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Auch soweit in einer Einrichtung der Altenpflege das Bezugspflegemodell zur Anwendung kommt steht dies einer individuellen Lage der Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten nicht entgegen
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 15.11.2012 - 2 Ca 1344/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten um die Lage einer verringerten Arbeitszeit der Klägerin.
3Die Klägerin ist seit dem 15.11.2002 als examinierte Altenpflegerin bei der Beklagten beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen beträgt 2.400,00 €.
4Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TVöD-B Anwendung.
5Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter ihres am 01.11.2007 geborenen Sohnes.
6Die Beklagte betreibt u.a. drei Altenheime. Dort werden die Bewohner im dreischichtigen Dienst kontinuierlich versorgt. Die Klägerin war eingesetzt im Haus C.. Die Frühschicht dauert von 6.00 bis 14.12 Uhr, die Spätschicht von 13.48 bis 22.00 Uhr und die Nachtschicht von 21.45 bis 6.15 Uhr.
7Die Übergabe vom Nacht- auf den Frühdienst erfolgt durch eine examinierte Kraft in der Zeit zwischen 6.00 und 6.15 Uhr. Die übrigen Frühdienstbeschäftigten beginnen ihren Dienst um 6.30 Uhr.
8Der Sohn der Klägerin ist zurzeit an den Werktagen betreut in der Zeit zwischen 7.00 und 17.00 Uhr in einer Kindertageseinrichtung, ab September 2013 wird er die Grundschule besuchen. Dort ist eine Betreuungszeit von 7.30 bis 16.00 Uhr an den Werktagen sichergestellt.
9Die Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
10Die Klägerin trägt vor, sonstige Bezugspersonen oder Verwandtschaft seien am Wohnort oder in der Nähe nicht vorhanden. Auf die Bescheinigung der Stadt Oberhausen (Bl. 116 d. A.), wonach für das Kind keine Betreuungsperson in der Zeit vor 7.30 oder nach 19.00 Uhr zur Verfügung stünde, wird Bezug genommen. Die Bescheinigung datierte vom 28.10.2010.
11Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten behauptete Durchführung der Bezugspflege, deren Inhalt und Bedeutung die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.03.2013 ausführlich darstellt und worauf vorliegend Bezug genommen wird, (Bl. 216 - 225 d.A.) werde tatsächlich nicht praktiziert bzw. realisiert. Es seien keineswegs bestimmte Mitarbeiter an die jeweils zu betreuende Bewohner gebunden. Vielmehr würden die Mitarbeiter die zu betreuenden Personen wechseln, da für die Durchführung eines Bezugspflegemodells die Anzahl der erforderlichen Pflegekräfte nicht ausreichend sei.
12Die Klägerin behauptet, ihr Wunsch nach der Lage der Arbeitszeit sei auch von der Beklagten realisierbar, sie meint, gewichtige betriebliche Gründe stünden dem nicht entgegen.
13Sie stellte den Antrag,
14die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung dazu zu erteilen,
15dass sie in der Zeit vom 01.11.2012 bis 31.10.2014 eine regelmä-
16ßige wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden mit einer Verteilung
17auf die Zeit außerhalb von Samstagen, Sonntagen und Feiertagen
18jeweils von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr gilt.
19Die Beklagte beantragte,
20die Klage abzuweisen.
21Sie behauptet, das Altenheim im Rahmen der Bezugspflege zu führen. Hiermit sei die gewünschte Arbeitszeit der Klägerin nicht vereinbar. Dringend erforderlich sei auch, dass das Frühstück gemeinsam mit den Bewohnern um 8.00 Uhr eingenommen werden könne. Der Betriebsfrieden werde gestört, wenn die Klägerin aus dem arbeitsintensiven Teil der Schicht zwischen 6.00 und 8.00 Uhr herausgenommen werde. Bei der Beklagten seien 117 examinierte Kräfte insgesamt tätig. Ähnlich gelagerte Anträge und Arbeitszeitwünsche in der Vergangenheit seien stets abgewiesen worden, sodass bei einem Erfolg der Klägerin befürchtet werde, dass weitere Anträge folgen würden. Ein möglicher Ersatz sei allenfalls über ein Zeitarbeitsunternehmen zu erhalten und stünde im Widerspruch zur Bezugspflege. Den Patienten sei es nicht zumutbar, sich für diesen Zeitraum auf eine weitere Teilzeitkraft einzustellen.
22Die Klägerin hat beim Arbeitsgericht erstinstanzlich obsiegt. Im Wesentlichen begründet das Arbeitsgericht seine Entscheidung damit, dass auch eine rückwirkende Verurteilung auf Abgabe einer Willenserklärung seit Inkrafttreten des § 311 a Abs. 1 BGB in Betracht käme.
23Nach § 11 Abs. 1 TVöD-B stünde der Klägerin die gewünschte Arbeitszeit zu. Die Klägerin betreue tatsächlich ein Kind unter 18 Jahren. Der Arbeitgeber habe bei der Ausübung des Weisungsrechtes familiäre Belange zu schützen und zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf in der Entscheidung vom 08.06.2012 - 10 Sa 468/11 -.
24Dienstliche oder betriebliche Belange, die dem Arbeitszeitwunsch entgegenstünden, habe die Beklagte nicht dargelegt. Die Beklagte könne nicht verlangen, dass die Klägerin sich im Hinblick auf ihre familiäre Situation in das Arbeitszeitmodell einfüge. Soweit mit der Störung des Betriebsfriedens argumentiert würde, handele es sich um eine reine Spekulation. Die praktizierte Bezugspflege stünde dem Arbeitszeiteinsatz auch nicht entgegen. Ein zwingender Einsatz der Klägerin während der gesamten Schicht sei nicht erforderlich. Bei einer 24-Stunden-Betreuung sei auch die Bezugspflegeperson nicht ständig anwesend.
25Das Urteil wurde der Beklagten am 06.12.2012 zugestellt (Bl. 129 d. A.), die Berufungsschrift ging am 03.01.2013, die Berufungsbegründungsschrift nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.03.2013 am 06.03.2013 (Bl. 146 d. A.) beim Landesarbeitsgericht ein.
26In der Berufung trug die Beklagte vor, das erstinstanzliche Urteil sei nicht hinreichend begründet, da es nur Bezug nehme auf eine andere Entscheidung. Auch sei der Tenor fehlerhaft, da nicht ersichtlich sei, in welcher Zeit die Klägerin arbeiten müsse. Der zeitlich angegebene Rahmen im Tenor betrage mehr als 30 Stunden pro Woche.
27Nicht hinreichend dargelegt sei, dass die Klägerin ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich pflege, insbesondere da die erstinstanzlich vorgelegte Bescheinigung von Oktober 2010 datiere. Auch sei der Klägerin Hilfe angeboten worden bei der Suche nach einer geeigneten Betreuungskraft. Soweit die Klägerin nunmehr zweitinstanzlich eine Bescheinigung vom 26.03.2013 vorlegt (Bl. 426 d. A., auf die Bescheinigung wird ebenfalls Bezug genommen), ergebe sich daraus nur, dass die Klägerin sich bemüht habe, eine Tagespflegeperson zu finden, die das Kind im elterlichen Haushalt betreut oder alternativ zusätzlich zur Kindertagespflege in der Einrichtung.
28Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe die Entscheidung der Beklagten für das Bezugspflegemodell zu respektieren, welches nicht durchgeführt werden könne, wenn die Klägerin nicht bereits vor 8.00 Uhr ihren Dienst angetreten habe. Der wichtigste Faktor der Bezugspflege sei die Kontinuität der Betreuung.
29Insbesondere habe sich das Arbeitsgericht nicht mit der Argumentation der Beklagten auseinandergesetzt, die Bezugspflege verhindere eine Herausnahme der Klägerin aus dem Schichtsystem. Andere examinierte Pflegekräfte stünden vor 8.00 Uhr als Ersatz nicht zur Verfügung, da sie ihre eigenen Bezugspflegegruppen zu versorgen hätten. Soweit weitere examinierte Kräfte Arbeitszeitwünsche entsprechend denen der Klägerin durchsetzen wollten, wäre der Betrieb des Altenheimes nicht mehr gewährleistet.
30Für das Haus C. stünden zurzeit 21,3 Pflegefachkräfte zur Verfügung, dabei handele es sich um 18 Vollzeitkräfte, im Übrigen Teilzeitkräfte. Zusätzlich gebe es 16,96 Pflegehilfskräfte, davon 12 in Vollzeit.
31Zum Konzept der Bezugspflege wird ergänzend Bezug genommen auf das Bezugspflegekonzept Bl. 249 ff. d. A in der Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 06.03.2013.
32Die Beklagte trägt weiter vor, einen Zwischendienst gebe es bei der Beklagten nicht. Diesbezüglich nimmt sie Bezug auf die Dienstpläne von Oktober 2012 bis Januar 2013, Anlage B 8 zum Schriftsatz vom 06.03.2013, Bl. 347 ff. d.A., auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
33Die Beklagte stellt den Antrag,
34das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 15.11.2012
35-2 Ca 1344/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
36Die Klägerin beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und nimmt des Weiteren Bezug auf die Entscheidungsgründe aus dem Vorverfahren des Landesarbeitgerichts Düsseldorf 10 Sa 468/11.
39Sie wiederholt und vertieft das erstinstanzliche Vorbringen.
40Insbesondere behauptet sie weiterhin, das Funktionspflegemodell und nicht das Bezugspflegemodell werde gelebt und gearbeitet, sodass dem Einsatz der Klägerin mit ihrer gewünschten Arbeitszeit nichts entgegenstünde. Dies ergebe sich daraus, dass in Wechselschicht gearbeitet würde, wie sich auch aus den überlassenen Dienstplänen ergebe, auf die bereits Bezug genommen wurde. Insbesondere ergebe sich daraus, dass die Mitarbeiter an drei bis fünf Tagen Frühdienst hätten und sodann mehrere Tage frei, anschließend in den Mittagsdienst wechselten, sodass eine kontinuierliche Betreuung nicht gegeben sei. Die Anzahl der Mitarbeiter reiche nicht aus, die Bewohner - hier werden unterschiedliche Zahlen zwischen 26 und 33 von den Parteien vorgetragen - zu versorgen, da im Wohnbereich nur vier bis fünf Mitarbeiter für die Pflegearbeiten während der Frühschicht zur Verfügung stünden.
41Im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze und den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung.
42E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
43I.
44Die Berufung ist zulässig.
45Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und hinreichend begründet. Sie setzt sich mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinander.
46II.
47Die Klage ist zulässig und begründet, die Berufung daher zurückzuweisen.
481.Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist, ebenso wie der erstinstanzliche Tenor, hinreichend bestimmt. Es ergibt sich in soweit, wie ein Zeitraum für die Verteilung der Arbeitszeit zwischen 8.00 und 15.00 Uhr an fünf Tagen pro Woche geregelt ist, zwar mehr als ein Zeitraum von 30 Stunden. Dies stellt jedoch nur den Arbeitszeitrahmen dar, in dem die Beklagte berechtigt ist, die Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche zu verteilen. Nicht vorausgesetzt wird, dass der vollständige Arbeitszeitrahmen ausgeschöpft wird.
49Soweit eine rückwirkende Vertragsänderung begehrt wird durch die Zustimmung der Beklagten, also durch Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO ist dies gemäß § 311 a Abs. 1 BGB ein mögliches und zulässiges Klageziel, da danach der Abschluss eines Vertrages erstrebt wird, der rückwirkende Rechte und Pflichten begründet (vgl. BAG vom 15.12.2009 - 9 AZR 72/09 -, juris).
502.Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden - was auch zwischen den Parteien unstreitig ist - und zur Verteilung der Lage der Arbeitszeit auf eine Zeit zwischen 8.00 und 15.00 Uhr an den Arbeitstagen mit Ausnahme der Samstage, Sonntage und Feiertage. Der Anspruch ergibt sich aus § 11 Abs. 1 TVöD-B der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet i.V.m. § 106 GewO.
51a)Die Vorschrift des § 11 TVöD-B wird nicht durch § 8 Abs. 4 TzBfG verdrängt. Die tarifvertragliche Vorschrift ist im Verhältnis zum Gesetz die für den Arbeitnehmer günstigere Vorschrift, da einerseits der Teilzeitantrag als solcher nur aus dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen abgelehnt werden kann, andererseits bei der Lage der Arbeitszeit der besonderen persönlichen Situation der Beschäftigten Rechnung zu tragen ist (Sponer-Steinherr, TVöD Gesamtausgabe, Auflage 108, § 11 TVöD Rdz. 15 - 18). § 22 Abs. 1 TzBfG bestimmt, dass von § 8 TzBfG nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann. Nach § 22 Abs. 2 werden die Bestimmungen des Tarifvertrages im öffentlichen Dienst ausdrücklich angesprochen.
52b)Voraussetzung der Arbeitszeitverringerung und der Möglichkeit der Umgestaltung der Arbeitszeit ist nach § 11 TVöD, dass der Beschäftigte einen entsprechenden Antrag gestellt hat, was vorliegend unstreitig der Fall ist und dass er ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreut oder pflegt.
53Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter eines am 01.11.2007 geborenen Sohnes. Auch dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. Dass dringende dienstliche oder betriebliche Belange der Reduzierung der Arbeitszeit entgegenstehen, wird von der Beklagten selbst nicht behauptet, im Gegenteil hat sie dem Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit zugestimmt.
54c)Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf die gewünschte Lage der Arbeitszeit, d. h. nur in der Frühschicht zwischen 8.00 und 15.00 Uhr tätig zu sein und nicht an Wochenenden oder Feiertagen eingesetzt zu werden.
55Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD hat der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation der/des Beschäftigten nach Satz 1 Rechnung zu tragen.
56aa)Soweit die Beklagte bestreitet, die Klägerin betreue ein Kind unter 18 Jahren kann ihr nicht gefolgt werden. Da die Klägerin unstreitig alleinerziehend ist und das Kind unter 18 Jahren bei ihr lebt, ist dieses Bestreiten vollständig unsubstantiiert. Nicht erforderlich ist nach dem Tarifvertrag dagegen, dass die Klägerin sich um eine weitere Betreuungsmöglichkeit in den Randzeiten hinreichend bemüht hat.
57Das Kind ist in einer Tageseinrichtung mit einer Betreuungszeit von 7.00 bis 17.00 Uhr, künftig in einer Grundschule mit Ganztagsbetreuung. § 11 TVöD setzt nicht voraus, dass der Beschäftigte alle nur denkbaren Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch nimmt oder ausschöpft. Alleinige Voraussetzung ist lediglich die tatsächliche Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren. Die mögliche oder denkbare weitere Betreuungsmöglichkeit kann im Rahmen der Berücksichtigung der besonderen persönlichen Situation des Beschäftigten nach § 11 Abs. 1 Satz 4 Berücksichtigung finden, nicht aber bei den Voraussetzungen des Anspruchs.
58bb)Soweit bei der Gestaltung der Arbeitszeit der Tarifvertrag voraussetzt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation des Beschäftigten Rechnung zu tragen hat und im Rahmen des Satz 1 nur dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange entgegenstehen, nicht aber, wie § 8 Abs. 4 TzBfG bereits entgegenstehende betriebliche Gründe ausreichend sein können, legt § 11 TVöD für den Ablehnungsrecht des Arbeitgebers einen strengeren Maßstab an.
59(1)Nach § 8 Abs. 4 TzBfG wären als Ablehnungsgründe bereits (einfache) betriebliche Gründe, also Gründe, die ein geringeres Gewicht haben, geeignet (vgl. Müller-Glöge, MünchK zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 8 TzBfG Rdz. 26). Damit genügen im Vergleich zu § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG, der dringende betriebliche Gründe voraussetzt in § 8 TzBfG auch mindergewichtige Gründe (Müller-Glöge a.a.O.), auch wenn diese nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hinreichend gewichtig sein müssen (vgl. BAG vom 13.10.2009, 9 AZR 910/08, Rdz. 21).
60(2)§ 11 Abs. 1 TVöD verlangt ebenso dringende entgegenstehende dienstliche oder betriebliche Belange bei der Reduzierung der Arbeitszeit, bei der Gestaltung der Arbeitszeit wird sogar nur auf die dienstlichen und betrieblichen Möglichkeiten unter Berücksichtigung der besonderen persönlichen Situation der Beschäftigten abgestellt. Mit dem Begriff dringend wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit sein (BAG vom 15.12.2009, 9 AZR 72/09, Gallner, ErfK zum Arbeitsrecht 13. Aufl. 2013, § 15 BEEG Rdz. 17).
61cc)Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen entgegenstehender Gründe liegt beim Arbeitgeber (BAG vom 08.05.2007, 9 AZR 1112/06, juris).
62Zu prüfen ist der Wunsch auf Festlegung der Lage der Arbeitszeit und die arbeitgeberseitig vorgebrachten entgegenstehenden Gründe in drei Stufen. Zunächst ist das vom Arbeitgeber aufgestellte und durchgeführte Organisationskonzept festzustellen, dass der vom Arbeitgeber als betrieblich erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. In einem zweiten Schritt ist zu überprüfen, ob die vom Organisationskonzept bedingte Arbeitszeitregelung tatsächlich der gewünschten Änderung der Arbeitszeit entgegensteht. In einem dritten Schritt hat das Gericht zu prüfen, ob die entgegenstehenden betrieblichen Gründe so erheblich sind, dass die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches des Arbeitnehmers zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsablaufes, der Sicherung des Betriebes oder zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung des Betriebes führen würde (so bereits BAG vom 18.02.2003, 9 AZR 164/02, AP Nr. 2 zu § 8 TzBfG).
63Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers sind zu respektieren, beispielsweise ein pädagogisches Konzept dahingehend, den Kreis von Erziehern im Rahmen einer Kindertagesstätte möglichst klein zu halten (BAG vom 16.10.2007, 9 AZR 321/06, Fundstelle juris). Zu prüfen ist jedoch, ob ein solches Konzept bzw. eine entsprechende Organisationsentscheidung der Durchführung des Arbeitszeitwunsches im Sinne des § 11 Abs. 1 TVöD entgegensteht; hier demnach, ob die dienstlichen oder betrieblichen Gegebenheiten dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, den besonderen persönlichen Belangen der Klägerin Rechnung zu tragen.
64(1)Soweit die Beklagte darauf abstellt, sie befürchte eine künftige Überforderung durch weitere Teilzeitwünsche anderer Arbeitnehmerinnen, die dem Beispiel der Klägerin folgen könnten, stellt dies zumindest zurzeit keinen Hinderungsgrund dar.
65Es handelt sich zum Einen um eine reine Spekulation des Arbeitgebers. Zum Anderen könnten diese Gründe tatsächlich dem Wunsch der Klägerin auf die tatsächliche Lage ihrer Arbeitszeit entgegenstehen, wenn entsprechend begründete Teilzeitwünsche anderer Arbeitnehmer zu einer Situation führen, dass betrieblich der Ablauf, insbesondere eine Pflege unter Beachtung des vorgegebenen Pflegeschlüssels und des Konzeptes der Betreuungspflege, das die Beklagte zugrunde legt und dessen tatsächliche Durchführung hier zugunsten der Beklagten unterstellt werden kann, nicht mehr gewährleistet wäre. Dass aber tatsächlich andere Arbeitnehmer entsprechende Teilzeitwünsche angemeldet hätten, hat die Beklagte bislang selbst nicht behauptet. Die künftige Möglichkeit von betrieblichen Notwendigkeiten bzw. der Entfall der betrieblichen Möglichkeit einer entsprechenden Beschäftigung kann aber noch nicht in Vorgriff zu einer Ablehnung des Antrages führen.
66(2)Auch das von der Beklagten dargelegte Bezugspflegemodell stellt einen Ablehnungsgrund für die Beklagte nicht dar.
67Auch hier kann die Praktizierung des Bezugspflegemodells zugunsten der Beklagten unterstellt werden, es steht dem Wunsch der Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin nicht entgegen.
68Auf der ersten Stufe kann das Organisationskonzept der Bezugspflege zugrunde gelegt werden. Die Beklagte hat ausführlich dargelegt, was dieses beinhaltet und das zu berücksichtigen ist:
69-dass die Bezugspflegekraft eine berufserfahrene Pflegekraft ist.
70-beim Einzug jedem Bewohner eine Bezugspflegekraft zugeordnet wird.
71-Die Bezugspflegekraft eine Anamnese erstellt.
72-Die Bezugspflegekraft den Pflegeplan erstellt bzw. festlegt.
73-Die Bezugspflegekraft im Verlauf des Aufenthaltes gegebenenfalls veränderte Situationen erfasst und die Pflegeplanung anpasst.
74-Sie die Verantwortung für die geplante Pflege des Bewohners trägt und sie mit den Angehörigen, Kollegen und Ärzten kommuniziert.
75-Sie, soweit sie anwesend ist, selbst die Pflege des Bewohners übernimmt.
76-Im Falle ihrer Abwesenheit eine andere Pflegekraft vertretungsweise die Pflege durchführt.
77-Die Dokumentation durch die Bezugspflegekraft durchgeführt wird.
78Dies wurde von der Beklagten im Schriftsatz vom 06.03.2013 (Bl. 224/225 d.A.) zusammengefasst.
79Das Arbeitszeitverlangen der Klägerin steht diesem Organisationskonzept, dessen Inhalt und Sinnhaftigkeit vom Gericht nicht zu überprüfen ist, nicht entgegen. In diesem Zusammenhang ist auch der Frage nachzugehen, ob dem Arbeitgeber zumutbare Änderungen von betrieblichen Abläufen -unter Wahrung des Organisationskonzeptes- den Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers ermöglicht (BAG vom 16.10.2007 a.a.O. Rdz. 26).
80Vorliegend ist bereits nicht dargelegt, dass die Klägerin als Bezugspflegekraft einem einzigen Bewohner zugeordnet ist. Aber auch soweit dies der Fall ist, kann die Bezugspflege in der Zeit von 8.00 bis 15.00 Uhr erbracht werden. Das Konzept sieht in keiner Weise vor, dass die Bezugspflegekraft eine 24-Stunden-Betreuung gewährleistet, was angesichts der Arbeitszeiten und der Rundumbetreuung an sieben Tagen in der Woche auch durch eine Kraft nicht zu leisten ist. Aus eben diesen Gründen sieht auch das Bezugspflegekonzept vor, dass bei Abwesenheit der Bezugspflegekraft eine andere Pflegekraft die Versorgung in Vertretung übernimmt, wie auch die Beklagte selbst dargelegt hat. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das Bezugspflegemodell daran scheitert, dass in der Zeit von 6.00 bis 8.00 Uhr die Klägerin nicht anwesend ist. Die Beklagte beschäftigt Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, diese sind in unterschiedlichen Schichten eingeteilt und mithin ebenfalls nicht durchgehend anwesend. Aus den von der Beklagten vorgelegten Dienstplänen ergibt sich unmittelbar, dass auch Dienste mit dem Kürzel A 24 oder A 26 eingeteilt wurden, die nach der Legende Arbeitszeiten von 7.30 bis 10.30 Uhr bzw. 7.30 bis 11.21 Uhr zum Inhalt haben. Entsprechendes gilt für die Arbeitszeit A 30 von 7.30 bis 14.00 Uhr (beispielhaft sei insoweit verwiesen auf die Arbeitszeiten der Arbeitnehmerin F. für den Oktober 2011, Bl. 368/369 d.A. ebenso wie die gleiche Mitarbeiterin für den Monat Oktober 2012, Bl. 362/363 d.A. und die Mitarbeiterin B. für den gleichen Monat, Bl. 362/363 d.A.).
81Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, die Klägerin als examinierte Kraft fehle bei der Übergabe vom Nacht- auf den Frühdienst, steht dies der Bezugspflege ebenfalls nicht entgegen und stellt auch keinen sonstigen dringenden betrieblichen Grund dar. Nach den Ausführungen der Beklagten ist die Übergabe durch eine examinierte Kraft um 6.00 Uhr durchzuführen, die übrigen Kräfte erscheinen später. Die Klägerin ist aber nicht, auch nicht in einer Schicht, die einzige examinierte Kraft, die die Übergabe durchführen könnte. Zur Überzeugung des Gerichtes stellt die Bezugspflege keinen Grund dar, der dem Arbeitszeitverlangen der Klägerin tatsächlich entgegensteht. Zumindest könnte durch kleinere zumutbare Änderungen des betrieblichen Ablaufs, beispielsweise eine nachgeholte Übergabe um 8.00 Uhr an die Klägerin, auch bei einer geänderten Arbeitszeit der Klägerin die Bezugspflege umgesetzt werden.
82Auch soweit vorgetragen ist, das gemeinsame Frühstücken mit den Bewohnern um 8.00 Uhr sei wesentlicher Bestandteil der Bezugspflege, steht dem Arbeitswunsch der Klägerin dem nicht entgegen, da sie ihre Arbeitszeit ja bereits ab 8.00 Uhr anbietet.
83(3)Auch die weiteren seitens der Beklagten dargelegten Hinderungsgründe stehen dem Arbeitszeitwunsch der Klägerin nicht entgegen.
84Soweit dargelegt wird, der Betriebsfrieden sei bedroht, in dem sich die Klägerin die weniger arbeitsintensiven Zeiten ab 8.00 Uhr morgens heraussucht und eine Ersatzkraft schwerlich gefunden werden kann, steht dies dem Wunsch nicht entgegen. Auch die Kammer geht davon aus, dass erfahrungsgemäß die Zeit von 6.30 bis 8.00 Uhr in einem Altenheim eine besonders arbeitsintensive Zeit darstellt. Es wird nicht verkannt, dass damit den verbliebenen Arbeitnehmern eine Mehrbelastung auferlegt wird, die die Klägerin nicht zu leisten hat. Jedoch ergibt sich dies unmittelbar aus den Betreuungszeiten des Kindes und ist nicht der Bequemlichkeit der Klägerin geschuldet.
85Dass die Beklagte keine Ersatzkraft für die morgendlichen Zeiten gewinnen kann, hat sie nicht konkret dargelegt. Sie hat selbst auf die Möglichkeit einer Zeitarbeitskraft hingewiesen. Auch ist nicht ersichtlich, dass für die fehlenden zwei Stunden unbedingt eine Ersatzkraft erforderlich ist.
86Soweit sie darlegt, eine Ersatzkraft könne schwerlich gefunden werden, da dieses zu nicht refinanzierbaren Kosten führen würde, ist das Argument der Kammer nicht nachvollziehbar. Soweit die Klägerin keine Arbeitsleistung erbringt, ist sie auch nicht zu bezahlen, eine zusätzliche Kraft würde keine zusätzlichen Kosten bedeuten, sondern lediglich eine Verlagerung.
87Dass es tatsächliche Schwierigkeiten mit sich bringen mag, eine Kraft nur für die Zeit von 6.00 bzw. 6.30 bis 8.00 Uhr zu finden, wird zwar nicht verkannt, stellt jedoch im Ergebnis keinen Grund dar, der die Möglichkeit der Arbeitszeit für die Klägerin ab 8.00 Uhr ausschließt. Insbesondere ist zu verweisen auf die Dienstpläne der Beklagten, die auch Teilzeitbeschäftigte mit Beschäftigungszeiten halbtags am Vormittag berücksichtigt, so in der Legende die Beschäftigten im Frühdienst mit dem Kürzel A 13 oder RA 13 bzw. A 24 und RA 24. Dass eine Kombination der Arbeitszeiten der Klägerin mit einer Teilzeitbeschäftigten ausgeschlossen ist, erschließt sich der Kammer damit nicht.
88Abschließend verkennt die Kammer nicht, dass die Arbeitszeitwünsche der Klägerin mit der optimalen Lage der Arbeitszeit für die Beklagte kollidieren. Zur Überzeugung der Kammer haben die entgegenstehenden betrieblichen Gründe jedoch kein solches Gewicht, das die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches der Klägerin ausschließen würde. Abgesehen davon ist die Klägerin weder nach dem Tarifvertrag noch nach den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, ihr Kind in der Zeit von 5.30 bis 7.00 Uhr bzw. künftig 7.30 Uhr in einer anderen weiteren Betreuungssituation unterzubringen und dies unabhängig davon, ob eine solche tatsächlich vorhanden ist.
89Es ist der Klägerin in der aktuellen Situation tatsächlich nicht möglich, ihre Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Fahrzeiten zu den von der Beklagten gewünschten Arbeitszeiten anzubieten. Der Beklagten hingegen bereitet die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches zwar organisatorische und betriebliche Schwierigkeiten, diese sind jedoch nicht von derartigem Gewicht, dass der Klägerin zugemutet werden könnte, die einzig verbleibende Variante, die Aufgabe des Arbeitsplatzes, zu wählen.
90III.
91Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 ZPO.
92Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
93R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
94Gegen das Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
95Dr. ZieglerRaederFoitlinski