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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert: 1.000,00 €.
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers der Beklagten die dauerhafte Anbringung eines RFID-Chips und/oder RFID-Labels auf seinem Führerschein zu ermöglichen.
3Der Kläger ist seit dem H. bei der Beklagten, gegenwärtig als Fachkraft für Abwassertechnik, zu einem Bruttomonatsgehalt von durchschnittlich 4.100,00 € beschäftigt.
4Der Kläger nutzt zur Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit gelegentlich ein Dienstfahrzeug, das er in den letzten Jahren durch Einlesen einer ID-Karte in Betrieb nehmen konnte.
5Am 08.05.2023 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die ID-Karte nur noch bis zum 15.06.2023 nutzen könne. Danach müsse die ID-Karte durch einen RFID-Chip abgelöst werden, der durch die Fuhrparkleitung der Beklagten zusätzlich mit einem RFID-Label so auf den Führerschein des Klägers zu kleben sei, dass der RFID-Chip und das RFID-Label ohne Zerstörung nicht von dem Führerschein entfernt werden können. Durch das Auflegen des Führerscheins in Verbindung mit dem Chip sei dann zukünftig die Inbetriebnahme des Dienstfahrzeugs möglich, wodurch zugleich das ständige Vorhandensein der Fahrerlaubnis kontrolliert werde.
6Bei der Beklagten existiert hierzu eine interne Richtlinie (RL-Nr.: 01.179.00 – a) gültig vom 01.01.2023 bis 31.12.2023 betreffend die Nutzung von Dienstfahrzeugen. In dieser Richtlinie heißt es:
7„1.1.2 Führerscheinkontrolle
8Da die Führerscheinkontrolle elektronisch über das Portal Carsync erfolgt, ist es für Mitarbeitende zwingend erforderlich, einen RFID-Chip auf ihrem gültigen Führerschein zu haben.
9Mit Veröffentlichung und Unterzeichnung dieser Richtlinie entfällt die Gültigkeit der alten Fahrerkarten!
10Die Prüfung des Führerscheins selbst erfolgt auch über das Portal Carsync.
11…“
12Außerdem existiert bei der Beklagten eine Rahmenbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung von Hard- und Software bei der R.. Hierzu gibt es die Betriebsvereinbarung „Digitale Fahrtenbücher in der V. Unternehmensgruppe“ gültig ab 25.10.2018, deren Ziel es ist, durch die Führung des elektronischen Fahrtenbuches die ordnungsgemäße Nutzung der Fahrzeuge und damit eine eindeutige Abgrenzung zwischen Privat- und Dienstfahrten gegenüber den Steuerbehörden zu dokumentieren (vgl. Blatt 78ff. der Akte).
13In dieser Betriebsvereinbarung ist festgehalten, welche steuerrechtlich relevanten Informationen mithilfe der Log-Box ermittelt werden, wobei eine Differenzierung für geschäftliche Fahrten und zu dokumentierende Privatfahrten vorgesehen ist (vgl. Blatt 80 der Akte). Ebenso wird in dieser Betriebsvereinbarung der Leistungs- und Systemumfang beschrieben. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 81 der Akte verwiesen. Auch enthält diese Betriebsvereinbarung eine Regelung zur Auswertung der verarbeiteten Daten und zu den Zugriffsmöglichkeiten (vgl. Blatt 82ff. der Akte).
14Mit Schreiben vom 15.05.2023 wandte sich der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und vertrat die Auffassung, dass die Anordnung der Beklagten unter verschiedenen Gesichtspunkten unwirksam sei (vgl. Blatt 8ff. der Akte).
15Mit Schreiben vom 30.05.2023 teilte die Beklagte dem Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mit, dass sie seine Rechtsauffassung nicht teile und an der Handhabung festhalte (vgl. Blatt 10f. der Akte).
16Mit seiner am 13.06.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Anweisung der Beklagten und vertritt die Auffassung, dass die Weisung der Beklagten nicht billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB entspreche, da mildere Mittel denkbar seien. Insbesondere könne er den RFID-Chip getrennt von seinem Führerschein aufbewahren. Ebenso sei er bereit, bei der Nutzung von Dienstfahrzeugen sowohl seinen Führerschein als auch die ID-Karte oder einen RFID-Chip zur Inbetriebnahme des Dienstfahrzeuges bei sich zu führen.
17Darüber hinaus stehe sein privater Führerschein im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und stelle eine öffentliche Urkunde dar. Durch Aufkleben eines Datenträgers werde eine zusammengesetzte Urkunde hergestellt und damit der Erklärungsinhalt der Ursprungsurkunde verändert. Hierdurch werde die Ursprungsurkunde ungültig und schade möglicherweise sogar seiner Fahrerlaubnis. Außerdem werde zumindest die letzte Nutzung des Fahrzeugs gespeichert und damit auch das Verhalten des Arbeitnehmers überwacht, so dass eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nach § 87 BetrVG vorliege. Eine Beteiligung des Betriebsrats habe es nicht gegeben.
18Der Kläger beantragt,
19es wird festgestellt, dass er nicht verpflichtet ist, der Beklagten die dauerhafte Anbringung eines sogenannten RFID-Chip und/oder RFID-Label auf seinem Führerschein zu ermöglichen oder eine solche zu dulden.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie im Rahmen ihres Direktionsrechts berechtigt sei, die entsprechende Anweisung zu erteilen und es unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte kein milderes Mittel gebe.
23In ihrem Unternehmensbereich (V. Q., V. W. und ihres eigenen Bereiches) seien ca. 3.000 Mitarbeiter an neuen Standorten beschäftigt, wovon ungefähr 2.050 Mitarbeiter befugt oder verpflichtet seien, Fahrzeuge der Beklagten zu führen. Dementsprechend müsse sie die Führerscheine sämtlicher dieser Mitarbeiter kontrollieren, da sie als Halter der Fahrzeuge eine Vielzahl von Verpflichtungen nach § 31 Abs. 2 StVZO habe. Ein zentraler Bestandteil sei die Kontrolle der Fahrerlaubnis für den jeweiligen Fahrer ihrer Fahrzeuge.
24Die bisherige Führerscheinkontrolle sei bei ihr händisch geführt worden. Dazu hätten die Mitarbeiter im Turnus von ca. 4 Wochen den Führerschein am jeweiligen Standort vorlegen müssen, so dass es an allen neuen Standorten Personen habe geben müssen, die diese Kontrollen durchgeführt hätten. Dies stelle einen erheblichen Verwaltungsaufwand dar und bedürfe auch eines erheblichen Schulungsbedarfes der Mitarbeiter an den verschiedenen Standorten. Durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle müsse der Führerschein des Mitarbeiters nur einmal händisch geprüft und mittels eines RFID-Labels mit dem vorhandenen System verknüpft werden. Das Label könne nicht ohne Zerstörung von dem Führerschein abgelöst werden und sei somit manipulationssicher. Durch das Vorhalten des Labels an das Lesegerät sei es somit sichergestellt, dass der Mitarbeiter im Besitz eines gültigen Führerscheins sei. Der Mitarbeiter, auf dessen Führerschein sich dieses RFID-Labels befinde, könne den Führerschein an die Kontroll-Box des Fahrzeugs halten, damit diese freigeschaltet werde. Er sei dann in der Lage das Fahrzeug zu starten. Diese Kontrollfunktion sei bisher durch die Fahrerkarte erfolgt. Durch die Verbindung des RFID-Labels mit dem Führerschein des Mitarbeiters werde der Führerschein des Mitarbeiters kontrolliert (§§ 31 StVZO, 21 StVG) und es könne nachvollzogen werden, welcher Mitarbeiter welches Fahrzeug wann gefahren sei (§ 31a StVZO).
25Im Rahmen des billigen Ermessens seien somit ihre gesetzlichen Verpflichtungen als Halterin der Fahrzeuge und der ihr obliegende Verwaltungsaufwand abzuwägen mit den Interessen des Klägers. Die vom Kläger befürchteten strafrechtlichen Sanktionen seien nicht zu erkennen. Insbesondere werde auch auf die kleine Anfrage im Landtag Baden-Württemberg verwiesen, die ebenfalls von einer straffreien Verwendung des Labels auf dem Führerschein ausgehe. Hinzu käme, dass der Kläger das Label gegebenenfalls rückstandsfrei von seinem Führerschein entfernen könne, falls er im In- oder Ausland Schwierigkeiten bei einer Fahrzeugkontrolle hätte. Er habe dann nur die Verpflichtung, sich bei der Beklagten ein neues Label geben zu lassen, was jederzeit erfolgen werde. Eine Beeinträchtigung der Lesbarkeit der Führerscheinkarte durch das Label erfolge unstreitig nicht.
26Eine weitere Beteiligung des Betriebsrates sei nicht erforderlich gewesen, da das System des RFID-Labels bereits in der Vergangenheit genutzt worden sei. Bisher sei es lediglich in der Fahrerkarte integriert gewesen, mit der das Fahrzeug freigeschaltet wurde und das elektronische Fahrtenbuch geführt worden sei, für das es eine separate Betriebsvereinbarung gebe. Weder das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG noch nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei berührt, da durch die Anordnung das Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer untereinander nicht berührt werde. Ebenso wenig finde eine Verhaltens- und Leistungskontrolle statt, da durch das Modul elektronischer Führerschein nur der Name des Fahrers, die Prüfung des Führerscheins (entweder im Fahrzeug oder am Schlüsselkasten) und die Uhrzeit, zu der der Führerschein zuletzt geprüft wurde, gesehen werden könne. Ob und wann vor der letzten Prüfung elektronische Kontrollen des Führerscheins stattgefunden haben, könne im Modul elektrischer Führerschein nicht gesehen werden.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29Die Klage ist unbegründet.
30I.
311.
32Das vertragliche Weisungsrecht umfasst die Befugnis, gegenüber dem Kläger anzuordnen, den RFID Chip und/oder das RFID Label auf seinen Führerschein kleben zu lassen.
33Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.
34Eine einzelvertragliche Regelung zwischen den Parteien oder eine Betriebsvereinbarung speziell für die Führerscheinkontrolle existiert nicht.
35Die Ausübung des Weisungsrechtes durch die Beklagte muss billigem Ermessen entsprechen. Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Verlangt wird hierbei eine „Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Verpflichtungen und Unterhaltsverpflichtungen“ (BAG 28.08.2013, 10 AZR 569/12, zitiert nach juris). Hierbei ist auch zu beachten, inwieweit die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht (BAG 13.06.2012 – 10 AZR 296/11 -, zitiert nach juris).
36Im vorliegenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass auf Seiten der Beklagten die Verpflichtung besteht, eine Führerscheinkontrolle als eine gesetzliche Verpflichtung durchzuführen und der Beklagten besondere Halterpflichten nach dem Gesetz obliegen. Durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle schafft die Beklagte ein System, dass es ihr ermöglicht, nachzuweisen, dass der betreffende Fahrer ihrer Fahrzeuge jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Fahrt im Besitz eines Führerscheindokumentes ist, den sie beim Aufkleben des Labels auf seine Gültigkeit kontrolliert hat. Damit entfällt für die Beklagte die Verpflichtung, die Führerscheinkontrolle in regelmäßigen Abständen, sei es vierwöchig oder halbjährig, durchzuführen. Da das Label nicht von dem Führerschein entfernt werden kann, ohne sich selber zu zerstören, besteht für den Fahrer der Fahrzeuge nur dann die Möglichkeit, ein Fahrzeug zu starten, wenn er seinen Führerschein vor die Log-Box oder die Schlüsselbox hält und somit eine Freigabe des Fahrzeugs erzeugt wird. Soweit der Kläger darauf verweist, dass es in der Zwischenzeit andere – aus seiner Sicht auch bessere – Möglichkeiten der Führerscheinkontrolle gibt, ist darauf zu verweisen, dass es der Beklagten als unternehmerische Entscheidung obliegt, welches Kontrollsystem sie in ihrem Unternehmen einsetzen möchte, solange sie sich im Rahmen ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen bewegt.
37Zugunsten der Beklagten ist außerdem zu berücksichtigen, dass durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle ein erheblicher Verwaltungs- und Schulungsaufwand vermieden wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im gesamten Unternehmen rund 2.050 berechtigte Mitarbeiter hat, die berechtigt sind, ein Dienstfahrzeug zu führen. Die regelmäßige Kontrolle der Führerscheine dieser Mitarbeiter bedeutet einen erheblichen Personal- und Zeitaufwand. Darüber hinaus birgt die händische Kontrolle die Gefahr, dass die Mitarbeiter zwischen den Prüfungsintervallen auch ohne einen Führerschein das Fahrzeug bewegen. Selbst wenn ihnen dies weder nach dem Gesetz noch nach den Richtlinien der Beklagten erlaubt ist, so würde ein eventueller Verstoß der Fahrer gegebenenfalls dennoch einen Haftungstatbestand der Beklagten als Halterin der Fahrzeuge nach sich ziehen können.
38Auf der anderen Seite steht das Interesse des Klägers, seinen, im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Führerschein nicht durch das entsprechende Label zu verändern. Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass das Label die elektronische Lesbarkeit des Dokumentes nicht beeinträchtigt. Allerdings sind Sanktionen gegen die Mitarbeiter aufgrund des Aufklebens des Labels nicht auszuschließen. Die Befürchtung des Klägers, es könne bei einer Polizeikontrolle oder bei einer Fahrt ins Ausland zu Schwierigkeiten kommen, ist nicht völlig unbegründet. Allerdings besteht dann die Möglichkeit, das Label rückstandslos und ohne Veränderung des Führerscheins von diesem abzukratzen und so der kontrollierenden Behörde das Original-Dokument ohne sichtbare Veränderung vorzulegen. Auch ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf diese Befürchtungen bereits Anfragen im Landtag Baden-Württemberg gegeben hat, die in diesem Bundesland jedenfalls dahingehend beantwortet wurden, dass keine Bedenken im Hinblick auf das Anbringen des Labels auf dem Führerschein bestehen.
39Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er bisher die Fahrerkarte im Fahrzeug hat stecken lassen können, um das Fahrzeug zu starten, er das aber mit seinem Führerschein nicht tun wolle, vertritt das Gericht die Auffassung, dass das Herausziehen des Führerscheins beim Verlassen des Fahrzeuges, das Wegpacken des Führerscheins und das wieder Hervorholen des Führerscheins, um den Startvorgang des Fahrzeugs zu ermöglichen, eine zumutbare Handlung ist, wenn man sie abwägt mit den gesetzlichen Verpflichtungen der Beklagten und deren Verwaltungsaufwand. Hinzu kommt zugunsten des Klägers, dass sich dieser zukünftig nicht mehr alle vier Wochen bei dem Fuhrparkleiter oder einem sonstigen Standortmitarbeiter zur Kontrolle seines Führerscheins einfinden muss.
40Auf Seiten des Klägers sind somit keine Einschränkungen zu erkennen, die im Rahmen der Interessensabwägung zu einem überwiegenden Interesse des Klägers führen.
412.
42Der Kläger könnte mit seiner Klage daher nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn ein Mitbestimmungsrecht verletzt wäre. Für diese konkrete Verletzung eines Mitbestimmungsrechtes, das nicht bereits durch die bestehende Betriebsvereinbarung beachtet worden ist, gibt es keine Anhaltspunkte.
43a)
44Ein Verstoß gegen § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle liegt nicht vor, da das „Wie“ der Führerscheinkontrolle über das System des RFID-Labels bei der Beklagten über die Verpflichtung zur Nutzung der Fahrerkarte zur Freischaltung des Fahrzeuges und zur Nutzung des elektronischen Fahrtenbuches bereits durch die Betriebsvereinbarung geregelt ist.
45Bei der Beklagten wurde auch in der Vergangenheit das System des RFID-Labels genutzt, in dem es auf der Fahrerkarte integriert war. Der Unterschied zur jetzigen Verwendung ist lediglich, dass das RFID-Label nicht mehr auf einer separaten Fahrerkarte aufgebracht wird, sondern auf dem Führerschein des jeweiligen Arbeitnehmers. Das „Wie“ der Kontrolle zur Nutzung der Dienstfahrzeuge ist durch die Betriebsvereinbarung bereits geregelt. Das Anbringen des Labels auf dem Führerschein und die gleichzeitige Verwendung des Systems auch als Führerscheinkontrolle löst darüber hinaus kein gesondertes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG aus.
46Gegenstand der Mitbestimmung des § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber kraft seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ausübt. Es umfasst die allgemeine betriebliche Ordnung und dass Verhalten der Arbeitnehmer, soweit deren Zusammenleben und Zusammenwirken berührt wird und damit ein Bezug zur betrieblichen Ordnung besteht. Hiervon zu unterscheiden ist das nicht mitbestimmte Arbeitsverhalten, dass die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar konkretisiert. So gehören Anweisungen wie z. B. das An- und Abmelden von Arbeitnehmern beim Verlassen des Betriebes nicht zu den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten, da hierdurch nicht das Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer untereinander berührt wird. Gleiches gilt für den vorliegenden Fall. Die Führerscheinkontrolle betrifft nicht das kollektivgeschützte Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer untereinander, sondern findet ausschließlich im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber statt.
47b)
48Ebenso wenig liegt ein Verstoß im Hinblick auf die Mitbestimmung nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG vor.
49Die Betriebsvereinbarung „digitale Fahrtenbücher“ regelt in der Unteranlage § 7 Absatz 5 Nr. 1 – Auswertungen -, welche Auswertungen über das RFID-Label stattfinden. Hier werden in dem digitalen Fahrtenbuch die Auslastungszeiten, die Laufleistung, die Fahrzeugführer und die Kraftstoffverbräuche festgehalten, soweit es sich um eine dienstliche Fahrt handelt. Darüber hinaus werden für die Privatfahrten die Fahrzeuge mit Kilometerpreis, der Kilometerstand, die Kennzeichnung Privatfahrt sowie die Personalnummer und das Datum festgehalten. Außerdem ergibt sich unter § 7 Absatz 5 Nr. 2, welche Zugriffsberechtigungen die Nutzer, die Fahrzeugverantwortlichen und die Führungskraft haben. Außerdem ist geregelt, dass die verarbeiteten Daten ausschließlich für die unter Unteranlage § 7 Absatz 6 Nr. 2 beschriebenen Zwecke genutzt werden dürfen.
50Die Beklagte hat durch ihren Fuhrparkleiter im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals darstellen lassen, welche Daten bei dem Modul elektronischer Führerschein sichtbar sind. Diese Ausführungen des Fuhrparkleiters wurden von dem Kläger mit Nichtwissen bestritten. Eine Beweisaufnahme oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens war jedoch entbehrlich, da selbst dann, wenn auf dem Modul „elektronischer Führerschein“ auch die jeweiligen Fahrten des Arbeitnehmers zu sehen sein würden, diese Fahrten in dem Modul elektronisches Fahrtenbuch zusammengeführt werden, für das es eine Betriebsvereinbarung gibt, die sowohl das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 als auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abdeckt.
51Durch den Führerschein und das darauf befindliche Label kann das Fahrzeug jeweils gestartet werden. Dadurch wird die gefahrene Strecke protokolliert. Alle diese möglichen Protokollierungsdaten sind aber bereits in der Betriebsvereinbarung elektronisches Fahrtenbuch berücksichtigt worden. Darüberhinausgehende, technische Aufzeichnungen, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen, sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen.
52Dies gilt insbesondere auch unter dem Aspekt, dass der Kläger während der gesamten Verhandlung mitgeteilt hat, dass er gegen die Nutzung des RFID-Labels an sich überhaupt keine Bedenken hat, sondern dieses Label nur nicht auf seinem Führerschein aufgebracht werden soll. Ebensowenig hat der Kläger Einwendungen gegen die Führerscheinkontrolle an sich vorgebracht. Auf ausdrückliche Nachfrage der Kammer im Termin hat er zu verstehen gegeben, dass er bisher die Fahrerkarte einmal in die Logbox im Auto einstecken musste, während er jetzt seinen Führerschein beim Verlassen des Fahrzeuges immer mit rausnehmen und bei Fortsetzung der Fahrt wieder einstecken müsse. Dies mag auf Seiten des Klägers zwar nicht mehr so bequem und leicht zu handhaben zu sein wie früher, ist aber im Verhältnis zu dem Verwaltungsaufwand der Beklagten und den gesetzlichen Vorschriften, die die Beklagte zu beachten hat, zu vernachlässigen.
53Die Anordnungen der von der Beklagten beabsichtigten Maßnahme zur Anbringung des RFID-Labels ist damit im Verhältnis zum Kläger wirksam, da auch sämtliche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates von der Beklagten beachtet wurden.
543.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Absatz 2 ArbGG, § 91 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 Absatz 1 ArbGG, § 3 ZPO im Urteil festzusetzen. Er gilt zugleich als Wertfestsetzung gemäß § 63 II GKG.
56P.