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Verstößt ein Arbeitnehmer trotz wiederholter Abmahnungen erneut gegen ein in einem Betrieb zwingend vorgeschriebenes Rauchverbot (hier: Frischfleischverarbeitungsbetrieb), kann eine Kündigung auch bei langjähriger Betriebszugehörigkeit sozial gerechtfertigt sein.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Wesel vom 22.01.1997 - 3 Ca 3287/96 - wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
2. Streitwert: unverändert (11.700,-- DM).
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
3Bei der Beklagten handelt es sich um einen Schlacht- und Frischfleischverarbeitungsbetrieb mit rund 90 Arbeitnehmern. Der Betrieb unterliegt den Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes einschließlich der hierzu erlassenen Verordnung über die hygienischen Anforderungen und amtlichen Untersuchungen beim Verkehr mit Fleisch (Fleischhygiene-Verordnung - FlHVO - vom 30.10.1986 in der Fassung vom 15.03.1995, BGBl. I S. 327). Nach Anlage 2 Kapitel II dieser Verordnung darf neben sonstigen hygienerechtlichen Vorschriften in Räumen, in denen Fleisch gewonnen, zubereitet oder behandelt wird, unter anderem nicht geraucht werden. Auf das Rauchverbot ist im Betrieb der Beklagten durch entsprechende Beschilderung hingewiesen.
4Der zur Zeit 49-jährige Kläger - geboren am 15.02.1948 - war seit April 1982 bei der Beklagten mit einem Monatslohn von zuletzt rund 3.900,-- DM brutto als Fleischzerleger beschäftigt. Die Arbeit erfolgt am Band, an dem laut Angaben des Klägers etwa 280 Schweine pro Stunde zerlegt werden.
5Mit Schreiben vom 05.03.1992 wandte die Beklagte sich unter anderem an den Kläger und wies auf das Rauchverbot und die Beachtung der Fleischhygiene-Verord-nung hin. Mit Schreiben vom 30.03.1994 und unter Hinweis auf das vorherige Schreiben vom 05.03.1992 erteilte sie dem Kläger eine Abmahnung, da er trotz strikten Rauchverbots in der Vergangenheit erneut mehrfach rauchend angetroffen worden sei und am 30.03.1994 wiederum gegen das Rauchverbot verstoßen habe. Mit weiterem Schreiben vom 02.08.1995 erteilte sie dem Kläger unter Hinweis auf frühere Abmahnungen und unter Hinweis auf verschiedene Mitteilungen an die Mitarbeiter letztmalig schriftlich eine Abmahnung (Bl. 10 d. A.), da der Kläger erneut rauchend angetroffen worden sei.
6In der Nacht vom 16.08. auf den 17.08.1996 soll der Kläger in der Zerlegehalle und ebenso am 19.08.1996 gegen 19.45 Uhr beim Betreten der Zerlegehalle wiederum jeweils rauchend angetroffen worden sein. Nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 19.08. und 20.08.1996 und dessen Stellungnahme vom 27.08.1996 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.08.1996 zum 31.01.1997. Mit der am 04.09.1996 beim Arbeitsgericht Wesel eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Rechtswirksamkeit dieser Kündigung. Hierzu hat er vorgetragen:
7Richtig sei es zwar, daß er etwa am 16.08.1996 an der Schwingtür zur Zerlegehalle noch geraucht und dort dann seine Zigarette ausgemacht habe. Richtig sei auch, daß er ein anderes Mal bei Schichtende sich im Reinigungsbereich bereits eine Zigarette angezündet habe. Am 19.08.1996 habe er seine Zigarette noch vor Betreten der Zerlegehalle draußen gelöscht. Jedoch habe die Beklagte die Hygienevorschriften insgesamt nicht so streng eingehalten, sondern lax gehandhabt. So würde die Zerlegehalle von anderen Mitarbeitern oder Arbeitnehmern anderer Firmen in Straßenkleidung durchquert. Andere wiederum brächten Speisen mit und verzehrten diese am Arbeitsplatz in der Zerlegehalle. Erhebliche Mengen Alkohol würden getrunken. Auf den Boden gefallenes Fleisch werde zur Weiterverwertung geworfen. Schutzkleidung werde beim Benutzen der Toilette nicht vollständig abgelegt. Die Einhaltung der Hygienevorschriften sei insgesamt nicht ausreichend gewährleistet. Wenn die Beklagte dies alles im größerem Umfang dulde, verstoße es gegen die Gleichbehandlung, gegen einen Arbeitnehmer vorzugehen und die anderen zu schonen. Auch sei es so, daß die hier streitige Kündigung als Druckmittel von der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat wegen anderweitiger betriebsverfassungsrechtlicher Auseinandersetzungen benutzt werde.
8Der Kläger hat beantragt,
9festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
10Kündigung der Beklagten vom 29.08.1996 nicht aufgelöst worden
11ist.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat vorgetragen: Es treffe nicht zu, daß die Kündigung als sogenanntes Druckmittel gegenüber dem Betriebsrat benutzt werde. So stammten die Abmahnungen gegenüber dem Kläger zum Teil bereits aus einer Zeit, als es noch keinen Betriebsrat bei der Beklagten gegeben habe. Auch versuche der Kläger, seine wiederholten Verstöße gegen das strikte Rauchverbot mit angeblichen Verstößen anderer Mitarbeiter zu rechtfertigen, ohne hierfür einen substantiierten Sachvortrag zu liefern. Selbst wenn es anderweitige Verstöße gebe, die der Geschäftsleitung lediglich nicht bekannt geworden seien, ändere dies nichts an dem wiederholt beanstandeten Fehlverhalten des Klägers. Die Beklagte sei an die Hygienevorschriften gebunden, bei deren Nichtbeachtung sie Ordnungswidrigkeiten begehe, die vom Veterinäramt geahndet würden. Von einer Laxheit bei der Einhaltung der Hygienevorschriften könne keine Rede sein. Gerade deshalb sei es auch nicht hinnehmbar, daß der Kläger trotz wiederholter und intensiver Abmahnung immer wieder gegen das strikte Rauchverbot verstoße.
15Das Arbeitsgericht hat im Termin am 22.01.1997 über die streitigen Verstöße des Klägers Beweis erhoben. Auf das Beweisergebnis (Bl. 50 - 51 d. A.) wird verwiesen. Mit Urteil ebenfalls vom 22.01.1997 - 3 Ca 3287/96 - hat es die Klage sodann abgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, daß der Kläger trotz Abmahnung wiederholt gegen das Rauchverbot verstoßen habe.
16Mit der Berufung, die zu den im Terminsprotokoll vom 17.06.1997 näher genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet worden ist, wendet sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage. Er macht weiterhin geltend, nicht am Zerlegetisch geraucht zu haben, sondern nur in Randbereichen außerhalb der Rauchverbotszonen. Im übrigen habe die Beklagte mit der Kündigung übermäßig reagiert.
17Eine letzte scharfe Abmahnung wäre im Rahmen einer Interessenabwägung als ausreichend anzusehen gewesen.
18Der Kläger beantragt,
19das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und
20entsprechend seinen erstinstanzlichem Antrag zu erkennen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Akteninhalt sowie auf den sonstigen Parteivortrag Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25I.
26Die Berufung des Klägers ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).
27II.
28In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage auch aus der Sicht des Berufungsgerichts zutreffend abgewiesen. Die Kündigung ist im Gegensatz zur Auffassung des Klägers nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Vielmehr sind Gründe gegeben, die im Verhalten des Klägers liegen.
291. a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß ein wiederholter Verstoß gegen ein im Betrieb bestehendes Rauchverbot jedenfalls nach zuvor erfolgter Abmahnung zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen kann, bei Übertretung eines betriebserheblichen Rauchverbots auch zu einer fristlosen Kündigung (vgl. Nachweise bei Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl. 1996, § 125 VII 30, Seite 1142; KR-Hillebrecht, 4. Aufl. 1996, § 626 BGB Rdn. 329; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz, 6. Aufl. 1995, Rdn. 533). Dies gilt nach Auffassung der erkennenden Kammer jedenfalls dann, wenn ein betriebliches Rauchverbot zur Verrichtung näher bezeichneter Arbeiten gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, Verstöße hiergegen als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden und ein Betrieb bei wiederholten Verstößen gegen ein bestehendes Rauchverbot aufsichtsrechtlich mit erheblichen Nachteilen, gegebenenfalls auch mit einem Konzessionsentzug zu rechnen hat.
30b) So verhält es sich hier. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 FlH-Verordnung darf Fleisch nur in Betrieben gewonnen, zubereitet und behandelt werden, die die Anforderungen
31einer hierzu erlassenen Anlage 2 erfüllen. Nach Kapitel II Nr. 2 dieser Anlage besteht unter anderem ein Rauchverbot. Verstöße hiergegen stellen gemäß § 18 FlHVO Ordnungswidrigkeiten dar. Sie können außerdem zum Konzessionsentzug führen. Die Beklagte, die für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Auflagen verantwortlich ist, muß also schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen darauf bedacht sein, hiergegen nicht selbst zu verstoßen und zudem etwaige Verstöße der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer zu unterbinden. Hierzu zählen insbesondere auch Verstöße gegen das betriebliche Rauchverbot.
322. Hier hat der Kläger wiederholt und in Kenntnis der bestehenden Rauchverbotsvorschriften gegen dieses Verbot verstoßen. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sieht es auch das Berufungsgericht als erwiesen an, daß der Kläger, wie er sinngemäß behauptet, nicht nur außerhalb der Rauchverbotsräume geraucht hat, sondern auch innerhalb dieser Räume. So hat der Zeuge S. bestätigt, gesehen zu haben, daß am 19.08.1997 die Zigarette noch qualmte , als der Kläger sich im Verladeraum aufhielt. Auch dort besteht das Rauchverbot, da - wie der Zeuge weiter ausgeführt hat - dort offenes Fleisch liegt, steht und hängt. Der Kläger kann sich daher nicht mit Erfolg exkulpieren, wenn er noch im Termin vor dem Arbeitsgericht am 22.01.1997 eher verschleiernd behauptet hat, am 19.08.1996 nicht rauchend die Zerlegeräume betreten zu haben. Letzteres mag zutreffen. Dafür hat er vor Betreten des Zerlegeraumes im Verladeraum geraucht, was an dem ihm vorgehaltenen Verstoß gegen das auch dort bestehende Rauchverbot nichts ändert. Ebenso hat der Zeuge H. M. bekundet, den Kläger wiederholt gesehen bzw. angetroffen zu haben, als dieser in Räumen mit Rauchverbot jeweils rauchte. Danach hat der Kläger in der Nacht vom 16. auf den 17.08.1996 selbst am Zerlegetisch, an dem Schweine zerlegt wurden, geraucht, ebenso am 19.08.1996 im Verladeraum, und zwar auch noch an der Eingangstür zum Zerlegeraum, als er diesen Raum betrat. Das Berufungsgericht sieht keinen Anlaß, diesen Aussagen der Zeugen nicht zu folgen, zumal die Aussagen im wesentlichen übereinstimmen und detaillierte Einzelheiten enthalten, die von den Zeugen ersichtlich nicht erfunden sind. Hinzu kommt, daß der Kläger in der Klageschrift (dort Seite 5) selbst zugibt, es mit dem Rauchverbot nicht so genau genommen zu haben, wenn er nach eigener Aussage auch im Reinigungsraum beim Reinigen seiner Schürze und der Messer sich bereits eine Zigarette angezündet hat. Auch den Inhalt der (zweiten) schriftlichen Abmahnung vom 02.08.1995 und den dort benannten Verstoß gegen das Rauchverbot bezeichnet der Kläger selbst als zutreffend (Bl. 5 d. A.), so daß trotz des teilweisen Bestreitens des Klägers dieser in der Tat wiederholt und trotz mehrmaliger mündlicher und schriftlicher Abmahnungen gegen das gesetzlich zwingend einzuhaltende Rauchverbot verstoßen hat.
333. Der Kläger kann sich gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, auch andere Mitarbeiter oder die Beklagte selbst hätten bestehende Hygienevorschriften nicht eingehalten. Zum einen geht es hier zunächst allein um das Rauchverbot. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß auch andere Mitarbeiter gegen das bestehende Rauchverbot verstoßen hätten und dies von der Beklagten hingenommen würde. Gerade die über einen langen Zeitraum gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Ermahnungen und Abmahnungen zeigen, daß die Beklagte nicht bereit war, Verstöße gegen das Rauchverbot mehr oder weniger stillschweigend hinzunehmen. Zum anderen mögen Verstöße anderer Mitarbeiter gegen weitere bestehende Hygienevorschriften vorgelegen haben. Es wäre Sache der Beklagten, derartige Verstöße zu unterbinden. Dies berechtigt den Kläger jedoch nicht, seinerseits immer wieder gegen das bestehende Rauchverbot zu verstoßen und der Beklagten im Ergebnis quasi das Recht abzusprechen, auf die Einhaltung des Rauchverbots zu bestehen.
344. Der Kläger mußte sich auch dessen bewußt sein, daß er mit den wiederholten Verstößen gegen das Rauchverbot seinen Arbeitsplatz gefährdet. Der Hinweis in dem Abmahnungsschreiben vom 02.08.1995, mit dem dem Kläger hiermit letztmalig schriftlich eine Abmahnung ausgesprochen worden ist, anderenfalls werde sogar eine fristlose Kündigung ausgesprochen, verdeutlicht dies in anschaulicher Weise. Die Kammer vermag dem Kläger nicht zu folgen, wenn er mit seiner Berufung vorträgt, bei seinen erneuten Verstößen sei die Beklagte gehalten gewesen, nochmals eine letzte scharfe Abmahnung auszusprechen. Diesen Grad der Abmahnung hatte der Kläger mit dem Abmahnungsschreiben vom 02.08.1995 ohnehin erreicht. Weiter Abmahnungen wären von ihm möglicherweise nicht mehr ernst genommen worden.
355. Soweit der Kläger in der Kündigung erstinstanzlich noch ein Druckmittel gegenüber dem Betriebsrat gesehen hatte, hat er dies zweitinstanzlich nicht weiter ausgeführt. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe hierzu im erstinstanzlichen Urteil wird daher Bezug genommen.
366. Auch die vom Kläger angesprochene Interessenabwägung führt nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Zwar ist der Kläger zur Zeit 49 Jahre alt und hat mit gut 14 Jahren eine relativ lange Betriebszugehörigkeit aufzuweisen. Sonstige in besonderem Maße zu seinen Gunsten zu berücksichtigende Umstände sind indessen weder vorgetragen noch in sonstiger Weise erkennbar. Demgegenüber hatte die Beklagte ein berechtigtes Interesse, die Verstöße des Klägers gegen das gesetzlich vorgeschriebene und behördlich überwachte Rauchverbot zu unterbinden, wollte sie nicht Gefahr laufen, andernfalls selbst Nachteile aufsichtsrechtlicher Art hinnehmen zu müssen. Nach den vergeblichen Abmahnungen gegenüber dem Kläger war die Beklagte nicht gezwungen, weitere Verstöße des Klägers praktisch hinzunehmen, sondern berechtigt, dem Kläger eine Kündigung unter Einhaltung der dafür maßgeblichen Frist auszusprechen.
37III.
38Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Streitwert blieb unverändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.
39R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
40Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.
41gez.: Dr. Kaup gez.: Harnischmacher gez.: Dolle