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Eine Aussetzung setzt die Erheblichkeit der Frage der Tariffähigkeit der CGZP voraus. Diese Voraussetzungen sind zu verneinen, wenn die Anwendbarkeit eines anderen Tarifvertrages im Hinblick auf die Benachteiligung des Leiharbeitnehmers nicht schlüssig vorgetragen ist.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 24.05.2011 - 3 Ca 844/11 - wird zurückgewiesen.
Streitwert: 1.000,00 €
G R Ü N D E :
2I.
3Der Kläger macht gegenüber der Beklagten, einem Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, Vergütungsansprüche für die Monate Januar 2008 bis Mai 2008 aus dem Grundsatz des "Equal Pay" geltend.
4Der Kläger war vom 23.06.2006 bis Mai 2008 bei der Beklagten als Lagerarbeiter zu einem Stundenlohn von 6,80 € nebst Zulage von 0,20 € beschäftigt.
5Im Arbeitsvertrag vom 23.06.2006 heißt es in § 1 wörtlich:
6"Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich vollinhaltlich ab dem 01.01.2004 nach dem Tarifgemeinschaft Zeitarbeitsunternehmen im B.V.D. - Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PS geschlossenen Tarifverträgen, bestehend aus dem Tarifvertrag D.O.L.E.R.O (Mantel-), Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträgen sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung. [ ]"
7Die Beklagte setzte den Kläger während der Dauer seiner Beschäftigung bei verschiedenen Kunden ein.
8Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Vergütungsansprüche in Höhe von 2.830,98 € brutto geltend gemacht für den Zeitraum von Januar bis Mai 2008. Er hat vorgetragen, dass er insgesamt 919,15 Stunden gearbeitet habe, wobei die Urlaubsstunden hinzugerechnet worden seien.
9Bekanntlich seien die Tarifverträge der Christlichen Gewerkschaft Zeitarbeit keine Tarifverträge im Rechtssinne, so dass entsprechend der Grundsatz des "Equal Pay" gelte und mangels Anhaltspunkte Tarifverträge zugrunde zu legen sind, um den korrekten Lohn festzustellen. Nach dem Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditionslogistik und Transportwirtschaft in Nordrhein-Westfalen betrage der tarifliche Stundenlohn im Jahre 2008 10,08 €.
10Die Beklagte hat bestritten, dass der Anspruch auf Differenzvergütung für die Zeit seiner Beschäftigung 3,08 € betrage. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass im Entleiherbetrieb bzw. in den Entleiherbetrieben, in denen der Kläger eingesetzt war, die Tarifverträge in der Speditionslogistik und Transportwirtschaft Anwendung fanden. Vorsorglich werde auch bestritten, dass während der Beschäftigungszeit des Klägers den vergleichbaren Stammarbeitnehmern im Entleiherbetrieb ein Stundenlohn in Höhe von 10,08 € brutto gewährt würde.
11Darüber hinaus, so trägt die Beklagte vor, berufe sich der Kläger auf die Unwirksamkeit des Tarifwerkes AMP/CGZP. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der CGZP vor dem 14.12.2010 existiere nicht. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - betreffe nur die Zukunft. Über die Tariffähigkeit in der Vergangenheit sei ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Berlin - 29 BV 13947/10 - anhängig, das noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Entsprechend sei das Verfahren gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen.
12Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen und ausgeführt, dass eine Aussetzung des Verfahrens jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt nicht in Betracht komme.
13Zum einen sei davon auszugehen, dass der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 zur fehlenden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen auch für die Vergangenheit Rechtskraft entfalte, da die materielle Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht soweit reiche, wie die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Wesentlichen unverändert sind (Ziffer 1 der Beschlussgründe).
14Zum anderen lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung hier bereits deshalb nicht vor, weil es nach dem derzeitigen Streitstand nicht ausschließlich auf die Frage der Tariffähigkeit ankomme. Es fehle ein konkreter Vortrag zu dem im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen.
15Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte die vorliegende sofortige Beschwerde eingelegt.
16II.
17Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin, gegen deren Zulässigkeit gemäß § 78 ArbGG i. V. m. den §§ 567 Abs. 1 Ziff. 1 und 252 ZPO keine Bedenken bestehen, konnte zur Zeit keinen Erfolg haben.
18Die Beschwerdekammer folgt dem Arbeitsgericht insoweit, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen ist, dass die Frage der Tariffähigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreites vorgreiflich ist.
191.Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. ArbGG hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des in § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vorgesehenen Beschlussverfahrens auszusetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist. Diese Bestimmung stellt nach ihrem eindeutigen Wortlaut darauf ab, ob es auf die Frage der Tariffähigkeit tatsächlich ankommt, nicht darauf, ob es auf die Tariffähigkeit möglicherweise ankommen könnte. Dies entspricht auch dem besonderen arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgebot, das in § 9 Abs. 1 ArbGG vorgesehen ist (vgl. BAG vom 28.01.2008 - 3 AZB 30/07 - NZA 2008, 489 Rdn. 10).
202.Es kann dahinstehen, ob der Begründung des Arbeitsgerichts in Ziffer 1. der Gründe zur Frage der materiellen Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 gefolgt werden kann. Zweifel erscheinen bereits im Hinblick auf die Begründung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 14.12.2010 angebracht, insbesondere aber deshalb, weil eine Aussetzungspflicht gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. ArbGG immer dann zu erfolgen hat, wenn entweder die Tariffähigkeit dieser Gewerkschaft streitig ist oder aber wenn gegen diese Bedenken bestehen. Allgemein bekannt gewordene Bedenken sind vom Arbeitsgericht aufzugreifen und in dem objektivierten Verfahren nach den §§ 97 Abs. 1 - 4 ArbGG auszutragen und können nicht aufgrund einer anderen Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts unbeachtet bleiben (BAGE vom 28. Januar 2008 - 3 AZB 30/07 - a. a. O.).
213.Allerdings ist nach dem bisherigen Verfahrensstand die Frage der Tariffähigkeit der CGZP nicht entscheidungserheblich.
22a)Im Beschwerdeverfahren ist die Ansicht des aussetzenden Gerichts hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit nur begrenzt überprüfbar. Bei der Entscheidung hat das Arbeitsgericht einen Ermessensspielraum, wobei sich das Ermessen in den gesetzlichen Grenzen zu halten hat und sich an den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszurichten hat. Dabei eröffnet § 252 ZPO der Beschwerdekammer nur die Nachprüfung auf Verfahrens- und Ermessensfehler. Dem Beschwerdegericht ist es verwehrt, im Rahmen dieser Beschwerde auch die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Erstgericht zu prüfen; diese Prüfung bleibt dem Rechtsmittel gegen die spätere Sachentscheidung vorbehalten (vgl. LAG Düsseldorf vom 25.07.2006 - 6 Ta 407/06 -; vom 12.01.2010 - 6 Ta 651/10 - Zöller/Greger, 28. Aufl., § 252 Rdn. 3). Andernfalls würden Fragen, deren Klärung nach der Systematik der ZPO den Rechtsmitteln vorbehalten sind, in das anders ausgestaltete Beschwerdeverfahren, das beispielsweise keine Pflicht zur mündlichen Verhandlung kennt, verschoben. Auch im Beschwerdeverfahren kann jedoch von einer noch nicht vorliegenden Entscheidungserheblichkeit ausgegangen werden, wenn diese offensichtlich ist (BAGE vom 8. 20. 1. 2008 - 3 AZB 30/07 - a. a. O. Rn. 12).
23b)Hinsichtlich der Vergütungsklage des Klägers ist eine Vorgreiflichkeit derzeit nicht ersichtlich.
24Der Kläger hat seine Klageforderung darauf gestützt, dass er in einem Entleiherbetrieb tätig war und nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts der Grundsatz das "Equal Pay" gilt und mangels anderer Anhaltspunkte die von ihm zitierten Tarifverträge der Speditionslogistik und Transportwirtschaft in Nordrhein-Westfalen mit einem höheren Stundenlohn anzuwenden seien.
25Dieser Sachvortrag ist weder schlüssig noch hinreichend substantiiert. Von einer hinreichenden Schlüssigkeit kann nur ausgegangen werden, wenn ein Tatsachenvortrag in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich ist, das geltend gemachte Recht zu begründen. Die Angaben näherer Einzelheiten sind dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Dabei hängt es vom Einzelfall ab, in welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen noch weiter substantiieren muss. Vor allem kann dabei ihr Vorbringen aufgrund einer Darstellung des Gegners mit der Folge unklar oder unvollständig werden, dass eine Partei ihren Sachvortrag im Einzelnen ergänzen muss (vgl. nur BGH vom 19.11.1987 - VI ZR 252/86 - Juris; BGH vom 04.07.2000 - VI ZR 236/99 - NJW 2000, 3286, Rdn. 8; Zöller/Greger ZPO, 28. Aufl. vor § 253 Rn. 23).
26Im Streitfall setzt die Berufung auf den Grundsatz des "Equal Pay" gemäß § 9 Nr. 2 i. V. m. § 10 Abs. 4 AÜG voraus, dass Vereinbarungen vorliegen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmers geltende wesentliche Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorgesehen sind.
27Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Sachvortrag des Klägers in keinster Weise diesen Anforderungen gerecht wird. Der Kläger hat sich auf einen Tarifvertrag berufen, ohne dass auch nur ansatzweise erkennbar ist, aufgrund welcher Umstände er für die von ihm geltend gemachte Berechnung zugrunde zu legen ist, zumal die Beklagte den Sachvortrag des Klägers insoweit bestritten hatte. Der Kläger war als Lagerarbeiter beschäftigt. Bei welcher Firma er eingesetzt war (Geschäftszweck?), ob in dieser Firma ein Tarifvertrag galt bzw. ob und in welcher Höhe vergleichbare Arbeitnehmer beschäftigt wurden, die eine höhere Vergütung bekamen, ist in keinster Weise dargetan.
28Erst wenn hinreichend vorgetragen ist und gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme feststeht, ob und in welcher Höhe der Kläger unter dem Gesichtspunkt des "Equal Pay" eine Benachteiligung erfahren haben könnte, kommt es auf die Tariffähigkeit der CGZP an und eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf § 97 Abs. 5 ArbGG in Betracht.
29Bis zur Klärung dieses Sachverhalts ist dem Verfahren Fortgang zu geben. Das Arbeitsgericht hat deshalb den Aussetzungsantrag der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.
30III.
31Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten sind Teil der Prozesskosten und gegebenenfalls bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen. Der Beschwerdewert wurde auf einen Bruchteil der Hauptforderung festgesetzt und ist mit 1.000,00 € bewertet worden.
32R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
33Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung.
34Goeke