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kein Leitsatz vorhanden
1) Auf die Berufung des beklagten Kreises wird das Teilurteil des
Arbeitsgerichts Krefeld vom 09.05.2011 - 4 Ca 186/11 - teilweise ab-
geändert und wie folgt formuliert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit dem 18.01.2011 beendet worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Die weitergehende Berufung des beklagten Kreises wird zurückgewiesen.
3) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4) Die Revision wird nicht zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die Frage, ob ihr Arbeitsverhältnis durch vom Beklagten erklärte Anfechtungen und Kündigungen rechtswirksam beendet worden ist.
3Der am 30.11.1965 geborene ledige Kläger ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 14.05.2009 ab dem 01.07.2009 als Leiter des Jugendamtes für den Bereich des Landkreises Viersen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden u.a. die Bestimmungen des "Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst" (TVöD) für den Dienstleistungsbereich Verwaltung (TVöD-V) und das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zuletzt 5.481,43 €.
4Vor seiner Tätigkeit für den beklagten Kreis war der Kläger vom 01.01.1993 bis zum 31.10.2006 als Stadtjugendpfleger der Stadt Erkelenz tätig. Vom 01.11.2006 bis zum 30.06.2009 bekleidete er die Position eines stellvertretenden Jugendamtsleiters bei der Stadt Mönchengladbach.
5Im Jahre 1990 gründete der Kläger den Verein "Jugend Aktuell e.V." in W., dessen Vorsitzender er auch ist. Der Verein "Jugend Aktuell e.V." organisierte in der Vergangenheit mehrere Großveranstaltungen für Jugendliche. Hierzu gehörten Diskoabende z.B. in der Viersener Festhalle, Bade-Diskos und Halloween-Partys, die im Vitusbad in Mönchengladbach stattfanden. Die auf diesen
6Veranstaltungen gemachten Fotos wurden zu einem großen Teil auf der Homepage des Vereines veröffentlicht. Wegen der Fotos wird im Übrigen auf den Anlagenband Teil 1 und 2 zu den Gerichtsakten Bezug genommen.
7Im Mai 2008 führte der Verein "Jugend Aktuell e.V." eine Fahrt für Jugendliche nach Prag durch. An dieser Fahrt nahm auch der Kläger als Betreuer teil. Der Verein veröffentlichte nach Abschluss der Fahrt ca. 300 Fotoaufnahmen auf seiner Homepage. Auch insoweit wird auf den Anlagenband Teil 1 und Teil 2 und insbesondere auf Bl. 135 - 142 d.A. verwiesen.
8Mit Schreiben vom 07.01.2011 (Bl. 20 d.A.) erteilte der Beklagte dem Kläger ab sofort Hausverbot und Urlaub ab der 2. Kalenderwoche. Mit einem weiteren Schreiben vom 10.01.2011 hörte er ihn zu einer beabsichtigten außerordent-lichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Er erklärte überdies mit Schreiben vom 18.01.2011 die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen des Fehlens charakterlicher und fachlicher Eignung (vgl. hierzu Bl. 14 - 19 d.A.).
9Bereits am 17.01.2010 hatte der Beklagte den bei ihm bestehenden Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers angehört und hierbei dem Kläger u.a. geschlechtsdiskriminierende und sexistische Äußerungen vorgeworfen. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten ordentlichen Kündigung am 19.01.2011 ausdrücklich zu und gab zur außerordentlichen Kündigung keine Stellungnahme ab (vgl. hierzu Bl. 178 d.A.).
10Mit Schreiben vom 19.01.2011 kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund. Es folgten weitere Kündigungen vom 24.01.2011, 03.02.2011 und 24.02.2011 nach jeweils erfolgten vorherigen Beteiligungen des Personalrats (vgl. hierzu Bl. 126 ff. d.A.).
11Unter dem 31.01.2011 erklärte der Beklagte darüber hinaus erneut die Anfechtung des Arbeitsvertrages der Parteien und berief sich hierbei vor allem auf eine vermeintliche Pädophilie des Klägers.
12Der Kläger hat mit seiner am 26.11.2011 beim Arbeitsgericht Krefeld anhängig gemachter und später mehrmals erweiterter Klage die Rechtsunwirksamkeit aller Kündigungen und der Anfechtungserklärungen des Beklagten geltend gemacht.
13Er hat die Auffassung vertreten, dass weder Gründe vorlägen, die die streitbefangenen Kündigungen rechtfertigten, noch Tatsachen gegeben seien, die die Anfechtung seines Anstellungsvertrags begründen könnten. Der Kläger hat darüber hinaus gemeint, dass ihm ein Festhalten am Arbeitsverhältnis wegen des Verhaltens des Beklagten und der von ihm veröffentlichten unzutreffenden Vorwürfe nicht zumutbar wären und deshalb das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 40.000,00 € aufzulösen sei.
14Der Kläger hat beantragt,
151. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien durch die Anfechtungserklärung des Beklagten im Schreiben vom 18.01.2011 nicht berührt wird und diese auf die An-
16fechtung der auf den Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger gerichteten Willenserklärung des Beklagten die Wirksamkeit dieser Willenserklärung nicht beseitigt hat;
172. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Anfechtungserklärung des Beklagten in dessen Schreiben vom 31.01.2011 berührt wird und die Anfechtungserklärung im Schreiben des Beklagten vom 31.01.2011, betreffend die zum Abschluss des Arbeitsvertrages führenden Erklärungen des Beklagten, die Wirksamkeit dieser Vertragserklärungen und damit die Wirksamkeit des Vertragsabschlusses selbst nicht beseitigt hat;
183. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 19.01.2011 nicht beendet worden ist und nicht beendet werden wird;
194. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung des Beklagten im Schreiben vom 24.01.2011 beendet werden wird;
205. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung des Beklagten im Schreiben vom 03.02.2011 beendet worden ist oder beendet werden wird;
216. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung des Beklagten im Schreiben vom 24.02.2011 beendet worden ist oder beendet werden wird;
227. festzustellen, dass das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände außer den Beendigungstatbeständen, die in den Klageanträgen zu 1. bis 6. Aufgeführt sind, beseitigt oder beendet worden ist oder beseitigt oder beendet werden wird, sondern ungekündigt fortbesteht;
238. das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch Gerichtsurteil wegen Unzumutbarkeit seiner Fortsetzung für den Kläger aufzulösen und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Antragstellung, wobei die Höhe der Abfindung in das pflichtgemäße Ermessen Gerichts gestellt wird, jedoch nicht weniger als 40.000,00 € betragen darf.
24Der Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Der Beklagte hat in erster Linie die Auffassung vertreten, dass der Kläger ungeeignet sei, die Position des Jugendamtsleiters zu bekleiden und hat hierauf die Anfechtungen vom 18.01.2011 und 31.01.2011 gestützt. Darüber hinaus hat er gemeint, dass der Kläger durch sein Verhalten in der Vergangenheit einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gesetzt hätte, der es unzumutbar machte, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
27Zur Anfechtung vom 18.01.2011 hat sich der Beklagte in erster Linie auf einen Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften beim Kläger berufen und darauf verwiesen, dass sich der Kläger als unzuverlässig im Umgang mit Kindern und Jugendlichen erwiesen hätte. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang auf die Tätigkeiten des Klägers als Vorsitzender des Vereins "Jugend Aktuell e.V." verwiesen und hierbei insbesondere auf das Verhalten des Klägers während der Fahrt nach Prag. So habe es der Kläger zu vertreten, dass während der Prag-Fahrt angefertigte Bilder ins Internet gestellt worden seien, obwohl es sich in mindestens acht Fällen (Bl. 135 - 142 d.A.) um Fotos mit obszönen Darstellungen gehandelt hätte und die Fotografien zeigten, dass die Fahrt in einer sexualisierten Atmosphäre durchgeführt worden wäre. So gebe es insbesondere zwei Fotos, die männliche Jugendliche mit entblößtem Oberkörper in der Sauna zeigten. Des Weiteren existierten vier Fotografien auf der Internetseite des Vereines, die männliche Jugendliche mit ebenfalls entblößtem Oberkörper in einer Umkleidekabine zeigten. Auf einem der Fotos würden drei Jugendliche gezeigt, die sich Schaum um die Brustwarzen geschmiert hätten, wobei einer der Jugendlichen einen anderen Jugendlichen an die mit Schaum beschmierte Brustwarze gegriffen hätte. Eine weitere Fotografie zeigte zwei männliche Jugendliche, die eine nackte Bronzestatur mit deutlich sichtbarem Penis umarmten. Schließlich existierte eine weitre Fotografie im Internet, die den Kläger im Kreise von insgesamt sechs Jugendlichen zeigte. Drei der Jugendlichen hätten sich dabei mit der Hand in die Hose gefasst, um offenkundig an den erigiertem Penis bzw. eine Selbstbefriedigung zu simulieren. Der Kläger selbst trage ein T-Shirt, auf dem - ähnlich einem straßenverkehrsrechtlichem Verbotsschild - eine Frau mit Pferdeschwanz-Frisur abgebildet sei, die vor einem sich leicht zurücklehenden Mann kniete und bei diesem die Fellatio ausübe.
28Der Beklagte hat weiter vorgetragen, der Kläger hätte als Vorsitzender seines Vereins seit Jahren regelmäßig Partys und Diskotheken für Kinder und Jugendliche organisiert. Auch hierbei seien immer wieder Fotos hergestellt worden, auf dem Kinder und Jugendliche abgebildet wären. Diese seien u.a. in Badekleidung zu sehen, mit Kunstblut beschmiert, teilweise mit mehr oder weniger verständlichen Gesten, einander umarmend oder küssend, mit Akne, Zahnspange oder durchscheinender Unterwäsche, verrutschter Oberbekleidung usw. zu sehen. Der Kläger habe mit dieser Bilderflut die gebotene Aufklärung von Kindern und Jugendlichen über Gefahren der Internetpublizität pervertiert, in dem der Kläger es gefördert oder zumindest nicht verhindert hätte, dass der Verein diese Bilder via Internet weltweit publiziert hätte.
29Der Beklagte hat sich zur Begründung der Anfechtung vom 18.01.2011 darüber hinaus darauf berufen, dass er sich über die Charaktereigenschaft des Klägers insoweit geirrt hätte, als sich der Kläger als ausgesprochener Sexist erwiesen hätte. So habe der Kläger während der Laufzeit seines Anstellungsverhältnisses u.a. folgende sexistische Äußerungen an den Tag gelegt:
30Anlässlich eines Gesprächs mit einem Mitarbeiter, dem Zeugen N., hätte er z.B. geäußert, dass Frauen "nur zum Ficken und Kochen da seien".
31Anlässlich eines bevorstehenden Termins beim Landrat hätte der Kläger gegenüber dem Zeugen W. geäußert, die (Sekretärin Q. des Landrats) sollte "sich besser mal vorne und hinten einen Maiskolben reinschieben".
32Im Zusammenhang mit Gesprächen, bei denen es um die Erziehung eines 16jährigen Mädchens in einer Erziehungseinrichtung in Kirgisien gegangen sei, hätte der Kläger gegenüber dem Vertreter des Trägers der Erziehungsmaßnahme wörtlich geäußert, der Trägervertreter möge doch "für das Mädchen einen Dildo besorgen, dann sei Ruhe".
33Der Kläger hätte überdies während einer Fahrt durch Ungarn, an dem ebenfalls ein Vertreter des Trägers der Einrichtung teilgenommen hätte, abfällige Bemerkungen über Prostituierte gemacht, die sich neben der Straße auf einem sog. "Straßenstrich" aufgehalten hätten.
34Schließlich sei dem Kläger zum Vorwurf zu machen, dass er sich im Rahmen eines Gesprächs mit Mitarbeitern des Familienbesuchsdienstes in einer Art und Weise aufgeführt hätte, die von der Zeugin E. als bedrohlich, in hohem Maße sexistisch, sexualisiert, vulgär und in jeder Hinsicht völlig unangemessen empfunden worden sei.
35Zur außerordentlichen Kündigung vom 19.01.2011 hat sich der Beklagte auf die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Jugendarbeit des Klägers und den Vorkommnissen auf der Prag-Fahrt berufen sowie auf die sexistischen Äußerungen und Beleidigungen, die ebenfalls Gegenstand der Anfechtung des Arbeitsverhältnisses sind. Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass ihm die diesbezüglichen Tatsachen über die Sexismusvorwürfe am 14.01.2011 bekannt geworden wären.
36Zur Anfechtung vom 31.01.2011 hat der Beklagte in erster Linie auf zwei Vorfälle aus den Jahren 1986 und 1989 abgestellt und hierzu vorgetragen, der Kläger hätte an den Zeugen O. und N., die damals als Kinder der vom Kläger betreuten Jugendpfadfindergruppe angehört hätten, pädophil geprägte Handlungen vorgenommen. Wegen der Einzelheiten dieser Vorwürfe wird auf Bl. 105 - 116 d.A. verwiesen. Nach Auffassung des Beklagten folgt aus diesem Sachverhalt zum Einen, dass der selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch seiner pädophilen Veranlagung nach gehe und deshalb ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar wäre.
37Die weiteren Kündigungen vom 24.01.2011, 03.02.2011 und 24.02.2011 hat der Beklagte im Wesentlichen mit den Vorwürfen begründet, die bereits Gegen-stand der Anfechtungserklärungen vom 19. und 31.01.2011 bzw. der außerordentlichen Kündigung vom 19.01.2011 gewesen sind. Wegen der Einzelheiten wird deshalb insoweit auf Bl. 127 - 133 d.A. verwiesen.
38Der Kläger hat pädophile und sexistische Neigungen insgesamt in Abrede gestellt und vor allen Dingen bestritten, in den Jahren 1986 bis 1989 die Zeugen
39O. und N. sexuell missbraucht zu haben.
40Er hat deshalb zum Vorwurf, für die Position des Jugendamtsleiters nicht geeignet zu sein, zunächst auf seine sehr guten Zeugnisse der Städte Erkelenz und Mönchengladbach hingewiesen und auf die ihm bescheinigte hohe Qualität seiner Arbeitsleistung.
41Zu den ins Internet gestellten Fotos, die auf Veranstaltungen des Vereines "Jugend Aktuell e.V." gemacht wurden, hat der Kläger ausgeführt, dass diese vor allem anlässlich einer oder mehrerer Halloween-Partys angefertigt worden seien. Hierzu habe man das Wasser des Vitusbades mit einer speziell für Schwimmbäder angebotenen Lebensmittelfarbe blutrot gefärbt. Der Veranstalter hätte die jugendlichen Besucher teilweise auch mit dieser Lebensmittelfarbe bestritzt, um dem Motto des Halloween-Abends eine zusätzliche Attraktivität zu geben. Die bei den Veranstaltungen entstandenen Fotos seien auf vertraglicher Grundlage durch ausdrückliche Beauftragung seitens des Veranstalters gefertigt, seien bei der Veranstaltung auf einer Leinwand präsentiert und anschließend im Internet veröffentlicht worden. Auf die Veröffentlichung sei durch Aushang im Eingangsbereich der Veranstaltung jeweils deutlich hingewiesen worden. Insgesamt hätten die Fotos der Gestaltung einer Mottoparty eines anerkannten öffentlichen Auftragsgebers entsprochen und seien nicht zu beanstanden.
42Bei den Fotos, die auf der Prag-Fahrt gemacht worden seien, hätte es sich überwiegend um harmlose Fotografien gehandelt, die keinesfalls in sexualisierter Atmosphäre entstanden seien und bei denen der Kläger überwiegend auch gar nicht anwesend gewesen wäre. Zu dem Foto mit dem ihm von den Jugendlichen geschenkten weißen T-Shirt sei es gekommen, nachdem ihm die Jugendlichen das T-Shirt übergeben hätten. Wegen der Dunkelheit in dem Zimmer hätte der Kläger das Motiv selbst zunächst nicht erkennen können und auch nicht zu dem Zeitpunkt, zu welchem das besagte Foto geschossen worden sei. Ihm sei auch zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen, wie sich die vor ihm stehenden Jugendlichen verhielten und welche Gesten sie ausführten.
43Die ihm zur Last gelegten sexistischen Äußerungen hat der Kläger im Wesent-lichen bestritten und insgesamt in Abrede gestellt, dass er danach als Sexist charakterlich nicht geeignet wäre.
44Der Kläger hat des Weiteren bestritten, mit den Zeugen O. und N. sexuelle und pädophile Handlungen begangen zu haben. Er hat insgesamt die Auffassung vertreten, dass es keine Handlungen und Verhaltensweisen gegeben hätte, die dem Beklagten das Recht gebe, das mit ihm bestehende Arbeitsverhältnis anzufechten bzw. zu kündigen.
45Mit Teilurteil vom 03.05.2011 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Krefeld festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtungserklärung des Beklagten vom 18.01.2011 und durch die Kündigung vom 19.01.2011 nicht beendet worden sei. Das Arbeitsgericht hat danach das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 43.851,54 € aufgelöst.
46In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die dem Kläger zum Vorwurf gemachten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Fotografien von Veranstaltungen des Vereines "Jugend Aktuell e.V." und von Fotografien während der Prag-Fahrt des Vereins reichten nicht aus, die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB zu begründen. Es liege insoweit auch keine arglistige Täuschung vor, die den Beklagten zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigte. Die vom Beklagten vorgetragenen Gründe für die Kündigung vom 19.01.2011 wären ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Dies gelte insbesondere für die Vorfälle auf der Prag-Fahrt wie auch mit Blick auf die behaupteten sexistischen Äußerungen
47des Klägers. Hingegen, so das Arbeitsgericht weiter, sei es dem Kläger wegen des Verhaltens des Beklagten im Zusammenhang mit dem Prozess unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen, sodass es gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen wäre.
48Der Beklagte hat gegen das ihm am 18.05.2011 zugestellte Teilurteil mit einem am 20.05.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.08.2011 - mit einem am 18.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
49Er wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und vertritt zunächst die Rechtsauffassung, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht (nur) ein Teilurteil erlassen hätte.
50Der Beklagte meint zudem, dass das Arbeitsverhältnis wegen der Pädophilie des Klägers gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 33 GG nichtig wäre.
51Der Beklagte untermauert im Übrigen seine Rechtsauffassung, dass der Kläger wegen seiner Unzuverlässigkeit im Umgang mit Kindern und Jugendlichen sowie wegen seiner sexistischen Äußerungen und Verhaltensweisen für die Position des Jugendamtsleiters ungeeignet wäre. Diese Charaktereigenschaften hätten bereits bei Abschluss des Anstellungsvertrages vorgelegen und begründeten deshalb die Anfechtung des Arbeitsvertrages gemäß §§ 119 Abs. 2, 123 BGB.
52Zur Anfechtung vom 31.01.2011 beruft sich der Beklagte erneut und nachdrücklich auf die aus seiner Sicht feststehende Pädophilie des Klägers und behauptet erneut, er hätte am 28.01.2011 von der protokollierten Aussage des Zeugen
53O. und später von den Vorwürfen des Zeugen N. erfahren. Die danach zu Tage getretenen pädophilen Neigungen des Klägers wirkten nach und berechtigten zur Anfechtung des Arbeitsvertrages. Dies umso mehr, als inzwischen festgestellt worden sei, dass der Kläger selbst es gewesen sei, der die Kinder und Jugendlichen zu den obszönen Gesten überredet hätte, die auf dem Foto zu sehen wären, das anlässlich der Prag-Fahrt aufgenommen worden sei (vgl. hierzu Bl. 142 d.A.).
54Der Beklagte hält darüber hinaus eine gedeihliche betriebliche Zusammenarbeit mit dem Kläger für nicht mehr möglich und verfolgt deshalb hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
55Der Beklagte beantragt,
56die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld
57vom 03. Mai 2011, Az. 4 Ca 186/11 abzuweisen,
58hilfsweise das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Beklagten - unter
59Zurückweisung des Auflösungsantrags des Klägers - gegen eine vom Gericht festzusetzende Abfindung, die den Betrag von 1.000,00 € nicht überschreiten sollten, zum 31. März 2011 aufzulösen,
60hilfsweise die auf den Auflösungsantrag des Klägers hin festge-
61setzte Abfindung auf einen niedrigeren Betrag, der 1.000,00 € nicht
62überschreiten sollte, herabzusetzen.
63Der Kläger beantragt,
64die Berufung und den Auflösungsantrag des Beklagten zurückzu-
65weisen.
66Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz.
67Er bestreitet weiter jegliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe insbesondere auch im Zusammenhang mit den behaupteten sexistischen Äußerungen. Er verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das problematische Verhältnis der vom Beklagten benannten Zeugen zu ihm, dem Kläger.
68Der Kläger bestreitet außerdem, auf der Prag-Fahrt die Jugendlichen zu den obszönen Gesten angehalten zu haben, die sich aus dem Foto (Bl. 142 d.A.) erkennen lassen.
69Das Landesarbeitsgericht hat gemäß Beschluss vom 09.01.2012 Beweis erhoben über die Behauptungen des Beklagten zu den angeblichen sexistischen Äußerungen des Klägers durch Vernehmung der Zeugen W., U., H. und der Zeugin E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 08.03.2012 (Bl. 701 - 714 d.A.) verwiesen.
70Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
71E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
72I.
73Die Berufung ist zulässig.
74Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
75II.
76In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel zum überwiegenden Teil auch Erfolg.
77Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Anfechtungserklärung des Beklagten vom 18.01.2011 weder ex tunc noch ex nunc beendet worden, weil dem Beklagten keine Anfechtungsgründe im Sinne der §§ 119, 123 BGB zur Seite standen.
78Hingegen ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 19.01.2011 mit sofortiger Wirkung beendet worden, weil die Kündigung durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bedingt war.
791.In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Beklagten ist zunächst davon auszugehen, dass das Teilurteil des Arbeitsgerichts Krefeld in dieser Form nicht hätte ergehen dürfen, da die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht gegeben waren. Die erkennende Berufungskammer vertritt indessen die Auffassung, dass eine Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO nicht zu erfolgen hatte; es verbleibt vielmehr bei der Regelung des § 68 ArbGG, wonach wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts die Zurückverweisung unzulässig ist.
801.1Der Erlass des Teilurteils vom 03.05.2011 war unzulässig, da eine Entscheidungsreife im Sinne von § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlag.
811.1.1Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf nach § 301 ZPO ein Teilurteil nur dann erlassen werden, wenn die Entscheidung durch das über den Rest ergehende Schlussurteil unter keinen Umständen mehr berührt werden kann, sodass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht, ausgeschlossen ist. Widersprüchlichkeit meint dabei keinen Rechtskraftkonflikt, der bei Teilentscheidungen in aller Regel nicht auftritt, sondern umfasst bereits Fälle der Präjudizialität, d.h., die Entscheidung des verbliebenen Rechtsstreits darf nicht eine Vorfrage für den entscheidungsreifen Teilstreit umfassen. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht also immer dann, wenn das Teilurteil eine Frage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die anderen - noch nicht im Teilurteil beschiedenen - Ansprüche noch einmal stellt. In einem solchen Fall fehlt es an der in
82§ 301 ZPO für den Erlass eines Teilurteils vorausgesetzten Entscheidungsreife, weil die Beurteilung des Teilanspruchs nicht vom Ausgang des Streits über die anhängig bleibenden Ansprüche unabhängig ist (BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03 - BGHZ 157, 133; BAG 23.03.2005 - 4 AZR 243/04 - AP Nr. 5 zu § 301 ZPO, jeweils m.w.N.).
831.1.2Von der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen war aber vorliegend durchaus auszugehen, weil die Entscheidung im Rahmen des verbliebenen Rechtsstreits sich auch mit Fragen zu befassen hätte, die im Rahmen des entscheidungsreifen Teilstreits zu diskutieren und zu entscheiden waren. So hätte sich z.B. im Rahmen des noch verbliebenen Rechtsstreits erneut das Problem gestellt, ob der Beklagte berechtigt war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gemäß §§ 119, 123 BGB anzufechten. Hier hätte es durchaus zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen können, die sich möglicherweise erst im Verfahren vor dem Berufungs- oder Revisionsgericht ergeben hätten. Dann aber war es nicht zulässig, ein Teilurteil im Sinne des § 301 ZPO zu erlassen.
841.2.Über den danach noch nicht entschiedenen Teil des Klagebegehrens durfte die Berufungskammer selbst entscheiden; eine Zurückverweisung kam nach § 68 ArbGG nicht in Betracht.
851.2.1In der Rechtsprechung und Literatur ist streitig, wie im Falle eines in er-ster Instanz erlassenen unzulässigen Teilurteils vorzugehen ist. Einerseits wird
86vertreten, dass bei einem derartigen unzulässigen Teilurteil das Landesarbeitsgericht als weitere Tatsacheninstanz diesen Fehler korrigieren kann, indem es den noch beim Arbeitsgericht gebliebenen Teil von Amts wegen an sich zieht und damit über die Gesamtforderung einheitlich entscheidet (so z.B.: BAG 12.08.1993 - 6 AZR 593/92 - NZA 1994, 133; ähnlich auch: BAG 24.11.2004
87- 10 AZR 169/04 - AP Nr. 12 zu § 61 ArbGG 1979, jeweils m.w.N. auf Literatur und Rechtsprechung).
88Andererseits wird, was vor allem das Verhältnis zwischen dem BAG und einem LAG betrifft, auch die Auffassung vertreten, dass ein "Hochziehen" in die nächst höhere Instanz unzulässig ist (für das Verhältnis zwischen BAG und LAG so ausdrücklich: BAG 23.03.2005 - 4 AZR 243/04 -, a.a.O.).
891.2.2Die erkennende Kammer folgt, jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation, der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Rechtsauffassung, wonach grundsätzlich ein "Hochziehen" in das Berufungsverfahren möglich sein muss. Zum Einen ist nämlich in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass auch das Landesarbeitsgericht grundsätzlich noch als Tatsacheninstanz tätig wird und deshalb die Parteien ausreichend Gelegenheit haben, ihr tatsächliches und rechtliches Vorbringen umfänglich zu vervollständigen und zu konkretisieren. Wie gerade die vorliegende Fallkonstellation zeigt, wäre die erkennende Berufungskammer rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen, auch über den "hochgezogenen" Teil des Rechtsstreits - gegebenenfalls nach Durchführung der Beweisaufnahme - zu entscheiden. Dann aber erscheint es zum Anderen schon aus prozessökonomischen Gründen nicht nur vertretbar sondern zwingend, eine einheitliche Entscheidung im zweiten Rechtszug möglich zu machen, um damit endgültig widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.
902.Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Anfechtungserklärung des Beklagten vom 18.01.2011 weder ex tunc noch ex nunc beendet worden.
912.1Der Beklagte kann sich zur Begründung dieser Anfechtung zunächst nicht auf einen Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB berufen. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf eine angebliche Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit im Umgang mit Jugendlichen und Kindern verneint, reicht das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Verein "Jugend Aktuell e.V." nicht aus, um hiernach die Anfechtung zu rechtfertigen.
922.1.1Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB kommt in Betracht, wenn beim Beklagten ein Irrtum über solche Eigenschaften der Person des Arbeitnehmers vorgelegen hätte, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Der Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB kann als ein einseitiger Eigenschaftsirrtum oder als ein ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum aufgefasst werden. In diesem Sinne ist auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Irrtum über Eigenschaften der Person anerkannt, sodass bei einer begründeten Anfechtung das Arbeitsverhältnis entfällt (BAG 21.02.1991 - 2 AZR 449/90 - AP Nr. 35 zu
93§ 123 BGB).
94Entscheidend ist danach, ob die Eigenschaft einer Person im Verkehr als wesentlich angesehen wird. Dies können Eigenschaften sein, die die Person selbst kennzeichnen, wie etwa die Schwangerschaft einer Tänzerin, wie etwa Vorstrafen, eine epileptische Erkrankung oder die wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmers. Als verkehrswesentliche Eigenschaften kommen darüber hinaus die derzeitige Vertrauenswürdigkeit und möglicherweise auch die Zahlungsfähigkeit eines Arbeitnehmers in Betracht (vgl. auch hierzu: BAG 21.02.1991 - 2 AZR 449/90 - a.a.O.).
952.1.2Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellte, dass die von ihm ins Feld geführte Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit als verkehrswesentliche
96Eigenschaft des Klägers zu betrachten ist, führt dies nicht zu einem Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB. Dem Beklagten ist es nämlich auch im Berufungsrechtszug nicht gelungen, substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass der Kläger durch seine Tätigkeit für den Verein "Jugend Aktuell e.V." diese behauptete Unzuverlässigkeit oder Ungeeignetheit dokumentiert hätte.
972.1.1.1Im Rahmen seiner Tätigkeit für den von ihm selbst gegründeten Verein hat der Kläger es - unstreitig - veranlasst oder geduldet, dass Bilder mit Jugendlichen ins Internet gestellt wurden. Diese Bilder wurden auf Tanzveranstaltungen und bei einer oder mehreren Halloween-Partys angefertigt und zeigen die Kinder und Jugendlichen in teils witzigen, teils aber auch geschmacklosen oder übertriebenen Situationen. Gleichwohl erweisen sich alle dem Gericht zur Verfügung gestellten Bilder als "harmlos". Sie haben keinen sexistischen Charakter, gelangen auch nicht in die Nähe strafbarer Handlungen und belegen durchgehend nur, dass die Kinder und Jugendlichen auf den angesprochenen Veranstaltungen großen Spaß hatten, ohne dass rechtlich kritische Grenzen überschritten worden sind. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass nahezu alle Veranstaltungen, die hier zu diskutieren sind, nicht nur vom Verein "Jugend Aktuell e.V." ausgerichtet wurden, sondern auch noch andere Institutionen als Veranstalter aufgetreten sind und das Anfertigen von Fotografien geduldet haben. Der Kläger weist in diesem Zusammenhang außerdem zu Recht darauf hin, dass das Anfertigen von Fotografien und das Bereitstellen im Internet jeweils ausdrücklich angekündigt worden war, sodass mit der Teilnahme an den jeweiligen Veranstaltungen auch entsprechende Einwilligungen der Betroffenen vorgelegen haben dürften.
982.1.2.1 Darüber hinaus mag es im Einzelfall durchaus einmal zu kleineren Übertretungen der vom Beklagten genannten Mediengesetze gekommen sein. Sofern dies überhaupt in den Verantwortungsbereich des Klägers gefallen wäre, verbietet es sich aber, aus derartigen fahrlässigen Pflichtverletzungen auf eine insgesamt vorhandene Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit zu schließen.
992.1.1.3 Auch der Hinweis des Beklagten auf die Anfertigung von Bildern anlässlich der Prag-Fahrt im Mai 2008 reicht nicht aus, um die Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit des Klägers im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu belegen.
100Auch insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass die der Kammer zur Verfügung gestellten ca. 300 Bilder denen entsprechen, die auch auf den anderen, oben unter Ziffer 2.1.1.1 genannten Veranstaltungen gemacht worden sind. Auch hier handelt es sich weitestgehend um harmlose "Urlaubsbilder", auf denen Kinder und Jugendliche bei alltäglichen Spielereien zu beobachten sind. Dass in dem einen oder anderen Fall der Spaß übertrieben worden ist oder möglicherweise das Anstandsgefühl des einen oder anderen Erwachsenen verletzt, mag dem Beklagten nicht gefallen. Hieraus erneut auf fehlende Charaktereigenschaften zu schließen, die für die Position des Klägers als erforderlich angesehen wird, erscheint gleichwohl übertrieben und unangemessen. Auch das Verbreiten oder Verbreiten lassen im Internet kann insgesamt nicht als ein Verhalten des Klägers charakterisiert werden, dass ihn für seine Position ungeeignet erscheinen lässt.
101Die erkennende Kammer stimmt mit dem Beklagten überein, dass die von ihm vor allen in den Vordergrund gerückten acht Bilder der Prag-Fahrt, auf denen der Schabernack der beteiligten Jugendlichen offensichtlich weiter und möglicherweise zu weit getrieben wurde, eine etwas andere rechtliche Einschätzung erfahren. Dies gilt insbesondere auch für das Foto, auf dem der Kläger mit dem mehrfach angesprochenen weißen T-Shirt selbst zu sehen ist. Allein die Tatsache, dass der Kläger das Anfertigen dieser Fotos geduldet und ihre Verbreitung im Internet nicht verhindert hat, erscheint mindestens diskutabel, ist aber auch unter Berücksichtigung aller Umstände, die der erkennenden Kammer bekannt sind, nicht geeignet, von einer generellen Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit zu sprechen. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf zu verweisen, dass die Anfechtung des Beklagten vom 18.01.2011 (noch) nicht den Vorwurf umfasst, der Kläger hätte die Kinder und Jugendlichen zur Anfertigung des Bildes, auf dem der Kläger selbst zu sehen ist, dazu aufgefordert, ihre Hände in die Hose zu stecken. Dieser Sachverhalt, der sich im Übrigen auch nicht im Anfechtungsschreiben vom 18.01.2011 befindet, war und ist Gegenstand der Anfechtung vom 31.01.2011 und der erst später ausgesprochenen Kündigungen.
1022.1.1.4 Abschließend bleibt mit Blick auf die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB darauf hinzuweisen, dass es insbesondere fraglich erscheint, ob die vom Beklagten behaupteten fehlenden Charaktereigenschaften tatsächlich bei Abschluss des Arbeitsvertrages vorgelegen und den Beklagten zum entsprechenden Irrtum veranlasst haben könnten. Auch in diesem Zusammenhang verweist der Kläger zu Recht auf die sehr guten Zeugnisse, die ihm für seine Tätigkeiten zwischen 1993 und 2009 von den Städten Erkelenz und Mönchengladbach erteilt worden sind. Ohne nähere Konkretisierung ist kaum nachvollziehbar, dass der Kläger über mehr als 15 Jahre beanstandungsfrei und zuverlässig mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet haben soll, um dann (plötzlich) mit Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Beklagten einen doch bemerkenswerten Qualitätsverlust aufweist. Insgesamt kann deshalb nicht von einer generellen Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit mit Kindern und Jugendlichen ausgegangen werden, die als verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB zu qualifizieren wären.
1032.2.Der Beklagte kann die Anfechtung vom 18.01.2011 auch nicht mit dem von ihm angenommen Sexismus des Klägers begründen.
1042.2.1Insoweit erscheint der erkennenden Kammer bereits fraglich, ob die verkehrswesentliche Eigenschaft, nicht sexistisch zu sein, für das Amt des Klägers als Leiter des Jugendamts als von wesentlicher Bedeutung angesehen werden kann. Es erscheint weiter fraglich, ob die vom Beklagten genannten Vorfälle, die auf das sexistische Verhalten des Klägers schließen lassen sollen, geeignet sind, diese Charaktereigenschaft bezogen auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses zu unterstreichen.
1052.2.2Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber, dass selbst bei Unterstellung der sexistischen Äußerungen des Klägers in der Zeit nach dem Beginn seines Arbeitsverhältnisses nicht von einer Ungeeignetheit in Bezug auf die Position des Jugendamtsleiters ausgegangen werden kann. Wie unten näher aufzuzeigen sein wird, belegt das Verhalten des Klägers vielmehr, dass er als Vorgesetzter und Kollege im Rahmen der Behörde des Beklagten nicht mehr haltbar ist. Aus den hier noch unterstellten Äußerungen und Verhaltensweisen des Klägers lassen sich demgegenüber keine Rückschlüsse auf eine völlige Ungeeignetheit für die zuletzt bekleidete Position ableiten, sodass auch insoweit nicht von dem Vorliegen des Anfechtungsgrundes nach § 119 Abs. 2 BGB ausgegangen werden kann.
1062.3Soweit sich der Beklagte schließlich zur Rechtfertigung der Anfechtung auf eine Täuschung im Sinne des § 123 BGB beruft, kann er auch hiermit keinen Erfolg haben.
107Oben unter Ziffer 2.1. und 2.2. wurde bereits umfänglich herausgearbeitet, dass sowohl die Vorwürfe "Unzuverlässigkeit und Ungeeignetheit im Umgang mit Kindern und Jugendlichen" und "Sexismus" letztlich nicht als verkehrswesentliche Eigenschaften anzusehen sind. Dann aber fehlt es bereits an einer arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, die im Übrigen auch nur durch Unterlassen möglich gewesen wäre.
1082.4.Soweit der Beklagte im Berufungsrechtszug zur Begründung der Anfechtung vom 18.01.2011 auf den Vorwurf "sexueller Missbrauch von Kindern" abstellt, konnte dem nicht gefolgt werden. Die diesbezüglichen Vorwürfe des Beklagten beziehen sich auf die Vorfälle zwischen 1986 und 1989 und betreffen die Zeugen O. und N.. Ausweislich des Sachvortrags des Beklagten in beiden Rechtszügen sind ihm die Erkenntnisse über die behaupteten Vorfälle in den Jahren 1986 bis 1989 aber erst am 28.01.2011 übermittelt worden und sind dann zum Gegenstand der Anfechtung vom 31.01.2011 geworden. Sie befinden sich im Übrigen auch nicht im Anfechtungsschreiben vom 18.01.2011.
1092.5.Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtungserklärung vom 18.01.2011 nicht gemäß §§ 119 Abs. 2, 123 Abs. 1 und 142 Abs. 1 BGB beendet worden ist.
1103.Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts und des Klägers hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aber mit Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 19.01.2011 sein Ende gefunden. Die Kündigung des Beklagten ist rechtswirksam, weil sie durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bedingt war.
1113.1Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - NZA 2011, 1342; BAG 10.06.2010
112- 2 AZR 541/09 - AP Nr. 229 zu § 626 BGB).
113In der Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts ist weiter anerkannt, dass auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Dabei kann schon die erstmalige Ehrverletzung kündigungsrelevant sein und umso schwerer wiegen, je überlegter sie erfolgte. Bei der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. In solchen Situationen darf sich der Arbeitnehmer darauf verlassen und darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden (BAG 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - NZA 2010, 698).
114Unter Berücksichtigung dieser von der Rechtsprechung geprägten Obersätze ist das Landesarbeitsgericht nach Durchführung der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Kläger während des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses wiederholt sexistische und beleidigende Äußerungen über Kolleginnen/Mitarbeiterinnen und ihm anvertraute und zu betreuende Personen gemacht hat.
1153.2.Im Einzelnen gilt zur Feststellung des "an sich geeigneten" Kündigungsgrundes hiernach Folgendes:
1163.2.1Der Beklagte hat zunächst bewiesen, dass der Kläger im Juli 2010 in Anwesenheit des Zeugen W. mit Blick auf die Sekretärin des Landrats gesagt hat: "Der sollte man einen Maiskolben vorne oder hinten reinschieben". Der Zeuge W. hat in diesem Zusammenhang bestätigt, dass der Kläger offensichtlich über das Verhalten der Sekretärin Q. des Landrats erzürnt war. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass er das Verhalten des Klägers, das immerhin auf dem Flur vor dem Landratsbüro erfolgte, als peinlich empfand und dass keinesfalls Inhalt eines vertraulichen Gesprächs zwischen ihm und dem Kläger gewesen ist.
1173.2.1.2 Die Aussage des Zeugen W. ist glaubhaft. Sie fügt sich in den zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt zwanglos ein, erscheint wirklichkeitsnah und tatsächlich nachvollziehbar.
118An der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der widerspruchsfrei ausgesagt hat, bestehen keine Zweifel. Allein der wiederholte Hinweis des Klägers im Berufungsrechtszug, dass es in der Vergangenheit zwischen ihm und dem Zeugen W. zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sein soll, ist nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen.
1193.2.1.3 Dem Antrag des Klägers, ihn als Partei zu vernehmen, war nicht nachzukommen, da die Voraussetzungen der §§ 445, 447, 448 ZPO nicht vorliegen.
1203.2.1.3.1 Der Kläger weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Beteiligten einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit die Möglichkeit haben müssen, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Es gehört zu den für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässlichen Verfahrensregeln, dass das Gericht über die Richtigkeit bestrittener Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage. Um sie zu gewährleisten, bedarf es eines Mindestmaßes an rechtlichem Gehör (BVerfG 21.02.2001 - 2 BVR 140/00 - NJW 2001, 2531).
121Die aus der Verfassung folgende Pflicht zur Prüfung verbietet es, einer Partei, die ihre Behauptung über den Inhalt eines Gesprächs allein durch ihre eigene Vernehmung führen kann, dieses Beweismittel zu verwehren. Damit würde die Partei in ihrer Beweisnot belassen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist es geboten, die Partei entweder selbst im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören. Ein Beweisantrag auf Heranziehung der Partei als Beweismittel ist dann nicht unzulässig.
122Dies ist für die Fallgestaltung, dass in einem Zivilprozess eine Seite auf einen ihr nahe stehenden Zeugen zurückgreifen kann, während die andere Seite an einem "Vieraugengespräch" lediglich allein beteiligt war, in der Rechtsprechung anerkannt. Die Grundsätze sind darüber hinaus auch auf eine Fallgestaltung zu übertragen, dass ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein "gegnerischer" Zeuge, zugegen ist (BAG 22.05.2007 - 3 AZN 1555/06 - AP Nr. 6 zu § 448 ZPO).
123Darüber hinaus darf die Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO nur dann angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorangegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BAG 06.12.2001 - 2 AZR 396/00 - AP Nr. 33 zu § 286 ZPO).
1243.2.1.3.2Für das hier zu diskutierende Beweisthema, das sich mit der Äußerung des Klägers im Zusammenhang mit der Sekretärin Q. des Landrats befasst, kam danach eine Parteivernehmung des Klägers nicht in Betracht.
125Zum Einen kann schon hier nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeuge W. als "gegnerischer" Zeuge aus dem Lager des Beklagten kommt. Unstreitig ist vielmehr, dass der Kläger Amtsleiter gewesen ist und damit in der Hierarchie zwei Stufen über dem Zeugen W. stand. Es war auch nicht über ein Vieraugengespräch Beweis zu erheben, sondern über eine vom Kläger selbst initiierte diskriminierende Äußerung über eine Frau, bei dem der Zeuge W. als Mitarbeiter des Klägers zugegen gewesen ist.
126Darüber hinaus kam aber eine Vernehmung gemäß § 448 ZPO auch deshalb nicht in Betracht, weil keinerlei Wahrscheinlichkeit für den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf sprechen. Der Kläger hatte vielmehr in beiden Instanzen darauf hingewiesen, dass er sich an eine derartige Äußerung nicht erinnern könnte bzw. sie gar nicht gemacht hätte. Dann aber scheidet eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO aus.
1273.2.2.Der Beklagte hat auch bewiesen, dass der Kläger in Bezug auf ein zu betreuendes Mädchen in Kirgisien in diskriminierender und frauenverachtender Weise davon gesprochen hat, ihr einen Dildo zu besorgen.
1283.2.2.1 Der hierzu vernommene Zeuge U. hat nachvollziehbar dargestellt, weshalb es zu einem Gespräch über Erziehungsmaßnahmen gekommen war, die sich auf die junge drogenabhängige Frau in Kirgisien bezogen hat. Er hat eindrucksvoll geschildert, welche Probleme es in diesem besonderen Fall gab und dass er angesichts des Vorschlags des Klägers, ihr einen Dildo zu besorgen, völlig konsterniert gewesen ist. Der Zeuge U. hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der Kläger offenbar dazu neigte, den Schwerpunkt derartiger Gespräche in den Bereich der sexuellen Themen zu verlagern.
129Der hierzu ebenfalls vernommene Zeuge W. hat die Bekundungen des Zeugen U. bestätigt und untermauert, dass dies keinesfalls, wie vom Kläger vorgetragen, ein pädagogisch wertvoller und wirksamer Vorschlag gewesen sei.
130Auch der Zeuge H., der als Vertreter einer Jugendhilfeorganisation für die Durchführung der Maßnahme in Kirgisien mitverantwortlich war, hat die Behauptungen des Beklagten im Wesentlichen bestätigt. Er hat allerdings den Vorschlag des Klägers dahingehend gedeutet, dass der Kläger die sexuell orientierten Träume der jungen Frau in Kirgisien habe dämpfen wollen.
131Die Aussagen der drei Zeugen sind ergiebig. Sie belegen, obwohl in Nuancen voneinander abweichend, dass der Kläger offenbar nicht in der Lage war, im Rahmen des Gesprächs über die schwierige Erziehung der jungen Frau in Kirgisien Zurückhaltung an den Tag zu legen und seine Vorschläge an den besonderen Umständen dieses Falles zu orientieren. Sein Vorschlag, der jungen Frau einen Dildo zu besorgen, zeigt selbst unter Berücksichtigung der Einschätzung des Zeugen H. die Geringschätzung der Person der jungen Frau durch den Kläger. Sie zeigt nach Auffassung der erkennenden Kammer weiter, dass es dem Kläger offenbar nicht um das Wohl der zu Betreuenden ging, sondern, wie der Zeuge U. bemerkt hat, zum wiederholten Male um die Mitteilung seiner sexuell geprägten Gedanken.
1323.2.2.2 Die Zeugen U., H. und W. haben glaubhaft ausgesagt. Ihre Bekundungen geben im Wesentlichen und sehr realistisch die Situation wieder, in der sich zum damaligen Zeitpunkt die zu betreuende junge Frau in Kirgisien befand. Alle Zeugen schildern - mit eigenen Worten, aber im Ergebnis gleich - die damalige Gesprächssituation. Gerade angesichts der Tatsache, dass ihre Aussagen offensichtlich nicht aufeinander abgestimmt waren, besteht an der Glaubhaftigkeit deshalb genauso wenig Zweifel wie an der Glaubwürdigkeit der Zeugen selbst.
1333.2.2.3 Die vom Kläger auch hier beantragte Parteivernehmung war unzulässig. Es handelte sich vorliegend weder um ein Vieraugengespräch noch um ein solches, an dem auf der Arbeitgeberseite ein aus Sicht des Klägers "gegnerischer" Zeuge beteiligt war. Im Übrigen wird auf die weiteren Ausführungen zu Ziffer 3.2.1.3.2 verwiesen.
1343.2.3. Nach Durchführung der Beweisaufnahme und erneuter Einvernahme des Zeugen W. und H. steht des Weiteren fest, dass der Kläger anlässlich eines Besuches in Ungarn die im Beweisbeschluss aufgeführten Äußerungen über die am Straßenrand stehenden Prostituierten gemacht hat.
1353.2.3.1 Beide Zeugen haben die vom Beklagten behaupteten Aussprüche letztlich bestätigt, wobei sich der Zeuge H. nur nicht mehr ganz sicher war, auf welcher Fahrt nach Budapest dies gewesen ist. Die Zeugenvernehmung erweist sich jedenfalls als ergiebig.
1363.2.3.2 An der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen, wie bereits oben ausgeführt, keine Zweifel. Dies gilt gleichermaßen für die Glaubhaftigkeit beider Aussagen.
1373.2.3.3 Auch zu diesem Beweisthema kam eine Parteivernehmung des Klägers nicht in Betracht. Es wird insoweit auf die Ausführungen oben unter Ziffer 3.2.2.3 verwiesen.
1383.2.4. Auch hinsichtlich der dem Kläger zum Vorwurf gemachten Äußerungen im Gespräch mit den Kolleginnen des Familienbesuchsdienst ist es dem Beklagten gelungen, seine diesbezüglichen Behauptungen über die Äußerungen und Verhaltensweisen des Klägers zu beweisen.
1393.2.4.1 Die hierzu vernommene Zeugin E., die als Sozialarbeiterin dem Kläger unterstellt war, hat in ihrer Vernehmung eindrucksvoll geschildert, wie es zu dem Gespräch im November 2010 gekommen war. Sie hat in ihrer Vernehmung lebhaft und gebärdenreich erklärt, dass sich der Kläger im Rahmen des Gesprächs immer mehr gesteigert hätte, aufbrausend geworden wäre und durch eine teilweise obszöne Geste seine Argumentationen untermauert hätte. Die Zeugin hat weiter ausgesagt, dass sie sich angesichts des Verhaltens des Klägers "in einem falschen Film" gefühlt hätte, dass sie das Benehmen des Klägers als extrem abartig und sein Verhalten als Amtsleiter unwürdig empfand, weil er weit über das Ziel hinaus geschossen sei.
1403.2.4.2 Auch die Zeugin E. ist zweifelsohne als glaubwürdig zu qualifizieren. Sie mag zwar in einigen Formulierungen, mit denen sie das Verhalten und das Benehmen des Klägers gewürdigt hat, selbst ein bisschen übertrieben haben. Ihr war aber noch bei ihrer Vernehmung anzumerken, wie aufgewühlt sie angesichts des Verhaltens des Klägers gewesen war und noch ist. Gerade angesichts dieses Umstandes ist aber dann umso mehr davon auszugehen, dass sie das damalige Gespräch wahrheitsgetreu geschildert hat. Ihre Aussage muss darüber hinaus dann aber auch als glaubhaft bezeichnet werden.
1413.2.4.3 Auch hier kam eine Parteivernehmung des Klägers nicht in Betracht. Auf die Ausführungen zu Ziffer 3.2.1.3.2 wird ausdrücklich verwiesen.
1423.2.5 Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt hat, die Zeugin S. M. gegenbeweislich zum Thema "Fahrt in Ungarn" zu vernehmen, war dem nicht nachzukommen.
143Der entsprechende Sachvortrag und das hieran orientierte Beweisangebot sind verspätet gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG. Nach dieser Vorschrift sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht. Danach erweist sich das Vorbringen des Klägers als verspätet.
144Der von ihm jetzt neu vorgetragene Sachverhalt, dass bei der Fahrt nach Ungarn die Zeugin M. anwesend gewesen sein soll, war lange vor dem Prozess bekannt. Der Kläger hat seinen verspäteten Sachvortrag in keiner Weise entschuldigt. Da die Einvernahme der Zeugin M. überdies die Vertagung des Rechtsstreits zur Folge gehabt hätte, wäre es auch zu einer Verzögerung des Verfahrens gekommen, sodass eine Zulassung des verspäteten Sachvortrags nicht in Betracht kam.
1453.2.6 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht danach fest, dass der Beklagte einen an sich geeigneten Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für sich in Anspruch nehmen kann, um die außerordentliche Kündigung des Klägers zu rechtfertigen. Er hat bewiesen, dass der Kläger nicht nur in äußerst grober Form eine Kollegin/Mitarbeiterin, nämlich die Sekretärin des Landrats, beleidigt hat. Es steht weiter fest, dass der Kläger offenbar dazu neigt, beleidigende und frauenfeindliche Äußerungen entweder über Dritte oder im Beisein von Frauen selbst zu machen. Seine Äußerungen und sein Verhalten werden insgesamt geprägt durch offenbar immer wieder kehrende sexistische Äußerungen, die insgesamt geeignet sind, Kündigungsrelevanz im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu begründen.
1463.3.Angesichts der oben geschilderten Situation war der Beklagte nicht verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung gegenüber dem Kläger auszusprechen.
1473.3.1Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um einen so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 09.06.2011 - 2 AZR 381/10 - AP Nr. 234 zu § 626 BGB; BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227).
1483.3.2Hiernach war eine Abmahnung offensichtlich entbehrlich.
149Angesichts der drastischen Ausdrucksweisen des Klägers, die, wie gezeigt, nicht nur frauenfeindlich, sondern auch beleidigender Natur gewesen sind, konnte und musste der Kläger es ausschließen, dass der Beklagte sein Verhalten, wenn bekannt, tolerieren würde. Es bestand keine Veranlassung zu hoffen, dass der Beklagte es gestatten würde, derartige Äußerungen auch nach außen dringen zu lassen, sodass schon aus diesem Grund eine Abmahnung nicht erforderlich war.
150Hinzu kommt, dass eine Verhaltensänderung selbst nach einer Abmahnung nicht zu erwarten gewesen wäre. Die Vielzahl der sexistischen Äußerungen, die von allen Zeugen letztlich, wenn auch manchmal nur in Nebensätzen, bestätigt worden ist, belegt, dass der Kläger sehr schnell geneigt war und ist, seine Gedanken zu sexuell geprägten Themen auch in übersteigertem Tonfall zum Ausdruck zu bringen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Kläger offensichtlich nicht bereit war, auf die zurückhaltende Reaktion seiner Gesprächspartner zu reagieren, die sich, wie vom Zeugen H. bestätigt, z.B. bei der Diskussion über den Dildo erstaunt und konsterniert angeschaut haben. Wenn der Kläger schon dies in der Vergangenheit nicht zum Anlass genommen hat, über seine Verhaltensweisen nachzudenken, so kann dies auch für den Fall einer erteilten Abmahnung erst recht nicht angenommen werden.
1513.4.Auch die bei jeder Kündigung vorzunehmende umfassende Interessenabwägung fällt vorliegend eindeutig zugunsten des Beklagten aus.
1523.4.1Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 09.06.2011 - 2 AZR 381/10 - a.a.O.; BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - a.a.O.).
1533.4.2Hiernach ist es dem Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist fortzusetzen.
1543.4.2.1 Zugunsten des Klägers ist naturgemäß festzuhalten, dass der Ausspruch einer dann für rechtswirksam erklärten Kündigung einen Makel darstellt, der zu weiteren - auch finanziellen - Schwierigkeiten in der Zukunft führen kann. So wird es ihm angesichts der bewiesenen Vorwürfe schwer möglich sein, eine adäquate Beschäftigung im Bereich des öffentlichen Dienstes zu erlangen.
155Demgegenüber kommt ihm gerade nicht zugute, dass die Gespräche, die zu Themen der Beweisaufnahme geworden sind, im vertraulichen Rahmen unter Kollegen stattgefunden haben.
1563.4.2.2 Der Beklagte kann vielmehr nachdrücklich darauf verweisen, dass die dem Kläger zur Last gelegten Äußerungen nicht nur gegenüber Kollegen und im Kollegenkreis erfolgt sind. Es steht fest, dass sich die Beleidigungen und Diskriminierungen auch auf außenstehende Dritte wie z.B. die zu betreuende junge Frau in Kirgisien bezogen haben. Noch schwerer fällt ins Gewicht, dass diese Äußerungen nach außen getreten sind und z.B. dem Zeugen H. als Vertreter einer Trägerorganisation bekannt wurden. Dann aber verweist der Beklagte zu Recht darauf, dass er es sich angesichts der dargestellten Außenwirkung nicht leisten kann, den Kläger weiter zu beschäftigten.
157Hinzu kommt weiter, dass der Kläger durch sein Verhalten seine Vorbildfunktion als Vorgesetzter massiv missachtet hat. Er muss sich des Weiteren vorhalten lassen, dass es ihm ohne Weiteres - auch angesichts der Reaktion seiner Gesprächsteilnehmer - hätte einleuchten müssen, dass er diverse Male über das Ziel hinausgeschossen ist. Wenn er gleichwohl von seinem Verhalten nicht Abstand nahm, so ist von einem auch nicht nur geringen Verschuldensgrad auszugehen. Insgesamt überwiegt deshalb - auch angesichts der nur kurzen Beschäftigungszeit des Klägers - das Beendigungsinteresse des Beklagten des Weiterbeschäftigungsinteresses des Klägers.
1583.5.Der Beklagte hat bei Ausspruch der Kündigung die 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, weil ihm die Erkenntnisse über die Kündigungsgründe nach seinem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag erst am 14.01.2011 zugegangen sind.
1593.6.Angesichts der zu den Akten gereichten Personalratsanhörung vom 17.01.2011 und dessen Reaktion am 19.01.2011 ist auch von einer ordnungsgemäßen Personalratsbeteiligung auszugehen.
1604. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang der Kündigung vom 19.01.2011 endgültig beendet worden ist, standen die weiteren Kündigungen und Anfechtungen, die zeitlich später lagen, nicht mehr zur Entscheidung an.
161Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
162Die Revision war nicht gemäß § 72 ArbGG zuzulassen. Die Kammer hat geprüft, ob Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen, die eine Zulassung der Revision bedingt hätten. Das Vorliegen derartiger Zulassungsgründe ist insgesamt zu verneinen gewesen.
163R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
164Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.
165Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a Abs. 1 ArbGG verwiesen.
166gez.: Göttlinggez.: Raufeisengez.: Balnis