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1.§ 10 Abs. 1 ATV-K i.V.m. § 30 Abs. 1, 4 ATV-K gewährt nur der Ehefrau eine Betriebsrente für Witwen, die im Zeitpunkt des Todes des Betriebsrentners mit diesem in familienrechtlich wirksamer Ehe lebt. 2.Dadurch, dass die Tarifvertragsparteien mit dem ATV-K die Witwenrente für nach altem Scheidungsrecht vor dem 01.07.1977 schuldlos oder überwiegend schuldlos geschiedene Ehefrauen, wie sie in § 65e VersTV-G enthalten war, vollständig abgeschafft haben, haben sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. 3.Da eine bewusste tarifliche Regelungslücke vorliegt, hat die Kammer bei Abwägung des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes und dem daraus abgeleiteten Justizgewährungsanspruch unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 GG eine gerichtliche Übergangsregelung zur Behebung des Gleichheitsverstoßes bis zu einer eigenständigen tariflichen Regelung angenommen. 4.Auf der Grundlage dieser gerichtlichen Übergangsregelung können die vor dem 01.07.1977 schuldlos oder überwiegend schuldlos geschiedenen Ehefrauen eine Betriebsrente für Witwen gemäß § 10 Abs. 1 ATV-K i.V.m. § 30 Abs. 1, 4 ATV-K verlangen, die jedoch durch den am Umstellungsstichtag 31.12.2001 gezahlten Unterhalt begrenzt ist.
1.Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsge-richts Essen vom 21.02.2012 - 2 Ca 2061/11 - teilweise ab-geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 8.436,34 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes aus 3.834,70 € seit dem 10.09.2011 und aus weiteren 4.601,64 € seit dem 21.02.2012 zu zahlen.
2.Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückge-wiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 24 % und der Beklagten zu 76 % auferlegt.
4.Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über eine Hinterbliebenenversorgung.
3Die Klägerin war die Ehefrau des ehemaligen, am 30.11.1929 geborenen Arbeitnehmers X. T. der Beklagten. Dieser schloss zunächst am 20.04.1944 einen Lehrvertrag mit der Stadt Essen. Mit dieser vereinbarte er am 24.07.1948 mit Wirkung vom 01.04.1948 einen Dienstvertrag, nach dem er bei der Verwaltung der Stadt Essen als Angestellter beschäftigt wurde. Gemäß § 2 des Vertrages richtete sich das Angestelltenverhältnis nach den Bestimmungen der Allgemeinen Tarifordnung und der Tarifordnung A für die Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst vom 01.04.1938. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Dienstvertrag Bezug genommen. Bereits während der Lehrzeit wurde Herr T. durch das Personalamt der städtischen Sparkasse zugeteilt. Bei dieser war er durchgehend tätig. Als zum 01.04.1961 der Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.1961 (BAT) geschaffen wurde, wurde dieser auf das Arbeitsverhältnis von Herrn T. angewandt. § 46 BAT lautete:
4"Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und die vertragsschließenden Gewerkschaften verpflichten sich, die allgemeine Einführung einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei den Mitgliedern, die der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehören, zu fördern."
5Vor diesem Hintergrund wurde mit Wirkung zum 01.01.1967 der Versorgungstarifvertrag für Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) abgeschlossen. Dieser fand auf das Arbeitsverhältnis mit Herrn T. Anwendung. § 26 Abs. 4 VersTV-G enthielt ursprünglich die Geschiedenenwitwenrente. Die Ehe der Klägerin mit Herrn T., der nachfolgend nicht mehr heiratete, wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.03.1976 (9 U 275/75) geschieden. Im Tenor hieß es u.a.:
6"Beide Parteien sind schuld. Die Schuld des Klägers überwiegt."
7Die geschiedenen Eheleute vereinbarten die Zahlung von Unterhalt an die Klägerin. Nach anfänglich monatlich 500,00 DM betrug er ab dem 01.07.1992 1.500 DM monatlich, die auch noch in den Jahren 1999 und 2005 gezahlt wurden. Mit dem 26. Änderungstarifvertrag vom 15.11.1991 wurde die Geschiedenenwitwenrente zum 01.01.1992 abgeschafft, aber als Übergangsregelung in § 65 e VersTV-G beibehalten. Diese Vorschrift lautete:
8"§ 65 e Übergangsregelung zu § 26
9(1)Anspruch auf Versorgungsrente für Witwen hat auch die aufgrund des vor dem 01. Juli 1977 geltenden Rechts schuldlos oder aus überwiegendem Verschulden des Verstorbenen geschiedene Ehefrau, die eine Witwenrente nach §§ 243, 268 SGB VI erhält oder erhalten würde, wenn der Verstorbene in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen wäre und dort die Wartezeit erfüllt hätte "
10Wegen der weiteren Einzelheiten des VersTV-G wird auf die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen. Aufgrund eines Aufhebungsvertrags vom 15.05.1992 schied Herr T. - dessen Arbeitsverhältnis inzwischen nicht mehr mit der Stadt Essen, sondern der Beklagten bestand - zum 31.07.1992 bei der Beklagten aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Aufhebungsvertrag und die diesem zu Grunde liegende Dienstvereinbarung vom 24.02.1992 über die Lösung von Beschäftigungsverhältnissen auf Veranlassung der Sparkasse Essen - aus nicht verhaltensbedingten Gründen - bei Zahlung von Abfindungen Bezug genommen. Die Beklagte meldete Herrn T. mit am 23.07.1992 unterzeichneten Formblatt von der Zusatzversorgungskasse der Stadt Essen (ZVKE) ab. Mit Bescheid vom 28.12.1992 bewilligte die ZVKE Herrn T. beginnend mit dem 01.12.1992 eine Versorgungsrente nach Maßgabe ihrer Satzung. Mit Schreiben vom 16.09.1999 teilte die ZVKE Herrn T. auf seine Anfrage mit, dass seiner geschiedenen Ehefrau, d.h. der Klägerin, im Falle seines Todes ein Anspruch auf Versorgungsrente gemäß § 105 b der Satzung der KZVE (KZVE-S) zustehe. In § 105 b KZVE-S, der durch die 18. Satzungsänderung zum 01.01.1992 eingeführt wurde, hieß es:
11"Übergangsregelung zu §§ 36 und 37
12(2)Anspruch auf Versorgungsrente oder Versicherungsrente für Witwen hat auch die aufgrund des vor dem 01.07.1977 geltenden Rechts schuldlos oder aus überwiegendem Verschulden des Verstorbenen geschiedene Ehefrau, die eine Witwenrente nach §§ 243, 268 SGB VI erhält oder erhalten würde, wenn der Verstorbene in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen wäre und dort die Wartezeit erfüllt hätte "
13Mit Wirkung vom 01.01.2003 wurde der Bestand der Versorgungsberechtigten der Beklagten auf die Rheinischen Versorgungskassen (RVK) übergeleitet. Ab der Überleitung zahlte die RVK die Altersrente von Herrn T.. Auf erneute Anfrage von Herrn T. teilte die RVK ihm mit Schreiben 29.07.2005 und vom 16.08.2005 mit, dass der zum 01.01.2011 in Kraft getretene Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 01.03.2002 Altersvorsorge-TV-Kommunal (ATV-K) keine Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente mehr vorsehe, was inhaltsgleich für die Satzung der RVK gelte. In dem ATV-K hieß es u.a.:
14" § 10
15Betriebsrente für Hinterbliebene
16(1)Stirbt eine/ein Versicherte/-r, die/der die Wartezeit (§ 6) erfüllt hat, oder eine/ein Betriebsrentenberechtigte/-r, hat die hinterbliebene Ehegattin/der hinterbliebene Ehegatte Anspruch auf eine kleine oder große Betriebsrente für Witwen/Witwer, wenn und solange ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht oder bestehen würde, wenn kein Rentensplitting unter Ehegatten durchgeführt worden wäre. Art (kleine/große Betriebsrenten für Witwen/Witwer), Höhe (der nach Ablauf des Sterbevierteljahresmaßgebende Rentenartfaktor nach § 67 Nrn. 5 und 6 und § 255 Abs. 1 SGB VI) und Dauer des Anspruchs richten sich - soweit keine abweichenden Regelungen getroffen sind - nach den entsprechenden Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Bemessungsgrundlage der Betriebsrenten für Hinterbliebene ist jeweils die Betriebsrente, die die Verstorbene/der Verstorbene bezogen hat oder hätte beanspruchen können, wenn sie/er im Zeitpunkt ihres/seines Todes wegen voller Erwerbsminderung ausgeschieden wäre.
17§ 30
18Am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigte
19(1)Die Versorgungsrenten, die sich ohne Berücksichtigung von Nichtzahlungs- und Ruhensregelungen ergeben, und die Ausgleichsbeträge nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Zusatzversorgungsrecht werden für die am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten und versorgungsrentenberechtigten Hinterbliebenen zum 31. Dezember 2001 festgestellt.
20(2)Die nach Absatz 1 festgestellten Versorgungsrenten werden vorbehaltlich des Satzes 3 als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 11 Abs. 1 dynamisiert.
21(3)..
22(4)Stirbt eine unter Absatz 1 fallende Versorgungsrentenberechtigte/ein Versorgungsrentenberechtigter, gelten die Vorschriften des Punktemodells für Hinterbliebene entsprechend. "
23Wegen der weiteren Einzelheiten des ATV-K wird auf das zur Akte gereichte Exemplar Bezug genommen. Die RVK-S in der Fassung der Ersten Satzungsänderung vom 19.12.2003 setzte die Regelungen des ATV-K rückwirkend zum 01.01.2001 in Kraft. Die Herrn T. gewährte Altersrente betrug zuletzt monatlich 1.643,37 Euro. Am 03.03.2011 verstarb Herr T.. Den Antrag auf Zahlung einer Geschiedenenrente an die Klägerin lehnte die RZVK mit Schreiben vom 04.07.2011 ebenso wie die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2011 ab. Nach dem Tod von Herrn T. bezog die Klägerin auf ihren Antrag eine große Witwenrente an Geschiedene aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 1.029,87 Euro.
24Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr die mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Hinterbliebenenrente zu verschaffen. Insoweit sei das Versorgungsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, aus dem sie als Hinterbliebene ihre Rechte ableite, betroffen. Dies begründe die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Die Tarifvertragsparteien hätten durch § 30 Abs. 4 ATV-K rechtwidrig die Geschiedenenwitwenrente ohne Besitzstandsregelung abgeschafft. Dies sei ein unzulässiger Eingriff in Art. 14 GG. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit seien verletzt. Eine einmal zugesagte Hinterbliebenenversorgung könne einem Versorgungsempfänger nicht mehr entzogen werden. Hierfür hätte die Beklagte als Arbeitgeberin von Herrn T. einzustehen. Schließlich sei auch der Gleichheitssatz verletzt. Bei den Scheidungsfällen vor dem 01.07.1977 und denjenigen nach diesem Zeitpunkt handele es sich um vollkommen ungleiche Sachverhalte. Eine Absicherung über den Versorgungsausgleich fehle für die Scheidungen vor diesem Zeitpunkt anders als für Scheidungen nach dieser Zeit. Genau aus diesem Grund sei für die Altfälle die Geschiedenenwitwenrente gewährt worden. Dies sei bei deren vollständiger Abschaffung durch den ATV-K nicht berücksichtigt worden. Die Umstellung des Gesamtversorgungssystems auf das Punktemodell sei keine Rechtfertigung für diesen Eingriff. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die ihr zu zahlende Witwenrente betrage 60 % der zuletzt von Herrn T. bezogenen Altersrente, d.h. monatlich 986,02 Euro.
25Sie hat zuletzt beantragt,
26die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.846,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat zunächst die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten gerügt. Mit Eintritt des Versorgungsfalls hätten nur noch Rechtsbeziehungen zwischen der jeweiligen Zusatzversorgungserlasse und Herrn T. bestanden. Gegen diese hätte die Klägerin ihre Klage erheben müssen. Zudem sei Herr T. nicht gegen den Bescheid der RVK vom 29.07.2005 vorgegangen. Die Klägerin habe auch nicht schlüssig vorgetragen, aus welchen Gründen sie ihr arbeitsrechtlich mehr als nach der RVK-S zu zahlen habe. Schließlich argumentiere die Klägerin nur mit versicherungsrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Versorgungskassen. Ein arbeitsrechtliches Versorgungsversprechen zur Begründung ihres Anspruchs trage sie nicht vor. Unabhängig davon hätten die Tarifvertragsparteien das bisherige Gesamtversorgungssystem auf das Punktemodell umstellen und dabei keine Geschiedenenwitwenrente mehr vorsehen dürfen. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch das Sterbegeld abgebaut worden. Zudem sei der Versorgungsausgleich bereits zum 01.07.1977 eingeführt worden. Hierauf hätten die Tarifvertragsparteien nach Ablauf von so vielen Jahren durch den ATV-K reagieren dürfen.
30Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.02.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin eine Hinterbliebenenrente aus der RVK-S nicht zustehe, weil sie keine Witwe sei. Der begehrte Anspruch folge nicht aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) aufgrund der früheren Bestimmung des § 105 b KZVE-S. Der ATV-K habe den Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente rechtlich wirksam abgeschafft. Gegen das ihr am 02.04.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.04.2012 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.06.2012 - am 18.06.2012 begründet.
31Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, ihr die begehrte Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen, weil die RVK diese Leistung nach dem maßgeblichen Satzungsrecht nicht mehr erbringen dürfe. Die Tarifvertragsparteien seien nicht befugt gewesen, die bislang geregelte Geschiedenenwitwenrente durch den ATV-K ersatzlos abzuschaffen. Es handele sich um eine unzulässige unechte Rückwirkung sowie um eine unzulässige Ungleichbehandlung. Die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Zusatzversorgung sei kein Rechtfertigungsgrund. Schließlich sei eine Umstellung auf das Punktemodell bei Herrn T. nicht mehr erfolgt.
32Die Klägerin beantragt,
33die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom 21.02.2012 - 2 Ca 2061/11 - zu verurteilen, an sie 10.846,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.930,10 Euro seit der Klagezustellung und aus weiteren 5.916,12 Euro seit dem 21.02.2012 zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Sie rügt erneut die Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte, weil im Verhältnis zu den Zusatzversorgungskassen die ordentlichen Gerichte zuständig seien. Unabhängig davon stehe ihr nach dem ATV-K kein Anspruch auf Geschiedenewitwenrente mehr zu. Deren bewusste Abschaffung durch den ATV-K sei aufgrund des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien rechtlich wirksam. Der Systemwechsel vom Gesamtversorgungssystem auf das Punktemodell sei zudem höchstrichterlich gebilligt. Im Gesamtversorgungssystem gegeben habe der Rentenanspruch aufgrund der gewährten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch gegen "Null" gehen können. Ihrem Absicherungsbedarf habe die Klägerin selbst begegnen können, weil die Geschiedenenwitwenrente an eine lange zurückliegende Rechtssituation anknüpfe.
37Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen Bezug genommen.
38E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
39Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
40A.Die Berufung ist teilweise begründet, weil die zulässige Klage teilweise begründet ist. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 8.436,34 Euro brutto verlangen. Ein weitergehender Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu. Insoweit ist die Berufung unbegründet.
41I.Die Klage ist zulässig; insbesondere ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben. Richtig ist, dass für einen Rechtsstreit zwischen einer Zusatzversorgungskasse und einem versicherten Arbeitnehmer der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist (BAG 10.08.2004 - 5 AZB 26/04, ZTR 2004, 603). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Streitgegenstand ist ein von der Klägerin geltend gemachter Verschaffungsanspruch. Dieser leitet sich aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis, welches zwischen der Beklagten und Herrn T. bestand, ab. Wird die geschuldete Versorgung nicht auf dem vorgesehen Durchführungsweg abgewickelt, so hat der Arbeitgeber gegebenenfalls selbst die Versicherungsleistungen zu erbringen (BAG 07.03.1995 - 3 AZR 282/94, AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung Rn. 49; BAG 22.12.2009 - 3 AZR 136/08, DB 2010, 1074). Für eine solche Rechtsstreitigkeit sind die Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG ausschließlich zuständig, weil es sich um die bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen der Klägerin als Hinterbliebener und der Beklagten als ehemaliger Arbeitgeberin des Herrn T. handelt. Hinterbliebene sind diejenigen Personen, denen nach dem Tode des Arbeitnehmers eigenständige Ansprüche aus dessen früherem Arbeitsverhältnis erwachsen, wie eine Hinterbliebenenrente (BAG 07.10.1981 - 4 AZR 173/81, DB 1982, 810 Rn. 27; Germelmann et al. 7. Aufl. 2009, ArbGG § 2 Rn. 84). Der geltend gemachte Anspruch wurzelt in diesem Arbeitsverhältnis. Einer gesonderten Vorabentscheidung gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG bedurfte es nicht. Nach den Erörterungen im Kammertermin hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass sie die Rüge des unzulässigen Rechtswegs nicht aufrecht erhält. Unabhängig davon sah die Kammer keinen Anlass, in der zweiten Instanz in eine Vorabentscheidung einzutreten, weil sie die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht und insoweit keinen Anlass gesehen hätte, die Beschwerde an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen (vgl. BGH 29.03.1996 - V ZR 326/94, WM 1996, 864 Rn. 8).
42II.Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 8.436,34 Euro brutto verlangen. Der Anspruch folgt aus § 30 Abs. 1, 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Beklagten mit Herrn T. i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Beklagte ist verpflichtet die der Klägerin auf dieser Grundlage zustehende Hinterbliebenenrente in Höhe von monatlich 766,94 Euro brutto für die Zeit von April 2011 bis Februar 2012 zu zahlen. Ein weitergehender Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.
431.Richtig ist zunächst, dass der Klägerin der Anspruch nicht unmittelbar aufgrund von § 30 Abs. 1, 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Beklagten mit Herrn T. zusteht. Gemäß § 30 Abs. 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K hat die hinterbliebene Ehegattin einen Anspruch auf Betriebsrente für Hinterbliebene. Die genannten tariflichen Vorschriften knüpfen den Witwenrentenanspruch damit grundsätzlich an den Bestand einer familienrechtlich wirksamen Ehe im Zeitpunkt des Todes des Versicherten (vgl. insoweit BSG 30.03.1994 - 4 RA 18/93, NJW 1995, 3270 Rn. 16 zu § 41 Abs. 1 AVG). Die Klägerin war im Zeitpunkt des Todes von Herrn T. nicht dessen Ehegattin, sondern rechtsgültig geschieden. Einen unmittelbaren Anspruch aus § 30 Abs. 1, 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K macht die Klägerin auch nicht geltend.
442.Der Anspruch folgt aus § 30 Abs. 1, 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Beklagten mit Herrn T. i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Hierfür hat die Beklagte einzustehen.
45a)Sagt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Versorgung zu, hat der Arbeitnehmer bzw. wie hier die Hinterbliebene gegen den Arbeitgeber einen aus dem arbeitsvertraglichen Versorgungsverhältnis folgenden Anspruch, der sich auf die Gewährung der versprochenen Versorgung richtet. Ist der Zusage zufolge die Versorgung über einen externen Versorgungsträger durchzuführen, folgt aus der arbeitsrechtlichen Grundverpflichtung, dass der Arbeitgeber die Versicherungsleistungen oder zumindest gleichwertige Leistungen gegebenenfalls selbst zu erbringen hat, wenn der Versorgungsträger die betriebsrentenrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers bzw. wie hier der Hinterbliebenen nicht erfüllt. Diese Verpflichtung folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG (BAG 07.03.1995 a.a.O. Rn. 48 f.; BAG 22.11.2009 a.a.O. Rn. 20; BAG 07.09.2004 - 3 AZR 550/03, DB 2005, 507 Rn. 42; BAG 19.06.2012 - 3 AZR 408/10, PM). Es kann im Einzelnen offen bleiben, unter welchen Voraussetzung die Arbeitgeberin bei Wahl eines externen Durchführungswegs in Anspruch genommen werden kann (vgl. dazu Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 5. Aufl. 2010, § 1 Rn. 270). Die unmittelbare Inanspruchnahme ist jedenfalls dann möglich, wenn sich der Anspruch nicht unmittelbar aus dem Leistungsplan der Versorgungskasse ergibt, sondern z.B. erst aus der Verletzung des Gleichheitssatzes (Blomeyer/Rolfs/Otto a.a.O. § 1 Rn. 270; s.a. BAG 07.09.2004 a.a.O. Rn. 43). Dies ist vorliegend der Fall. Die von der Klägerin verlangte Hinterbliebenenrente ergibt sich unstreitig nicht unmittelbar aus der RZV-S. Mit der Einführung des ATV-K hat auch die RVK die Geschiedenenwitwenrente abgeschafft. Dies folgt daraus, dass die RVK-S der jeweiligen Rechtslage, insbesondere einer Änderung der Versorgungstarifverträge, unverzüglich anzupassen ist (§ 13 Abs. 1 des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen (VKZVKG) vom 6. November 1984, GV. NW. 1984 S. 694, ber. S. 748, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.04.2010 GV. NRW. S. 255). Unabhängig davon hat die Klägerin von der RVK die Zahlung der hier streitigen Geschiedenenwitwenrente verlangt. Diese hat die die Zahlung ihr gegenüber aber auch gegenüber Herrn T. abgelehnt. Der Vollständigkeit halber weist die Kammer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die ablehnenden Mitteilungen der RVK an Herrn T. keine Verwaltungsakte waren. Daraus, dass er dagegen nicht vorging, können mithin keine rechtlichen Schlüsse zu Lasten der Klägerin gezogen werden.
46b)Der Anspruch folgt aus § 30 Abs. 1, 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Beklagten mit Herrn T. i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zur Überzeugung der Kammer haben die Tarifvertragsparteien dadurch, dass sie durch den ATV-K die Geschiedenenwitwenrente, wie sie noch in § 65 e VersTV-G enthalten war, vollständig abgeschafft haben, gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
47aa) Die Tarifvertragsparteien sind - jedenfalls mittelbar - an den Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Eine Tarifnorm verletzt den Allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen sind die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebenden Einschränkungen zu beachten. Die Tarifvertragsparteien haben danach eine Einschätzungsprärogative, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten oder Rechtsfolgen geht, sowie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, zu klären, ob die Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Sie dürfen im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit auch typisierende Regelungen treffen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des Allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelungen. Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BAG 21.08.2012 - 3 AZR 281/10, juris Rn. 21 m.w.N.; s.a. BGH 14.11.2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 59).
48bb)Dies ist vorliegend der Fall. Auch bei typisierender Betrachtung und unter Beachtung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien bestand kein sachlicher Grund, die Geschiedenenwitwenrente vollständig abzuschaffen, hingegen die Witwenrente als Betriebsrente an Hinterbliebene nach wie vor vorzusehen, wie es mit § 30 Abs. 1, 4 ATV-K i.V.m. § 10 Abs. 1 ATV-K geschehen ist. Die Kammer verkennt nicht, dass die Geschiedenenwitwenrente und die Witwenrente nicht vollständig vergleichbar sind. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Tarifvertragsparteien selbst die betroffenen Hinterbliebenen, d.h. die Witwen und die schuldlos bzw. überwiegend schuldlos vor dem 01.07.1977 geschiedenen Ehefrauen bis zum In-Kraft-Treten des ATV-K im Wesentlichen gleich behandelt haben. Für die schuldlos bzw. überwiegend schuldlos vor dem 01.07.1977 geschiedenen Ehefrauen sah § 65 e VersTV-G vor, dass sie Anspruch auf Versorgung für Witwen haben, wenn sie eine Witwenrente gemäß § 243, 268 SGB VI erhalten. Sie wurden mithin durch die Tarifvertragsparteien selbst im Leistungsrecht über die Übergangsbestimmung des § 65 e VersTV-G den Witwen, die Anspruch auf Versorgungsrente gemäß § 26 VersTV-G hatten, im Wesentlichen gleichgestellt. Auch diese Versorgungsrente für Witwen setzte im Grundsatz voraus, dass eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurde (§ 26 Abs. 2 lit a VersTV-G). Richtig ist allerdings, dass bei der Höhe der Versorgungsrente zwischen den Witwen und den geschiedenen Ehefrauen ein Unterschied gemacht wurde. In den Fällen des § 65 e VersTV-G war die Gesamtversorgung nämlich auf den Betrag, den der verstorbene Versicherte zur Zeit seines Todes monatlich an Unterhalt zu leisten hatte oder leistete, begrenzt (§ 26 Abs. 1 Satz 3 VersTV-G). Dies ändert aber nichts daran, dass beide Gruppen dem Grunde nach gleich behandelt wurden, d.h. ihnen eine Versorgungsrente für Witwen zugesagt war, die sich lediglich aus dem Wesen der Gesamtversorgung deshalb unterschied, weil die Gesamtversorgung aufgrund des engeren Bezugs der Geschiedenenwitwenrente zur Unterhaltsleistung des Mannes auf diese begrenzt war. Wird eine zunächst im Wesentlichen gleichbehandelte Gruppe nachträglich aufgespalten, bedarf es zudem zur Rechtfertigung der Gruppenbildung besonderer, aus dem Zweck der Versorgungsleistungen bestimmbarer Gründe (BAG 28.06.2011 - 3 AZR 448/09, juris Rn. 24 zum Gleichbehandlungsgrundsatz).
49Sachgründe für die vollständige Abschaffung der Geschiedenenwitwenrente sind zur Überzeugung der Kammer auch unter Berücksichtigung der weiten Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien vorliegend nicht ersichtlich. Richtig ist zwar, dass - wie die Beklagte ausführt - die Umstellung des bisherigen Gesamtversorgungssystems des öffentlichen Dienstes auf das neue im ATV-K verankerte Punktmodell höchstrichterlich gebilligt worden ist (vgl. zum Satzungsrecht der VBL BGH 14.11.2007 a.a.O. Rn. 25 f.; s.a. BAG 19.08.2008 - 3 AZR 383/06, NZA 2009, 1275 für eine kirchliche Zusatzversorgungskasse). Dies bedeutet aber nicht, dass nicht einzelnen Regelungen gleichwohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen und damit unwirksam sein können (vgl. insoweit für das Satzungsrecht der VBL BGH 14.11.2007 a.a.O. Rn. 128; BGH 29.09.2010 - IV ZR 99/99, EzTöD 710 § 34 Abs. 1 ATV Nr. 1). Der pauschale Hinweis auf die Finanzierbarkeit des Systems rechtfertigt jedenfalls nicht eine Ungleichbehandlung in Form der vollständigen Abschaffung einer bisher gewährten Hinterbliebenenversorgung für eine Gruppe, die einer anderen im Grunde bzw. im Wesentlichen vergleichbaren Gruppe von Hinterbliebenen nach wie vor gewährt wird. Insoweit lässt sich auch die Abschaffung des Sterbegeldes nicht heranziehen (dazu BGH 14.09.2005 - IV ZR 198/04, MDR 2006, 445). In diesem Fall stand ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wie er hier vorliegt, nicht in Rede. Soweit der von der Beklagten angezogene Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.04.2010 (- IV ZR 90/09, VersR 2010, 1168 Rn. 14 ff.) einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch den Ausschluss der Hinterbliebenen von dem Recht auf Beitragserstattung verneint, ist dies mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Letztlich führt die Beklagte tragend aus, dass die Tarifvertragsparteien mit dem ATV-K hätten darauf reagieren können, dass sie die Versorgungsansprüche der Hinterbliebenen an die aktuell geltende Rechtslage angepasst hätten. Richtig ist insoweit, dass - wie die Deckelung der Gesamtversorgung bei der Geschiedenenwitwenrente zeigt - daran anknüpfte, dass die hinterbliebenen, schuldlos bzw. überwiegend schuldlos vor dem 01.07.1977 geschiedenen Ehefrauen typischerweise einen Versorgungsbedarf hatten. Der Versorgungsausgleich wurde als Rechtsinstitut erstmals durch das 1. EheRG (vom 14. 6. 1976, BGBl. I S. 1421) zum 1. 7. 1977 eingeführt. Sein Ziel war es, dem Ausgleichsberechtigten eine eigenständige Sicherung zu verschaffen (MüKo-BGB/Dörr, 5. Aufl. 2010 § 1587 Rn. 1). Genau an diesen Stichtag knüpft die Übergangsregelung in § 65 e VersTV-G an. Richtig ist, dass diese Rechtslage, d.h. die Einführung des Versorgungsausgleichs im Zeitpunkt der Einführung des ATV-K zum 01.01.2001 bereits länger als 23 Jahre galt. Grundsätzlich können die Tarifvertragsparteien die Versorgungsansprüche auch an einen neuen bzw. geänderten Versorgungsbedarf anpassen und hierzu Differenzierungen vornehmen. Indes ist dies vorliegend nicht der Fall. Die Rechtslage hatte sich bei Einführung des ATV-K bezogen auf die schuldlos oder überwiegend schuldlos geschiedenen Ehefrauen nicht geändert. Die Übergangsregelung in § 65e VersTV-G, die diesem Personenkreis ebenfalls einen Anspruch auf Versorgungsrente für Witwenrente gewährte, existierte bereits seit dem 01.01.1992. Eine Änderung in der Rechtslage, die es für diesen Personenkreis im Jahre 2001 rechtfertigte, die Geschiedenenwitwenrente vollständig abzuschaffen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr waren die rechtlichen Bedingungen bezogen auf die schuldlos bzw. überwiegend schuldlos geschiedenen Ehefrauen, unter denen § 65 e VersTV-G galt, die gleichen wie bei Einführung des ATV-K. Sollte es sich bei den insoweit begünstigten Personen angesichts des langen Zeitablaufs nur noch um eine kleine verbliebene Gruppe handeln, rechtfertigte auch dies nicht die Ungleichbehandlung. Im Gegenteil führte dies dazu, dass eine daraus resultierende Belastung insgesamt zu vernachlässigen wäre, mit der Folge, dass erst recht kein Differenzierungsgrund bestand. Weil es nicht auf den Einzelfall ankommt, sondern auf eine generalisierende Betrachtungsweise, spielte es zur Überzeugung der Kammer für die Frage der sachlichen Rechtfertigung der Differenzierung keine Rolle, in welcher genauen Höhe der Klägerin nach dem VersTV-G eine Hinterbliebeneversorgung zustand. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass der Klägerin aufgrund der Anrechnung der Sozialversicherungsrente möglicherweise keine Versorgungsrente, sondern nur eine Mindestversorgungsrente zustand (§ 30 Abs. 2, 5 VersTV-G), ändert dies bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nichts. Die entsprechenden Regelungen in § 30 Abs. 2, 5 VersTV-G galten auch für die Witwen und führten nicht dazu, deren Versorgung mit dem ATV-K vollständig abzuschaffen. Es kam mithin auch nicht darauf an, in welcher Höhe die durchschnittliche Versichertenrente oder Mindestversorgungsrente vor In-Kraft-Treten des ATV-K gezahlt wurde.
50cc)Rechtsfolge des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ist, dass die Klägerin als vor dem 01.07.1977 überwiegend schuldlos geschiedene Ehefrau, die eine große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält bzw. erhalten würde, so behandelt wird wie bisher. Dies bedeutet die Gleichstellung mit den Witwen gemäß § 30 Abs. 1, 4 ATV-K unter Berücksichtigung der Deckelung der Betriebsrente auf den am Umstellungsstichttag 31.12.2001 gezahlten Unterhalt.
51(1)Die Kammer geht davon aus, dass die Tarifvertragsparteien § 65 e VersTV-G bewusst nicht in den ATV-K übernommen haben. Anhaltspunkte für eine unbewusste Regelungslücke bestehen nicht. In einem solchen Fall kommt eine ergänzende richterliche Auslegung des Tarifvertrags nicht in Betracht (BAG 03.11.1999 - 3 AZR 423/97, NZA 1999, 999 Rn. 33). Bei Abwägung des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes und dem daraus abzuleitenden Justizgewährungsanspruch sieht sich die Kammer jedoch auch unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 GG veranlasst, eine gerichtliche Übergangsregelung bis zur tariflichen Neuregelung zu schaffen, denn es handelt sich bei der hier streitigen Frage ersichtlich um Altfälle und Personen die regelmäßig bereits eine Versorgung beanspruchen können, d.h. Rentenempfänger. Zudem ist eine Neureglung der Tarifvertragsparteien derzeit nicht absehbar (vgl. zu diesen Aspekten BGH 14.11.2007 a.a.O. Rn. 143, 145, 146). Dies ändert aber nichts daran, dass es den Tarifvertragsparteien freisteht, die gerichtliche Übergangsregelung durch eine eigenständige Regelung zu ersetzen. Aufgrund der von der Kammer zu deren Überzeugung festgestellten nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist es angezeigt, die schuldlos bzw. überwiegend schuldlos geschiedenen Ehefrauen wie bisher ebenso wie die Witwen zu behandeln, mithin § 30 Abs. 1, 4 ATV-K anzuwenden. Ein Anknüpfen an das bisherige System und den daraus errechneten Besitzstand nach dessen Vorschriften kommt zur Überzeugung der Kammer nicht in Betracht. Dies würde schon der von den Tarifvertragsparteien gewünschten vollständigen Systemumstellung widersprechen. Die Übergangsregelung bis zu einer tariflichen Regelung darf aber die bisher an den Unterhalt anknüpfende Funktion aus § 26 Abs. 1 Satz 3 VersTV-G nicht negieren. Diese wird in der Übergangsregelung dergestalt fortgeschrieben, dass auch die Betriebsrente den am Umstellungsstichttag 31.12.2001 gezahlten Unterhalt nicht übersteigen darf.
52(2)Auf dieser Grundlage errechnet sich folgender Anspruch der Klägerin. Herr T. war Versorgungsrentenberechtigter i.S.v. § 30 Abs. 1 ATV-K. Mit seinem Tod am 03.03.2011 findet § 30 Abs. 4 ATV-K Anwendung, wonach im Falle des Todes eine Versorgungsrentenberechtigten die Vorschriften des Punktemodells für Hinterbliebene entsprechend gelten. Dies bedeutet, dass die Hinterbliebenen den in § 10 Abs. 1 ATV-K vorgesehenen prozentualen Anteil der letzten Versorgungsrente des Verstorbenen erhalten (Uttlinger/Breier/Kiefer u.a., BAT 25. Update 1/06, Erl. zu § 30 ATV Rn. 7). Im Falle der Klägerin, die eine große Witwenrente bezieht bzw. beziehen würde, sind dies 55 % der Betriebsrente von Herrn T. (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ATV-K i.V.m. § 67 Nr. 7 SGB VI). Eine Neuberechnung der Betriebsrente gemäß § 30 Abs. 3 lit a ATV-K i.V.m. § 11 Abs. 2 ATV-K kommt aufgrund der vorrangigen Regelung in § 30 Abs. 4 ATV-K nicht in Betracht. Im Übrigen setzte dies voraus, dass nach Eintritt des letzten Versicherungsfalls vor dem 1.1.2002 weitere Versicherungszeiten hinzugekommen sein müssen (Sponer/Steinherr, TVöD, 103. Update 11/12 Erl. zu § 30 ATV Rn. 13). Dies ist nicht der Fall. 55 % von 1.643,37 Euro, d.h. der letzten Versorgungsrente von Herrn T., sind 903,85 Euro. Die von Herrn T. an die Klägerin geleisteten, monatlichen Unterhaltszahlungen am Umstellungsstichtag 31.12.2001 betrugen unstreitig 1.500,00 DM, d.h. 766,94 Euro. Eine höhere Betriebsrente stand der Klägerin mithin aufgrund der von der Kammer für angemessen erachteten gerichtlichen Übergangsregelung nicht zu. 766,94 Euro brutto für die Zeit von April 2011 bis Februar 2012 ergibt den zugesprochenen Betrag von 8.436,34 Euro brutto.
53dd)Die Ungleichbehandlung und die daraus abgeleitete gerichtliche Übergangsregelung ist den Parteien im Kammertermin vorgestellt worden. Sie hat offen kommuniziert, dass sie noch nicht entschieden sei, ob sie an den aus dem VersTV-G zu errechnenden Besitzstand anknüpft und hierzu eine Auflage macht, auf der Grundlage der vorgestellten gerichtlichen Übergangsregelung entscheidet oder hierzu eine Auflage macht. Einen Schriftsatznachlass hat keine der Parteien beantragt. Die Beklagte hat allerdings ausgeführt, dass sie darauf abstellen wolle, in welcher Höhe durchschnittlich eine Versichertenrente vor In-Kraft-Treten des ATV-K gezahlt wurde und dies ermitteln wolle. Weil es hierauf zur Überzeugung der Kammer nicht ankam, war insoweit nicht von Amts wegen Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Im Übrigen ist weiterer Sachvortrag der Parteien zu dem Modell nicht erfolgt.
543.Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Soweit die Klägerin Zinsen ab dem 21.02.2012 verlangt und der Verzug gemäß § 291 BGB erst mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit beginnt (Palandt/Grüneberg, BGB 71. Aufl. 2012 § 291 Rn. 6) und der diesbezügliche Zahlungsantrag am 21.02.2012 gestellt wurde, ist dies unschädlich, weil sich der Verzug im Hinblick auf die monatlich im Voraus zu zahlende Betriebsrente (§ 22 Abs. 1 ATV-K) bereits aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergibt.
55B.Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
56C.Die Kammer hat die Revision für beide Parteien gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
57RECHTSMITTELBELEHRUNG
58Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
59R E V I S I O N
60eingelegt werden.
61Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
62Bundesarbeitsgericht
63Hugo-Preuß-Platz 1
6499084 Erfurt
65Fax: 0361-2636 2000
66eingelegt werden.
67Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
68Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
691.Rechtsanwälte,
702.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
713.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
72In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
73Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
74* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
75Dr. GotthardtPieperSchauf