklagte Land erklärt, dass die Abmahnung der Klägerin vom 19.02.2006 nicht aufrechterhalten wird und aus der Personalakte der Klägerin entfernt worden ist. Zugleich hat es erklärt, dass es sich einer etwaigen Erledigungserklärung der Klägerin anschließt.
22Mit Schriftsatz vom 28.04.2015 hat die Klägerin das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, dem beklagten Land die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
23Mit Schreiben vom 07.05.2015 ist das beklagte Land darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens dem beklagten Land aufzuerlegen.
24II.
25Nach § 91 a Abs. 1 ZPO waren dem beklagten Land die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen.
26Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichen eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss gemäß § 91a ZPO.
271. Das Verfahren ist erledigt.
28Die Zulässigkeit eines Kostenbeschlusses nach § 91a ZPO hängt ausschließlich davon ab, ob übereinstimmende Erledigungserklärungen vorliegen (vgl. LAG Hamm vom 15.05.2005 - 4 Sa 1613/04 juris; KG Berlin vom 16.04.1963 - 6 W 492/63 in NJW 1963, 1408; OLG Karlsruhe vom 17.09.1984 - 6 W 72/84 in Justiz 1985, 51). Die Rechtsfolgen des § 91 a ZPO treten hier aufgrund der von beiden Parteien schriftsätzlich abgegebenen Erledigungserklärungen ein, so dass nur noch über die Kosten des Rechtsstreites zu befinden ist (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 a Abs. 1 ZPO). Denn die Erledigung der Hauptsache durch die Parteien kann auch im Berufungsverfahren erklärt werden.
292. Über die Kosten des Verfahrens kann der Vorsitzende allein entscheiden. Bei Abgabe der Erledigungserklärung außerhalb der mündlichen Verhandlung wird der Kostenbeschluss nach den §§ 64 Abs. 6, 525 Satz 1 ZPO, 91 a Abs. 1 ZPO vom Vorsitzenden nach den §§ 64 Abs. 7, 55 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG allein erlassen.
303. Die Kosten des Rechtsstreites waren dem beklagten Land aufzuerlegen, denn aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes war ein Obsiegen der Klägerin im Prozess zu erwarten.
31Bei der Kostenentscheidung nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91a Abs. 1 ZPO "nach billigem Ermessen" sind die allgemeinen Grundgedanken des Kostenrechts, die sich aus den Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO ergeben, heranzuziehen. Entscheidend ist, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn sich die Hauptsache nicht erledigt hätte. So hat insbesondere der die Kosten voll zu tragen, der voraussichtlich unterlegen wäre, während bei einem Teilunterliegen oder bei ungewissem Prozessausgang eine Kostenquotelung analog § 92 ZPO vorzunehmen ist. Entscheidend für die Beurteilung der Kostenentscheidung ist der Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung, denn das Gericht hat über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
32Nach diesen Grundsätzen hat das beklagte Land die Kosten zu tragen, denn dieses wäre voraussichtlich unterlegen gewesen. Es kann insoweit auf das gerichtliche Anschreiben vom 31.03.2015 verwiesen werden, mit welchem das beklagte Land darauf hingewiesen worden war, dass sein bisheriger Vortrag aufgrund des Beschlusses des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 für die Begründung der Abmahnung vom 19.12.2006 nicht ausreicht, da seinem bisherigen Vorbringen aber auch dem Inhalt der Abmahnung vom 19.12.2006 eine hinreichende Gefahr für den Schulfrieden nicht entnommen werden kann. Nach diesem Hinweis hat das beklagte Land nicht weiter zu einer eventuell vorliegenden hinreichenden Gefahr für den Schulfrieden vorgetragen, sondern die Abmahnung vom 19.12.2006 zurückgenommen.
33III.
34Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.
35Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
36gez.:Höwelmeyer