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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.01.2009 - 12 Ca 623/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Ziffer 1 des Tenors zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger entstandenen Kosten anlässlich der Teilnahme an der Schulungsmaßnahme in Hamburg mit dem Inhalt Die Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung vom 12.05.2009 bis zum 15.05.2009 zu tragen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T A T B E S T A N D
2Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Schulungskosten für die Teilnahme an dem Seminar Die Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung zu erstatten.
3Der Kläger ist Betriebsratsvorsitzender im Betrieb der Beklagten am Flughafen Düsseldorf. Darüber hinaus ist er Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen. Seit Frühjahr 2005 ist er Gesamtschwerbehindertenvertreter und stellvertretender Konzernschwerbehindertenvertreter. Im Juni 2009 wurde er zum Konzernschwerbehindertenvertreter gewählt.
4Der Kläger besuchte vom 26.01.2003 - 31.01.03 die fünftägige Schulungsveranstaltung Die Vertretung der Schwerbehinderten. Vom 28.06.2004 bis 29.06.2004 nahm er an dem Seminar Aufbauschulung der Schwerbehindertenvertretung teil.
5Er fasste in seiner Funktion als Schwerbehindertenvertreter den Beschluss, vom 12.05.2009 bis 15.05.2009 an einer 2,5 tägigen Schulungsveranstaltung in Hamburg mit dem Thema Die Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung" teilzunehmen. Wegen des Inhalts der Veranstaltung wird auf die eingereichten Seminarunterlagen (Anlage B K1 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.07.2009 Bl. 163 ff d. A.) Bezug genommen.
6Der Kläger teilte der Beklagten zunächst mündlich und dann per E-Mail vom 08.09.2008 mit, dass er beabsichtige an der Schulungsveranstaltung teilzunehmen und bat vergeblich um ihre Zustimmung.
7Der Kläger nahm an der Schulungsmaßnahme teil. Die Schulungskosten betrugen 890,00 €.
8Mit dem am 18.09.2008 beim Arbeitsgericht Düsseldorf im Beschlussverfahren eingereichten Antrag begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung i.S.d. § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich ist.
9Durch Beschluss vom 30.01.2009 hat das Arbeitsgericht das Verfahren ins Urteilsverfahren verwiesen. Die Parteien verzichteten auf Rechtsmittel gegen diesen Beschluss.
10Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass es keiner konkreten Darlegung der Erforderlichkeit bedürfe, weil Grundkenntnisse vermittelt würden. Die praktische Tätigkeit als Gesamtschwerbehindertenvertreter habe ihm die erforder-lichen Kenntnisse nicht vermitteln können. Er habe zwar an Schulungsveranstaltungen teilgenommen, diese hätten aber keine Kenntnisse in Bezug auf formelle Fragen und Fragen der Zuständigkeit der Konzernschwerbehindertenvertretung vermittelt.
11Der Kläger hat beantragt,
12festzustellen, dass seine Teilnahme an der Schulungsveranstaltung des ifB Institut zur Fortbildung von Betriebsräten KG mit dem Inhalt Die Gesamt- und Konzern-Schwerbehindertenvertretung vom 12.05.2009 bis 15.05.2009 in Hamburg erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG ist.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass dem Kläger die Materie durch seine Arbeit hinreichend bekannt sein müsste. Dies gelte insbesondere für den Ablauf der Wahlen zu Konzernschwerbehindertenvertretung. Er könne auch die ausscheidende Konzernschwerbehindertenvertretung zu Rate ziehen.
16Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat der Klage durch Urteil vom 30.01.2009 stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Rechtsschutzinteresse für den Feststellungsantrag bestehe, da aufgrund der Erklärungen der Beklagten davon auszugehen sei, dass sie sich einem Feststellungurteil beugen werde. Die Klage sei auch begründet, da der Kläger berechtigt sei, an der Schulung teilzunehmen. Die Vertrauensperson werde nach § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX in ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts für die Teilnahme an Schulungs-und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sei, befreit. Hinsichtlich des Begriffs der Erforderlichkeit seien die zu § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG 1972 entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach sei eine Schulung erforderlich, wenn die Vertrauensperson diese benötige, um die derzeitigen und zukünftigen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sachgerecht erledigen zu können. Dies sei hier gegeben. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die entsprechenden Kenntnisse bereits habe. Die besuchten Schulungen hätten einen anderen Inhalt gehabt. Die langjährige Tätigkeit als Vertrauensperson sowie als Gesamt- und stellvertretender Konzernbehindertenvertreter lasse nicht die Erforderlichkeit der Teilnahme entfallen.
17Gegen das der Beklagten am 27.03.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 27.04.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.06.2009 mit dem am 17.06.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
18Die Beklagte rügt, dass die Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung eines Schwerbehindertenvertreters nicht nach § 37 Abs. 6 BetrVG sondern nach § 96 Abs. 4 S. 1 und 3 SGB IX zu beurteilen sei. Insofern sei die Feststellung im Urteil fehlerhaft. Die Schulungsmaßnahme sei auch entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht erforderlich. Die Regelung des § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX
19verlange die Vermittlung von Kenntnissen, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sei. Das vermittelte Wissen müsse sich, wie sich aus § 95 SGB IX ergebe, unmittelbar der Thematik der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 1 S. 2 SGB IX zuordnen lassen und zur Aufgabenerledigung sofort oder demnächst benötigt werden. Die Erforderlichkeit sei abzulehnen, wenn die in dem streitgegenständlichen Seminar zu vermittelnden Kenntnisse vorhanden seien. Das Seminar vermittle keine Kenntnisse, die der Kläger zur Ausübung seines Amtes als Schwerbehindertenvertreter benötige, sondern nur Themen, wie er in die Funktion eines Vertrauensmannes gelangen könne und welche Rechte bezüglich der eigenen Funktionen und Bereiche einer möglichen Zusammenarbeit mit Betriebsräten oder örtlichen Schwerbehindertenvertretung bestünden. Darüber hinaus verfüge der Kläger auch aufgrund seiner praktischen Tätigkeit über mehrere Jahre und der bisherigen Schulungen über ausreichende Kenntnisse. Es sei auch seit 1996 die Wahl zur Konzernschwerbehindertenvertretung durchgeführt worden. Störungen seien nicht aufgetreten. Insoweit habe kein Anlass für die Schulung bestanden. Letztlich seien die angefallenen Kosten unverhältnismäßig hoch und das Seminar zu lang. Der Landschaftsverband Rheinland veranstalte kostenlose bzw. kostengünstigere Schulungen und Informationsveranstaltungen. Aus der Aufstellung im Internet ergeben sich Seminare zum Thema Vermitteln bei Konflikten, betriebliche Zusammenarbeit, Überblick über das Schwerbehindertenrecht/Das Schwerbehindertenrecht in der Praxis, Wahl der SBV.
20Die Beklagte beantragt,
21auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.01.2009, Aktenzeichen 12 Ca 623/09, abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
22Der Kläger beantragt,
23festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger entstandenen Kosten anlässlich der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung in Hamburg mit dem Inhalt Die Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung vom 12.05.2009 bis zum 15.05.2009 zu tragen.
24Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme richte sich nach den Grundsätzen von § 37 Abs. 6 BetrVG, da § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX inhaltlich mit der Vorschrift übereinstimme. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch die Erforderlichkeit der Teilnahme des Klägers an der Schulungsveranstaltung bejaht. Erforderlich sei eine Schulungsmaßnahme, wenn sie der Vermittlung von Kenntnissen diene, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung notwendig sei. Dies sei hier gegeben. Er könne seine Aufgaben als Vertrauensperson in der Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung nur wahrnehmen, wenn ihm bekannt sei, welche der Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer betreffenden Fragestellungen in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, welche Aufgaben mithin der örtlichen, welche der Gesamt- und welche der Konzernschwerbehindertenvertretung zugewiesen seien. Die Schulungsveranstaltung weise somit einen konkreten Bezug zu den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung auf, auch wenn keine behindertenspezifische Thematik behandelt werde. § 95 SGB IX stehe der Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung nicht entgegen. Die darin enthaltene Aufzählung sei nicht abschließend, wie sich aus der Verwendung des Wortes insbesondere ergebe. Damit gehörten auch weitergehende Aufgaben zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung, hinsichtlich derer auch ein Schulungsbedarf bestehen könne. Die im Seminar vermittelten Inhalte seien auch nicht im Rahmen anderer Schulungsmaßnahmen vermittelt worden. Diese anderen besuchten Schulungsmaßnahmen hätten sich ausschließlich auf die inhaltlichen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung, nicht aber auf formelle
25Aspekte und Fragen der Zuständigkeit bezogen. Allein die Ausübung der Tätigkeit als Vertreter der Konzernschwerbehindertenvertretung schließe auch nicht den Schulungsbedarf aus, weil die Tätigkeit keine Gewähr für die richtige Er-füllung gebe. Die im Seminar vermittelten Kenntnisse seien erforderlich, um die ordnungsgemäße Wahl der Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung
26sicherzustellen. Es habe auch ein aktueller Schulungsbedarf bestanden, da die Wahlen zur Konzernschwerbehindertenvertretung unmittelbar bevorstanden. Der Kläger könne auch nicht auf Schulungen des Landschaftsverbandes Rheinland verwiesen werden. Die sich aus dem Internet ergebenden Angebote und Informationsveranstaltungen hätten einen anderen Inhalt. Eine telefonische Anfrage habe auch ergeben, dass ein Kurs mit diesem speziellen Themeninhalt zurzeit noch nicht angeboten werde. Die Schulungsveranstaltung sei auch nicht unverhältnismäßig lang und mit einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand verbunden.
27Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Anlagen ergänzend Bezug genommen.
28E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
29A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG) ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) begründet worden.
30B. Die Berufung ist nicht begründet.
31I. Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe begehrt, dass klarstellend festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der Schulungsmaßnahme zu tragen. Der Kläger hat zwar bei der Klarstellung des Antrags im Termin nicht mehr ausdrücklich die Zurückweisung der Berufung erwähnt. Dieses Antragsbegehren ergibt sich aber sowohl aus der Berufungserwiderung, als auch den Erklärungen im Termin im Rahmen der Erörterung mit der Kammer.
32Es handelt sich in Bezug auf die Neuformulierung lediglich um eine Klarstellung des ursprünglichen Begehrens, die selbst als Klageabwandlung i.S.d. § 264 Abs. 2 ,533 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG ohne weiteres zulässig ist. Der Kläger begehrte von Beginn an die Feststellung, dass er in seiner Funktion als Gesamtschwerbehindertenvertreter gem. § 96 SGB IX berechtigt ist, auf Kosten der Beklagten an der Schulungsmaßnahme teilzunehmen. Dies ergibt sich bereits aus der Begründung der Klageschrift. Die Beklagte hat das Begehren des Klägers auch in dem Sinne verstanden, denn sie hat die Zustimmung zur Teilnahme und Kostenübernahme wegen fehlender Erforderlichkeit abgelehnt.
33II. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
341. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Das besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (BAG v. 14.12. 2005 - 4 AZR 522/04 - EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 7 m.w.N).
352. Der Kläger begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, denn es
36sollen die gegenseitigen Rechte und Pflichten in Bezug auf die Teilnahme an einer speziellen Schulungsmaßnahme festgestellt werden. Für den Antrag besteht auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse, obwohl der Kläger zwischenzeitlich an der Maßnahme teilgenommen hat. Für eine auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung besteht ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (BAG 06.06.2007 - 4 AZR 411/06- NZA 2008, 1086-1095 ; 24. September 1997 - 4 AZR 429/95 - EzA ZPO § 256 Nr. 48; BAG 20. Juli 2000 - 6 AZR 13/99 - FA 2001, 152; 2. März 2004 - 1 ABR 15/03 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 87). Die ist hier gegeben, da sich bei einer positiven Feststellung Zahlungsansprüche des Klägers auf Erstattung der Schulungskosten ergeben können.
373. Es fehlt auch nicht am Feststellungsinteresse wegen des grundsätzlichen Vorrangs des Leistungsantrags. Zwar hat aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang vor einer Feststellungsklage, wenn der Kläger den Anspruch beziffern kann (BAG 06.05.2009 - 10 AZR 313/08 - EzA - SD 2009, Nr 16, 16; BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Es kann dennoch ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO bestehen, wenn das angestrebte Urteil trotz der einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu verhindern. Dieser Vorrang beruht auf prozessökonomischen Überlegungen. Die Gerichte sollen nur mit dem Ziel einer endgültigen Streitschlichtung in Anspruch genommen werden können. Wenn dieses Ziel auch mit Hilfe der Feststellungsklage erreicht werden kann,
38gestattet der Grundsatz deshalb Ausnahmen (BAG Beschluss vom 06.11.1973 - 1 ABR 8/73 - EzA §40 BetrVG 1972 Nr. 12; BAG 15. Dezember 1998 - 1 ABR 9/98 - EzA § 80 BetrVG 1972 Nr 43 m.w.N.).
39Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat sowohl in erster Instanz auch als auch in der Berufungsinstanz ausgeführt, dass sie einer positiven Entscheidung folgen wird. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag führt damit zur endgültigen Streitschlichtung über die streitige Rechtsfrage.
40III. Die Klage ist begründet.
411. Die Beklagte hat gem. § 96 Abs. 8 i.V.m. Abs. 4 S. 3 SGB IX die Kosten der Schulungsmaßnahmen zu tragen. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die in der Schulung vermittelten Kenntnisse i.S.d. § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX erforderlich sind.
42a) § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX verlangt die Vermittlung von Kenntnissen, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich ist. Erforderlich ist die Teilnahme, wenn die vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Betrieb sofort oder demnächst benötigt werden, um die Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Das vermittelte Wissen muss sich unmittelbar auf die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 SGB IX auswirken (LAG Hessen Beschluss v. 12.10.2006 - 9 TaBV 57/06 - NZA 2008,192; m.w.N.) Bildungsveranstaltungen, die Kenntnisse vermitteln, die für die Schwerbehindertenvertretung im Augenblick nicht unbedingt benötigt werden, nur nützlich sind, sollen den Anforderungen nicht genügen (BAG 19.07.1995 - 7 ABR 49/94 - EzA § 37 BetrVG 1972 Nr 126; für die Schulung von Betriebsräten).
43b) Der Beklagten kann nicht gefolgt werden, dass der Themenbereich für eine Schulung in der Aufzählung in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB IX abschließend geregelt sei und eine Schulung nach § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX nur eine spezifische behindertenbezogen Thematik zum Inhalt haben müsse. Schon aus der Verwendung des Worts insbesondere ergibt sich, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Für die Beurteilung ist damit von Bedeutung,
44ob sich die Thematik den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung nach
45§ 95 SGB IX zuordnen lässt (LAG Hessen 12.10.2006 a.a.0). Die Interessenvertretung erschöpft sich nicht nur in der unmittelbaren Unterstützung des schwerbehinderten Menschen, sondern sie hat auch darüber zu wachen, dass die zu Gunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Verwaltungsordnung durchgeführt werden, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach dem §§ 71, 72 und 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. (§ 95 Abs. Satz 1 Nr.1 SGB IX). Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal,- Richter-, Staatsanwalt- oder Präsidialrat und deren Ausschüssen sowie des Arbeitschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Sie kann Beschlüsse der Gremien auf Antrag aussetzen lassen, wenn sie einen Beschluss als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtige Interessen schwerbehinderter Menschen ansieht oder gar nicht beteiligt worden ist. Sie wird zu Besprechungen der betrieblichen Vertretung herangezogen (§ 97 Abs. 4- 8 SGB IX). Sie arbeitet mit dem Arbeitgeber und den betrieblichen Vertretungen zusammen (§ 99 SGB IX). Daraus ergibt sich, dass die Schwerbehindertenvertretungen nicht nur über Kenntnisse aus dem SGB IX, sondern auch aus anderen damit zusammenhängenden Rechtsgebieten verfügen müssen (Neumann/Pahlen/Marjerski-Pahlen SGB IX 11. Aufl.§ 96 Rd 14 ff.). Sie müssen zumindest Grundkenntnisse von den Sach- und Fachfragen besitzen, die in den Sitzungen besprochen werden (Feldes/Kamm/Peiseler/von Seggern/ Unterhinninghofen / Westermann/Witt SGB IX 9. Aufl. § 96 Rd 12). Vertrauensleute, die Aufgaben als Gesamtschwerbehindertenvertreter und Konzernschwerbehindertenvertreter wahrnehmen sollen, müssen folglich Kenntnisse über die Bildung der Gesamtschwerbehindertenvertretung und Konzernschwerbehindertenvertretung gemäß § 97 SGB IX, ihre Zuständigkeit, Aufgaben und die Gremien haben, mit den sie zusammenarbeiten.
46c) Die im Streit stehende Schulungsmaßnahme, Die Gesamtschwerbehindertenvertretung und Konzernschwerbehindertenvertretung, lässt sich ohne Zweifel diesem Themenbereich zuordnen. Aus den eingereichten Seminarunterlagen (Blatt 170 ff d.A.) ergibt sich, dass die Bildung der Gesamt- oder Konzernen-SBV, die Rechte im Amt, der Zuständigkeitsbereich und Aufgaben und die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Gremien behandelt werden. Die Kenntnisse hierüber wurden auch vom Kläger unmittelbar benötigt. Die Schulungsmaßnahme wurde vom 12.05.2009 bis 15.05.2009 durchgeführt. Bereits im Juni 2009 sollte die Konzernschwerbehindertenvertretung neu gewählt werden und ist auch gewählt worden. Der Kläger stand zur Wahl an.
47d) Soweit die Beklagte die Erforderlichkeit rügt, weil der Kläger in der Vergangenheit an Schulungen des Landschaftsverbandes Rheinland teilgenommen hat, führt das nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger hat vorgetragen, dass sich diese Schulungen, auch die Aufbauschulung, ausschließlich auf die inhaltlichen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung und materielle Fragen der Schwerbehindertenvertretung bezogen, nicht aber auf formelle Aspekte und Fragen der Zuständigkeit für den Bereich Gesamtschwerbehindertenvertretung und Konzernschwerbehindertenvertretung. Dem ist die Beklagte nicht konkret entgegengetreten.
48e) Die Tatsache, dass der Kläger schon seit 2,5 Jahren als Gesamtschwerbehindertenvertreter und stellvertretender Konzernschwerbehinderten tätig ist, steht der Annahme der Erforderlichkeit der Schulung nicht entgegen. Allein die Wahrnehmung von Aufgaben lässt nicht den Schluss zu, dass die gesetzlichen Vorgaben im Einzelnen bekannt und entsprechend wahrgenommen werden. Der Kläger kann auch nicht auf ein Selbststudium mit den möglichen Fehlern verwiesen werden (Grossman/Schimanski GK-SGB IX § 96 Rd 117). Der Schulungsbedürftige kann sich von entsprechend vorgebildeten Personen zur Wahrnehmung der Aufgaben schulen lassen.
49f) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass der Kläger das günstigere bzw. kostenlose Schulungsangebot des Landschaftsverbandes Rheinland hätte nutzen können. Der Schwerbehindertenvertreter hat zwar den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Kosten zu beachten und auch auf die Interessen des Betriebes und der Belegschaft Rücksicht zu nehmen (Grossmann /Schimanski GK-SGB IX § 96 Rd 116 m.w.N.). Die Beklagte hat aber bereits nicht substantiiert dargetan, dass der Landschaftsverband Rheinland eine Fortbildungsveranstaltung mit einem vergleichbaren Inhalt angeboten hat. Aus der eingereichten Übersicht der Kurse, Seminare und Informationsveranstaltungen ergibt sich das nicht. Es mag zwar in einzelnen Veranstaltungen auch Fragen der Zuständigkeit und Wahl der Schwerbehindertenvertretung angesprochen werden. Dies erschöpft aber nicht den vorliegenden Schulungsbedarf, der sich gerade auf den Bereich der Gesamtschwerbehindertenvertretung und Konzernschwerbehindertenvertretung bezieht. Die Kammer übersieht auch nicht, dass die Beklagte zuletzt auf das Seminar Wahl der SBV hingewiesen hat. Dies führt aber auch nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist bereits nicht konkret dargetan, dass dieses Seminar bereits vor der Wahl der Konzernschwerbehindertenvertretung angeboten wurde. Der Internetausdruck ist von Juli 2009. Zum anderen ergibt sich aus der Überschrift Wahl der SBV nicht, dass darin die Gesamtschwerbehindertenvertretung und Konzernschwerbehindertenvertretung, deren Wahl, Zuständigkeit und Aufgaben behandelt werden.
50Unabhängig davon haben die Integrationsämter kein Schulungsmonopol (BAG v.16.08.1977 - 5 AZR 290/76 - AP SchwbG 23 Nr. 1 23; Dau / Düwell/ Haines SGB IX 2. Aufl. § 96 Rd 47).
51g) Der Annahme der Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme steht auch nicht entgegen, dass nach den eingereichten Schulungsunterlagen die Begriffe Betrieb, Betriebsteil, Kleinbetriebe, Unternehmen, Konzern und Errichtung der BR- Stufenvertretungen erläutert worden sind. Es ist zwar mit der Beklagten davon
52auszugehen, dass dem Kläger als Betriebsratsvorsitzender die Begriffsdefinitionen bekannt sind und insoweit kein Schulungsbedarf bestand. Dies führt aber nicht zu einer Aufspaltung in einen erforderlichen und nicht erforderlichen Teil mit dem Ergebnis, dass der Kläger nicht berechtigt war, die Schulung oder nur einen Teil zu besuchen.
53Gegen eine Aufteilung spricht bereits, dass es sich um eine einheitliche Schulung handelt. Insgesamt kann die Schulung in dem Fall nur dann als nicht erforderlich angesehen werden, wenn der Teil, für den kein Schulungsbedarf besteht, von solchem Gewicht ist, dass es dem Kläger zumutbar war, eine andere Schulung zu besuchen, die sich auf die notwendigen Themen beschränkt. Dies ist hier aber nicht gegeben. Hinsichtlich der Begriffsdefinitionen wird ausweislich der Seminarunterlagen nur auf die für das Verständnis wesentlichen Grundlagen eingegangen. Dem sich aus den Unterlagen ergebenden Aufbau der Schulung lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Fragen einen erheblichen Teil der Schulung ausgemacht haben. Die Schulung wurde von den Themen Bildung der Gesamtschwerbehindertenvertretung, Konzernschwerbehindertenvertretung Rechte im Amt, Zuständigkeitsbereich und Aufgaben Zusammenarbeit mit GBR/KBR usw. bestimmt.
54h) Letztlich sind die angefallenen Kosten in Höhe von 890,0 € und die Anzahl 2,5 Tage nicht unverhältnismäßig. Es ist nicht dargetan, dass ein vergleichbares Thema bei einem anderen Schulungsveranstalter in kürzerer Zeit behandelt wurde. Auf die Höhe der Kosten für Veranstaltungen des Landschaftsverbandes Rheinland kann die Beklagte nicht verweisen, da nicht ausreichend dargetan ist, dass der Landschaftsverband eine vergleichbare Veranstaltung angeboten hat. Die Beklagte hat auch keinen sonstigen Veranstalter genannt, der diese Schulung zu geringeren Kosten veranstaltet.
55C. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.
56D. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen, da weder Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden wurden, noch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision ersichtlich sind.
57RECHTSMITTELBELEHRUNG
58Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
59Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
60JansenPeterBondzio