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Die konkursrechtliche Rangfolge eines an die Überschreitung der Jahres-Umsatz-Sollvorgabe anknüpfenden Provisionsanspruchs beurteilt sich nach dem Zeitraum, wann der provisionsbegründende Mehrumsatz erzielt worden ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.03.1997 - 2 Ca 1323/96 - wird zurückgewiesen.
Klarstellend wird der Tenor des Urteils wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Widerspruch des Konkursverwalters gegen das angemeldete Vorrecht in Höhe eines Betrages von 63.741,-- DM unbegründet ist.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/6, der Beklagte zu 5/6.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über den konkursrechtlichen Rang der dem Kläger aus dem Jahre 1993 zustehenden sogenannten Incentive-Provisionen. Der Kläger war seit 1974 bei der Gemeinschuldnerin, der Firma S. GmbH & Co. W., als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Am 31.08.1994 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
3Zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin bestand eine Provisionsregelung, die sich am Jahresumsatz orientierte. Hierüber verhält sich ein Rundschreiben der Gemeinschuldnerin an die Außendienstmitarbeiter vom 27.01.1993 (ersichtlich aus Bl. 11 d. A.). Danach wurde für die Überschreitung des für ein Verkaufsgebiet festgelegten Umsatzziels eine 4 %ige Bruttoprämie ausgelobt. Die Prämie sollte am Ende des ersten Quartals 1994 ausgezahlt werden; als Stichtag für den Auftragseingang ist der 31.12.1993 festgelegt worden. Das für den Kläger vorgegebene Umsatzziel betrug 1993
4DM 5.785.000,00. Der vom Kläger bis zum 30.09.1993 erzielte Umsatz belief sich auf DM 5.530.935,00. Zum Stichtag 31.12.1993 erreichte der Kläger einen Umsatz von DM 8.084.277,00. Daraus resultierte eine Incentive-Prämie des Klägers von DM 91.971,00.
5Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der Gemeinschuldnerin sollte die Incentive-Prämie erst mit dem August/September-Gehalt 1994 des Klägers ausgezahlt werden. Die Auszahlung unterblieb wegen Eröffnung des Konkursverfahrens.
6Der Kläger meldete seinen Anspruch am 09.11.1994 zuzüglich eines Zinsbetrages für die Zeit vom 31.03.1994 bis zum 31.08.1994 von DM 3.640,52 mit dem
7Vorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zur Konkurstabelle an. Gemäß Auszug aus der Konkurstabelle vom 31.05.1995 wurde die angemeldete Forderung als einfache Konkursforderung in Höhe von DM 91.971,00 festgestellt; die Nebenforderung und das vom Kläger beanspruchte Vorrecht hat der Konkursverwalter zunächst insgesamt bestritten. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte sodann gemäß Anerkenntnis vom 06.08.1996 auch die Nebenforderung in Höhe von DM 3.640,52 und das vom Kläger beanspruchte Vorrecht in Höhe von insgesamt DM 31.870,52 anerkannt. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.08.1996 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit seine Forderung in Höhe des Teilbetrages von DM 3.640,52 sowie das Vorrecht hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von DM 31.870,52 anerkannt worden ist.
8Im übrigen hat der Kläger die Ansicht vertreten, daß die Incentive-Prämie einschließlich Zinsen auch hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von insgesamt DM 63.741,00 das Vorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO genieße, da es sich hierbei um einen Provisionsanspruch handele, der ihm für die in den Monaten Oktober bis Dezember 1993 erzielten Umsätze und somit für eine Dienstleistung zustehe, die in das bevorrechtigte Jahr vor Konkurseröffnung falle.
9Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die dem Kläger für die Umsatzzielüberschreitung zustehende Provision sei auf das gesamte Incentive-Jahr 1993 aufzuteilen. Damit falle in die Jahresfrist des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO lediglich der Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1993, was dem anerkannten Vorrecht für die darauf anteilig entfallende Provision in Höhe eines Betrages von DM 31.870,52 entspreche.
10Durch Urteil vom 05.03.1997 hat das Arbeitsgericht Oberhausen der Klage stattgegeben und antragsgemäß festgestellt, daß der Widerspruch des Konkursverwalters gegen die Anmeldung der Forderung des Klägers in Höhe eines Teilbetrages von DM 3.640,52 sowie der Widerspruch gegen das angemeldete Vorrecht in Höhe von DM 91.971,00 unbegründet ist. Es hat zur Begründung
11im wesentlichen ausgeführt, der Provisionsanspruch des Klägers sei frühestens im Oktober 1993 entstanden, weil der Kläger erst zu diesem Zeitpunkt das ihm vorgegebene Umsatzsoll von DM 5.785.000,00 überschritten habe; damit falle der gesamte Provisionsanspruch des Klägers in das bevorrechtigte Jahr des
12§ 61 Abs. 1 Nr. 1 KO.
13Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Streitstandes wird im übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des dem Kläger am 03.04. und dem Beklagten am 04.04.1997 zugestellten Urteils Bezug genommen.
14Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 05.05.1997 eingelegten Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 05.06.1997 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
15Seiner Ansicht nach habe die Klage hinsichtlich des vom Kläger beanspruchten Vorrechts für einen Teilbetrag der Provision nebst Zinsen von insgesamt
16DM 63.741,00 zurückgewiesen werden müssen, da dieser Provisionsanteil als Entgelt für die Dienstleistung des Klägers in der Zeit vor dem 01.09.1993 anzusehen sei. Dies sei die Folge der Konstruktion der dem Kläger zustehenden Provision, die dem Bezugszeitraum des Kalenderjahres 1993 zugrunde liege. Welcher Teil davon bevorrechtigt, d.h. als Entgelt für die Dienste im Kalenderjahr 1993 ab dem 01.09.1993 anzusehen sei, lasse sich deshalb nur durch Zerlegung des unstreitigen Gesamtbetrages auf die einzelnen Monate des Bezugszeitraums ermitteln. Auf den in das bevorrechtigte Jahr fallenden Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1993 entfalle somit ein Anteil des zur Konkurstabelle angemeldeten Provisionsanspruchs in Höhe von DM 31.870,52, für den er das Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO anerkannt habe. Daß die Provision des Klägers nicht erst nach dem Erreichen des vorgegebenen Sockelumsatzes von
17DM 5.785.000,00, sondern während des gesamten Kalenderjahres 1993 erzielt worden sei, folge bereits daraus, daß die Erzielung des Mindestumsatzes von
18DM 5.785.000,00 für die Entstehung eines Provisionsanspruchs nicht hinweg gedacht werden könne.
19Im Berufungstermin haben die Parteien unstreitig gestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend soweit für erledigt erklärt worden ist bzw. wird, als die vom Kläger angemeldete Forderung auch in Höhe des Teilbetrages von DM 3.640,52 zur Konkurstabelle sowie das vom Kläger beanspruchte Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO in Höhe von insgesamt DM 31.870,52 vom Konkursverwalter anerkannt worden ist. Gleichzeitig haben die Parteien klargestellt, daß sich die Streitigkeit auf das vom Kläger angemeldete Vorrecht in Höhe eines Restbetrages von insgesamt DM 63.741,00 beschränkt.
20Der Beklagte beantragt,
21mit der Maßgabe der aus der Erledigungserklärung folgenden Einschränkung unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
22Der Kläger beantragt,
23die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
24Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt nach wie vor die Auffassung, daß die von ihm erzielten Provisionsansprüche in der unstreitigen Höhe von
25DM 91.971,00 nebst Zinsen von DM 3.640,52 ausschließlich durch seine Dienstleistungen in dem privilegierten Zeitraum ab dem 30.09.1993 verdient worden seien. Nach der vorliegenden Provisionsregelung sei die 4 %ige Provision erst zur Entstehung gelangt, nachdem er den vorgegebenen Mindestumsatz im Jahre 1993 von DM 5.785.000,00 überschritten habe. Verprovisioniert worden sei nicht der Mindestumsatz, sondern nur der über dem Mindestumsatz noch im verbleibenden Zeitraum verdiente Betrag.
26Im übrigen haben die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und gemäß den im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätzen ergänzt, auf deren vorgetragenen Inhalt wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28 29Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
30Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß dem Kläger hinsichtlich der von ihm zur Konkurstabelle angemeldeten Incentive-Provisionen insgesamt das Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zusteht, weil es sich hierbei um Provisionen für die vom Kläger erst ab Oktober 1993 erzielten Umsätze handelt, die somit in den bevorrechtigten Jahreszeitraum vor Konkurseröffnung fallen.
31Die hiergegen vorgebrachten Berufungsangriffe rechtfertigen keine abändernde Entscheidung.
32Auch soweit der Streitgegenstand im Berufungsverfahren auf die Feststellung der Anmeldung der Incentive-Provisionen zur Konkurstabelle mit dem Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO auf das vom Konkursverwalter nicht anerkannte und bestrittene Vorrecht hinsichtlich eines Rest-Teilbetrages von DM 63.741,00
33beschränkt worden ist, konnte dem diesbezüglichen Feststellungsantrag des Klägers der Erfolg nicht versagt bleiben.
34Nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO werden rückständige Vergütungsforderungen aus dem Arbeitsverhältnis nur dann als vorrangige Konkursforderungen berücksichtigt, wenn es sich dabei um Rückstände für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens handelt. Nach h. A. sind diese Voraussetzungen dann gegeben,
35wenn die zu entlohnenden Dienste innerhalb dieser Frist geleistet worden sind (vgl. BAG, Urteil vom 04.06.1985 - 3 AZR 355/83 - AP Nr. 19 zu § 61, § 59 KO m. w. N.).
36Die vom Kläger zur Konkurstabelle angemeldeten Incentive-Provisionen in einer Gesamthöhe von DM 91.971,00 nebst Zinsen von DM 3.640,52 sind Vergütungsforderungen, die dem Kläger ausschließlich für seine Dienstleistungen innerhalb des bevorrechtigten Jahreszeitraums vor Konkurseröffnung zustehen. Nach der vertraglichen Ausgestaltung der den angemeldeten Provisionsansprüchen zugrundeliegenden Incentive-Regelung sind die vom Kläger erzielten Provisionen keineswegs davon abhängig, daß das Arbeitsverhältnis während einer bestimmten Zeit, d. h. zwölf Monate im Kalenderjahr bestanden hätte, sondern ausschließlich davon, daß der Kläger einen bestimmten Umsatz, der über einen vorgegebenen Soll-Umsatz hinausgeht, erzielt hat. Diese vertraglich durch Überschreitung einer Umsatzvorgabe konkretisierte Dienstleistung sollte vergütet werden, wenn sie im Laufe des Kalenderjahres erbracht wird, was nach der Provisionsregelung mit Ausnahme des festgelegten Stichtages für den Auftragseingang mit dem 31.12.1993 von vornherein an keinen bestimmten Zeitraum/Monate des Jahres geknüpft worden ist. Die mit der Incentive-Provision zu vergütende Dienstleistung kann vielmehr nach der vertraglichen Ausgestaltung ebensogut in den ersten sechs Monaten des Jahres wie in den letzten sechs bzw. drei Monaten erbracht werden. Eine Zuordnung dieser Vergütung zu einem bestimmten Zeitraum ist nur insoweit möglich, als die über die Umsatzvorgabe hinausgehende Leistung, die zusätzlich mit einer Provision zu vergüten ist, in einem bestimmten Zeitraum fällt, der dann auch für die Bestimmung der konkursrechtlichen Rangordnung der durch diese Leistung begründeten Ansprüche maßgeblich ist.
37Da nach dem unstreitigen Sachverhalt der Kläger die Umsatzsollvorgabe für das Kalenderjahr 1993 erst durch seine Dienstleistungen ab Oktober 1993 überschritten hat, fallen damit die von ihm erzielten Incentive-Provisionen in das bevorrechtigte Jahr vor Konkurseröffnung. Auch soweit der Beklagte demgegenüber einwendet, daß der Kläger ohne die vorausgegangene Dienstleistung die Umsatzsollvorgabe durch seine Tätigkeit innerhalb des bevorrechtigten Zeit-
38raums nicht habe überschreiten können, kann nur auf den Inhalt der zugrundeliegenden Incentive-Regelung verwiesen werden, nach der nicht eine zusätzliche Vergütung der Dienstleistung des Klägers bis zum Erreichen der Umsatzvorgabe, sondern erst der Dienstleistung vorsieht, durch die ein Mehrumsatz
39erzielt wird.
40Dem Feststellungsbegehren des Klägers konnte nach allem der Erfolg nicht versagt bleiben.
41Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 91 a Abs. 1 ZPO.
42Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war die Revision zuzulassen.
43R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
44 45Gegen dieses Urteil kann von dem Beklagten
46R e v i s i o n
47eingelegt werden.
48Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
49Die Revision muß
50innerhalb einer Notfrist von einem Monat
51 52nach der Zustellung dieses Urteil schriftlich beim
53Bundesarbeitsgericht
54Graf-Bernadotte-Platz 5,
5534119 Kassel
56 57eingelegt werden.
58Die Revision ist gleichzeitig oder
59innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
60 61schriftlich zu begründen.
62Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
63Roden Münks Lorenz